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   "four-animal" (6)
  Autor/in  Thema: "four-animal"
Gast_A.  maennlich
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"four-animal" Binsbergen_Leopard.pdf - 620 KB
« Datum: 15.11.2005 um 09:34:02 »   

Hallo!

In einer anderen Diskussion (Opfertisch usw.) kam es zu einer kleinen Meinungsverschiedenheit zwischen Rolf und mir. Dabei wollte Rolf einige Bildelemente einer Stele mit einer Art "Zahlenmystik" erklären:
Über die „seit jeher“ bestehende mythologische Konnotation des Pantherfells eines Priesters (Symbol: „vier“) wollte Rolf auf eine „vierte Gottheit“ (Tefnut) kommen, die wiederum ihren symbolischen Niederschlag in den schilfähnlichen Objekten auf dem Opfertisch des Stelenbildes gefunden habe (vier => Tefnut => „Feuchtigkeit“ => Schilf).
Ausgangspunkt für die „Vierer-Symbolik“ des Pantherfells ist für Rolf ein Beitrag von W. van Binsbergen (s. Anhang), der sich wiederum auf eine Studie F. Kammerzells beruft. In dem Artikel Binsbergens findet sich u.a. folgendes Statement:

Zitat:
„Kammerzell arrives at an etymology in terms of a root *pr/*prd, which primarily means ‘to rip, to tear’, and (since a feline rips with a claw containing four nails), ‘to [give one a taste of the] four’; hence the numeral ‘four’ (4) attaches to this root, and the feline becomes the ‘four-animal’.“ (Binsbergen, S. 1)

F. Kammerzell (Panther, Löwe und Sprachentwicklung im Neolithikum, Göttingen 1994) spricht allerdings nirgends von einem „four“-animal! Binsbergen dichtet hier etwas zusammen, um letztlich seine sprachwissenschaftlich sehr kritisch beurteilte „Nostratisch“-Theorie zu untermauern. Er geht in seinen zahllosen aufeinander aufbauenden Hypothesen und Spekulationen (die er u.a. mit seinem „Gefühl“ begründet) soweit, dass er sogar bestimmte Formen für ein „Pränostratisch“ rekonstruiert. Das liegt jenseits einer akzeptablen Beweisführung und soll hier in seinem Umfang nicht interessieren! In seiner Studie hat Kammerzell (Panther, S. 39) den Problemkomplex „Nostratisch“ selbst angesprochen und geurteilt, dass sein Material hierzu letztlich keine klare Aussage erlaubt. Er selbst (wie auch der überwiegende Teil der Sprachwissenschaftler) hält die Methode der „Nostratisch“-Verfechter für fragwürdig. Binsbergen gesteht wiederum selbst, dass etwa seine Analyse der Bantu-Sprachen „lacking in terms of professional linguistic methods“ sei (S. 19). Dies hindert ihn jedoch nicht daran, weiträumige genetische Beziehungsnetzwerke daraus abzuleiten.

Kammerzell formuliert ausdrücklich, dass seine Untersuchung eine „Etymologie erster Ordnung“ versucht („Untersuchung auffälliger formaler Anklänge zwischen bedeutungsgleichen Sprachgruppen“). Was Binsbergen dagegen versucht, ist die Rekonstruktion einer genetischen Verwandtschaft und einer gemeinsamen afroasiatisch-indoeuropäisch Ursprache. Dies wäre eine „Etymologie zweiter Ordnunge“ („Gruppen definitiv sprachverwandter Elemente“). Dies liegt aber – laut Kammerzell – wegen der Komposition des Quellenmaterials „deutlich außerhalb des Erreichbaren“ (Panther, S. 39ff.).

Kammerzell rekonstruiert in seiner Arbeit zur Etymologie des Theonyms MAfd.t eine afroasiatische „Urwurzel“ *P-r-D auf die auch der zweite Namensbestandteil -fd im Theonym „Mafdet“ zurückgehe: „Als gemeinsame hypothetische Grundform ergibt sich *prd- oder – abstrakter - *P-r-D- (*P realisiert als p/p’/f/h, *D als d/d-„mit Punkt“/t-„mit Punkt“).“ Eine Variante dieser Grundwurzel lautet *prg-.
Kammerzell führt nun folgende altägyptische Lexeme dieser Grundwurzelvariationen auf:
fdj      „herausreißen; auslösen“
fd-      „vier“
fAg      „abreißen, auslösen“
fgA      „aufreißen“ (neuägyptisch)
fag      „Kralle“ (ptol./kaiserzeitl.)
pAx      „kratzen“
...
Gast_A.  maennlich
Member - Themenstarter



Re:  
« Antwort #1, Datum: 15.11.2005 um 09:36:08 »   

...
In anderen afroasiatischen und indoeuropäischen Sprachen begegnet ebenefalls die Grundwurzel *P-R- und auch hier liegen ihre Lexeme in ähnlichen (aber auch anderen) Bedeutungsfeldern („Panther“, „reißen“, „Kralle, Finger“, „vier“, „Schweiß; feucht“, gefleckt“, „entscheiden“).
Kammerzell schlussfolgert am Ende seiner Studie, dass Mafdet als mAj-fdj „Reißlöwin“ zu interpretieren sei. Dabei hänge diese Bedeutung vielleicht hintergründig mit den (vier) Klauen als Reißinstrumente zusammen. Der Bezug zum Zahlwort „Vier“ bleibt jedoch in seiner Richtung und seinem Umfang völlig unklar:

Zitat:
„Wenn auch die semantischen und außersprachlichen Bedingungen, die die Formähnlichkeiten der Lexeme hervorgerufen haben dürften, auf der Hand liegen, entziehen sich die zugrundeliegenden sprachgeschichtlichen Entwicklungen jeder Beschreibung. Zu erklären, welches der Bedeutungsfelder ursprünglicher war oder ob etwa anfänglich verschiedene Wortformen konvergierten, übersteigt die Möglichkeiten der historischen Linguistik.“[/i] (F. Kammerzell, Panther, S. 23;  so auch schon ders., in: LingAeg 4, 1994, 166)

An anderer Stelle hat F. Kammerzell darauf verwiesen, dass

Zitat:
„Reißwerkzeuge normalerweise in Gruppen von je  vier vorkommen, also prototypische Repräsentanten von Vierheit sind. Diese Sinnrelation gibt ihrerseits die Grundlage für die Gleichheit der Wortkörper ab, ist also letztlich die Voraussetzung für etymologische Beziehungen“ (Etymologie des ägyptischen Zahlwortes „4“, in: LingAeg 4, 1994, S. 173)

Seiner Meinung nach handelt es sich hierbei also um „menschliche Universalien“, die sich in frühester Zeit entwickelten. Gleichzeitig läßt sich nach Kammerzell aber nicht bestimmen, ob sich das „Zahlwort „Vier“ aus den zum Reißen tauglichen Fingern (o.ä.)“ entwickelte oder umgekehrt! Grundsätzlich möglich ist auch, dass die späteren Etymologien künstlich sind und eine weitere, evtl. ganz andere (noch unbekannte?) Bedeutung der Urwurzel zugrunde liegt (Kammerzell, Etymologie, S. 182). Die semantische Entwicklungsrichtung, die Binsbergen als eindeutig vorgibt bleibt bei Kammerzell also völlig offen! Von einem „four-animal“ ist nicht die Rede!

Von Kammerzell wird übrigens auch die ältere Deutung W. Westendorfs „die Laufende“ bzw. „die Rennerin“ für theoretische möglich gehalten (W. Westendorf, Beiträge aus und zu den medizinischen Texten, in: ZÄS 92, 1966, S. 128-143; ders., Die Pantherkatze Mafdet, in: ZDMG 118, 1968, S. 250f.; vgl. die Bedeutung der ägyptischen Wurzel jfd als „(eilends) rennen, laufen“ Wb I, 72, was für den Leopard/Gepard besonders sinnvoll erscheint). Allerdings spekuliert Kammerzell, ob Westendorfs Vorschlag („Die Läuferin“), der auf die ägyptische Wurzel jfd „durcheilen, davonrennen“ zurückgeht (von Kammerzell aus unklaren Gründen nicht zu den Lexemen der Urwurzel *P-r-D- gerechnet), nicht ebenfalls auf die Urbedeutung fdw „vier“ zurückzuführen sei (über die Bedeutung „die vier (Füße)“; vgl. Kammerzell, Panther, Anm. 34).

Problematisch an Kammerzells Theorie ist, dass er sich für seine Etymologie ausschließlich auf spätere Wortspiele und Lautmalereien berufen kann. Daher wertet er selbst alle seine Entlehungs- und Beziehungsmodelle als spekulativ! Hauptzeuge ist für ihn eine Textstelle des Dramatischen Ramesseumspapyrus, in der paronomastische Wortspiele zu jfd „Vierer-Gewebe“ und fdj „zerreisen (u.ä.)“erklären, wie die jeweilige Ritualszene mythologisch zu verstehen ist. Die Überschrift der Passage lautet:
„Wie es dazu kam, dass Vierfachgewebe (jfd), Sechsfachgewebe und Gewänder aus Purpurstoff herbeigeholt wurden sowie zahlreiche Feinstgewebe.“
...
« Letzte Änderung: 15.11.2005 um 09:42:08 von Gast_A. »
> Antwort auf Beitrag vom: 15.11.2005 um 09:34:02  Gehe zu Beitrag
Gast_A.  maennlich
Member - Themenstarter



Re:  
« Antwort #2, Datum: 15.11.2005 um 09:36:56 »   

...
Es geht hier also um die mythologische Ausdeutung von Opfergaben in einem Ritual durch Assoziation zu Begriffen mit lautlicher Ähnlichkeit (in dem Text kommt z.B. Mafdet, als „Die, die die Glieder zusammensetzt“, sowie die Wurzeln fdw „Vier“, jfd „Viereregewebe“ und fdj „zerreißen“ vor). Auch die anderen Belege aus den Pyramiden- und Sargtexten, die Kammerzell für die Beziehung zur Zahl „Vier“ aufführt, sind mythologisierende Wortspiele oder kryptische Bilder, die sich einer klaren Deutung entziehen (F. Kammerzell, 1994, 62 Anm. 50) und nicht wirklich in ein Entwicklungsschema pressen lassen. Sprachhistorisch und –genetisch sind solche Belege, schon wegen ihrer zeitlich späten Einordnung, für die Rekonstruktion einer prähistorischen „Urbedeutung“ kritisch zu bewerten! Daneben zitiert Kammerzell eine ganze Reihe weiterer Textquellen, die in Wortspielen eine Beziehung zwischen „vier“, „zerreißen“ und „Vierer-Gewebe“ herstellen. Diese Belege sind von den Pyramidentexten bis zu den Totenbuchsprüchen über alle Epochen verteilt.
Als Beispiel für derartige lautliche Assoziationen sei hier ein Beispiel der bekannten altägyptischen „Fingerreime“ zitiert, in dem in typischer Weise Kardinalzahlen mit ähnlich klingenden Wörtern verbunden wurden, um den Merkprozess zu erleichtert bzw. um Begriffe und zentrale Objekte (Opfergaben u.ä.) in Ritualtexten mythologisch auszudeuten:
„Geh doch zur Fähre, wenn du die Zahl deiner Finger nicht kennst!“
„Die Eins (waw) ist allein (wa.y) und hat dich beerbt (wa) wegen meiner Bescheidenheit.“
„Doe Zwei (snn.t) ist zu zweit (snn.t) und hat sich von der Huldigung (snnw.t) losgesagt (snn.n=f) (?).“
„Die Drei (xmtw) hat die Huldigung (snnwj meiner Geschwister (snn.wt=j) bedacht (xmtw.n=f) (?).“
„Die Vier (fdw) reißt sich die Eins (und die Zwei) aus (fd) und wird krank (?).“
„(Die) Fünf (djw) hat den Zweiten und meinen Einzigen unter die Siegel gelegt (wd) (?).“

(Beispiel B20 aus Kammerzell, Panther, S. 77f.).

Nach Kammerzell setzten „solche paronomastischen Aussagen einen nicht ganz unbedeutenden Grad an sprachwissenschaftlicher Reflexion“ voraus (Kammerzell, Etymologie, S. 176). Der Ägypter soll sich also der semantischen Verbindung über die postulierte Urwurzel durchaus bewuß gewesen sein! Das ist letztlich Meinungssache und müsste von Fall zu Fall analysiert werden. Allerdings sollte man bei einer solchen Hypothese nicht verschweigen, dass dann die zahllosen Wortspiele in Opferritualen auch aus dieser Perspektive erklärt werden müssten, was das Material eindeutig überstrapazieren würde (Kammerzell verweist selbst auf ägyptische Wortspiele, die keine sinnvollen Vorlagen für Etymologien liefern; etwa srs „sechs“ und srs „aufwecken“; vgl. Kammerzell, Panther, Anm. 47).

Die Rekonstruktionen einer gemeinsamen afroasiatischen prähistorischen Urwurzel sind von Kammerzell anhand zahlreicher Parallelen grundsätzlich gut begründet. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Ägypter der historischen Epoche sich dieser weit zurückliegenden, sprachhistorischen Zusammenhänge bewusst waren. Für die glaubhafte Rekonstruktion einer prähistorischen Urwurzel muss Kammerzell aber von einer solchen bewußten Etymologie ausgehen. Hier bewegt er sich wieder im Rahmen einer Hypothese (was in seiner Argumentation Kammerzells aber durchaus als solche gekennzeichnet ist)! Wie schon F. Junge (Fs Westendorf, Bd. 1, S. 264f.) dargestellt hat, sind ägyptische Namen und mit diesen verbundene Etymologien Werkzeuge, um die Welt zu erklären. Sie sind Teil der ägyptischen „Wissenschaft“ aber keine Ergebnisse im Sinne einer modernen Sprachwissenschaft.
...
> Antwort auf Beitrag vom: 15.11.2005 um 09:36:08  Gehe zu Beitrag
Gast_A.  maennlich
Member - Themenstarter



Re:  
« Antwort #3, Datum: 15.11.2005 um 09:38:33 »   

...
Das „seit jeher“ in Rolfs Aussage ist also insofern falsch, als es suggeriert, hier sei eine eindeutig bestimmte und gerade Entwicklungslinie zu verfolgen! Kammerzells hypothetische Ergebnisse für die prähistorische Epoche lassen sich nicht einfach zu einer großen Ideengeschichte aufblasen - wie Binsbergen es tut - und auf den Rest der ägyptischen Historie kopieren.

Zu Theorie der Fell-Musterung bei Großkatzen bei W. van Binsbergen:
Gegen eine kulturübergreifende Dominanz der Bedeutung „Vier“ im Zusammenhang mit Felldarstellungen von Großkatzen (wie sie ja Binsbergen rekonstruieren muss, um seine prähistorische „Nostratisch“-Kultur rekonstruieren zu können) spricht m.E. auch, dass die frühesten ägyptischen Darstellungen, die wir von diesen Tieren/Fellen besitzen  zwar die Fellzeichnung als gefleckt charakterisieren, aber keinerlei darstellerische Konsequent verfolgen (Hierakonpolis Grab 100; vgl. Hedrickx, in: CdE 73/146, 1998, 220; Palette des Narmer, vgl. Wolf, Kunst, 86; Relief aus Hathor-Tempel bei Gebelên, vgl. Sacamuzzi, Musei Egizio di Torino, 1963, Tf. 88). Ein grundsätzliches oder auch nur angestrebtes Vierer-Punktmuster o.ä. ist entgegen der Aussage von Binsbergen nicht nachzuweisen! Hier konstruiert sich Binsbergen einfach die Realität zu recht (S. 1):

Zitat:
„This surprising identification can be developed further, for it is my impression that the numerical association has gradually been dissociated from the ripping movement, and has instead imposed itself on the perception of the pattern of the leopard skin in Ancient Egypt.“

Die Leoparden (?) in Chatal Hüyük, die Kammerzell nur wegen des Verbreitungsgebietes des Großkatzenvokabulars und nicht wegen ihrer Ikonographie aufführt, möchte Binsbergen ebenfalls in sein Darstellungsschema pressen (S. 2). Die Tiere sind durch abstrahierte Rosetten gemustert

Zitat:
„on more than half of which the crosses have four spokes, about a quarter have five spokes, and the remainder have three, six, or an uncertain number.“

Aber 50% sind keine relevante Größe in einer Statistik. Bei Binsbergen offenbar schon! Binsbergen überlegt zu den Leoparden-Mustern weiter:

Zitat:
“What would be more natural, in rendering a four-animal, than to produce a pattern of four black dots for each ring, or of three black dots around a central red one?“

Diese Überlegung hinkt schon dann, wenn man seine eigene „beispielhafte“ Abbildung betrachtet (s. das Bild das Rolf im ersten Beitrag gepostet hat). Denn auch hier stellt man fest, dass überwiegend vier schwarze Punkte um einen roten Kreis gezeichnet wurden... also fünf Flecken nach Binsbergens Betrachtungsweise? Binsbergen zählt einfach nur was er will bzw. für seine Theorie benötigt. Das ist keine seriöse Argumentation.

Die bekannten Sternenfelle von ägyptischen Priestern/Astronomen, die das Pantherfell mit Sternendekor ausfüllen und deren Musterung der Fellzeichnung der Chatal-Hüyük-Leoparden sehr ähnelt, zeigen die einzelnen Stern-Rosetten i.d.R. mit fünf (!) Segmenten (vgl. Hommage J.-F. Champollion, Monuments et Mémoires, Paris 1921-22, 25, Tf. 13)! Wiederum andere Darstellungen aus dem Grab des Rechmire, oder frühe Bilder aus Beni Hassan (Newberry, BH I, Taf. 30) zeigen nur einen Punkt in der Musterung des Geparden-Fells...

Die „Vier“ kann man meiner Meinung nach in Bezug auf die Ikonographie von mAfd.t bzw. dem Pantherfell als Amtstracht in historischer Zeit wohl (vorläufig) aussen vor lassen. Hier wird das ikonographische Material von Binsbergen einseitig bzw. überbewertet. Ein „four-animal“ gibt es in der Ägyptologie bislang nicht. Wenn neue Funde eine solche Annahme tatsächlich stützen, kann man das „four-animal“ ja nochmal in Erwägung ziehen. Bis dahin kann auf dieser Vorstellung Binsbergens kein tragfähiges religiöses oder kulturgeschichtliches Konzept für die historische Epoche aufgebaut werden. Binsbergens „Nostratic super-family“ (S. 13; die von Zentralafrika bis nach Taiwan reicht; vgl. S. 19) ist ein theoretisches Luftschloss, das auf zwei (!!) erschlossenen „Urwurzeln“ aufbaut. Er hat ausser reihenweise vager Hypothesen keine ernst zu nehmende Beweisführung.

Der Beitrag ist leider etwas länger geworden als geplant. Daher habe ich ihn letztlich auch separat gepostet und nicht in die Hauptdiskussion zur Stele (s. Link oben) geschaltet. Hoffe, das ist o.k. so! Vielleicht entwickelt sich hier ja auch eine Debatte...

Gruß A.
« Letzte Änderung: 15.11.2005 um 09:41:01 von Gast_A. »
> Antwort auf Beitrag vom: 15.11.2005 um 09:36:56  Gehe zu Beitrag
ta_ian.t  weiblich
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Re:  
« Antwort #4, Datum: 15.11.2005 um 13:54:09 »   

Hallo Gast A.,
ich weiß nicht, in welcher Richtung Du eine mögliche Debatte sehen möchtest. Ich würde gerne noch eine weitere "Zahl" anfügen, ohne in einen Sumpf für Zahlensymbolik hineinzurutschen... Und als anthropomorphisierte Darstellung trägt Seschat ein Fellidenfell...
Das erst ab Dyn. 18 belegte Epitheton sfx.t-Ab.w/Ab.wj für Seschat scheint eine Ableitung des zu dem Zeitpunkt möglicherweise unverstandenen "numinösen Geräts" zu sein. Nach W. Helck ist auf der siebenblättrigen "Rosette" "ein mondförmiges Gebilde angebracht, auf dessen Scheitelpunkt zwei Falkenfedern stehen" (LÄ V, 884). Das mondförmige Zeichen sei dann zu zwei Hörnern geworden, also wörtlich als "Sieben mit 2 Hörnern". Offensichtlich sind in den Schreibungen Ab.w Plural und Ab.wj Dual austauschbar. Helck schreibt dazu LÄ V, 887, FN 8, "Die die beiden Hörner löst" sei eine Weiterinterpretation der ursprünglichen Deutung, die dann im NR zu "die die Hörner löst" weiter entwickelt wird. Dies zeige, wie wenig man die Gestalt verstand.
Das WB IV, 117.6 führt aber die Dual-Hörner für die Dyn. 19 und später an. Hat man den Dual später doch wieder ernster genommen?
LG, t
> Antwort auf Beitrag vom: 15.11.2005 um 09:38:33  Gehe zu Beitrag
Gast_A.  maennlich
Member - Themenstarter



Re:  
« Antwort #5, Datum: 15.11.2005 um 17:16:45 »   

Hallo ta_ian.t,

danke für diese Ergänzung! Der Verweis auf Seschat bietet weitere interessante Möglichkeiten, die altägyptischen Etymologien und Begriffsbeziehungen zu veranschaulichen.
Zunächst ist festzuhalten, dass die Interpretation der oberen Kronensegmente als "Hörner" tatsächlich auf erhebliche Probleme stößt, wenn man sich das frühe Quellenmaterial durchsieht. D. Budde („Die den Himmel durchsticht und sich mit den Sternen vereint“, in: SAK 30, 2002, S. 102), die das Material zu Seschat an anderer Stelle gesammelt und analysiert hat (s.u.), kommt Helcks Deutung entgegen und in ihrer Analyse über Götter mit Federkrone zu dem Schluss, dass bei Seschat ursprünglich nicht Hörner o.ä. als oberer Kopfschmuckteil dargestellt waren, sondern eine Doppelfederkrone (vgl. etwa die Abbildung bei Sahure; L. Borchardt, Sahure II, Blatt 19 sowie die Materialzusammenstellung bei  T. Schneider, Das Schriftzeichen „Rosette“ und die Göttin Seschat, in: SAK 24, 1997, S. 260-63). Damit sei die Göttin als kosmische Hochgöttin charakterisiert worden. Tatsächlich läßt sich keine der frühen Darstellungen sicher als Gehörn auffassen! Diese Federkronen-Ikonographie sei jedoch nach D. Budde bald umgedeutet bzw. neuinterpretiert und v.a. durch Hörner wiedergegeben worden.

Etwas heikel an der Lesung der "siebenblättrigen Rosette"  als Symbol für „Sieben“ (7) ist die Tatsache, dass schon in der 0.-3. Dynastie die Rosette mit nur 5 „Blättern“ wiedergegeben wurde. (D. Budde, Die Göttin Seschat, Leipzig 2000, S. 42). Budde folgert, dass „(s)owohl die Anzahl der Blütenblätter als auch ihre Größe und Form ... keinem stereotypen Schema unterworfen gewesen“ seien. Insofern ist die enge Verbindung zu 7 allein aus dem gelegentlich vorkommenden Beinamen der Gottheit zu erschließen und nicht direkt durch dem Kopfschmuck gestützt. Auch zieht Budde die Möglichkeit in Erwägung, dass wegen der starken Variationen in der Gestaltung des Kopfschmuckes „dem altägyptischen Künstler die Bedeutung des Oberteils nicht mehr bekannt war“ (S. 49).

In diesem Sinne fällt es schwer zu glauben, dass Wortspiele und Lautmalereien, die sich an die Symbolik und kultische Funktion einzelner Ikonen der Göttin anschließen, auf eine bewußte Etymologie (s.o. die Argumentation bei F. Kammerzell) in prähistorische Zeit zurückzuführen seien. Viel eher erscheint die Möglichkeit plausibel, dass die Ägypter durch solche Etymologien versuchten, verlorenes Wissen um bestimmte Ikonen durch Wortspiele usw. neu zu konstruieren und Identitäten zu stiften:
So steht die Rosette (Kopfschmuck der Seschat) vielleicht für die Wurzel <nb> (abgeleitet aus <wnb> „Blüte“). Die Beziehung zum Pantherfell, das ja die typische Tracht dieser Gottheit darstellt, erklärt sich dann wohl aus dem altägyptischen Namen für „Pantherkatze“ = nbj.t. Der im Gründungsritual von Seschat verwendete „Fluchtstab“ heißt ähnlich: nby.t bzw. nbA.t. In Bezug auf den Vermessungsaspekt sei dabei auf die Wurzel nbA bzw. nbj für „(Trag-)stange; Nebi-Maß“ verwiesen. Alle diese Wurzeln spielen in der kultischen Rolle der Gottheit eine Rolle, wobei auch hier nicht klar ist, ob z.B. das Pantherfell einfach der Lautsymbolik wegen gewählt wurde, oder ob Seschat ursprünglich eine Variante von Mafdet darstellte. Vielleicht ist mit T. Schneider („Rosette“, S. 267) auch damit zu rechnen, dass Seschat ursprünglich eine (Panther-)Göttin Nebit war und erst später die Umformung zu Seschat stattfand. Phantasievollen Spekulationen steht hier Tür und Tor offen!

Gruß A.
> Antwort auf Beitrag vom: 15.11.2005 um 13:54:09  Gehe zu Beitrag
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