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Ägyptologie Forum >> Jenseitsglaube & Totenkult


1) Ägyptische "Survivals" im Christentum
 Tawabet am 19.12.2003 um 19:45:23

Schade, daß die doch interessante Diskussion geschlossen wurde, nur weil einige Leute ein bißchen aneinader geraten sind. Das ist bei Diskussionen ganz normal und sollte nicht vom Thema ablenken


Also, um auf die Frage aus dem vorhergehenden Thema Paralellen zum Christentum1
zurückzukommen: m.E. macht es einen Teil der Faszination der ägyptischen Kultur aus, daß wir Europäer (die wir christlich geprägt sind) darin vieles aus unserer  Denk-, Glaubens- oder auch Weltvorstellung wiederzufinden glaub(t)en. Ich will damit sagen, daß es  fremd und doch vertraut erscheint. Dies rührt m.E. daher, daß die ägyptische Kultur / Religion im Christentum und in der abendländischen Kultur Spuren hinterlassen hat. Interessant ist nun zum einen, welche Spuren das sind, zum anderen auch, wie und auf welchem Wege diese "hineingeraten" sind (direkter Weg, Kulturkontakt usw.). Auch wann welche "Survivals" aufgenommen wurden, wäre zu fragen. Vielleicht handelt es sich bei einigen tatsächlich auch um analoge, jedoch unabhängige Entwicklungen.

z.B. die "göttliche Geburt": die Geburtslegende ist, wie im vorangehenden Thread öfters erwähnt, eine Tradition, die zur Königsideologie gehört. Sie ist an mehreren Stellen überliefert. Inwiefern sie exzeptionell für einzelne Könige oder traditionell für alle Könige übernommen wurde, will ich hier nicht diskutieren. Die Belege stammen m.W. aus dem NR. Sie sind also mit einiger Sicherheit nicht direkt mit der Weihnachstlegende zu verbinden. Jedoch gibt es einen Link über die Geburtslegenden der späten Tempel: wie bekannt sein dürfte, ist den Tempeln der griech.-röm. Zeit ein Mammisi angegleidert, in dem die göttliche Geburt des Götterkindes gefeiert wurde. Über diesen Überlieferungsstrang müßte m.W. der ägyptische Einfluß auf die Weihnachtsgeschichte gekommen sein. (Das Ende der ägyptischen Religion und die Anfänge des Christentums laufen sehr wohl paralell )

Grüße,

Tawabet









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2) Re: Ägyptische "Survivals" im Christentum
 Koersch am 20.12.2003 um 11:13:26

Diesen Artikel fand ich heute in meiner Tageszeitung und möchte euch Auszüge davon nicht vorenthalten:


DK Nr. 293; 20./21. Dezember 2003; Kultur

Der Frieden eines Gottkönigs

Spannenden Ausstellung in München über Ramses II. von Ägypten

München (DK)...................
... Als menschliches Wesen wurde er 93 Jahre alt – ein Methusalem unter den damaligen Herrschern. Als Herrscher über die Welt wurde sein Abbild aus Rosengranit gehauen. Und seine zweifache Natur als Gott und Mensch ist nur eine der verblüffenden Parallelen zu unserem Christentum, das an einen Gottessohn glaubt, der als Mensch geboren wurde.

Im Ägypten unter Ramses II., so belehrt die Ausstellung, entwickelte sich unter den Menschen, die sich zunehmend ihrer Isolation innerhalb der Gesellschaft bewusst wurden, ein persönlicher Frömmigkeitskult.
Dazu gehörte, Votivgaben für einen Tempel zu stiften – nichts anderes tun die Menschen heute in Altötting und anderswo. ........
.......Denn ihr Thema ist die Schlacht von Kadesch im nördlichen Syrien. Dort standen sich am 9. August 1275 vor Christus die Heere der Hethiter und der Ägypter gegenüber. König Ramses war in einen Hinterhalt geraten, war isoliert von seinem Heer und wusste sich keinen anderen Ausweg, als seinen Gott anzurufen: “Hat ein Vater jemals seinen Sohn vergessen?...Tu Gutes dem, der sich auf dich verlässt!... Zu dir rufe ich, mein Vater..“ Kaum anders fleht der Psalmist in der Bibel......
von Annette Krauß


Frohe Weihnachten und Gruß
Koersch

> Antwort auf Beitrag vom: 19.12.2003 um 19:45:23


3) Re: Ägyptische "Survivals" im Christentum
 heka-waset am 20.12.2003 um 11:15:11

Das müßte man wirklich sehr genau analysieren und dabei Hand in Hand arbeiten mit den frühchristlichen Archäologen, Koptologen und vorderasiatischen Altertumskundlern.
Durch die geographische Enge des Raumes und der Verbreitung "ägyptischer" Kulte im römischen Reich ist wohl schon eine Art "Flußrichtung" identifiziert, die sich über die römischen Kaiser zu den Bischöfen und Päpstn gehalten hat. (Man denke daran, dass der Papst als eines seiner Würdenzeichen zwei Straussenfeder-Fächer mitträgt!!) Über Verbindungen der einzelnen Kulturen ist bisher viel spekuliert worden, auch von völlig Fachfremden wie S. Freud, aber leider wenig sehr ertragreiches Material gefundne worden, Ein Feld auf dem es also noch viel zu forschen gibt.

Aber ich denke es ist ein  faszinierender Gedanke, dass sich trotz gegensätzlicher Gottesbegriffe und völlig anderem Kulturverständnis Teile einer so alten Religion erhalten haben könnten.

P.S. Dafür, dass bestimmte ägyptische Rituale anfangs dirket in christliche Kulte Eingang gehalten haben könnten, spricht, dass Ägyptendie Wiege der großen, frühen koptischen Kirche ist.

> Antwort auf Beitrag vom: 19.12.2003 um 19:45:23


4) Re: Ägyptische
 Gast_A. am 21.12.2003 um 11:06:10


Zitat:
„Im Ägypten unter Ramses II., so belehrt die Ausstellung, entwickelte sich unter den Menschen, die sich zunehmend ihrer Isolation innerhalb der Gesellschaft bewusst wurden, ein persönlicher Frömmigkeitskult. Dazu gehörte, Votivgaben für einen Tempel zu stiften – nichts anderes tun die Menschen heute in Altötting und anderswo. ........“


Die Sache mit der „Persönlichen Frömmigkeit“  ist leider ein Thema, bei dem sich bis heute kein Kompromiss in der Ägyptologie abzeichnet. Die Vorstellung einer rundherum frommen Gesellschaft (die schon so manchen Ägyptologen dazu verleitet hat etwa den Pyramidenbau als Ausdruck einer Massenfrömmigkeit und als großartigen sakralen Akt ähnlich dem gotischen Kathedralenbau zu sehen) wird der ägyptischen Kultur permanent zugrunde gelegt, ohne hierfür konkrete Beweise zu haben:

Die Ausstellung in München wird vom Ehepaar Schoske-Wildung konzipiert. Herr Wildung ist klarer Verfechter der These der „Persönlichen Frömmigkeit“. Hier bietet es sich zB. an, in seine Werke „Imhotep und Amenhotep“ ( München-Berlin 1977 ) bzw. „Die Rolle ägyptischer Könige im Bewußtsein ihrer Nachwelt“ ( Berlin 1969 ) zu gucken, um festzustellen, dass Wildung ohne Methode alle Zeugnisse, die „grotesk“ oder scheinbar individuell wirken (angeblich direkt an Gott gerichtete Gebete mit scheinbar persönlichen Inhalten usw.) als Zeugnisse einer individuellen „Persönlichen Frömmigkeit“ sieht.
Die Vorstellung von Ägypten als „frommen“ Staat wurde auch maßgeblich durch die Publikation von Ashraf I. Sadek ( Popular religion in Egypt during the New Kingdom, in: HÄB 27, Hildesheim 1987 ) beeinflusst, der darin völlig wahllos alle möglichen archäologischen „Belege“ für die Persönliche Frömmigkeit auflistet. Wie aber bereits Leonard H. Lesko  ( in: JNES, S. 54 ) und James K. Hoffmeier ( JEA 78, 1992 ,S. 338 - 339 ) kritisieren, fehlt Sadeks Bearbeitung eine Darlegung der normativen Komponenten der Persönlichen Frömmigkeit, also eine Auseinandersetzung mit der Frage „Was macht Persönliche Frömmigkeit aus?“ . Mit dieser Kernfrage hat sich bislang niemand in der Ägyptologie kritisch auseinandergesetzt, weshalb alle Aussagen hierzu zunächst interpretative Willkür sind. Assmanns Datierung der „Persönlichen Frömmigkeit“ als Gesellschaftsphänomen in das Neue Reich ist zwar ebenfalls in weiten Kreisen Standardmeinung, doch ignoriert diese These die Belege aus dem Mittleren und Alten Reich völlig (zB. die „Votivgaben“ aus dem 11. Dyn.-Komplex in Deir el-Bahari, die sich in nichts von den Neuen-Reichs-Objekten unterscheiden vgl. etwa bei Geraldine Pinch, Votive Offerings to Hathor, Oxford 1993 ).
Wenn aber die (modernen) Buchreligionen mit der ägyptischen „Religion“ verglichen werden sollen, ist die Frage der Kommunikationsform zwischen Individuum und Gottheit entscheidend,. Assmann ( Ägyptische Hymnen und Gebete, Lieder und Gebete Teil 2. in: TUAT 2 ; S. 827 - 928 ) nennt die Beziehung zu einer Gottheit im Rahmen einer frommen und individuellen Anbetung/Anrufung auch „ausserkultische Zugänglichkeit des Göttlichen“ . Der einzelne Mensch könne demnach ausserhalb staatlicher Institutionen (Tempel/Kapelle, Priesteramt) direkt mit Gott kommunizieren (Assmann verwendet hierbei gern den Begriff „Stoßgebet“). Hierfür bringt er massenhaft Belege aus der ägyptischen Literatur und v.a. der Hymnik (seine Auslegungen basieren auf seinen eigenen Interpretationen ). Er widerspricht sich aber in „politische Theologie zwischen Ägypten und Israel (Bonn 1991, S. 48) selbst, wenn er schreibt „In einer Welt, die auf der Trennung von Menschen und Göttern basiert, bedarf es des Staates, um die Kommunikation  mit der Götterweltt aufrechtzuerhalten“ . Auch muss mit John Baines (Fecundity Figures: Egyptian Personification and the Iconology of a Genre, Chicago 1985) berücksichtigt werden, dass (vermutlich) alles, was uns überliefert ist, dem Prinzip des decorum unterliegt. Dieses Prinzip regelt, was dargestellt werden darf und was nicht . Von allen (religiösen) Zeugnissen der ägyptischen Kultur ist primär davon auszugehen, dass sie eben nur zeigen, was gezeigt werden durfte. Individualität oder gar Persönlichkeit fallen hier klar raus! Entscheidend ist nun, dass Assmann zwar die Zeugnisse, der wie er es nennt “sichtbaren Religion” (Bauten, Bilder, Riten) diesem decorum unterordnet (Assmann, Politische Theologie zwischen Ägypten und Israel, Bonn 1991, S. 57), aber die literarischen Belege nach eigenem Ermessen ausschliesst. Ihnen rechnet er das Prädikat der Individualität zu, wodurch sich für ihn die Möglichkeit bietet aus den Inhalten der Hymnen eine „Persönliche Frömmigkeit“ zu (re)konstruieren.
Diese „Persönliche Frömmigkeit“ ermöglicht dann wiederum den weitgespannten Vergleich zwichen Ägypten und Altötting.
Solche Pseudoparallelen (Altötting-Ägypten) täuschen ein angebliches Wissen um den Sinn und Zweck der ägyptischen „Votivgaben“ vor, das nicht existiert. Sie wirken als in zweierlei Richtung negativ: Zum einen suggerieren sie ein Wissen um religiöse Symbolik zum anderen lassen sie Ägypten als „direkt vergleichbar“ mit späteren Ausprägungen von Theologie erscheinen.


Gruss A.


> Antwort auf Beitrag vom: 20.12.2003 um 11:13:26


5) Re: Ägyptische
 heka-waset am 21.12.2003 um 11:47:21

Zu diesem Artikel muss man aber auch einmal festhalten: Hier wird wieder einmal das Klischee des ägyptischen Königs als Gottkönig aufgewärmt. Zweifache Natur und so weiter.... mit dieser verzerrten Sicht der Dinge ist ein Vergleich mit Christu scheinbar möglich. Ägyptische Könige hatten aber nicht in dem sinne eine persönliche Doppelnatur. Vielmehr eine institutionelle. Die SPIELTEN vielmehr die ROLLE des Schöpfergottes auf Erden und hatten somit mit ihrem Amt verbunde Fähigkeiten und Kräfte. (Vergl. hierzu Hornung - Geist der Pharaonenzeit, Hornung - Der Eine und die vielen, Jacobson - Die dogamtische Stellung des Königtums in der Theologie der Ägypter, W.Barta, Untersuchungen zur Göttlichkeit des regierenden Königs, MÄS 32, H.Frankfort, Kingship and gods)

> Antwort auf Beitrag vom: 21.12.2003 um 11:06:10


6) Re: Ägyptische
 Tawabet am 21.12.2003 um 11:51:15

Lieber Gast A.,

eigentlich wollte ich an dieser Stelle nicht das Phänomen "Persönliche Frömmigkeit" diskutieren. Ob es sie gab und in welchem Ausmaß, ist ebenfalls eine ineressante Frage, der man aber einen eigenen Thread widmen sollte. Gefragt waren "Survivals" im Christentum. Solche Survivals müssen nichts mit der inneren Haltung des Menschen zu seiner Religion bzw. zu seinem Gott zu tun haben. Die innere Haltung / Intention können wir sowieso nicht mehr feststellen. Jeder Versuch in dieser Richtung ist "Interpretation", wie sowieso die Ägyptologie ausschließlich Quellen interpretiert. Deshalb ist sie eine Geisteswissenschaft. An Interpretation ist deshalb nichts verwerfliches, schon gar nicht an eigenen. (Kleiner Lit.-Hinweis: Theorien in der Archäologie
von Reinhard Bernbeck, UTB 1997).

Ich finde den von Koersch zitierten Artikel sehr interessant, und zwar nicht, weil man alles darin für bare Münze nehmen muß, sondern (es ist ein Zeitungsartikel!) weil  ich darin meine These von oben bestätigt sehe.


Zitat:
m.E. macht es einen Teil der Faszination der ägyptischen Kultur aus, daß wir Europäer (die wir christlich geprägt sind) darin vieles aus unserer  Denk-, Glaubens- oder auch Weltvorstellung wiederzufinden glaub(t)en.



"Parallelen" und Survivals sind in aufeinander folgenden Kulturen selbstverständlich und nichts ungewöhnliches. (Vgl. Fibeltypologien o.ä.) Warum sollte das Christentum nichts von den Ägyptern übernommen haben?

Tawabet

> Antwort auf Beitrag vom: 21.12.2003 um 11:06:10


7) Re: Ägyptische
 heka-waset am 21.12.2003 um 12:20:59

Tawabet, ich denke, wie oben schon mal erwähnt, dass sich die Gemeinsamkeiten aber wohl eher auf kultische Ähnlichkeiten bzw. Äußerlichkeiten erstrekt als auf Gottesvorstellungen usw. die gerne beschworen werden. Man muss nicht lange suchen, da gebe ich dir recht, um ikonographische Ähnlichkeiten zwischen Ägypten und dem Christentum zu finden, man nehme nur das Beispiel der Mutter Gottes mit dem Christus Kind, das scheinbar geradewegs dem Bild der Isis mit dem Horskind entwachsen zu sein scheint (und es wohl auch ist, da es zuerst in Ägypten auftritt).

Das Phänomen der "persönlichen Frömmigkeit" hat mit diesem Thema aber doch schon eine Menge zu tun und müßte auch an dieser Stelle diskutiert werden, wenn es um inhaltliche Ähnlichkeiten zwischen Ägypten und Christentum geht! Das Christentum IST eine Religion der persönlichen Frömmigkeit, der christliche Gott IST ein Gott des Einzelnen, ein Helfer der Armen und Unterdrückten. Dieses Phänomen ist also schon eine genauere Untersuchung wert um mögliche Parallelen zwischen ägyptischen und christlichen Gottesvorstellungen zu finden  

> Antwort auf Beitrag vom: 21.12.2003 um 11:51:15


8) Re: Ägyptische
 Tawabet am 21.12.2003 um 12:49:36

Heka-Waset,


Zitat:
 Das Phänomen der "persönlichen Frömmigkeit" hat mit diesem Thema aber doch schon eine Menge zu tun und müßte auch an dieser Stelle diskutiert werden, wenn es um inhaltliche Ähnlichkeiten zwischen Ägypten und Christentum geht! Das Christentum IST eine Religion der persönlichen Frömmigkeit, der christliche Gott IST ein Gott des Einzelnen, ein Helfer der Armen und Unterdrückten. Dieses Phänomen ist also schon eine genauere Untersuchung wert um mögliche Parallelen zwischen ägyptischen und christlichen Gottesvorstellungen zu finden
 


In dieser Hinsicht ist dir zuzustimmen. Dazu muß man aber die gesamte religiöse Entwicklung im NR und der Spätzeit, insbesondere auch der griech.-röm. Epoche berücksichtigen. Denn darin sind evtl. Anknüpfungspunkte zu suchen. Eine pauschale Ablehnung von Entwicklungsströmen führt nicht weiter. Staatsreligion vs. Buchreligion, gewachsene vs. offenbarte Religion sind Labels, werden aber m.E. der Dynamik von Kulturentwicklung nicht gerecht. Auch das Christentum war z.B. lange Zeit Staatsreligion und hat den Gläubigen einen individuellen Zugang zu Gott vorenthalten. Erst Luther hat das geändert.

Tawabet



> Antwort auf Beitrag vom: 21.12.2003 um 12:20:59


9) Re: Ägyptische
Gitta am 21.12.2003 um 13:50:06


Zitat:
Auch muss mit John Baines (Fecundity Figures: Egyptian Personification and the Iconology of a Genre, Chicago 1985) berücksichtigt werden, dass (vermutlich) alles, was uns überliefert ist, dem Prinzip des decorum unterliegt. Dieses Prinzip regelt, was dargestellt werden darf und was nicht . Von allen (religiösen) Zeugnissen der ägyptischen Kultur ist primär davon auszugehen, dass sie eben nur zeigen, was gezeigt werden durfte. Individualität oder gar Persönlichkeit fallen hier klar raus!


Das mag für offizielle Darstellungen, z.B. Privatstelen, die fast immer den Stifter in Beterhaltung vor einem Gott zeigen, gelten. Aber gilt das auch z.B. für ein 13 x 20 cm großes Ostrakon, das einen betenden Mann vor Amun in Widdergestalt zeigt (Ägyptisches Museum Leipzig)? Und könnte man nicht in der Aufforderung zu Opferungen für einen Gott durch Privatleute, damit sie eine Gegenleistung des Gottes erhalten, als Zeichen persönlicher Frömmigkeit werten? Genauso verhält es sich meiner Meinung nach mit der Vergöttlichung Amenophis I., der als Schutzheiliger der Handwerker von Deir el-Medina gilt.

Das sind nun in der Tat alles Beispiele aus dem Neuen Reich, die uns - wenn überhaupt - nur etwas über persönliche Frömmigkeit aus dieser Zeit verraten. Eine offizielle Definition, was unter persönlicher Frömmigkeit zu verstehen ist, habe ich nicht parat. Ich persönlich würde die Anbetung und Anrufung eines Gottes als solche werten.

@heka-waset bezüglich der Göttlichkeit Ramses' II:

Im Leipziger Museum befindet sich der Denkstein des Mahuhi, auf welchem dieser eine Statue eben dieses Königs anbetet. Und ich meine es gibt sogar eine Darstellung aus Piramesse, auf der Ramses II. seine eigene Statue anbetet. Ist das mit Deiner Meinung, der Gottkönig (im Falle Ramses II. wohlgemerkt) sei nur ein Klischee, vereinbar?

Gitta

> Antwort auf Beitrag vom: 21.12.2003 um 11:06:10


10) Re: Ägyptische
 Gast_A. am 21.12.2003 um 14:02:05

Halle Tawabet!

Mein Post war auch nicht gegen das Thema gerichtet, sondern gegen die Form wie wenig differenzierend argumentiert wird. Ich habe nichts gegen „Vergleiche“ und „Interpretationen“. Es ist nur so, dass man sich zunächst bewusst sein muss
a) was man vergleichen kann (Objektkategorie) und
b) unter welcher methodischen Prämisse man diese Quellen vergleicht (Sinn-/Kontextkategorie).

Der Titel eines geisteswissenschaftlichen Faches gibt noch lange nicht das Recht völlig wahllos herumzuinterpretieren (zwecklos!). Warum? Ein Beispiel aus der Literaturwissenschaft (auch eine Geisteswissenschaft) erklärt es in knapper Form: „Literaturwissenschaftliche (und auch die archäologisch/historische) Interpretation unterscheidet sich ... von der alltäglichen Praxis der Textauslegung vor allem durch den Anspruch methodischer Reflexion... Methode ist der systematische und reflektierte Zusammenhang von Operationen beim Erkennen und Verändern eines Gegenstandes“ (J. Schutte, Literaturinterpretation, Stuttgart-Weimar 1993, S. 13f.). Diese Methode fängt also schon bei der bewussten Auswahl der Vergleichsobjekte sowie der an sie herangetragenen Fragestellungen an.

Zunächst zur Vergleichbarkeit der äußeren Form :
Ich kann ähnliche Formen bis zur Erschöpfung kulturübergreifend vergleichen, aber die dahinterliegende Sinneben der Objekte, die eben auch funktional sinnstiftend ist bleibt mir dabei völlig verschlossen, da ich sie nur bedingt  aus äußeren Vergleichen erschließen kann. Dem Gedanken der oberflächlichen Vergleichbarkeit liegt die Vorstellung des „natural law“ zugrunde, dass also eine äußerliche Ähnlichkeit (Form) eine Inhalts-/Sinn-/Funktionsgleichheit beinhalte (C. Renfrew u. P. Bahn, Archaeology, Theories Methods and Practice, London 2001, S. 475), wie es ja auch im „common sense“ seine pseudo-methodische Ausprägung findet.

„Inhalt“ und „Umfang“ von Begriffen bei Textquellen:
Der Inhalt eines Prädikators (Begriffes) ist zwar vage rekonsrtuierbar, aber nur kulturintern zu begreifen. Besonders der Umfang eines Begriffes (also sein Assoziations-/Bedeutungsspektrum) ist kaum aus späterer Sicht (Archäologie/Philologe) einzugrenzen (wegen Mehrdeutigkeit, variabler Spezifikation etc.), da die Umwelteindrücke und das sogenannte interne Aussenweltmodell (IAWM gespeist aus Perzeptionserlebnissen/Eindrücken) die dazu geführt haben, dass eine Kultur einen Gegenstand/Erscheinung A mit dem Begriff X bezeichnet hat, nicht mehr rekonstruierbar sind (G. Wersig, Begriff und Begriffsinhalt, in: Sprache und Begriff, München-Berlin 1970, S. 49ff.). Hier sind es die nur sehr begrenzt rekonstruierbaren Assoziationsmöglichkeiten von Begriffen, die ein Verstehen von Begriffen und Phrasen verhinden.

Übertragen etwa auf den Vergleich Amarna-Monotheismus - Christen-/Judentum/Islam bedeutet dies, dass wir die Sprache , die Amenophis IV./Echnaton benutzt und die darin enthaltenen Bilder und Assoziationen nicht einfach mit scheinbar identischen Phrasen des Alten/Neuen Testaments bzw. des Korans gleichsetzen können. Zum einen ist unsere Übersetzung religiöser Texte aus Ägypten bereits Interpretation (so zB. die modernen Übersetzung der Amarnatexte im Sinne einer revolutionären monotheistischen Tendenz) zum anderen sind die jeweiligen Phraseologien nicht aus dem Kontext ihrer sakralen/kultischen Situation zu lösen, die ja erst den Worten einen Sinn gibt. Ein auf Äusserlichkeiten beschränkter Vergleich isoliert die Quellen aus ihrem Kontext .

Der Einwand, eine Typologie sei geeignet inhaltliche Verwandtschaften aufzuzeigen ist dagegen kaum haltbar (Du sprichst vage von „Parallelen“ und „Survivals“ ohne genauer zu sagen an welche - formalen/inhaltlichen - Du hierbei denkst).
Typologie ist tatsächlich eine Studie, die auf der Klassifikation von Ähnlichkeiten basiert. Diese Ähnlichkeiten sind aber nur grobe Organisationsprinzipien und helfen formale Genome, also äußerliche Grundmuster, darzulegen (nicht zu deuten!). Auch die Morphologie als Studie der Form und manchmal auch deren Entwicklung gibt keine methodischen Lösungen, ähnliche Formen mit ähnlichen Inhalten zu verbinden.

Nicht umsonst wird zur begrenzten Klärung auch inhaltlicher Fragen die stilistische Analyse der Typologie vorgezogen, die sich eben dadurch von der Typologie unterscheidet, dass sie ausschliesslich miteinander gruppierte Objekte, die der gleichen Zeit entstammen, vergleicht. Sie stellt eine - wie der Name schon sagt - stilistische Seriation einer (!) Objektgruppe eines (!) kulturellen Raumes/ kulturellen Gruppe einer (!) Epoche dar.

Die Aussage etwa, dass die gleiche Form A aus Typologie X und Typologie Y neben der identischen Form auch denselben Inhalt/dieselbe Bedeutung in beiden Kulturen (X und Y) habe ist ohne weitere Quellenbegründung schlichtweg falsch. Ein gemeinsames Verständnis religiöser Symbolik bzw. eine identische (kultische) Funktion ist durch äussere Form nicht feststellbar.

Dies ist aber die Aussage vieler Posts zu diesem Thema. Hier wird nicht klar unterschieden, dass die formale Übernahme von Symbolen nichts mit einer inhaltlichen Übernahme zu tun haben muss bzw. so etwas nicht ohne vorausgehende, klare Einschränkungen zugrunde gelegt werden kann (man denke etwa an homologe Entwicklungsprozesse, die äusserlich gleiche Phänomene in völlig unabhängigen Kulturen hervorbringen).
Ich könnte etwa die Staatsstruktur der Han-zeit in China mit Ägypten vergleichen. Hierbei würde ich zum Ergebnis kommen, dass beide Kulturen unglaubliche Parallelen aufweisen. Auch die Konzeption des Herrschers ist in beiden Kulturen frappierend ähnlich. Schön! Nur beim Christentum/Islam wird daraus sofort (willkürlich) ein „Survival“ konstruiert. Einzige (plausible) Stütze hierfür wäre die räumliche Nähe der Kulturen im Mittelmeerraum.

Gruss A.


> Antwort auf Beitrag vom: 21.12.2003 um 12:49:36


11) Re: Ägyptische
 heka-waset am 21.12.2003 um 14:28:02

Hallo liebe Gitta , ja das ist es problemlos

Es gab einzelne Könige, die sich über das Ihnen zugeteilte Rollenklischee, oder besse den Topos, erhoben haben, AmenhotepIII ließ sich als "wirklichen " Gott verehren, Echnaton tritt mit seiner Familie in die Rolle des persönlichen Gottes und Schicksalsgottes, auch Ramses II verläßt an bestimmten Stellen die festgelegte Rolle. Aber es sind einzelne Könige, die sich persönlich in den Vordergrund setzen, eine Entwicklung die im Neuen Reich deutlich abzulesen ist und in diesen drei Königsgestalten ein fassbare Form und einen Höhepunkt erreicht. Die Könige des NR traten sehr viel mehr als Individuen auf, als große Sportler, große Krieger usw. - 2so etwas ist nicht geschehen seit der Urzeit" wird zur beliebten Losung.
Dennoch st die theologische Stellung des Königs nicht die eines Gottkönigs. Wort ntrw wird (so Hornung in Der Eine und die Vielen) niemals für einen regierenden König benutzt, er ist somit "guter Gott" aber nicht "göttlich", ich denke das beschreibt die paradoxe Rolle des ägyptischen Königtums sehr gut. Das Königsamt MACHT den Menschn zum Träger einer göttlichen Rolle, nicht aber zu einem lebendigen Gott. Abbild Gottes, aber nicht selbst Gott

Zu Tawabet: da gebe ich dir recht, man müßte im Grunde die gesamte Entwicklung der ägyptischen Religion noch einmal ganz grundlegend untersuchen. Wenn gast_A recht hat, müßten ja fast alle heute gängigen Meinungen noch einmal überdacht und überprüft werden. Dann erst kann man eine klare Aussage über ein solch komplexes Thema machen!

> Antwort auf Beitrag vom: 21.12.2003 um 13:50:06


12) Re: Ägyptische
Gitta am 21.12.2003 um 15:02:06

Hallo heka-waset,


Zitat:
Es gab einzelne Könige, die sich über das Ihnen zugeteilte Rollenklischee, oder besse den Topos, erhoben haben, AmenhotepIII ließ sich als "wirklichen " Gott verehren, Echnaton tritt mit seiner Familie in die Rolle des persönlichen Gottes und Schicksalsgottes, auch Ramses II verläßt an bestimmten Stellen die festgelegte Rolle.


In dem Artikel ist doch aber nur von Ramses II. die Rede. Zur recht gut belegten (Selbst)vergöttlichung dieses Herrschers paßt deshalb Dein Einwand Hier wird wieder einmal das Klischee des ägyptischen Königs als Gottkönig aufgewärmt. m.E. nicht so recht.

Gitta

> Antwort auf Beitrag vom: 21.12.2003 um 14:28:02


13) Re: Ägyptische
 Anubis am 21.12.2003 um 16:09:02



> Antwort auf Beitrag vom: 21.12.2003 um 12:20:59


14) Re: Ägyptische
 Gast_A. am 21.12.2003 um 16:32:59

Hallo Gitta!

Ich weiß! Wäre im Grunde ein eigenes Thema, ich möchte hier aber dennoch kurz auf deinen vorhergehenden Einwand antworten, da es gut zu der Frage der „Methode“ Quellen zu analysieren passt:

Was bewegt dich dazu zB. Ostraka als „nicht-offizielle“ Quellen zu deuten? Die Größe (du betonst ja selbst die bescheidene Größe, also ist es für dich ein Argument!)? Die teilweise „ungewöhnlichen“ Darstellungen mit („primitiven“) Tierformen der Götter? Dass die Masse der Belege aus Theben-West/Deir el-Medine stammt (wo ja „erwiesenermaßen“ alle Bewohner zutiefst fromm waren - erschlossen natürlich aus den zahlreichen Stelen - die bei dir aber „offizielle Kultobjekte“ sind)? ....
Betrachte doch einmal nur diese paar Klassifikationspunkte und prüfe, ob sie begründbare/belegbare Ausschlusskriterien darstellen, oder ob Du hier einen künstlichen Schnitt ziehst, der bestimmt Objekte (die wir "lesen/verstehen" können, zB. Stelen) zulässt und andere (die wir nicht verstehen, zB. Bild-Ostraka) ausschliesst.

Die Klassifikation bestimmter Quellen in Gruppen und die damit verbundene funktionale Deutung der Objekte erfolgt doch somit in erster Linie aus deiner eigenen Erwartungshaltung, die Du als moderner Betrachter an die Objekte bzw. deren Inhalte heranträgst. Worauf begründest Du diese (in meinen Augen zunächst einmal willkürliche) Ausgrenzung bestimmter Objektgruppen aus dem offiziellen Kultgeschehen?

Auch wie Du zu der Vorstellung kommst, Amenophis I. wäre ein „Schutzheiliger“ (beachte deine Wortwahl, die eine klar christliche Konnotation aufweist und somit dem Begriff schon eine klare Qualität/Assoziation zugrunde legt) von Deir el-Medine gewesen, würde mich interessieren.

Gruß Gast A.


> Antwort auf Beitrag vom: 21.12.2003 um 13:50:06


15) Re: Ägyptische
Gitta am 21.12.2003 um 19:31:39 - Anhang: ostrakon.jpg

Hallo Gast A,

natürlich gehe ich nicht methodisch vor. Das würde ich ja gern tun, aber ich bin halt nur Amateur, kein Wissenschaftler. Mir fehlen trotz aller Bemühungen Quellen, und Unterweisung erst recht. Ich muss mich also mit dem begnügen, was ich weiss oder was ich mit meinen bescheidenen Mitteln recherchieren kann. Nicht zuletzt deshalb habe ich meinen Hinweis auf das Ostrakon und auf Amenophis I. als Frage formuliert. Die Bezeichnung "Schutzheiliger" bitte ich nicht wörtlich im christlichen Sinne zu nehmen. Das war nicht meine Intention. Einigen wir uns auf "Schutzgottheit".

Stelen standen m.E. immer an exponierter Stelle, also vielleicht in oder an einem Grab, in Abydos in Verbindung mit dem Osiris-Kult, in einem Tempel. Daraus leite ich ab, dass sie von Aussenstehenden gelesen oder zumindest wahrgenommen werden sollten und demzufolge dem offiziellen Programm entsprachen. Ostraka halte ich für eher persönliche Aufzeichnungen. Deshalb sehe ich in dem von mir erwähnten Stück, das auch gar nicht unverständlich ist (obwohl ich den Text nicht komplett übersetzt habe - weiß nicht mal, ob es mir korrekt gelingt), als "nicht offiziell" an. Aber vielleicht sehe ich das ganz falsch.

Da ich das von Dir erwähnte Buch nicht kenne: hat denn Baines auch derartige Belege in seine Überlegungen und Schlußfolgerungen einbezogen?

Gitta

Nachstehend ein Foto des Ostrakons aus "Gott und Mensch im alten Ägypten" von Siegfried Morenz


> Antwort auf Beitrag vom: 21.12.2003 um 16:32:59


16) Re: Ägyptische
 Tawabet am 21.12.2003 um 22:14:19

Lieber Gast A.,

ich bin bisher davon ausgegangen, daß die christlich abendländische Kultur durchaus von der ägyptischen beeinflußt ist. Wenn dem nicht so ist, dann kläre mich bitte auf. Wie verhalten sich deines Wissens nach beide Religionen zueinander. Gibt es nur äußere Ähnlichkeiten oder auch innere? Glaubst du, daß wir jemals eine Chance haben, ein Verständnis für eine längst vergangene Kultur entwickeln zu können?

Tawabet

> Antwort auf Beitrag vom: 21.12.2003 um 19:31:39


17) Re: Ägyptische
 Gast_A. am 22.12.2003 um 01:43:45

Hallo Tawabet

Einen Rundumschlag kann ich nicht liefern... Dennoch will ich wenigstens einige Details anschneiden:

Die frühchristliche/-koptische Religionspraxis war ja geprägt vom Mönchswesen (eingeleitet durch den legendären Antonius von Koma = Heiliger Antonius, 251 - 356 n.Chr.), das nach den ersten Christenverfolgungen des Kaisers Decius (249-251 v.Chr.) einsetzt. Während das altägyptische Konzept einer politischen Theologie von einer negativen Anthropologie (Gerechtigkeit und Weltordnung kann nicht durch das Indiviuum realisiert werden, sondern nur durch die Herrschaft eines Königs/Pharaos) getragen wurde in der die Vorstellung der Maat bzw. einer sozialen Tugend die gesamte Gesellschaft umfasste, hatte sich der koptische Mönch, ob Anachoret oder Koinobit, aus dem Sozialverband gelöst. „Die Tugenden des Mönchs orientieren sich nicht an der Gesellschaft  (die klösterliche Gemeinschaft ist keine „Gesellschaft“). Sie stabilisieren keine irdischen, soziale Ordnung, sondern das Verhältnis des einzelnen zu Gott.“ (A. Eberle, Ethos im koptischen Mönchtum, Wiesbaden 2002, S. 143)

Die Tugenden des Mönches treiben ihn bis zur Selbsterniedrigung und Selbstverleugnung. Auch dies ist dem ägyptischen Religionsbild völlig fremd. Daneben unterscheidet die Orientierung auf das Diesseits im Maat-Tun den pharaonischen Ägypter klar von koptischen Mönch, dessen Ziel das Heil im Leben nach dem Tode ist. „Für ihn ist immer Gott – und nur Gott – der oberste Richter über sein Handeln“.

Frau Eberle kommt in ihrer detailierten Vergleichstudie zum Gedanken des Ethos in der altägyptischen und der koptischen Gesellschaft zum Schluss: „Bei dieser Untersuchung hat sich gezeigt, dass zwar gewisse Grundhaltungen, die sich zB. in Sprichwörtern manifestieren, erhalten geblieben sind, eine direkte Übernahme christlichen Gedankengutes aus altägyptischen Lebensweisheiten jedoch nicht gefunden werden kann.“ (op.cit. S. 146). Man beachte dabei, dass die Weisheitstexte (v.a. die späten) eine der Hauptquellen für unser rekonstruiertes Bild des altägyptischen Menschen/Menschenbildes darstellen! Weiter schreibt A. Eberle:
„Viele dieser hier behandelten Gedanken, die von den Mönchen als erstrebenswerte Tugenden betrachtet wurden, um vor Gott Wohlgefallen zu finden, sind nicht allein auf dem Fundament der ägyptischen Weisheit gewachsen, sondern  auch anderen Kulturen sehr wohl vertraut. So findet sich das Lob des Schweigens, der Bescheidenheit und weiterer Analogien auch in der chinesischen Weisheit... Es ist also weniger an eine genealogische, durch die Zeit tradierende, denn an eine analoge Entwicklung ähnlichen Gedankengutes in verschiedenen Gesellschaftssystemen zu denken. Eine parallele Entwicklung von gewissen Archetypen des Verhaltens die von der menschlichen Gesellschaft für deren Funktionsfähigkeit benötigt werden, ist demnach eher zu postulieren als eine kontinuierliche Tradierung.“
Ganz nach meinem Geschmack schließt A. Eberle mit der Sentenz

„Man tut gut daran, inhaltliche Ähnlichkeiten zu konstatieren, ohne gegenseitige Abhängigkeiten zu konstruieren.“

Dies also zunächst zu den (nicht nachweisbaren) Beziehungen zwischen ägyptischen Weisheitstexten und koptischen Apophtegmata, Klosterregeln, Mönchsspiegeln und Lehrworten. Zu berücksichtigen ist hierbei, dass dieser negative Befund auch Auswirkungen auf die Interpretation von Symbolen und Ikonen hat, da die Inhalte dieser Bedeutungsträger ja eben aus dem Weltbild der Menschen gespeist werden. Wenn die Kopten also in ihren Gedanken/Wertesystemen nicht in der ägyptischen Kultur verwurzelt waren, so wäre es erstaunlich wenn sie Ikonen und Symbole aus dieser Kultur übernommen hätten (was ja realistisch ist) und dann auch noch mit denselben Bedeutungen belegt hätten (!).

Ein sehr lukratives Vergleichsfeld wäre auch der Streit zwischen Gnostikern, Monarchianisten, Origenisten, Arianern, Presbytern und wie sie allen heissen, sowie die mit ihnen verbundenen Konzilien. Hierbei wird recht klar wie rasch theologische Konzepte verworfen bzw. kreiert werden konnten und wie wenig angebracht es angesichts der zahllosen parallelen Strömungen überhaupt erscheint, verallgemeinernd von „Christentum“ zu sprechen. Wesentlich engere Verbindungen zum heidnischen Gedankengut und zu deren religiösen Symbolen weisen zB. die Manichäer (Mani ca. 216-276/7 n.Chr.) und Gnostiker  auf, die sich selbst als christliche Gemeinschaft verstanden, deren Texte jedoch als Apokryphen nicht dem Kanon der römischen Kirche angehören.

Gruss A.

P.S.: Wenn Gedanken/Konzepte tradiert wurden, dann doch sicher in der frühesten Phase der christlichen Kirche in Ägypten (also der christlich-alexandrinischen/koptischen Kirche). Das spätere Christentum hat sich doch ausgesprochen weit von den frühchristlichen Grundzügen entfernt. Dass wir solche Tradierungen bzw. Übernahmen in dieser frühen Phase nicht finden zeigt m.E. recht deutlich, dass wir später (ausserhalb Ägyptens) belegte scheinbare Survivals eben als homologe Entwicklungen werten müssen.



> Antwort auf Beitrag vom: 21.12.2003 um 22:14:19


18) Re: Ägyptische
 Tawabet am 22.12.2003 um 08:56:05

Hallo Gast. A,

also alles nur Zufall?

Tawabet

> Antwort auf Beitrag vom: 22.12.2003 um 01:43:45


19) Re: Ägyptische
 Gast_A. am 26.12.2003 um 15:20:56

Hallo Tawabet,

Nein, nicht Zufall! Aber religiöse Symbole/Konzeptionen lassen sich nicht, wie in der Textkritik mittels Verkettung A-B-C-D-E usw. auf einen Urtext/Archetypen rückführen, der es schliesslich ermöglicht, den ursprünglichen Sinngehalt eines Textes zu rekonstruieren. Die Meinung, dies sei dennoch möglich, basiert v.a. auf dem Gedanken eines evolutionistischen Religionstheorie, die es erlaubt kulturelle/geschichtliche Entwicklungen und religiöse Tendenzen aufeinander aufbauen zu lassen.
Natürlich lassen sich konkrete religiöse Gestalten wie die Hlg. Maria auf einen symbolischen Aussagewert für „Mutter“ und „Jungfrau“ reduzieren (vgl. etwa G. Baudler, Zum Symbolkomplex Mariologie, in: Symbolisch-erzählende Theologie, München-Wien-Zürich 1982, S. 243-58) und darüber mit Symbolen ähnlichen Inhalts/ ähnlicher Form in anderen Kulturen vergleichen (Baudler sieht Maria etwa im Rahmen der Konzeption der „Goßen Muttergottheit“, was ebenso undifferenziert/unaussagekräftig wie richtig ist). Solche Analogien sind jedoch keine Beweise für direkte Übernahmen religiöser Symbole bzw. deren Austausch zwischen völlig unterschiedlichen Kulturen, sondern belegen eben nur ein allgemeines, dem menschlichen Denken zugrunde liegendes Grundmuster (Malinowski nannte es „Kulturbedürfnis“), deren Realisation eben in eben solchen Grundmustern erfolgte und daher zu äußerlichen/inneren Ähnlichkeiten/Parallelen führte.
Die Verabsolutierung einer Kultur, einer Religion, eines Stils zu einer quasi unvergleichbaren Größe ist natürlich nicht Ziel der Kultur- und Geschichtswissenschaften. Dennoch ist auch in einerm kulturelativistischem Ansatz zu berücksichtigen, dass wir nicht in eine kunstwissenschaftliche Universalienkunde verfallen dürfen, in der alles gleich/gleichartig ist (Die Ablehung eines differnzierenden und die vehemente Befürwortung eines universalen Ansatzes zB. durch H.W. v. Kittlitz, Strukturale Ikonologie, Berlin 1994 beruht v.a. auf dessen Interesse die Ethnologie – als universal ausgerichtetes Fach – als einzige Authorität auf diesem Gebiet darzustellen. Dabei ist es auch der Ethnologie zumeist nur möglich, Phänomene zu konstatieren, ohne sie kulturübergreifend deuten/aufeinander beziehen zu können).


Zitat:
Glaubst du, daß wir jemals eine Chance haben, ein Verständnis für eine längst vergangene Kultur entwickeln zu können?


Das habe ich auch nicht bestritten, nur ist es m.E. nicht möglich den Tradierungsweg von Zeichen/Symbolen wirklich nachzuvollziehen, da dieser ja i.d.R. nicht stringent von A nach B verläuft (wie es Historiker/Archäologen eben gern hätten).


Wie bereits S. Morenz ( Fortwirken altägyptischer Elemente in christlicher Zeit, in: Koptischer Kunst. Christentum am Nil, Essen 1963, S. 54-59 ) feststellte ist „vieles was dem Ägyptologen prima vista ägyptisch erscheint,... auch jüdisch, griechisch und einfach biblisch...“. Zu erinnern sei, dass Morenz selbst lange brauchte um zu dieser Einsicht zu gelangen, war er doch selbst zuvor noch ein strikter Verfechter direkter Ableitungen (zB. S. Morenz, Die Geschichte von Joseph dem Zimmermann, TU 56 Berlin 1951, IX : „Das Achtergewicht liegt auf den beträchlichen survivals der ägyptischen Religion, wobei deutlich wird, welche Bereiche daraus sich lebenskräftig, ja unentbehrlich erwiesen.“ Seine dortigen Schlüsse nennt er in: Ägyptische Religion, Stuttgart 1960, S. 270 Anm. 3 „Übertreibungen“). Diese Kritik wird nach wie vor wenig beherzigt (vgl. jüngst: M. Bernal, Black Athena. The Afroasiatic Roots of Classical Civilization Vol. I, London 1987 und H. Behlmer, Ancient Egyptian Survivals in Coptic Literatur, in: . Loprieno [Hrsg.], Ancient Egyptian Literatur, Leiden-Köln 1996, S. 567-590 )
Eben diese, von Morenz kritisierte, eingeschränkte Herangehensweise an religiöse Symbole bei Ägyptologen und Koptologen (und natürlich den Hobbyägyptologen), wendet zB. L. Langener ( Isis lactans – Maria lactans. Untersuchungen zur koptischen Ikonographie, Altenberge 1996 ) in ihrer seitengewaltigen Untersuchung zur Tradierung des ägyptischen Motivs der stillenden Gottesmutter in koptisch-christlicher Ikonographie an.
Ich möchte ihr Opus nur als Quellensammlung empfehlen. In der Analyse ist Langener oberflächlich und unterliegt denselben verallgemeinernden Schlussfolgerungen wie es oben bereits kritisiert wurde. Es ist aber trotz der unstrukturierten Gedankengänge ausgesprochen vielfältig in der Quellenzusammenstellung und allein deshalb schon nützlich.
...


> Antwort auf Beitrag vom: 22.12.2003 um 08:56:05


20) Re: Ägyptische
 Gast_A. am 26.12.2003 um 15:28:55

...
Zu der „Geburtslegende“ hat bereits 1939 A. Hermann ( Das Kind und seine Hüterin, in: MDIK 8, 1939, S. 176 ) festgestellt:
„Nach der Lage unseres Wissens muß es offen bleiben, ob die hellenistisch-jüdischen Kreise in Ägypten, die die Geschichte von der Rettung Mosis mit der Gestalt der Thermutis-Renute [er meint hier Renenutet, eigene Anmerkung] in Verbindung gebracht habe, dazu durch die Kenntnis einer ähnlichen Thermutis-Horus-Legende kamen oder ob dazu nur die allgemein mit diesem Namen verbundene Vorstellung von einer mütterlichen Frau mit Kind, welche im Chaemhet-Relief ja klar zum Ausdruck kommt, den Anlaß gegene hat.
Daß schließlich die  Moseslegende selbst in ihrer eigenen Entstehung auf eine entsprechende ägyptische Legende zurückgeht, dies anzunehmen ist bei der großen Ähnlichkleit mit den Vorgängern, wie sie etwa Herodot und Plutarch von Horus und Leto berichten, recht verlockend. Der Motivforschung – vielfach recht unmethodisch betrieben – ist allerdings nicht damit gedient, wenn bei struktureller Motivgleichheit um jeden Preis historische Beziehung behauptet wirdm, sofern die rechten Beweise fehlen, ist ja bei Motivübereinstimmung ebenso wie eine Beeinflussung auch isolierte Vergegenwärtigung gemeinmenschlicher Gegebenheiten in Erwägung zu ziehen... Denn wie die Mosesgeschichte in der Horusgeschichte eine Parallele hat, besitzt sie weitere in den Geburtslegenden, die von Sargon von Akkad (Ebeling bei Greßmannm Altorientalische Texte I, 234), von Perseus, Gilgamos, Bacchos, Neleus und Pelias, von Adonis, Kyros, Krischna und anderen mehr erzählt werden, ohne daß die Möglichkeit besteht, mit Erfolg die eine von der anderen herzuleiten.“

Dieses Scheitern der direkten Inbezugsetzung von altägyptischen und koptisch-christlichen Formen bzw. deren Inhalten ist nicht nur für die koptische Literatur, sondern auch für die Architektur charakteristisch:
„Soweit wir heute den koptischen Kirchenbau erfassen, ist für seine Raumform das Prinzip der christlichen Basilika, für seine Körperform einerseits die römische Provinzialarchitektur in Ägypten, andererseits die gleichzeitige Kunst in den christlichenn Nachbarländern maßgebend. In der Bauplastik spielt das Altägyptische keine Rolle, außer daß im Ornament Symbole wie das Anch umgedeutet werden. Denn hier hat bereits die römische Kunsttätigkeit, wohl vorzugsweise in den Städten, in ihrer besonderen ägyptischen Ausprägung die alte Tradition verdrängt.“ ( Fr. Wilh. Deichmann, Zum Altägyptischen in der koptischen Baukunst, in: MDIK 8, 1939, S. 34 ).
Zu einem ganz ähnlichen Ergebnis kommt auch jüngst P. Grossmann in seinem monumentalen Epos über „Christliche Architektur in Ägypten“ ( Leiden, Boston, Köln 2002, S. I ): „Bodenständige bauliche Traditionen oder Anleihen aus der pharaonischen Baukunst, aus denen allein sich die Berechtigung ableiten ließe, der christlichen Baukunst im Niltal eine von den übrigen Provinzen des Römischen Reichs abweichende Bezeichnung zu geben, liegen bis auf einige relativ unauffällige Baugewohnheiten nicht vor. Nach pharaonischen Vorbildern gestaltete Säulen oder auch echte, aus pharaonischen Bauten entnommene Spolien wurden in frühchristlicher Zeit in keiner einzigen ägyptischen Kirche verwendet.“

Als von Aussen kommende Religion hat sich das ägyptische Christentum inhaltlich von der ägyptisch-heidnischen Formen- und Symbolsprache distanziert. Die Tempel und ihre Kulte wurden als dämonisch gefürchtet bzw. bekämpft (vgl. etwa die Zerstörung des Falkengottes von Edfu durch koptische Christen oder die Dämonisierung des Bes: in: R: Schulz, Vom Schutzgott zum Dämon. Gedanken zur Struktur und Deutung der Bes-Legende bei Apa Moses, in: ÄAT 20 Fs. J. Assfalg, Wiesbaden 1990, S. 311ff. ). Bewußte/Gezielte positive Tradierungen fanden daher kaum bzw. gar nicht statt. Dort wo Ähnlichkeiten feststellbar sind, erfolgten diese v.a. über Alexandria und hier über die hellenistische Kultur oder über universale Gedankenmuster, die eben kulturübergreifend ausgebildet wurden und nicht unbedingt auf einen „Urgedanken“ zurückgeführt werden müssen. Auch gilt zu berücksichtigen, dass „at the time orthodoxy was established, from the second half of th fourth century onwards, however, the Egyptian tradition had already become part of Hellenistic – and Christian – culture, had transformed it and had been even more transformed by it.“ ( Bowersock, Hellenism, 27, 43, 55-59 ). In diesem Sinne ist es auch kaum verwunderlich, wenn Tran Tam Tinh ( Sur les pas d’Isis, in: Bulletin de Correspondance Hellénique; Suppl. 38, 2000, S. 497-498 ) in einer gegenüberstellung spätantiker Epitheta der Isis und Maria lactans/maiestas eine auffallender Ähnlichkeit feststellt (Hieraus schliesst er – natürlich – wieder auf eine direkte Abhängigkeit von original ägyptischen Isis-Vorstellungen).


Gruss A. (Kulturoptimist  )


P.S.: Zum Nachvollziehen der grundlegend unterschiedlichen Herangehensweise an Survivals sei noch die maßgebliche frühe und aktuelle Literatur zur Survivalforschung angegeben:
J. Doresse, Des hiéroglyphes à la croix ce que le passé pharaonique a légué au christianisme, Istanbul 1960 . Siehe auch die kritische Rezension von J. Zandee, in: OLZ 57 (1962), S. 21-27 ).
[Selbiger J. Zandee ( Death as an Enemy, Leiden 1960 ) hat auch das bis dato wichtigste Werk zur Rezeptionsgeschichte der ägyptischen Höllenvorstellung verfasst, in dem er nachwies, dass fast alle Elemente der Höllenkonzeption, die in koptisch-christlicher Literatur vorkommen auch/vermutlich aus originär jüdisch-christlichen oder iranischen Einflüssen stammen (können)].
vgl. dazu der momentane Hauptakteur in diesem Feld:
M. Krause (Heidentum, Gnosis und Manichäismus, ägyptische Survivals, in: M. Krause (Hrsg.), Ägypten in spätantik-christlicher Zeit, Wiesbaden 1998, S. 81-116 ) mit seinem Kriterien-Katalog zur Auswertung von Analogien/Parallelen und Survivals.

> Antwort auf Beitrag vom: 26.12.2003 um 15:20:56


21) Re: Ägyptische
 Tawabet am 29.12.2003 um 15:50:12

Hallo Gast A.!


Zitat:
Nein, nicht Zufall! Aber religiöse Symbole/Konzeptionen lassen sich nicht, wie in der Textkritik mittels Verkettung A-B-C-D-E usw. auf einen Urtext/Archetypen rückführen, der es schliesslich ermöglicht, den ursprünglichen Sinngehalt eines Textes zu rekonstruieren. Die Meinung, dies sei dennoch möglich, basiert v.a. auf dem Gedanken eines evolutionistischen Religionstheorie, die es erlaubt kulturelle/geschichtliche Entwicklungen und religiöse Tendenzen aufeinander aufbauen zu lassen.


Sicher, es ist kein Gesetz. Es handelt sich um einen theoretischen Ansatz. Ein Modell.  Kultur (und Religion ist ein Teil von ihr) ist ein dynamischer Prozeß. Interessant ist, wie Ideen im Laufe der Zeit entszehen und sich entwickeln. Einige sterben, einige überleben, einige wandeln sich.  


Zitat:
Natürlich lassen sich konkrete religiöse Gestalten wie die Hlg. Maria auf einen symbolischen Aussagewert für „Mutter“ und „Jungfrau“ reduzieren (vgl. etwa G. Baudler, Zum Symbolkomplex Mariologie, in: Symbolisch-erzählende Theologie, München-Wien-Zürich 1982, S. 243-58) und darüber mit Symbolen ähnlichen Inhalts/ ähnlicher Form in anderen Kulturen vergleichen (Baudler sieht Maria etwa im Rahmen der Konzeption der „Goßen Muttergottheit“, was ebenso undifferenziert/unaussagekräftig wie richtig ist). Solche Analogien sind jedoch keine Beweise für direkte Übernahmen religiöser Symbole bzw. deren Austausch zwischen völlig unterschiedlichen Kulturen, sondern belegen eben nur ein allgemeines, dem menschlichen Denken zugrunde liegendes Grundmuster (Malinowski nannte es „Kulturbedürfnis“), deren Realisation eben in eben solchen Grundmustern erfolgte und daher zu äußerlichen/inneren Ähnlichkeiten/Parallelen führte.
C.G. Jung nennt so was "Archetypen"...
Zitat:
Die Verabsolutierung einer Kultur, einer Religion, eines Stils zu einer quasi unvergleichbaren Größe ist natürlich nicht Ziel der Kultur- und Geschichtswissenschaften.


Das will ich hoffen


Zitat:
Dennoch ist auch in einerm kulturelativistischem Ansatz zu berücksichtigen, dass wir nicht in eine kunstwissenschaftliche Universalienkunde verfallen dürfen, in der alles gleich/gleichartig ist (Die Ablehung eines differnzierenden und die vehemente Befürwortung eines universalen Ansatzes zB. durch H.W. v. Kittlitz, Strukturale Ikonologie, Berlin 1994 beruht v.a. auf dessen Interesse die Ethnologie – als universal ausgerichtetes Fach – als einzige Authorität auf diesem Gebiet darzustellen. Dabei ist es auch der Ethnologie zumeist nur möglich, Phänomene zu konstatieren, ohne sie kulturübergreifend deuten/aufeinander beziehen zu können).


Nein. bei "survivals" geht es aber auch nicht um Gleiches oder Gleichartiges, sondern um Ideengeschichte.


Zitat:
Als von Aussen kommende Religion hat sich das ägyptische Christentum inhaltlich von der ägyptisch-heidnischen Formen- und Symbolsprache distanziert. Die Tempel und ihre Kulte wurden als dämonisch gefürchtet bzw. bekämpft (vgl. etwa die Zerstörung des Falkengottes von Edfu durch koptische Christen oder die Dämonisierung des Bes: in: R: Schulz, Vom Schutzgott zum Dämon. Gedanken zur Struktur und Deutung der Bes-Legende bei Apa Moses, in: ÄAT 20 Fs. J. Assfalg, Wiesbaden 1990, S. 311ff. ). Bewußte/Gezielte positive Tradierungen fanden daher kaum bzw. gar nicht statt. Dort wo Ähnlichkeiten feststellbar sind, erfolgten diese v.a. über Alexandria und hier über die hellenistische Kultur oder über universale Gedankenmuster, die eben kulturübergreifend ausgebildet wurden und nicht unbedingt auf einen „Urgedanken“ zurückgeführt werden müssen. Auch gilt zu berücksichtigen, dass „at the time orthodoxy was established, from the second half of th fourth century onwards, however, the Egyptian tradition had already become part of Hellenistic – and Christian – culture, had transformed it and had been even more transformed by it.“ ( Bowersock, Hellenism, 27, 43, 55-59 ). In diesem Sinne ist es auch kaum verwunderlich, wenn Tran Tam Tinh ( Sur les pas d’Isis, in: Bulletin de Correspondance Hellénique; Suppl. 38, 2000, S. 497-498 ) in einer gegenüberstellung spätantiker Epitheta der Isis und Maria lactans/maiestas eine auffallender Ähnlichkeit feststellt (Hieraus schliesst er – natürlich – wieder auf eine direkte Abhängigkeit von original ägyptischen Isis-Vorstellungen).


Aber natürlich war die hellenistische Kultur ein melting pot. Und in den hat die ägyptische Kultur viel eingebracht. Es scheint also doch Verbindungen zu geben. Wie gesagt, es geht nicht um Inhaltsgleichheit oder um direkte Abhängigkeiten. Es geht um Einflüsse, Entwicklungen, Ideengeschichte. Und da halte ich die Frage, wer was eingebracht hat, für durchaus interessant und berechtigt.Und ganz so distanziert von allem Vorchristlichen haben sich die Kopten nicht. Vgl. z.B. den koptischen Kalender, der die altägyptischen Monatsnamen beibehalten hat. Oder das Henkelkreuz. Inwiefern "Übernahmen" bewußt oder unbewußt erfolgt sind, kann man m.E. nicht feststellen.

Manches mag bewußt vernichtet worden sein, z.B. die von dir angeführten Reliefs. Anderes mag bewußt umgedeutet worden sein (vielleicht das Anch?) oder unbewußt und bedeutungsentlehrt beibehalten worden sein (z.B. unsere Namen für die Wochentage; die sind natürlich nicht ägyptischen, aber heidnischen Ursprungs, ein "survival").  

Noch mal: Unter Survival verstehe ich nicht, daß ein Phänomen in einer Kultur identisch mit dem in einer anderen ist. Es ist ein "Überbleibsel", oft sinnentlehrt oder umgedeutet. In einem ideengeschichtlichen Zusammenhang  gebracht wird es (manchmal) erklärbar. Ob es Zusammenhänge mit vorangehenden Kulturen gibt oder nicht, muß im Einzelfall untersucht werden. Vieles mag bloße Analogie sein und keine tieferen Wurzeln haben. Einiges andere kann man jedoch mit der Vergangenheit verbinden.

Tawabet

PS.: Ich bin im Weihnachtsurlaub und habe z.Zt. meine Bib. nicht bei mir

> Antwort auf Beitrag vom: 26.12.2003 um 15:28:55


22) Re: Ägyptische
 Gast_A. am 30.12.2003 um 13:41:21

Hallo Tawabet!

Eine Ideengeschichte befasst sich grundsätzlich mit Wesen und FUNKTION  von „Ideen“ (Auch in der philosophischen u. politikwissenschaftlichen Ideengeschichte geht es ja u.a. auch um die Funktion bzw. konkrete Entstehungszusammenhänge von Systemen/Ideologien). Du kannst dich also nicht darauf berufen, Ideengeschichte ermächtige zu rein theoretischen Überlegungen zur apriorisch immergültigen Wahrheiten in Ideen, ohne auf deren Inhalt einzugehen (Dann bleibst du in einer Theoriegeschichte  verhaftet, deren Theorien zwar Allgemeingültigkeit beanspruchen bzw. zur Verllgemeinerung tendieren aber nicht bewiesen werden können). Auch dass Gleichheit aus der Ideengeschichte auszuschliessen sei, ist schlichtweg falsch. Die Ideengeschichte basiert auf eben dieser Vorstellung, wobei sie diese im Grunde erst konstruiert!
Nach Lovejoy (The Great Chain of Being. A Study of the history of an Idea, Cambridge Mass. 1982) ist eine Ideengeschichte auf dem Konzept der basalen Elementarideen ( unit-ideas ) aufgebaut. Definition dieser   uni-ideas ist, dass sie bedeutungsmäßig invariable Grundbausteine sind, die den historisch variablen, vielgestaltigen ideengeschichtlichen Komplexen zugrundeliegen. Ziel der Ideengeschichte ist es konkret über Zergliederung des Materials Erkenntnisse über die inhaltlichen Grundbestandteile der intellektuellen Menschheitsgeschichte zu gewinnen. Es geht bei der Ideengeschichte eben nicht nur um äußerliche Form, sondern um (intellektuelle) Substanz – auch wenn das bei vielen Beiträgen zur Ideengeschichte selbst nicht offensichtlich wird.
Wenn Du also behauptest eine Ideengeschichte sei nicht darauf ausgerichtet auch Inhalte bzw. Inhaltsgleichheit auszuformulieren (über die Rekonstruktion der unit-ideas ), so hast Du wohl eine eigene Definition von Ideengeschichte.

Die Kernpunkte der Ideengeschichte ließe sich so formulieren:
Genese, Kontinuität und Totalisierung.

Ersteres setzt nach M. Foucault (L’archéologie du savoir, Paris 1969) einen Ursprung voraus, die beiden letzteren werden dann als homogen in der Annahme allgegenwärtiger Elemente betrachtet. Nach Foucault sind diese drei Kernpunkte die dominierenden Voraussetzungen in der Wahl der Gegenstände und dem Stil der Analyse der Ideengeschichtler. Sie suchen sich also ihre Objekte nach der Prämisse der Ähnlichkeit aus, um daraus kontinuative Gleichheit zu konstruieren. Unterschiede werden übergangen bzw. nicht wahrgenommen, da sie nur in einer differenzierenden Herangehensweise erkennbar werden.

Wenn heute Ideengeschichte in der Politikwissenschaft oder Philosophie groß geschrieben wird, so v.a. aus dem dort stark theoretisierenden Ansatz. Hierfür ist m.E. eine Ideengeschichte auch durchaus geeignet, da in der politischen Ideengeschichte v.a. neuzeitliche Phänomene/Ideologien thematisiert werden – zB. Arbeiterbewegung -> Sozialismus, Bürgerliche Bewegung -> Liberalismus – die eben empirisch untersucht werden können. Gegen eine methodologische Akzeptanz der Ideengeschichte (die selbst nie eine echte Methodik entwickelt hat bzw. wegen ihres Schwerpunkts auch nicht entwickeln konnte) wendet sich m.E. berechtigt M. Foucault. Sein Konzept des „Archäologischen Wissens“ und der historischen Diskursanalyse ist es, Wissen um die Wissenschaftsgeschichte, der historischen Disziplinen und deren Abhängigkeit von totalitären Perspektivierungen aufzudecken und deren ideengeschichtlich orientierte Geschichtsschreibung  in Frage zu stellen.
Worum es Foucault also konkret geht, ist die Frage nach der Formierung von Wissen  und wie wir nachträglich unser Geschichtsbild und damit auch unsere Ideengeschichte konstruieren. Der Vorwurf Foucaults an die Ideengeschichte ist der, dass diese nichts ausser ihren eigenen Hauptthemen rekonstruieren kann. Um einen einmal verorteten Gegenstand der Untersuchung wird eine „Geschichte“ konstruiert, die immer perspektivisch befangen bleibt. Die Methode der Ideengeschichte ist es, die historischen Gegenstände, bzw. deren Beschreibungen unterschwellig auf Harmonie oder weitläufige Meinungen zu reduzieren.
Dies ist es auch, was ich – ohne direkten Bezug zur Ideengeschichte – mit obigen Beiträgen kritisiert habe (wobei eine solche Reduzierung ja von dir selbst vorgenommen wurde):

Zitat:
z.B. die "göttliche Geburt": die Geburtslegende ist, wie im vorangehenden Thread öfters erwähnt, eine Tradition, die zur Königsideologie gehört. Sie ist an mehreren Stellen überliefert. Inwiefern sie exzeptionell für einzelne Könige oder traditionell für alle Könige übernommen wurde, will ich hier nicht diskutieren. Die Belege stammen m.W. aus dem NR. Sie sind also mit einiger Sicherheit nicht direkt mit der Weihnachstlegende zu verbinden. Jedoch gibt es einen Link über die Geburtslegenden der späten Tempel: wie bekannt sein dürfte, ist den Tempeln der griech.-röm. Zeit ein Mammisi angegleidert, in dem die göttliche Geburt des Götterkindes gefeiert wurde. Über diesen Überlieferungsstrang müßte m.W. der ägyptische Einfluß auf die Weihnachtsgeschichte gekommen sein. (Das Ende der ägyptischen Religion und die Anfänge des Christentums laufen sehr wohl paralell


Die Begriffe „Tradition“, „Einfluss“  und „Zeitgeist“  müssten aber prinzipiell in der Geschichtsschreibung in Frage gestellt werden.
...

> Antwort auf Beitrag vom: 29.12.2003 um 15:50:12


23) Re: Ägyptische
 Gast_A. am 30.12.2003 um 13:45:02

...
Man muss nicht so weit gehen mit den Epistemologen oder Strukturalisten ausschliesslich Brüche und Transformationen in Traditionen zu rekonstruieren, doch ist ein differenzierendes Geschichtsbild nicht umsonst das, was heute zunehmend Vorzug findet. Die Ideengeschichte als „wissenschaftliche“ Methode muss selbst mit der Kombination ahistorischer Elementarideen und Historizität allein verbürgender ominöser „Kräfte“ auf eine Mystifikation der Geschichtlichkeit zurückgreifen, obwohl sie eben dies der „traditionellen“, synthetisierenden Wissenschaft vorwirft. (L.O. Mink, Change and Causality in the History of Ideas, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie Bd. 4, Basel 1971, Sp. 135ff.).

Ein exzellentes Beispiel für Ideengeschichte sind zB. die „Biographien“ ägyptischer Prominenz. Hier werden Archetypen  kopiert bzw. als Schablone willkürlich auf ägyptische Daten übertragen. Zugrundegelegt wird etwa die Idee  der „einsamen Königin“ in einer männerdominierten Gesellschaft (Hatschepsut) oder der sportlich, jugendliche König als Held (Thutmosis III./Ramses II.). Andere Extrema sind zB. der „diktatorische Schwachsinnige“ (Echnaton) und die „machtbesessene, männermordende femme fatale“ (Kleopatra).
Bemerkenswert ist an dieser Ideengeschichte der „Persönlichkeit“ v.a. die Argumentation aus eigenen Erfahrungshorizonten heraus. Wenn Helck (Untersuchungen zur Thinitenzeit, Wiesbaden 1987) zB. die Idee der „rebellierenden Jugend“ bzw. des „rituellen Königsmordes“ als Grundmotiv auf das Sedfest überträgt, so muss man berücksichtigen welche eigene Erfahrung Helck hier mit einbringt und welcher Generation er angehört.

Auch die Ignoranz der Ideengeschichte gegenüber bestimmten Themen verhindert m.E. eine echte wissenschaftliche Erkenntnis. So wurde zB. bis in die 60er Jahre das Individuum kaum in der Forschung wahrgenommen. Eine Geschichte der „Arbeiterklasse“ gab es im Grunde nicht. Dagegen boomt heute die Erforschung des Individuums als Grundbaustein unserer modernen Gesellschaft. Auch die Gender-Studies sind im Grunde nur Produkte solcher trendorientierten Ideengeschichten. Der Grund: Die Anhäufung und Strukturierung von Wissen erfolgt nie zweckfrei! Wissen ist stark abhängig von demjenigen, der mit dessen Strukturierung zu tun hatte! Gleichzeitig ist die Strukturierung von Wissen selektiv. Zum einen „Sehen wir nur was wir kennen“, zum anderen werden bestimmte Themen bewußt/unbewußt aus der historischen Wahrnehmung ausgeklammert. Hier ist die Ideengeschichte besonders fragwürdig um „Wahrheiten“ zu liefern. Denn: „Wer sucht, der findet und konstruiert gleichzeitig Übergänge, die in weiterer Serialität eine Totalitarisierung bzw. ein Paradigma aus dem Nichts schöpfen.“
In diesem Zusammenhang stellt der klassische unilineare Kulturevolutionismus  mit seiner allgemeingültigen „Stadiensequenz des kulturellen und sittlichen Fortschritts“ (M.K.H. Eggert, Prähistorische Archäologie. Konzepte und Methoden, Tübingen-Basel 2001, S. 311) sowie der Universalismus  eine gefährliche Ausweitung der Ideengeschichte/-konzeption dar. Er beansprucht in seinen philosophischen, theologischen, anthropologischen, kulturellen, ethischen und politischen Theorien keine Exklusivität, sondern deren Gültigkeit für alle Menschen.
Mit zunehmender Ausdifferenzierung  der historischen Wissenschaften (besonders der Archäologie) ist auch der „historischen Ideengeschichte“, die ja im 18. Jh. einer der ersten Grundlagen zur Beschäftigung mit der Vergangenheit lieferte, schrittweise die methodologische Grundlage und die Kriterien für die historische Bewertung der jeweiligen Ideen entzogen worden. Nicht umsonst geht der moderne Trend weg von der Ideengeschichte mit seiner Realisierung in einer „Universalgeschichte“, hin zu deduktiven und synthetisierenden Ansätzen, die Partikulares nicht mehr durch Abstraktion zugänglich machen wollen.

Als Merksatz hat ein Archäologe – ich glaube es war Ian Hodder - einmal die Maxime der Historiographie ausgerufen: „Make a difference!“  Ganz meine Meinung!

Gruss A.


> Antwort auf Beitrag vom: 30.12.2003 um 13:41:21


24) Re: Ägyptische
Gitta am 30.12.2003 um 14:53:09

Hallo A.,

darf ich kurz rekapitulieren, um sicherzugehen, dass ich einigermaßen verstanden habe, was Du zum Ausdruck bringen willst?

Die Ergebnisse der Arbeit von Archäologen und Ägyptologen (und Wissenschaftlern ähnlicher Disziplinen) sind nur dann akzeptabel, wenn dafür gesorgt ist, dass keine persönlichen Sichtweisen und Erfahrungen bewusst oder unbewusst einfließen. Alle Rückschlüsse, Zusammenhänge und Kombinationen, die der "moderne" Kopf aufgrund von ansonsten sorgfältig erzielten Forschungsergebnissen produziert, sind in Frage zu stellen. Ich stelle mir unter diesen Umständen die Verifikation der Ergebnisse unendlich schwer vor, weil sie immer von Menschen vorgenommen werden muss. Wie kann das praktisch funktionieren?

Und was machen wir armen Würstchen, die wir uns versuchen ernsthaft und ohne Spinnereien mit der ägyptischen Geschichte auseinanderzusetzen? Wir füttern uns mit allgemein anerkannt fachlicher Literatur und allem Input, der für einen Nicht-Wissenschaftler, meist fern von jedem Universitätsbetrieb, zugänglich ist, verwenden erhebliche Zeit und Geld darauf und müssen jetzt feststellen, dass es sich fast immer um Ideen, Vermutungen, Rückschlüsse handelt, die vielleicht fragwürdig sind.

Ziemlich deprimierende Aussichten

Gitta

> Antwort auf Beitrag vom: 30.12.2003 um 13:45:02


25) Re: Ägyptische
 Tawabet am 30.12.2003 um 15:11:30

Gast A.,


Wenn ich dich so recht verstehe...
Das letzte Argument, die Geisteswissenschaften endlich alle dichtzumachen   Wie lang gibts eigentlich die LMU noch?

Tawabet
(die sehr wohl glaubt, daß es Tradition, Überlieferung, Kultureinflüsse und Enwicklungen u.ä. gibt)



> Antwort auf Beitrag vom: 30.12.2003 um 14:53:09


26) Re: Ägyptische
 Gast_A. am 30.12.2003 um 19:35:58

Hallo Tawabet...


Zitat:
Das letzte Argument, die Geisteswissenschaften endlich alle dichtzumachen


Na, wenn man in Leipzig nur die „Ideengeschiche“ kennt, wäre das vielleicht besser... Worum es eben geht, ist das gezielte Einsetzen von Methodik um effektivere Analysemodelle auf archäologisches Datenmaterial übertragen zu können. Wie ich hier bereits einmal geschrieben habe, gehört zum ersten Schritt der Untersuchung die Selbstrechtfertigung, ob meine Fragen an das Objekt überhaupt gestellt werden können.
Wenn Du - nur weil ich die Ideengeschichte als „Methode“ für wenig brauchbar  halte (etwas anderes habe ich oben nicht geschrieben! Es ging konkret und ausschliesslich um Ideengeschichte und ihren Umgang mit Daten) - den Untergang des geisteswissenschaftlichen Abendlandes verkündest, dann würde ich gern wissen, warum? Siehst Du den einzigen Zweck deiner Wissenschaft darin, schöngeistig herumzuphilosophieren? Ja? Macht Spass! Stimmt! Und strengt vor allem wenig an! Aber ehrlich gesagt: Damit landet die Ägyptologie schneller im Abseits als Du es dir vorstellen kannst.
Wie wichtig systemtheoretische Ansätze und neue Methoden - Methodenbewußtsein überhaupt - sind, belegt doch schon der Mangel einer einheitlichen Fachsprache in der Ägyptologie. Die meisten schreiben (weils so schöngeistig ist?) irgendwie, ohne Begriffe zu definieren (vgl. „Persönliche Frömmigkeit“), ohne Bedeutungsfelder abzustecken. Von einer Metasprache haben die meisten Ägyptologen - auch die auf Lehrstühlen - leider nie etwas gehört. So können ewige Diskussionen entstehen, bei denen sich letztendlich rausstellt, dass 1) der Autor eigentlich etwas ganz anderes sagen wollte oder 2) die Debatte völlig aneinander vorbeilief.
Das Problembewußtsein muss doch bereits bei der Methodik und der Wahl der eigenen Perspektive beginnen. Nicht erst, wie Du es offenbar willst, beim Objekt! Es geht schliesslich darum, besser zu werden. Also konkret: bessere Prämissen zu entwerfen. Zu lernen welche Fragen ich an Objekte stellen kann/darf und welche nicht etc.
Ausschliesslich der „gesunde Menschenverstand“ gehört leider Gottes nicht unbedingt zu den Methoden, mit denen man in der Wissenschaft/Objektanalyse weit kommt.

Gruss A.

> Antwort auf Beitrag vom: 30.12.2003 um 15:11:30


27) Re: Ägyptische
 Tawabet am 30.12.2003 um 21:45:22

Gast A.,


Zitat:
Die Begriffe „Tradition“, „Einfluss“  und „Zeitgeist“  müssten aber prinzipiell in der Geschichtsschreibung in Frage gestellt werden.


Was willst Du eigentlich analysieren? Das Objekt bestimmt die Frage ... und die Antwort ist 42.


Zitat:
Das Problembewußtsein muss doch bereits bei der Methodik und der Wahl der eigenen Perspektive beginnen. Nicht erst, wie Du es offenbar willst, beim Objekt! Es geht schliesslich darum, besser zu werden. Also konkret: bessere Prämissen zu entwerfen. Zu lernen welche Fragen ich an Objekte stellen kann/darf und welche nicht etc.


Fragen  können/dürfen immer gestellt werden.1 Ob man mit den zur Verfügung stehenden Mitteln (z.B. Befunde, Schriftquellen, Artefakte etc) eine Antwort finden kann, steht auf einem anderen Blatt.

Tawabet

> Antwort auf Beitrag vom: 30.12.2003 um 19:35:58


1: http://www.baumi.de/abi98itg/realaudio/wer-wie-was.mp3


28) Re: Ägyptische
JMK am 31.12.2003 um 10:13:41

@Tawabet,


Zitat:
Fragen  können/dürfen immer gestellt werden. Ob man mit den zur Verfügung stehenden Mitteln (z.B. Befunde, Schriftquellen, Artefakte etc) eine Antwort finden kann, steht auf einem anderen Blatt.


Ich muß leider A. im vorangegangenen Posting Recht geben. Er hat die Situation (und das Problem) der deutschsprachigen Ägyptologie gut auf den Punkt gebracht. Auch bei uns "rumort" es und die Argumente sind fast wörtlich die gleichen!

Der Zustand der Leistungsfähigkeit in unserem Fach ist eben der, als ob man mit einem Preßlufthammer eine Gemme schneiden wollte...

Wir haben schlicht nicht die richtigen Methoden entwickelt, um moderne & an andere Disziplinen anschlußfähige Antworten zu liefern. Immerhin sieht man jetzt vereinzelt Dozenten auch mal mit einem Buch von Luhmann in der Hand - das ist ja schonmal ein Anfang.

Crossinger


> Antwort auf Beitrag vom: 30.12.2003 um 21:45:22


29) Re: Ägyptische
 Tawabet am 31.12.2003 um 11:35:00

@Crossinger,

gibt es Fragen in der Ägyptologie, die man nicht stellen darf?

Tawabet

(die die Notwendigkeit von Methoden und Theorien nicht bezweifelt und noch nie bezweifelt hat, auch wenn A. das glaubt.)

> Antwort auf Beitrag vom: 31.12.2003 um 10:13:41


30) Re: Ägyptische
JMK am 02.01.2004 um 10:16:37

Erst einmal allen ein gutes Neues Jahr!

Und jetzt wieder an die Arbeit:

@Tawabet:


Zitat:
gibt es Fragen in der Ägyptologie, die man nicht stellen darf?


"Dürfen" schon. Doch sollte die Ägyptologie als Forschungsdisziplin endlich über ihre Schatten der Pionierzeit gesprungen sein. Das (Nicht-)Stellen dummer Fragen unterscheidet professionelle Wissenschaft vom "freien Schweben" über dem Material. Es gibt Fragen, die bereits ad acta gelegt sind und für eine Neubetrachtung auch nicht mehr herangezogen werden müssen. Mir kommt es allerdings so vor, daß Ägyptologen immer noch gerne für eine "Neubetrachtung" irgendwelcher Themen die komplette Ur-Suppe neu aufrühren.

Crossinger


> Antwort auf Beitrag vom: 31.12.2003 um 11:35:00


31) Re: Ägyptische "survivals" im Christentum
 Tawabet am 02.01.2004 um 13:15:40

Hallo Crossinger,

Unsere Theorien bestimmen darüber, was wir sehen und beschreiben.
(Albert Einstein 1938)

Sicher gibt es Fragen, die sich im Rahmen unserer Theorien nicht beantworten lassen oder die sich bereits als schwer oder nicht beantwortbar erwiesen haben.

Wenn Fragen jedoch von der "Öffentlichkeit" (Nicht-Ägyptologen) immer wieder gestellt werden, so sehe ich es als Pflicht der Ägyptologie an, nach solchen Antworten zu suchen. Sonst stellt sich zu Recht die Frage, wozu man Ägyptologie braucht. Raus aus dem Elfenbeinturm!


Als Wissenschaftler sollte man Fragen ernst nehmen und nicht von "dummen Fragen" sprechen. Dumme Fragen gibt es nicht, nur dumme Antworten.

Wenn die Ägyptologie sich weigert, auf Fragen, die an sie gestellt werden, eine Antwort zu suchen, dann ist es doch kein Wunder, wenn Leute wie EvD Zulauf haben. Ein nicht gerade unbedeutendes Argument solcher "Pseudo"-Wissenschaftler ist der angebliche Hochmut der Fachwissenschaftler. Das sollte man nie vergessen.

Tawabet





> Antwort auf Beitrag vom: 02.01.2004 um 10:16:37


32) Re: Ägyptische "survivals" im Christentum
Gitta am 02.01.2004 um 13:28:48



Gitta

> Antwort auf Beitrag vom: 02.01.2004 um 13:15:40


33) Re: Ägyptische "survivals" im Christentum
JMK am 02.01.2004 um 13:43:36

Liebe Tawabet,

ich fühle mich mißverstanden!  

Ich wollte hier keinesfalls einen Graben zwischen "Fachwissenschaft" einerseits und "Laien" andererseits ziehen und das Vorurteil des "Elfenbeinturms" festigen.

Ich habe meine Vorwürfe durchaus als INNER-ägyptologisches Problem formuliert. Ganz konkret: Nicht wenige sogenannte (studierte) Ägyptologen betreiben primitive "Ägyptographie" und haben von ihrem eigenen Handeln (geschweige denn einer Reflektion darüber) nicht die geringste Ahnung. Wohlgemerkt: Ihr *Handeln* !!! ("Denn sie wissen nicht, WAS sie tun!")

In diesem Umfeld kommen auch immer wieder "dumme" Fragen auf, wie z.B. die berüchtigte "Persönliche Frömmigkeit", die auch A. bereits erwähnt hat.

Anders will ich meine Aussagen nicht verstanden wissen und anders habe ich A. auch nicht verstanden.

Zitat von Gitta:

Zitat:


Zu früh gejubelt...  

Crossinger


> Antwort auf Beitrag vom: 02.01.2004 um 13:15:40


34) Re: Ägyptische "survivals" im Christentum
Gitta am 02.01.2004 um 13:58:54

Na guuut

Gitta  

> Antwort auf Beitrag vom: 02.01.2004 um 13:43:36


35) Re: Ägyptische "survivals" im Christentum
 Tawabet am 02.01.2004 um 14:09:43

Hallo Crossinger,

tut mir leid, wenn du dich mißverstanden fühlst...

Daß es im "Fach" mit den Methoden und Theorien häufig schief hängt, daran will ich nicht zweifeln. Ich habe erst gestern wieder ein Buch in Händen gehalten, in dem eine Clusteranalyse verwendet wurde, die gar keine war! Von typologischen Schlußfolgerungen aus Druckhieroglyphenzeichen ganz zu schweigen...

Aber dehalb zu fordern, man müsse vollkommen frei von eigenen Anschauungen sein? Wie, bitte schön, soll das gehen? Sind wir nicht alle Kinder unserer Kultur und Zeit?

Ich meine vielmehr, daß es wichtig ist, sich seiner eigenen Anschauung bewußt zu sein. Und daß man seine Theorie und Methode offenlegt. Dann ist zu hoffen, daß die eigenen Gedankengänge und Schlußfolgerungen auch für die Umwelt nachvollziehbar werden.


Tawabet

> Antwort auf Beitrag vom: 02.01.2004 um 13:43:36


36) Re: Ägyptische "survivals" im Christentum
JMK am 02.01.2004 um 14:48:13

Hallo Tawabet,


Zitat:
Aber dehalb zu fordern, man müsse vollkommen frei von eigenen Anschauungen sein? Wie, bitte schön, soll das gehen? Sind wir nicht alle Kinder unserer Kultur und Zeit?


Richtig, völlig *frei* von eigenen Anschauungen kann man nicht sein. Wichtig ist aber das Wissen um diese eigenen Anschauungen und welchen Raum sie in unserem Beschreibungen einnehmen.

Die eigenen Kriterien einer Differenzierung von Beobachtungen bezeichnet Niklas Luhmann als "blinden Fleck". Diesen zu erkennen, dazu dient Luhmanns "Beobachtung zweiter Ordnung" oder auch "Beobachtung der Beobachtung". Man reflektiert sein eigenes Sehen und erkennt darin auch den Einfluß seines eigenen Hintergrundes.

Das Ziel ist also nicht die "Anschauungsfreie" Beobachtung, sondern eine Beobachtung, die sich ihrer Defizite bewußt ist.

Und damit sind wir wohl endlich beim Konsens angekommen.

Puuhhh....

Crossinger

P.S.: Literatur: Niklas Luhmann, Die Wissenschaft der Gesellschaft, Ffm. 1990, 68-121.


> Antwort auf Beitrag vom: 02.01.2004 um 14:09:43


37) Re: Ägyptische "survivals" im Christentum
 Tawabet am 02.01.2004 um 15:04:06


Hi Crossinger,

Konsens erreicht!

Dann könnte man ja das Thema weiterdiskutieren, oder?

Tawabet

PS.: Ein Methoden- und Theorien-Thread wäre vielleicht auch interessant?

> Antwort auf Beitrag vom: 02.01.2004 um 14:48:13


38) Re: Ägyptische
toth am 06.01.2004 um 15:12:16

Hallo Tawabet,
der festgestellte Konsens führt zur allgemeinen Zufriedenheit, ohne aber die Probleme irgendwie gelöst zu haben. Wenn ein gläubiger Christ über die Entstehung des christlichen Glaubens diskutiert, kommt es mir so vor, als wenn ein Blinder über die Bedeutung der Farben für das menschliche Gefühlsleben diskutierte.
Glauben und Wissenschaft sind zwei Paar Stiefel, die sich aber leider überlagern, wenn ein Gläubiger mit wissenschaftlichen Methoden seinen eigenen Glauben untersucht. Der Glauben ist die tiefere, die intensivere Ebene, sie wird unmerklich die wissenschaftliche Arbeit überlagern. Man sieht das deutlich, wenn man einige Beiträge des Forums liest oder wenn man Bücher, von Assmann zum Beispiel, zur Hand nimmt. Obwohl ich diesen Autor sehr schätze, zeigen viele Aussagen, dass seine christliche Herkunft in wissenschaftliches Herangehen an die Entstehung des Christentums verunmöglicht.
Weil nicht sein kann, was nicht sein darf, darf es keine evolutionäre Entstehung der Religionen geben, wenn es Gott gibt, dann hat er die Menschen, das Volk Israel auserwählt und dann sind es nicht irgendwelche Zufälle, die darauf beruhen, dass dieses Volk in Knechtschaft von Völkern im Osten und im Westen gelebt hat. Wenn ein Augenarzt den blinden Fleck eines Patienten untersucht, dann benutzt er die Sehzellen seiner gesunden Retina. Wenn ein Wissenschaftler sich mit einem Gebiet beschäftigen möchte, das sich erkenntnistheoretisch in seinem eigenen blinden Fleck befindet, sollte er eigene Bemühungen unterlassen. Ansonsten gerinnen die Bemühungen zu wissenschaftlich verbrämten Worthülsen, zu Apologetik, weil schon vor Beginn der Untersuchung das Ergebnis feststeht.
Aber es ist nicht so schlimm, denn man muss auch noch zukünftigen Generationen von Ägyptologen etwas zu forschen übrig lassen, vielleicht wird es ihnen so gehen wie heute bereits den Kosmologen für welche die Existenz Gottes kein Hindernis mehr darstellt, weil ihre Wissenschaft Gott in den Fachbereich Religion, bzw. Geschichte verbannt hat.
Gruß toth

> Antwort auf Beitrag vom: 02.01.2004 um 14:48:13


39) Re: Ägyptische
JMK am 06.01.2004 um 15:35:43

Ich glaube, wir wurden schon wieder mißverstanden...  


Zitat:
Hallo Tawabet,
der festgestellte Konsens führt zur allgemeinen Zufriedenheit, ohne aber die Probleme irgendwie gelöst zu haben. Wenn ein gläubiger Christ über die Entstehung des christlichen Glaubens diskutiert, kommt es mir so vor, als wenn ein Blinder über die Bedeutung der Farben für das menschliche Gefühlsleben diskutierte.


Hier ging es weder um "Zufriedenheit", noch um Lösungen für die Problemstellung. Mein Verweis auf Luhmann war einzig dazu gedacht, auf Defizite hinzuweisen, die auch heute noch in der Ägyptologie (wie auch manch anderer Disziplin) weit verbreitet sind.

Es wäre bereits ein Riesenschritt, wenn *jeder* sich in seinem Umgang mit der von ihm studierten Kultur über die Probleme seines Handelns im Klaren wäre. Ich denke auch, daß ein Jan Assmann diese "Erkenntnis" gewinnbringend in seine Betrachtungen einbringen könnte. Das Christentum als "blinder Fleck" in der Betrachtung von Zusammenhängen in anderen Religionen ist ja nun keine neue Erkenntnis. Neu ist dagegen, ein eigenes Bewußtsein dafür zu entwickeln.

Es geht um die Selbsterkenntnis, WAS genau man tut, wenn man über bestimmte Dinge forscht. Mehr wollte ich gar nicht gesagt haben.

Crossinger


> Antwort auf Beitrag vom: 06.01.2004 um 15:12:16


40) Re: Ägyptische
 Tawabet am 06.01.2004 um 16:17:31

Hallo Thot,

Crossinger hat vollkommen Recht. Es geht nicht darum, daß jemand ein Weltbild hat, sondern darum, daß er weiß, daß er eins hat (und nach Möglichkeit auch, welches) . Auch Atheisten haben eins! Sogar ein Gottesbild, würde ich meinen. Kein Mensch ist frei von Voraussetzungen. Daher kann es keine Bedingung sein, daß "Gott in den Bereich der Geschichte" verbannt ist, um Forschung (gleich welcher Art) zu betreiben. Oder meinst du, man sollte die Menschheit erst in den Bereich der Geschichte verbannen, ehe man sie erforscht?

Tawabet

> Antwort auf Beitrag vom: 06.01.2004 um 15:35:43


41) Re: Ägyptische
toth am 07.01.2004 um 00:46:19

Hallo Tawebet,
natürlich können gottesgläubige Menschen Wissenschaft betreiben, sie können dies so lange tun, bis ihnen ihr Glauben nicht in den Weg kommt. Dann ist ihr Beschäftigung aber eben keine Wissenschaft mehr, dann schlägt die Unschärferelation noch schärfer zu als es Heißenberg für die Atome postuliert hat, weil die Beschäftigung mit einem religiösen Thema durch einen Gläubigen das Thema beschädigt, wenn der eigenen Glaube davon tangiert wird. Deswegen meine ich, dass die Entstehung einen Glaubens nur dann mit wissenschaftlichen Methoden untersucht werden kann, wenn man eben diesen Glauben nicht hat, wenn ein Glaube nicht schon vor der Untersuchung das Ergebnis verrät. Oder kann man sich vorstellen, dass ein Wissenschaftler durch seine Forschungen herausbekommt, dass sein Glauben nicht stimmig ist und er dann seinen Glauben ablegt?
Dies ist die eine Seite, über die man sehr wohl streiten kann, nicht streiten kann man aber über die Tatsache, dass es wohl schlicht unfair ist einem Atheisten einen Glauben zu unterstellen. Gläubige Menschen, egal welcher Couleur, können sich oft nicht vorstellen, dass es möglich ist, an keinen Gott zu glauben und stellen sich vor, dass Atheisten irgendeine andere Vorstellung haben müssen. Dies ist aber ganz und gar nicht der Fall. Für meine Person war es ein großer Akt der Freiheit, als ich erkennen durfte, dass man die Religion als Ereignis der Geschichte verstehen kann und dass sie so gar nichts zur Erkenntnis des Lebens der Menschen beitragen kann. Glauben heißt nicht wissen; auf dieser Ebéne glaube ich auch und versuche möglichst viel beizutragen, dass der Glaubensbereich im Leben der Menschen immer kleiner wird und durch den Wissensbereich ersetzt wird.
Aber wir sollten auf diesen Seiten besser versuchen, Glaubensfragen wegzulassen, denn sie führen zwangsläufig dazu, dass nicht mehr wissenschaftlich argumentiert wird, dies aber bestimmt nicht, weil sich Atheisten einmischen.
Viele Grüße Toth

> Antwort auf Beitrag vom: 06.01.2004 um 16:17:31


42) Re: Ägyptische
 Tawabet am 07.01.2004 um 10:25:10

Lieber thot,


freilich haben Atheisten ein Weltbild und ein Gottesbild:
Sie haben sehr wohl eine Vorstellung, was ein Gott ist, und
sie glauben daß es Gott nicht gibt. Beweisen können sie ihre Ansicht genaus wenig wie die Theisten.

Wie Crossinger und ich oben bereits gesagt haben, muß für wissenschaftliches Arbeiten klar sein, von welchen Grundsätzen jemand ausgeht, welches (nicht nur religiöse) Weltbild jemand hat. Deshab ist es nötig, Theorien und Methoden nach Möglichkeit offen zu legen. Ganz wird das natürlich nie gelingen, sonst müßte man immer erst eine komplette Gesellschaftsanalyse und ein Psychogramm des Autors einem wissesnschaftlichen Werk voranstellen. Aber wenn man über "ägyptische Religion" spricht, hat man einen Begriff von Religion. Den hat man irgendwo her gewonnen. In unseren Breiten meist aus Kontakt mit dem Christentum. Dieses Religionsbild  schlägt sich schon in der Tatsache, daß man von "ägyptischer Religion" spricht (es gibt keinen adäquaten ägyptischen Begriff dafür),  nieder. Bevor man also über "Religion" schreibt, muß man eine Begriffsdefinition  geben.

Du hast selbst geschrieben, daß einem der eigene Glaube bei der Betrachtung im Weg stünde. Das ist so weit richtig, insofern jemand tatsächlich an die geschichtliche Athentizität der Bibel oder des Korans glaubt. Ich möchte aber bezweifeln, daß es davon in der Wissenschaft noch sehr viele Exemplare gibt.

Das Thema dieses Threads sollte aber eigentlich nicht die Theorien- und Methodikdebatte sein (dazu gibt es jetzt ein eigenes Thema, hier1 ), sondern die eventuell vorhandenen "survivals"2 der ägyptischen Kultur in der christlichen.
Schon diese Frage stellt im übrigen (wie Gast_A. bereits anmerkte) einen evolutionistischen Ansatz in den Raum und fragt nach Kulturentwicklung, Überlieferungssträngen, Traditionsbrüchen usw.

Wie wäre es, wenn wir wieder darüber diskutieren würden?

Tawabet


> Antwort auf Beitrag vom: 07.01.2004 um 00:46:19


1: http://www.aegyptologie.com/forum/cgi-bin/YaBB/YaBB.pl?board=bc&action=display&num=1073328327
2: http://www.wissen.de/xt/default.do?MENUNAME=Suche&SEARCHTYPE=topic&query=survival