Zunächst zum folgenden Wort. Es beginnt mit U6 "Hacke", das die Lesung
mr hat. Du hast es zutreffend mit dem Verb
mrj "lieben" in Verbindung gebracht. Die zwei "Schilfblätter" M17 werden
jj oder
y gelesen, so dass wir haben:
mry.
Du hast es als substantiviertes Partizip aufgefasst: "Geliebter". Genau genommen handelt es sich um ein perfektisches passives Partizip, für das die Endung
y in allen Formen charakteristisch ist (es gibt jedoch auch Beispiele ohne diese Endung; kurz: "Keine Regel ohne Ausnahme!" gilt auch im Ägyptischen.) Also:
mry "geliebt" (Wb II, 100.12). Und Partizipien lassen sich auch als Substantive verwenden. Insoweit kann man Deiner Argumentation folgen.
Dennoch bin ich der Meinung, dass wir es mit der Form
mry Gott NN "geliebt von Gott NN" zu tun haben (Wb II, 101.1). Die Verwirrung entsteht dadurch, dass es hier genau andersherum steht! Das ist kein Einzelfall, sondern hat System: Es handelt sich um die sog. "ehrenvolle Voranstellung", wenn es sich um die Wörter "Gott" oder "König" bzw. um einen Götter- oder Königsnamen handelt. Insgesamt also:
mry Ra-@r-Ax.tj (Maatkare) "geliebt von Re-Harachte"
und schon haben wir ein kleines Problem: Da Hatschepsut eine Frau ist, müsste sich das auch in der Partizipendung niederschlagen; es müsste also heißen:
mry.t .... Nun nahmen es die Ägypter mit dieser weiblichen Endung im Neuen Reich, besonders in der Ramessidenzeit und später mit dem
.t nicht mehr so genau, da es in der damaligen Alltagssprache nicht mehr gesprochen wurde. Wir könnten uns also mit einer Klammerschreibung behelfen:
mry(.t) Ra-@r-Ax.tj "geliebt von Re-Harachte"
Aber so einfach ist es nun leider nicht! Danach folgt eine Floskel
dj anx "mit Leben beschenkt" (Wb I, 198.5), als "Zusatz zum Namen des Königs" - "des Königs"! Denn bei einer Königin heißt es:
dj.t anx mit folgender Schreibung (Wb I, 198.8 - in der Abbildung habe ich nicht interessierende Teile herausgenommen):
"die mit Leben beschenkt ist"
auch noch mit zwei
.t! Auf die Wiedergabe der jahrzehntelangen Diskussion, wie diese Floskel grammatikalisch genau zu verstehen ist, verzichte ich an dieser Stelle!
Die fehlenden femininen Endungen haben nämlich eine viel näherliegende Erklärung: Der Pharao war eine
männliche Institution! Darauf war auch die ganze Phraseologie aufgebaut. Als Hatschepsut den Thron bestieg, hatte sie eine Menge Probleme: mit der Legitimation, der Ikonographie - und eben auch mit den Floskeln. Es gibt etliche Texte, in denen Hatschepsut behauptet, sie sei durch ihren Vater oder durch den Gott Amun als Pharao auserwählt worden. In den Statuen schwankt ihre Darstellung zwischen männlichen und weiblichen Formen. Und so auch in den Texten: Man könnte fast meinen, dass die Schreiber unsicher waren, ob sie die überlieferten Texte so wie sie waren übernehmen oder an die neue Situation anpassen sollten. Man findet übrigens beide Schreibweisen an den verschiedenen Stellen in ihren Tempeln.