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Ägyptologie Forum >> Schrift & Sprache


1) Inschrift Hatschepsut Totentempel
 Ole am 04.01.2020 um 11:58:15 - Anhang: PA144696_DxO.jpg

Hallo, bin neu hier und möchte mich mit Hieroglyphen beschäftigen

Die Inschrift auf dem Foto ist von dem Altar des Sonnenheiligtums. Davor ist eine weggemeisselte Kartusche (vermutlich von Hatschepsut).

Habe versucht das anhand der Gardinerliste zu entschlüsseln.

Ich sehe
ein Sandkorn mit Wachtelküken (geh weg)
Schopfibis in komb. mit Brotkorb (Königsgrab)
Hacke+2xSchilf (verlangen, Liebe)
Kegelbrot, Leben

Also übersetzt
Geh weg von dem Grab, wenn Dir Dein Leben lieb ist?

Macht auf einem Altar keinen Sinn oder?

Hier ist sicher jemand der die richtige Übersetzung kennt.

Danke im voraus


2) Re: Inschrift Hatschepsut Totentempel
 naunakhte am 04.01.2020 um 14:23:38 - Anhang: Karkowski_Solar_Komplex_Seite_250.jpg

Hallo Ole,

herzlich willkommen im Forum.
Deine Identifizierung der Zeichen hakt am Anfang noch etwas.

Ich habe dir aus der Publikation
Deir El-Bahari VI
Janusz Karkowski: The Temple of Hatshepsut. The Solar Komplex; Warschau 2003 Seite 250
eine Umzeichnung der Inschrift der Ostseite des Alters angehängt.

Vielleicht kannst du die Zeichen nun leichter den Zeichen der Gardiner Liste zuordnen.
Vielleicht notierst du dann auch die Gardiner Nummer dazu.

Viel Erfolg beim neuen Versuch
nauna

> Antwort auf Beitrag vom: 04.01.2020 um 11:58:15


3) Re: Inschrift Hatschepsut Totentempel
 Michael Tilgner am 04.01.2020 um 14:44:04

Hallo, Ole,

Zitat:
Also übersetzt
Geh weg von dem Grab, wenn Dir Dein Leben lieb ist?

Macht auf einem Altar keinen Sinn oder?

In der Tat; das ergibt keinen Sinn!

Nauna hat einen Teil der weggemeißelten Inschrift hinzugefügt. Es handelt sich - wie Du schon vermutet hast - um die Titulatur Hatschepsuts, der am Ende ein Epitheton (ein Beiwort) folgt, das von der damaligen Aktion des Aushackens verschont geblieben ist.

Nauna hat Dir empfohlen, die Zeichen erneut zu identifizeren. Allerdings braucht man auch ein Wörterbuch und ein paar Grundkenntnisse der ägyptischen Grammatik, um den Sinn zu entschlüsseln.

Zum Sonnenheiligtum und Altar gibt es auf dieser Webseite1 weitere Informationen.

Viele Grüße,
Michael Tilgner

> Antwort auf Beitrag vom: 04.01.2020 um 14:23:38


1: https://www.maat-ka-ra.de/german/bauwerke/djeser/dj_portico_3_sun_altar.htm


4) Re: Inschrift Hatschepsut Totentempel
 Ole am 04.01.2020 um 15:29:40

Danke für die schnellen Antworten!

Ich fand meine Übersetzung eigentlich ganz schlüssig, um die Ecke steht dann "sonst holt Dich der Fluch des Pharao", hatte ich aber nicht fotographiert

Ok, also kein Sandkorn+Wachtel sondern Ra+Horus (N5, G5). Da hab ich aus dem Falken ne Wachtel gemacht!

Sonne als Deutzeichen, Horus am Horizont

Also die aufgehende Sonne gibt das Leben?

Werde mich wohl erstmal mit Grammatik beschäftigen. Und die Vögel muss man sich genau anschauen...

VG
Ole

> Antwort auf Beitrag vom: 04.01.2020 um 14:44:04


5) Re: Inschrift Hatschepsut Totentempel
 Michael Tilgner am 04.01.2020 um 18:08:30 - Anhang: 2 Anhänge

Hallo, Ole,

jetzt bist Du der Sache schon ziemlich nahe gekommen!

Vor den Zeichen, die Du fotografiert hast, steht eine Kartusche mit dem Thronnamen der Hatschepsut. Da kann N5 nicht ein Determinativ sein, sondern ist Ideogramm: Ra "Re".

Die beiden gleich aussehenden Kreise sind aber unterschiedliche Zeichen, wie Du in hieroglyphischen Darstellung sehen kannst, die Nauna ihrem Posting angehängt hat. Der erste Kreis ist wie gesagt N5 "Re", der zweite Kreis hingegen Aa1 mit Lesung x. Dieses Zeichen ist eine "Lesehilfe" (ägyptologisch: "phonetisches Komplement") für den davor stehenden Vogel G25 "Waldrapp", phonetisch Ax; der zweite Konsonant wird zwar noch einmal wiederholt, aber nicht zweimal gelesen! Danach folgt ein X1 "Brot" mit Lesung t. Zum Schluss ein N18 "Sandfläche": Das ist das Determinativ für dieses Wort: Ax.t und bedeutet "Horizont". Gemeint ist der Gottesname @r-Ax.tj "Harachte", der "horizontische Horus" (siehe das "Wörterbuch Ägyptisch-Deutsch", Bd. I, S. 18, Nr. 3 oder kurz: Wb I, 18.3).

Wo kommt das j her? Das ist eine Eigentümlichkeit des Ägyptischen, die sog. Nisbe-Bildung: Aus Substantiven oder auch Präpositionen kann durch ein Anhängen dieser Endung ein Adjektiv gemacht werden, also aus Ax.t "Horizont" ein Ax.tj "horizontisch". An den Punkten "." darfst Du nicht stören: Das ist eine Sitte (oder auch Unsitte) mancher Ägyptologen, bestimmte Endungen vom Stamm eines Wortes abzugrenzen. Das hat sonst mit den Hieroglyphen nichts zu tun. In diesem Fall ist das j nicht geschrieben, da es ein sog. "schwacher" Konsonant ist, muss in der Umschrift ergänzt werden. Solche Ergänzungen werden gern in Klammern gesetzt. Wenn es geschrieben wird, dann mit den zwei Diagonalstrichen Z4. Wieso das? Die Nisbe Ax.tj "horizontisch" klingt genauso wie der Dual Ax.tj "die beiden Horizonte". Die Ägypter kannten nicht nur Einzahl und Mehrzahl, sondern bezeichneten auch die Paare mit einer eigenen Endung. Die Schreibung einer von einem weiblichen Substantiv gebildeten Nisbe wird daher "spielerisch" mit dem Dualzeichen geschrieben.

Wieso "die beiden Horizonte"? Es gibt doch nur einen Horizont! Das hat der Ägypter anders gesehen: Er unterschied die Stelle, wo die Sonne aufgeht, von der, wo die Sonne untergeht. Manche Ägyptologen übersetzen Ax.t daher lieber mit "Lichtland" statt mit "Horizont".

Insgesamt haben wir also: Ra-@r-Ax.t(j) "Re-Harachte", ein zusammengesetzter Gottesname.

Was kommt dann?

Viele Grüße,
Michael Tilgner

> Antwort auf Beitrag vom: 04.01.2020 um 15:29:40

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6) Re: Inschrift Hatschepsut Totentempel
 Thoth am 04.01.2020 um 18:49:33

Ich verstecke meine Antwort mal, weil man das ja als Übung nehmen kann.

Versteckten Text anzeigen...
Es handelt sich wohl um RE-Harachte.
Re+Horus der 2 Horizonte.

Ich würde es so transkribieren: ra(.w)-Hr.w-Ax.t(j) mry di anx
=> Re+Horus der Horizontische/der 2 Horizonte (Re-Harachte), Geliebter, dem Leben gegeben wird/sei.

Würde jedenfalls zum "Thema" passen.
Der König wurde als Harachte nach seinem Tod wiedergeboren. (Oder in dem Fall die Königin;D)

In mry erkenne ich z.B. ein Partizip substantiviert (Geliebter) und ein Posterior (?) in di anx (dem Leben gegeben wird).

Verbessert mich unbedingt, wenn ich falsch liege!

http://www.aegyptologie.com/forum/cgi-bin/YaBB/YaBB.pl?action=lexikond&id=030714165544


Viel Spaß noch.

Re-Harachte ist übrigens (meistens) der Mann mit Falkenkopf, Sonnenscheibe und Uräusschlange. Er kann auch mit anderen Götternamen verbunden werden...
(Näheres im Lexikon nachzulesen!)

> Antwort auf Beitrag vom: 04.01.2020 um 18:08:30


7) Re: Inschrift Hatschepsut Totentempel
 Michael Tilgner am 04.01.2020 um 21:54:11 - Anhang: 3 Anhänge

Hallo, Thoth,

schön, dass Du in die Diskussion eingestiegen bist!

Versteckten Text anzeigen...
Zunächst zum folgenden Wort. Es beginnt mit U6 "Hacke", das die Lesung mr hat. Du hast es zutreffend mit dem Verb mrj "lieben" in Verbindung gebracht. Die zwei "Schilfblätter" M17 werden jj oder y gelesen, so dass wir haben: mry.

Du hast es als substantiviertes Partizip aufgefasst: "Geliebter". Genau genommen handelt es sich um ein perfektisches passives Partizip, für das die Endung y in allen Formen charakteristisch ist (es gibt jedoch auch Beispiele ohne diese Endung; kurz: "Keine Regel ohne Ausnahme!" gilt auch im Ägyptischen.) Also: mry "geliebt" (Wb II, 100.12). Und Partizipien lassen sich auch als Substantive verwenden. Insoweit kann man Deiner Argumentation folgen.

Dennoch bin ich der Meinung, dass wir es mit der Form mry Gott NN "geliebt von Gott NN" zu tun haben (Wb II, 101.1). Die Verwirrung entsteht dadurch, dass es hier genau andersherum steht! Das ist kein Einzelfall, sondern hat System: Es handelt sich um die sog. "ehrenvolle Voranstellung", wenn es sich um die Wörter "Gott" oder "König" bzw. um einen Götter- oder Königsnamen handelt. Insgesamt also:

mry Ra-@r-Ax.tj
(Maatkare) "geliebt von Re-Harachte"

und schon haben wir ein kleines Problem: Da Hatschepsut eine Frau ist, müsste sich das auch in der Partizipendung niederschlagen; es müsste also heißen: mry.t .... Nun nahmen es die Ägypter mit dieser weiblichen Endung im Neuen Reich, besonders in der Ramessidenzeit und später mit dem .t nicht mehr so genau, da es in der damaligen Alltagssprache nicht mehr gesprochen wurde. Wir könnten uns also mit einer Klammerschreibung behelfen:

mry(.t) Ra-@r-Ax.tj
"geliebt von Re-Harachte"

Aber so einfach ist es nun leider nicht! Danach folgt eine Floskel dj anx "mit Leben beschenkt" (Wb I, 198.5), als "Zusatz zum Namen des Königs" - "des Königs"! Denn bei einer Königin heißt es: dj.t anx mit folgender Schreibung (Wb I, 198.8 - in der Abbildung habe ich nicht interessierende Teile herausgenommen):


"die mit Leben beschenkt ist"

auch noch mit zwei .t! Auf die Wiedergabe der jahrzehntelangen Diskussion, wie diese Floskel grammatikalisch genau zu verstehen ist, verzichte ich an dieser Stelle!

Die fehlenden femininen Endungen haben nämlich eine viel näherliegende Erklärung: Der Pharao war eine männliche Institution! Darauf war auch die ganze Phraseologie aufgebaut. Als Hatschepsut den Thron bestieg, hatte sie eine Menge Probleme: mit der Legitimation, der Ikonographie - und eben auch mit den Floskeln. Es gibt etliche Texte, in denen Hatschepsut behauptet, sie sei durch ihren Vater oder durch den Gott Amun als Pharao auserwählt worden. In den Statuen schwankt ihre Darstellung zwischen männlichen und weiblichen Formen. Und so auch in den Texten: Man könnte fast meinen, dass die Schreiber unsicher waren, ob sie die überlieferten Texte so wie sie waren übernehmen oder an die neue Situation anpassen sollten. Man findet übrigens beide Schreibweisen an den verschiedenen Stellen in ihren Tempeln.


Lieber Ole,

das Schöne an Deinem Beispiel ist, dass man an diesen wenigen Zeichen (fast) das halbe hieroglyphische Schriftsystem und (fast) die halbe Grammatik erläutern kann, und darüber hinaus auch noch die Besonderheiten in der Zeit Hatschepsuts!

Viele Grüße,
Michael Tilgner

> Antwort auf Beitrag vom: 04.01.2020 um 18:49:33

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8) Re: Inschrift Hatschepsut Totentempel
 Ole am 04.01.2020 um 22:52:57

Vielen Dank für die ausführlichen Erklärungen, das hat mich (nach initialem Kopfschütteln über die Komplexität, aber dann erneutem lesen sehr motiviert. Lese gerade Höveler-Müller, es wird immer klarer. Man braucht wohl Geduld - und Quellen für die Deutungen.
Ist definitiv kein Assembler (falls noch jemand weiss was das ist;-)

VG
Ole

> Antwort auf Beitrag vom: 04.01.2020 um 21:54:11


9) Re: Inschrift Hatschepsut Totentempel
 Thoth am 04.01.2020 um 23:20:42

Wenn ich dich richtig verstanden habe gehst du davon aus, dass es sich darum handelt, weil z.B. auch Hm-nTr nTr-Hm geschrieben wird. Aber gibt es dafür auch etwas klares und eindeutiges, sprich, dass meine Übersetzung eindeutig falsch herum übersetzt ist? Ich habe nämlich so eine "Umdrehung" noch nie gesehen, auch wenn ich von der EV weiß. Einen ganzen Götternamen vorran zu stellen finde ich natürlich nicht abwegig.

Wenngleich ich meine Übersetzung dann theoretisch anpassen könnte. Nämlich "RE-Harachtes Geliebte" .

Bis dahin nehme ich Beides gerne an.

Im Wörterbuch steht ja auch "Geliebter (von)", was deiner Deutung ja in die Hände spielt, aber mir leider auch, da Menschen gemeint sein könnten, wenn ich mich nicht irre. Da fehlen dann natürlich andere Beispiele.

Immerhin ist RE-Harachte auch als Herscher der "Schöpfung" bekannt.

Bei den Endungen bin ich Vorsichtig, eben weil Hatschepsut in der Kunst als Mann/Frau abgebildet ist.

PS: Kann mir jemand bei Gelegenheit sagen, wie man Glyphen im Forum schreibt?

Gute Nacht wünsche ich!

> Antwort auf Beitrag vom: 04.01.2020 um 21:54:11


10) Re: Inschrift Hatschepsut Totentempel
 Seschen am 04.01.2020 um 23:53:10

Hallo, Thoth!

"RE-Harachtes Geliebte" wäre ein inditekter Genitiv, das ist hier nicht der Fall.

Die "ehrenvolle Voranstellung" von Götternamen ist in Inschriften unendliche Male anzutreffen!

Zitat:
Kann mir jemand bei Gelegenheit sagen, wie man Glyphen im Forum schreibt?

Siehe in der Hilfe1 Punkt 10.
Setze die Codierung der Zeichen zwischen [m d c] und [/m d c] (ohne Leerzeichen) mit Hilfe des -Buttons.
Für die Zeichen gilt die Gardiner-Liste.
MdC-Codierung im Forum2

Gruß, Seschen

> Antwort auf Beitrag vom: 04.01.2020 um 23:20:42


1: http://www.aegyptologie.com/forum/cgi-bin/YaBB/YaBB.pl?action=phelp
2: http://www.aegyptologie.com/forum/attachments/archiv/Dokumente/gardiner.pdf


11) Re: Inschrift Hatschepsut Totentempel
 Thoth am 05.01.2020 um 00:01:06

Das Problem ist, dass ich noch nicht so viele Originale gesichtet habe... Eher alles bloß in Büchern gelesen und jetzt erst nachprüfen...

Ich sagte theoretisch! Nicht praktisch. Sollte ein Witz sein. Vom Sinn her...

Ah! Danke!



Man lernt eben nie aus.

> Antwort auf Beitrag vom: 04.01.2020 um 23:53:10


12) Re: Inschrift Hatschepsut Totentempel
 Seschen am 05.01.2020 um 00:18:44

Es klappt ja!

Und jetzt zeichne mal die Hieros von deinem Foto um!

Gruß, Seschen

> Antwort auf Beitrag vom: 05.01.2020 um 00:01:06


13) Re: Inschrift Hatschepsut Totentempel
 Thoth am 05.01.2020 um 01:39:42

Mein Foto? Danke, aber das gehört mir leider nicht.

Originale Inschrift:


"Von Michael vorgeschlagene" Inschrift:


Transskription "Original":
ra(.w)-Hr.w-Ax.t(j) mry di anx

Transkription "M":
mry(.t) ra-Hr.w-Ax.t(j) di anx

Übersetzung "meine": ...Re-Harachte, Geliebte(r), dem(/der) Leben gegeben wird/sei(/ist).

Übersetzung "M": ...geliebt von Re-Harachte, der Leben geschenkt ist.


Ok, ich glaube ich habe es.

Also was ist jetzt genau richtig?

Ich würde sagen seine, aufgrund der Beispiele, aber was wenn die alle genau das gleiche Problem haben?

> Antwort auf Beitrag vom: 05.01.2020 um 00:18:44


14) Re: Inschrift Hatschepsut Totentempel
 Seschen am 05.01.2020 um 03:16:28

Hallo!

Zitat:
Also was ist jetzt genau richtig?

a) Das ist NICHT Michaels vorgeschlagene Inschrift!
Deine Umzeichnung (eingebundene Hieroglyphen mit MdC) ist richtig, d.h. entspricht dem Original!

b) Michaels Transkription ist korrekt!

c) Michaels Übersetzung ist richtig!
Gruß,


> Antwort auf Beitrag vom: 05.01.2020 um 01:39:42


15) Re: Inschrift Hatschepsut Totentempel
 Thoth am 05.01.2020 um 09:28:40

A) Deswegen ist es ja in "". Ich wollte einfach zeigen, wie die Inschrift dann Umgestellt aussehen würde. Das das so nicht existiert ist mir sonnenklar.

B) Bitte überlass das Michael. Er kann das so weit ich das beurteilen kann besser erklären. Bloß sagen, was richtig und falsch ist kann jeder, aber es erklären ist wichtig.
Ich tendiere auch zu seiner Übersetzung, nur möchte ich eben wissen, wie man darauf gekommen ist. Es muss ja irrgendwas geben, was die Forscher damals überzeugt hat.
Aber vielleicht schätze ich dich ja falsch ein und du weißt eine Antwort auf meine Frage.

Ich lass mich nicht gerne mit "Das ist richtig! Und das falsch!" abspeisen.

Liebe Grüße
Thoth

> Antwort auf Beitrag vom: 05.01.2020 um 03:16:28


16) Re: Inschrift Hatschepsut Totentempel
 Michael Tilgner am 05.01.2020 um 11:58:40 - Anhang: 2 Anhänge

Hallo, Leute,

da liegt man im tiefen Schlummer - und im Forum "tobt der Bär"!

Mit "richtig" oder "falsch" ist das so eine Sache. Wer sich nur ein wenig mit ägyptologischer Fachliteratur beschäftigt, stellt schnell fest: Was jahre- oder gar jahrzehntelang als unumstößliche Gewissheit galt, wird durch neue Funde oder auch nur durch neue Überlegungen über den Haufen geworfen. Auch wenn man gute Argumente für seinen Vorschlag oder seine Interpretation hat, muss das noch lange nicht "richtig" sein! Ich halte es mit dem englischen Ägyptologen Alan H. Gardiner, der die ägyptologische Geschichtsschreibung zur Bescheidenheit aufgerufen hat (Geschichte des Alten Ägypten, Augsburg, 1994, S. 54 f.):

Zitat:
Man darf auch nicht vergessen, daß wir es mit einer jahrtausendealten Kultur zu tun haben, von der nur geringe Überbleibsel erhalten sind. Was stolz als ägyptische Geschichte ausgegeben wird, ist nicht viel mehr als eine Sammlung von Bruchstücken und Fetzen.

Das gilt für die ägyptologische Sprachwissenschaft gleichermaßen!

Die "ehrenvolle Umstellung" wird in allen Lehrbüchern beschrieben. Ich hänge hier den § 57 aus Alan H. Gardiner, Egyptian Grammar, 1957 an, aus dem man auch ersehen kann, dass in diesen Fällen die Umschrift nicht den Zeichen, sondern der Grammatik folgt.

Ich hatte in einem früheren Posting Wb II, 101.1 angehängt, das sich auf mry Jmn bezieht. Dort sind zwei Schreibweisen angegeben, die man in den Texten gefunden hat: Einmal entsprechend der Grammatik, das andere Mal umgestellt. Im Zettelarchiv findet man zahlreiche Belege für die eine wie die andere Schreibweise. Es erscheint "naheliegend", in der zweiten Schreibweise nur eine graphische Variante der ersten zu sehen.

Deutlicher wird es vielleicht mit sS nsw "Schreiber des Königs". Liest man es so, wie es dasteht, hätte man "König der Schreiber", was zwar grammatikalisch noch, aber inhaltlich wenig Sinn ergibt. Oder das Beispiel mj Ra "wie Re": Liest man wie geschrieben, hätte man "Re wie", was grammatikalisch nicht erklärbar wäre. Kurz: Die "ehrenvolle Umstellung" ist ein Fakt.

Ein berühmtes Beispiel ist der Eigenname Tutanchamun: In der Kartusche ist Amun vorangestellt. Deutlich verwickelter ist der Fall in seinem Thronnamen: Nb-xpr.w-Ra: Hier sind alle Komponenten umgestellt! Dieses Phänomen kann man schon in ältester Zeit beobachten; so heißt es in Elmar Edel, Altägyptische Grammatik, Bd. I, Roma, 1955, § 100:

Zitat:
Manchmal stellt man in 3-gliedrigen Namen, deren drittes Glied aus Ehrfurcht an die erste Stelle gerückt ist, auch das 2. Glied um, sodass die Glieder die Reihenfolge 3, 2, 1 aufweisen (...)

Man muss im Grabschatz des Tutanchamun schon lange suchen, um ein Beispiel für die traditionelle Schreibweise von Nb-xpr.w-Ra zu finden!

Ein schönes Beispiel für die Vielfalt solcher Umstellungen liefert der Eigenname Ramses' II. In der Kartusche liest man: Ra-msj-sw mry Jmn "Re hat ihn geboren (gezeugt), geliebt von Amun". Da kann man alle nur denkbaren Varianten finden, dazu noch die Umkehrung der Schriftrichtung einzelner Zeichen! (Jürgen von Beckerath, Handbuch der ägyptischen Königsnamen. 2. Auflage, Mainz, 1999, S. 155 und 157). Ähnliches findet man auch bei Nefertari, seiner Großen Königlichen Gemahlin.

Ich denke, das sind gute Gründe, auch in der hier vorliegenden Inschrift der Hatschepsut die "ehrenvolle Umstellung" anzunehmen.

Obwohl das Thema schon seit langer Zeit bekannt ist, hat sich erst kürzlich jemand damit gründlich beschäftigt: Carsten Peust, Die honorative Transposition in der ägyptischen Schrift, in: Lingua Aegyptia, Bd. 15, S. 93-135 (2007)1

Viele Grüße,
Michael Tilgner

> Antwort auf Beitrag vom: 05.01.2020 um 09:28:40


1: https://archiv.ub.uni-heidelberg.de/propylaeumdok/3221/

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17) Re: Inschrift Hatschepsut Totentempel
 Thoth am 05.01.2020 um 12:20:36

Danke! Genau so wollte ich das haben.

Ich stimme allem zu.

Hab mir schon gedacht, dass du mit mi ra(.w) kommst, dass habe ich in einem Beispiel gefunden.

Liebe dankbare Grüße
Thoth

> Antwort auf Beitrag vom: 05.01.2020 um 11:58:40


18) Re: Inschrift Hatschepsut Totentempel
 Michael Tilgner am 05.01.2020 um 15:36:02 - Anhang: 3 Anhänge

Hallo, Leute,

hier ein Nachtrag zu den Schreibweisen des Namens "Nefertari", die ich mal vor einer Weile zusammengestellt habe. Es kann ja kein Zweifel bestehen, dass es sich um denselben Namen handelt. Die Schreiber haben aus ästhetischen und sonstigen Gründen einzelne Zeichen abweichend von der Lesereihenfolge angeordnet sowie den Götternamen - auf verschiedene Weise - umgestellt, sogar mal die ganze Gruppe "geliebt von Mut". Da muss man auch als Leser flexibel sein!

Man beachte auch die Umstellung bei Hm.t-nsw "Gemahlin des Königs"!

Weiterer Nachtrag mit den erwähnten Schreibungen des Eigen- und Thronnamens von Tutanchamun.

Viele Grüße,
Michael Tilgner

> Antwort auf Beitrag vom: 05.01.2020 um 12:20:36


19) Re: Inschrift Hatschepsut Totentempel
 Thoth am 06.01.2020 um 10:49:51

Hey, ich bins nochmal!

Könnt ihr mir Originale mit Inschrift, Transkription Und Übersetzung geben?
Am liebsten wäre mir die Hungernotstele und der Mythos von der Himmelskuh.
Ich interessiere mich nämlich für beide Erzählungen sehr und möchte mir sie selber ansehen.

Liebe Grüße
Thoth

> Antwort auf Beitrag vom: 05.01.2020 um 15:36:02


20) Re: Inschrift Hatschepsut Totentempel
 Michael Tilgner am 06.01.2020 um 19:53:29

Lieber Thoth,

ich würde erstmal das Internet mit einer Suchmaschine durchsuchen. Und in der Tat: Auf Anhieb findet man bei Suchbegriffen wie "Hungersnotstele" oder "Mythos von der Himmelskuh" o.ä. unter den ersten Treffern Antworten auf etliche Deiner Fragen.

Nichts für ungut!

Viele Grüße,
Michael Tilgner

> Antwort auf Beitrag vom: 06.01.2020 um 10:49:51


21) Re: Inschrift Hatschepsut Totentempel
 Thoth am 06.01.2020 um 20:18:42

Danke, ich dachte ihr habt was auf Anhieb, um die Suche zu verkürzen.

Gruß
Thoth

> Antwort auf Beitrag vom: 06.01.2020 um 19:53:29


22) Re: Inschrift Hatschepsut Totentempel
 Michael Tilgner am 06.01.2020 um 22:14:11

Hallo,

neben dem, was man leicht im Internet findet, gibt es noch eine Arbeit unseres Forumskollegen Maxim Panov: The story of a seven-year period of hunger and disaster under Netjerikhet-Djoser, ET IX, Novosibirsk, 20181.

Maxim hat etliche alte Photographien der Hungersnotstele aufgetrieben und konnte so manche Stellen, die heute stark verwittert sind, rekonstruieren. Eine auch ansonsten sehr sorgfältige Arbeit! Hier findet man alles, was man braucht: Fotos, Hieroglyphen, Umschrift und eine Übersetzung. Letztere allerdings in Russisch - das macht doch nichts? Wenn doch, es gibt auch eine deutsche Übersetzung, allerdings auf einer anderen Ausgangsbasis.

Ich muss aber anfügen, dass man ziemlich fit sein muss im Ägyptischen, wenn man den Originaltext bearbeiten möchte.

Viele Grüße,
Michael Tilgner

> Antwort auf Beitrag vom: 06.01.2020 um 20:18:42


1: https://www.academia.edu/36191854/The_story_of_a_seven-year_period_of_hunger_and_disaster_under_Netjerikhet-Djoser_ET_IX_Novosibirsk_2018_220_p._Ed._by_M._Panov


23) Re: Inschrift Hatschepsut Totentempel
 Thoth am 08.01.2020 um 18:18:41

Vielen Dank.

Das werde ich schon hinbekommen. Ich halte mich einfach an die Grammatik und versuch so "Klammerierungen" hinzuzufügen...

Gruß
Thoth

> Antwort auf Beitrag vom: 06.01.2020 um 22:14:11