Hallo, Ägyptenfans, ich habe mich mal an die Übersetzung von Tb 30B gewagt. Dabei habe ich mich an der Hornungschen Übersetzung orientiert und versucht, sie zu reproduzieren. Zum Nachvollziehen sind einige Erklärungen und Kommentare beigefügt. Die Umschrift ist die des Manuel de Codage. Wortbildungsteile, z.B. das feminine t oder der Plural w sind mit Punkt abgegrenzt, Suffixe mit Gleichheitszeichen. Beischrift Hunefer = Tb 30B = Hu-1 bis Hu-19 Deutsche Übersetzung: Erik Hornung, Das Totenbuch der Ägypter, Zürich / München, 1979, S. 96-97 LÄ = Lexikon der Ägyptologie, 7 Bde., Darmstadt, 1975-1992 Hannig = Rainer Hannig, Handwörterbuch Ägyptisch-Deutsch, Mainz, 1995 Hu-1 rA n jb n wsjr sS nj-sw.t hw-nfr "Spruch des Herzens für den Osiris (= den Toten), Schreiber des Königs Hunefer - ..." rA "Spruch" (Hannig, S. 455) Das n ist in den Kursivhieroglyphen ein Strich mit leicht verdickten Enden, keine Wellenlinie. rA n ist rot geschrieben. LÄ V, 313-314, Stichwort: "Rubrum": Zitat:
"Die mit roter Tinte geschriebenen R. dienten vom AR bis zur SpZt zur Hervorhebung, zur Gliederung, zur Absonderung und zur Unterscheidung. Diese Punkte schließen sich gegenseitig nicht aus, sondern ein R. kann verschiedene dieser Funktionen erfüllen. So können zu Beginn der Buchtitel die ersten Worte oder das Datum eines Textes durch ein R. besonders hervortreten, mitten im Satz dienen dieselben R. sowohl der Hervorhebung als auch der inneren Gliederung." |
|
jb "[allg] Herz" (Hannig, S. 38) Hinter Hunefer sind noch zwei Linien, die ich nur als Unterstreichung empfinde und nicht übersetze. Vielleicht stehen sie aber auch für ein mAa-xrw "gerechtfertigt", das allerdings auf der folgenden Spalte noch einmal steht. Hu-2 mAa-xrw Dd=f jb=j n=j jb=j "... gerechtfertigt. Er spricht: Mein Herz, das mir gehört, mein Herz ..." mAa-xrw (wörtlich: "wahr an Stimme") "gerechtfertig, selig sein (vor dem Jenseitsgericht wurde die Aussage des Verstorbenen für richtig befunden)" (Hannig, S. 316) - hier nimmt der Papyrus das Ergebnis schon vorweg. Diese Beischrift ist abgekürzt geschrieben (Hannig, S. 1288). Dd=f ist rot geschrieben jb=j n=j wörtlich: "mein Herz für mich" - n "(6) [dativus possessoris, Angabe des Besitzes, Paraphrase von gehören, haben] jw Ts.w n=j mir gehören Sprüche ..." (Hannig, S. 385) Hu-3-4 mw.t=j HAtj=j n xpr.w[=j] "... meiner Mutter, mein Herz [meiner] verschiedenen Lebensalter:" mw.t "Mutter" (Hannig, S. 330) HAtj "Herz (Sitz des Lebens; Zentrum der Gefäße; Herz- und Verdauungsfunktion; bei Mensch und Tier)" (Hannig, S. 507) xpr.w "(2) Phasen, Entwicklung (des Lebens eines Menschen) ... (3) ... HAtj=j n xpr.w=j meiner verschiedenen Lebensalter" (Hannig, S. 595) - Die drei Punkte sind die Pluralstriche. - Dieses Wort leitet sich von xpr "werden, entstehen" (Hannig, S. 594) ab. - Das =j ergänzt aufgrund von Parallelstellen. Das Ganze ist kein Satz, nur eine Anrufung. Im Ägyptischen gibt es zwei Wörter für das Herz, die lange Zeit nicht richtig voneinander abgegrenzt werden konnten. Was aber diese Anrufung anspricht, kommt unserem modernen Verständnis entgegen: Nämlich, daß ein Teil unseres Wesens ererbt ist ("Herz meiner Mutter"), ein anderer Teil auf Erfahrungen und Erziehung ("Herz meines Werdens") beruht. Zum Verständnis des Herzens im Alten Ägypten: LÄ II, 1158-1168, Stichwort "Herz" LÄ II, 1168-1170, Stichwort "Herzskarabäus" Hellmut Brunner, Das Herz im ägyptischen Glauben, in: Das Herz im Umkreis des Glaubens, 1, Biberach, 1965, S. 81-106. Wiederabgedruckt in: Hellmut Brunner, Das hörende Herz, Freiburg / Göttingen, 1988, S. 8-41 Neuere Auffassungen referiert und vertritt Jan Assmann, Tod und Jenseits im Alten Ägypten, München, 2001, S. 38. - Sh. auch den Abschnitt "Herz", S. 139-143 Hu-4 m aHa r=j "Tritt nicht auf gegen mich ..." m (jm) "[Imperativ zum Verb jmj; zur Bildung des negativen Imperativs] nicht!" (Hannig, S. 312) aHa "[allg] aufstehen, sich stellen" (Hannig, S. 154) Für Grammatikfans sei darauf hingewiesen, daß es sich bei der Verbform aHa um das sog. "Negativkomplement" handelt (Gardiner, Egyptian Grammar, § 341; James P. Allen, Middle Egyptian, § 16.4 "Negation of the imperative", die Formen sind in § 14.17 erläutert). Die spezielle Endung .w wird oft weggelassen, wie hier. Hu-5 m mtrw "als Zeuge" mtrw "Zeuge (vor Gericht) aHa m mtrw als Zeuge auftreten" (Hannig, S. 375) Viele Grüße, Michael Tilgner
> Antwort auf Beitrag vom: 03.09.2003 um 09:00:10
|