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Ägyptologie Forum >> Jenseitsglaube & Totenkult


1) Magisches Weltbild und Atonglaube
 Ti am 21.04.2004 um 12:18:34

Hallo zusammen,

da ich mir nicht sicher bin, in wie weit das nun Folgende noch mit klassischer Archäologie zu tun hat, habe ich mich dafür entschieden, diesen Beitrag in den "Sonstiges"-Themenbereich zu stellen. (@ Iufaa: Sollte er inakzeptabel sein, bitte löschen!)

Ich wollte hier einen Gedankengang von mir zur Diskussion stellen, der mich seit einer Weile beschäftigt:

In diesem Forum wurde schon häufig über Magie und magische Rituale diskutiert, die die Ägypter vom "Ent-Binden" bis zu den Antwortern im Jenseits begleiteten. Bei Piaget wird diese "magische Weltsicht" von der das Alte Ägypten durchdrungen gewesen zu sein scheint, als Wesenszug des Kindes bis zur Pubertät dargestellt.(Bitte nicht wütend werden, ich meine das bestimmt nicht despektierlich!)

Bei Bettelheim fand ich dazu folgende Anmerkung:

Zitat:
Wie Piaget darlegt, bleibt das Denken des Kindes bis zum Pubertätsalter animistisch. Eltern und Lehrer sagen ihm, daß die Dinge nicht fühlen und handeln können; und wenn das Kind auch vorgibt, dies zu glauben, um den Erwachsenen zu gefallen oder um nicht lächerlich gemacht zu werden, hegt es doch tief im Herzen eine andere Überzeugung. (...) Für das achtjährige Kind (um Piagets Beispiele zu zitieren) lebt die Sonne, weil sie Licht ausstrahlt ( und man könnte fast sagen, daß sie dies willentlich tut). (...) Kinder glauben, Sonne, Stein und Wasser seien von menschenähnlichen Geistern bewohnt und fühlten und handelten deshalb wie Menschen.

(aus Bruno Bettelheim: "Kinder brauchen Märchen", dtv)

Kann es also sein, daß diese animistische Weltsicht der Grund dafür ist, daß sich der Aton-Kult, den Emma Brunner-Traut einmal als "Vernunftsreligion" bezeichnete, sich in Ägypten nicht durchsetzte,der, wie Assmann es beschreibt, ja sogar als Krankheit empfunden wurde?

Ich habe mir selbst die Frage gestellt, ob es vielleicht gerade dieses animistische Weltbild is, das einen erheblichen Teil der Faszination ausmacht, die das Alte Ägypten auf uns ausübt, daß wir in einem kindlichen Winkel unseres rationalen Selbst auf der Suche nach dem verlorenen (Kindheits-)Paradies sind, aus dem wir uns selbst - dank unseres Verstandes - vertrieben haben?

Ich gebe zu, daß das sehr persönlich ist und wenig mit objektiver Faktensuche zu tun hat, trotzdem würde ich mich wahnsinnig über Reaktionen freuen.

Liebe Grüße Ti


2) Re: Magisches Weltbild und Atonglaube
Dush am 21.04.2004 um 18:25:05

Hallo Ti
Ein sehr schöner Gedankengang über den Mann/Frau weit diskutieren kann, mit dafür und darwieder. Gefällt mir und ist einmal ein anderer Ansatz.

Grüss Dich        Dush  

> Antwort auf Beitrag vom: 21.04.2004 um 12:18:34


3) Re: Magisches Weltbild und Atonglaube
 Ti am 21.04.2004 um 20:24:25

Hallo Dush,

hast Du einen konkreten Gedanken dazu, dafür oder darwieder?

Liebe Grüße Ti

> Antwort auf Beitrag vom: 21.04.2004 um 18:25:05


4) Re: Magisches Weltbild und Atonglaube
 Koersch am 21.04.2004 um 21:21:14

Hallo Ti,

ich finde deine Frage sehr interessant. Jedoch scheint mir die Interpretation von Piaget, durch Bettelheim, ziemlich gewagt. Da ich bei meiner Fachliteratur zwar einiges von Piaget gefunden habe, jedoch nicht das, was ich suche, habe ich mir in der Bibliothek das Buch geordert, wo sich Piaget mit dem inneren Kind und dem animistischen Weltbild auseinandersetzt. Sobald ich da recherchiert habe, was ich suche, versuche ich mal eine Antwort auf deine spannende Frage zu finden.
Liebe Grüße
Koersch

> Antwort auf Beitrag vom: 21.04.2004 um 12:18:34


5) Re: Magisches Weltbild und Atonglaube
 Ti am 21.04.2004 um 21:33:57

Hallo Koersch,

wollte mich heute auch schon auf den Weg in die Stadtbücherei machen, um besagte Zitate zu verifizieren und die Thematik noch zu vertiefen, bis mir siedendheiß einfiel, daß mir die Tore dieser ehrwürdigen Einrichtung heute (immer mittwochs, wie bei den Ärzten) verschlossen bleiben.

Morgen weiß ich vielleicht auch schon mehr.
Wir sehen uns?

Liebe Grüße Ti

PS: Ich habe bei Bettelheim noch einmal nachgeschlagen und da stand wörtlich "... um Piagets Beispiele zu zitieren." Als Quelle gibt er an:
Zitat:
Zu den verschiedenen Stadien animistischen  Denkens beim Kind und seinem Vorherrschen bis zum Alter von zwölf Jahren vgl. Jean Piaget, The Child's Conception Of The World, Hartcourt, Brace, New York 1929.
Ich hoffe, es hilft Dir bei Deinen Recherchen weiter, hoffentlich kann ich das Buch hier in Ahlen auftreiben.

> Antwort auf Beitrag vom: 21.04.2004 um 21:21:14


6) Re: Magisches Weltbild und Atonglaube
Gitta am 21.04.2004 um 22:02:53

Hi Ti,


Zitat:
Ich habe mir selbst die Frage gestellt, ob es vielleicht gerade dieses animistische Weltbild is, das einen erheblichen Teil der Faszination ausmacht, die das Alte Ägypten auf uns ausübt, daß wir in einem kindlichen Winkel unseres rationalen Selbst auf der Suche nach dem verlorenen (Kindheits-)Paradies sind, aus dem wir uns selbst - dank unseres Verstandes - vertrieben haben?


Meine ganz persönliche Antwort:

Mit dieser Sicht der Dinge kann ich rein gar nichts anfangen. Und unter einem magischen Weltbild kann ich mir auch nichts vorstellen. Das könnte für mich kein Grund sein, mich mit einer Sache zu beschäftigen - im Gegenteil, ich wäre eher abgeschreckt. Ich bin ein unverbesserlicher Realist.

Aber - jeder hat seine eigenen Ansichten. Zum Glück

Gitta

> Antwort auf Beitrag vom: 21.04.2004 um 12:18:34


7) Re: Magisches Weltbild und Atonglaube
 Ti am 22.04.2004 um 07:50:21

Hallo Gitta,

danke für Deine offene Meinung. Wie gesagt, die Sache ist (zumindest was den von Dir zitierten Nachsatz angeht) für mich etwas Persönliches. Ich wußte, daß ich beileibe nicht alle Forumsmitglieder mit diesem Gedanken erreichen würde. Aber zum Glück besteht ja auch kein "Diskussionszwang".

Trotzdem bin ich gespannt, wohin dieser "interdisziplinäre Ansatz" führt.

Liebe Grüße Ti

> Antwort auf Beitrag vom: 21.04.2004 um 22:02:53


8) Re: Magisches Weltbild und Atonglaube
Thomas_ am 22.04.2004 um 14:24:39

Hallo Ti,

mit Deinem Denkansatz hast Du meiner Meinung nach den richtigen Weg eingeschlagen. Die meisten Leute werden allerdings nicht vom reinen Weltbild der Alten Ägypter fasziniert sein - wer kennt das schon beim ersten Kontakt - sondern von ihren "Spuren" und "Botschaften"(J. Assmann, Ägypten-eine Sinngeschichte), die auf der Basis dieses alten Weltbildes erzeugt wurden, sei es nun Architektur, Schrift u.a. In diesen Dingen ist das "Magische" enthalten und wir spüren es, wenn wir uns damit befassen.
Eigentlich kann man nur für alle Interessierten zu Fragen der Religion/Götterwelt (und nicht OFF-TOPIC) als erstes Jan Assmann's Bücher ("Maat","Stein und Zeit","Ägypten-eine Sinngeschichte") empfehlen, hier insbesondere die Kapitel zu Religion und Kosmotheismus. Ich denke auch, dass Echnaton dem Hauptteil der Bevölkerung mit den verschiedenen Göttern eben auch die Erklärung der natürlichen (vor allem auch kosmischen) Erscheinungen genommen hat, das metaphysische Bild des Aton haben sie nicht verstanden, oder besser, konnten sie nicht verstehen! Darin zeigt sich ja auch unzweifelhaft das Genie Echnatons bzw. seiner Anhänger in der Priesterschaft. In seinem Sonnenhymnus war er seiner Zeit mehr als nur ein Schritt voraus - der Vergleich mit den Eltern (Vernunft) und Kindern (animistische Weltsicht) ist ein schönes Bild - und mußte eben scheitern. Heute stehen die Eltern nicht alleine ihren Kindern gegenüber, sondern die gesamte Geselschaft nimmt an der Erziehung mit all ihren in Jahrtausenden (auch in Echnatons Zeit) gesammelten Erfahrungen teil, da läuft Überzeugungsarbeit häufig auch ausserhalb des Elternhauses erfolgreich ab.
Aber zurück zu den Ägyptern: Ich möchte Echnaton noch keine "Vernunftreligion"(E. Brunner-Traut) zugestehen, obwohl er schon sehr nahe daran ist. Auch wenn er zur Erklärung der Existenz seiner Umwelt und des Lebens darin an die Wirkungen seines Gottes bzw. dessen Strahlen glaubt, "schaut" er seinen Gott noch immer. Aber genau das ist das herausragende Merkmal einer Kultur(Traditions)-Religion (Götter sind selbstevident, da sie gesehen werden) und nicht einer Vernunfts(Bekenntnis)-Religion, in der jeder(!) Gläubige im Gebet mit "seinem" Gott kommunizieren kann, es bedarf keines Gottesbeweises durch "Schauen". Gott ist existent, wenn an ihn geglaubt wird. (Dazu ausführlich bei Assmann in "Maat"). Weiterhin hat die jüngere Forschung erwiesen, dass die Götterverfolgung unter Echnaton sich sehr stark auf Amun konzentrierte und beileibe nicht alle anderen Götter aus der Ikonographie - und damit auch nicht aus dem Weltbild- verschwanden (dazu z.B. Rolf Krauss, Mosesrätsel). Es ist also noch lange nicht alles erklärt, was es speziell mit dem Beinahe-Monotheismus Echnatons auf sich hat. ...Und somit bleibt uns auch noch das "Magische" bestimmt eine Weile erhalten.

Viele Grüße
Thomas

> Antwort auf Beitrag vom: 21.04.2004 um 12:18:34


9) Re: Magisches Weltbild und Atonglaube
Gitta am 22.04.2004 um 16:16:21


Zitat:
Die meisten Leute werden allerdings nicht vom reinen Weltbild der Alten Ägypter fasziniert sein - wer kennt das schon beim ersten Kontakt - sondern von ihren "Spuren" und "Botschaften"(J. Assmann, Ägypten-eine Sinngeschichte), die auf der Basis dieses alten Weltbildes erzeugt wurden, sei es nun Architektur, Schrift u.a. In diesen Dingen ist das "Magische" enthalten und wir spüren es, wenn wir uns damit befassen.


Hmmm, bei mir ist das irgendwie genau umgekehrt: je länger und intensiver ich mich mit der Materie des alten Ägypten befasse, desto nüchterner sehe ich sie. Vor einigen Jahren war ich noch der Assmann-Fan schlechthin. Dieser Enthusiasmus hat sich merklich abgekühlt

Gitta

> Antwort auf Beitrag vom: 22.04.2004 um 14:24:39


10) Re: Magisches Weltbild und Atonglaube
 Ti am 22.04.2004 um 17:57:09

Hallo zusammen!

Ehrlich, ich freu mich riesig über die Beiträge. Faszinierend ist, daß sie entweder ganz zustimmend oder eben ganz ablehnend sind. Ich hoffe aber, daß wir nach These und Antithese zu einer Synthese kommen, die dann wieder... nein, das führt zu weit.

Vorab muß ich mich entschuldigen: Die von Gitta zitierte Passage aus meinem Eröffnungstext war sehr persönlich und hatte auch nicht mehr viel mit dem eigentlichen Thema des threads zu tun. Ich hoffe, Ihr könnt mir vergeben.

Zur Begriffsklärung: Mit Animisten meine ich nicht die pseudo-esoterischen Spinner, die einen im Internet und auf der Straße mit frömmelndem Blick und heilsverkünden Sprüchen annerven, oder einem das "garantiert echte Liebesamulett von Tut-Anch-Amun" verkaufen wollen. Das nicht!

Mit Animismus ist in diesem Zusammenhang die piaget'sche Lesart, wie ich sie oben zitiert habe gemeint. Die Ägypter haben in ihrer Kulturgeschichte durch Beobachtung ihrer Umwelt eine bemerkenswerte Mathematik, Astronomie und Medizin, kurz Wissenschaft geschaffen. Aber es gab immer noch Gewalten und Phänomene, die nicht von Menschen beherrscht werden konnten. Das ist in meinen Augen der Moment, in dem "Religion" das Licht der Welt erblickt. Diese übermächtigen Gewalten werden personifiziert und kultisch verehrt, um sie zu zähmen. Jeder Gott hatte einen Ort, an dem er wohnte (Tempel). Die kultische Verehrung hatte sehr konkrete Formen, wie Waschen, Bekleiden, Schminken und Speisen des Gottes. Es wurde nicht unterschieden, ob diese Rituale magischer Natur waren oder real. Diese Unterscheidung wurde nicht empfunden. Wenn etwas in magischer Weise getan wurde, dann war es getan.

Aus dem Animismus (auch Fetisch-Kult habe ich schon gehört) haben sich verschiedene elaborierte Theologien entwickelt. (Götter-Neunheiten, z.B., durch die Priester wahrscheinlich versuchten die unterschiedlichen Kulte zu einem harmonische Ganzen zu verbinden) Dennoch behielt die Magie und die mit ihr verbundene Weltsicht auch im Neuen Reich für die Menschen ihre Gültigkeit, sonst hätten sie ja wahrscheinlich auf Amulette, Uschebtis usw. verzichtet.

Im Gegensatz dazu bestach der Aton-Kult durch zwei charakteristische Merkmale: Die Omnipotenz dieses Gottes und seine Unerreichbarkeit für jeden außer dem König. Er war transzendent in einem Maße, wie es noch nie vorher angedacht worden war. Seine Existenz lag per definitionem außerhalb der Erfahrbarkeit für die Menschen. (wieder den König ausgenommen) Thomas hat das ja auch schon ausgeführt.

Eines ist mir noch aufgefallen, als ich den Sonnengesang Echnatons gelesen habe: Es muß eine trostlose Religion gewesen sein. In der Nacht gab es nichts, das die Menschen beschützen konnte.

Zitat:
Gehst Du unter im Westhorizont,
so ist die Welt in Finsternis,
in der Verfassung des Todes.
Die Schläfer sind in ihrer Kammer,
verhüllten Hauptes, kein Auge sieht das andere.
Raubt man all ihre Habe, die unter ihren Köpfen ist -
sie merken es nicht.
Jedes Raubtier ist aus seiner Höhle gekommen
und jede Schlange beißt.
Die Finsternis ist ein Grab,
die Erde liegt erstarrt,
(denn) ihr Schöpfer ist untergegangen in seinem Horizont.

zit. aus Erik Hornung "Altägyptische Dichtung"
Dieser Gott läßt die Menschen allein mit ihren Urängsten. Er versagt sich ihrem Bedürfnis nach Schutz vor den unwägbaren Gefahren des Lebens. Und es liegt nicht im Bereich des Menschen möglichen, ihn von seinem vorbestimmten Lauf abzubringen, sei es durch Gebet, Opfer oder eine andere Art der Verehrung. Ich glaube, daß diese Vorstellung die meisten Menschen zutiefst verstört haben muß. Ähnlich wie bei einem Kind dessen Eltern das erste Mal abends allein ausgehen. Ich habe den dreisten Versuch unternommen, die Entwicklungsgeschichte der menschlichen Kultur in Ägypten mit der Entwicklungsgeschichte eines Menschen zu vergleichen. Und damit möchte ich nicht die geschichtlichen Fakten aus der Amarna-Zeit und der folgenden Restauration wegdiskutieren, wie die wachsende Bedrohung durch die Hethiter und innenpolitische Wirren. Aber wenn Assmann  (entschuldige, wenn ich auch damit anfange, Gitta) von einem Trauma spricht, einem Begriff aus der Psychopathologie, ist man doch versucht, einen psychologisch schlüssigen Grund dafür zu finden, oder?

Liebe Grüße Ti

> Antwort auf Beitrag vom: 22.04.2004 um 16:16:21


11) Re: Magisches Weltbild und Atonglaube
Gitta am 22.04.2004 um 23:39:18

Hallo Ti,


Zitat:
Aber es gab immer noch Gewalten und Phänomene, die nicht von Menschen beherrscht werden konnten. Das ist in meinen Augen der Moment, in dem "Religion" das Licht der Welt erblickt. Diese übermächtigen Gewalten werden personifiziert und kultisch verehrt, um sie zu zähmen. Jeder Gott hatte einen Ort, an dem er wohnte (Tempel). Die kultische Verehrung hatte sehr konkrete Formen, wie Waschen, Bekleiden, Schminken und Speisen des Gottes. Es wurde nicht unterschieden, ob diese Rituale magischer Natur waren oder real. Diese Unterscheidung wurde nicht empfunden. Wenn etwas in magischer Weise getan wurde, dann war es getan.


Das ist aber kein ägyptisches Phänomen. Alle Kulturen der Vergangenheit haben die Dinge, die sie sich nicht erklären konnten, als gute und böse Geister oder Götter angesehen und haben Opferrituale vollzogen, um sie zu besänftigen und freundlich zu stimmen. Naturvölker tun das z.T. heute noch. Im weitesten Sinne tun es sogar auch die modernen Christen: es werden Gottes"dienste(!)" abgehalten, Kerzen und Weihrauch gespendet, was man auch als Opfer ansehen könnte, es wird die Beichte abgenommen. Auch dabei geht es um ein Phänomen, das man eigentlich nicht erklären kann. Glaube ist nun mal nicht rational. Dabei sehe ich auch keinen Unterschied zwischen sogenannten heidnischen und den heutigen Weltreligionen.

Dass Echnaton und Aton letztendlich gescheitert sind, hat wohl diverse Gründe und die meisten waren sicher eher handfest. Einem ganze Volk eine Religion aufzwingen zu wollen, klingt sehr nach Diktatur. Dabei ist ungeklärt, ob Echnaton das überhaupt im Sinn hatte. Es gibt diverse Hinweise (darüber gabs hier schon mal eine Diskussion), dass nur Amun ihm ein Dorn im Auge war, und das auch fast ausschließlich in Theben. Verschiedene andere Götter wurden ausserhalb der Enklave Achetaton nach wie vor verehrt und auch nicht verfolgt. Beispielsweise gibt es wohl keine Anzeichen, dass der Ptah-Kult in Memphis eingestellt worden wäre.

Ganz interessant fand ich eine Feststellung, die, wenn ich mich nicht irre, Rolf Krauss kürzlich bei seinem Vortrag traf: Echnaton starb oder verschwand, ohne einen Erben zu hinterlassen. Damit meinte er nicht die Thron-, sondern die "Propheten"nachfolge. Ohne Echnaton kein Aton.

Ich weiß nicht, ob man die paar Jahre Echnaton aus Sicht der Bevölkerung wirklich als Trauma bezeichnen kann. Aus Sicht der Amun-Priester von Theben war es sicher eines.

Gitta

> Antwort auf Beitrag vom: 22.04.2004 um 17:57:09


12) Re: Magisches Weltbild und Atonglaube
 Ti am 23.04.2004 um 10:31:40

Hallo Gitta,

es setzt mich immer wieder in Erstaunen, zu welchen Zeiten Du Deine Posts schreibst. Aber Dein Schlafbedürfnis wurde ja bereits an anderer Stelle diskutiert.

Du schreibst, daß die kultische Verehrung von Naturgewalten kein allein ägyptisches Phänomen ist und da hast Du natürlich völlig recht. Animismus ist auch heute noch unter einigen sog. Naturvölkern zu beobachten. Das nimmt aber der Theorie nichts von ihrer Aussagekraft über den Konflikt zwischen der "gewachsenen" Religion der Ägypter und dem Aton-Kult. Eher im Gegenteil, wenn wir unterstellen, daß der Animismus der Naturvölker heute dem der Ägypter von damals ähnelte, wäre es doch viel leichter, durch Vergleiche einen Bezug herzustellen?

Womit ich schlichtweg nicht einverstanden bin, ist, daß Du den Kult in ägyptischen Tempeln mit dem Kult in den heute vertretenen Weltreligionen über einen Kamm scherst. Ich denke, daß es im Gottesbild der monotheistischen Religionen und dadurch auch in der Verehrung der jeweiligen Gottesvorstellung zum magischen Tempelritual Ägyptens (oder anderer vergleichbarer Religionen) gravierende Unterschiede gibt. Ein Stichwort heißt Transzendenz. Während die im Animismus verehrte Gottheit einen klar definierten Einflußbereich auf das Leben der Menschen hatte, ist der monotheistische Gott jenseits aller Erfahrbarkeit. (s. "Du sollst dir kein Bild(nis) machen") Der evolutionäre Vorteil, den der hebräische Gott und damit der Gott des Judentums, des Christentums und des Islams hatte, ist, daß er "persönlich" ist. Jeder Gläubige kann sich jederzeit mit seinem Gebet an ihn wenden, denn er ist omnipotent und immer da. Das war Aton nicht.

Während für unsere monotheistischen Religionen gilt, daß die Gläubigen bestimmte Regeln und Gebote befolgen mußten, um das Wohlwollen ihres Gottes zu erlangen (bis hin zu jenseitigen Heilsvorstellungen), kam der Aton-Kult ohne eine konzeptionelle Ethik aus. Das heißt, daß die Menschen moralisch ohne Führung waren. Sie wurden in gewisser Weise allein gelassen.

Daß der Aton-Kult sich nicht durchsetzen konnte, weil es ihm an Folgepropheten mangelte (aus welchen Gründen auch immer), stelle ich nicht in Abrede. Aber wäre die Idee befriedigend für die Menschen gewesen, hätte sich doch bestimmt ein solcher gefunden, oder?

Liebe Grüße Ti

> Antwort auf Beitrag vom: 22.04.2004 um 23:39:18


13) Re: Magisches Weltbild und Atonglaube
Seqenenre am 23.04.2004 um 12:55:44

@Ti:
Zitat:
Ich denke, daß es im Gottesbild der monotheistischen Religionen und dadurch auch in der Verehrung der jeweiligen Gottesvorstellung zum magischen Tempelritual Ägyptens (oder anderer vergleichbarer Religionen) gravierende Unterschiede gibt. Ein Stichwort heißt Transzendenz. Während die im Animismus verehrte Gottheit einen klar definierten Einflußbereich auf das Leben der Menschen hatte, ist der monotheistische Gott jenseits aller Erfahrbarkeit. (s. "Du sollst dir kein Bild(nis) machen")

Wenn ich mir den Wallfahrts-, Reliquien- und Heiligenrummel in einigen Ländern (und auch in Bayern) anschaue und die Meldung höre, daß sich Ostern 2004 auf den Philippinen wieder einmal x Leute haben kreuzigen lassen, würde ich Dir - zumindest das Christentum betreffend - da nicht vollkommen Recht geben. Anders im Islam: hier treffen Deine Aussagen weitgehend zu.

> Antwort auf Beitrag vom: 23.04.2004 um 11:40:55


14) Re: Magisches Weltbild und Atonglaube
 Haremhab am 23.04.2004 um 13:37:39

Hallo Seqenenre!

Ich möchte eigentlich zu diesem ohnehin diffusem Thema nicht auch noch eine Religionsdiskussion lostreten. Aber Du malst mir das Verhältnis christlicher Religionen zum Islam doch zu sehr schwarz ./. weiß.

Ich habe jahrelang in einem islamischen, aber laizistischem Staat gelebt. Die einschlägigen Wallfahrtsorte des Islam unterscheiden sich nur in Nuancen von denen in Bayern. Ich denke da z.B. an Eyoglu in Istanbul, an Hacibektas in Zentralanatolien, an Sanliurfa in Südanatolien - insbesondere während des Ramadan kannst Du dann besondere Einblicke gewinnen.

Oder gehe insbesondere mal in die in meinen Augen konservativste Stadt der TR, nach Konya, der Stadt der tanzenden Derwische. Ob man sich nun ans Kreuz schlagen lässt oder sich mit Peitschen selbst züchtigt oder sich in Trance tanzt, macht für mich keinen großen Unterschied. Fanatische Menschen werden wir beide in allen Religionen finden.

Damit wir uns nicht missverstehen. Ich achte die Religionsansichten eines jeden und dies gilt im besonderen Maße auch für den gemäßigten Islam. Ich wollte hier nur Deiner in meinen Augen einseitigen Sichtweise entgegen treten.
Haremhab

> Antwort auf Beitrag vom: 23.04.2004 um 12:55:44


15) Re: Magisches Weltbild und Atonglaube
 Ti am 23.04.2004 um 14:01:17

@ Seqnenre,

vielleicht zeigt das nur, daß die Menschen mehr brauchen, als einen gestaltlosen Gott "irgendwo im Himmel". Dieser "Rückfall" in animistische Praktiken, die auch ich besonders im Katholizismus verbreitet sehe - mit Heiligenverehrung, der "Wandlung" usw. - ist eine Spielart des Glaubens, die von dem, was das Christentum ursprünglich ausmachen sollte (ich meine das NT und als Basis dazu auch das AT), doch stark abweicht.

Liebe Grüße Ti


> Antwort auf Beitrag vom: 23.04.2004 um 12:55:44


16) Re: Magisches Weltbild und Atonglaube
Seqenenre am 23.04.2004 um 15:19:04

@Ti:
Zitat:
Dieser "Rückfall" in animistische Praktiken, die auch ich besonders im Katholizismus verbreitet sehe - mit Heiligenverehrung, der "Wandlung" usw. - ist eine Spielart des Glaubens, die von dem, was das Christentum ursprünglich ausmachen sollte (ich meine das NT und als Basis dazu auch das AT), doch stark abweicht.
Wobei es hier ausschließlich um den Volksglauben geht und das, was in den Kirchen (und hier insbesondere den katholischen) heute gepredigt und nicht um das, was in Priesterseminaren gelehrt wird. Dort ist man mittlerweise zu ziemlich "vernünftigen" Auffassungen gekommen, insbesondere was die Interpretation des NT angeht.

@Haremhab: mir ging es bei dem Vergleich hauptsächlich um den Unterschied:
Zitat:
während...ist der monotheistische Gott jenseits aller Erfahrbarkeit. (s. "Du sollst dir kein Bild(nis) machen")
Und dieser ist selbst bei solchen auch in meinen Augen extremen Geschichten, wie Du sie aus dem islamischen Glauben kennst, sichtbar, denn eine Vergöttlichung von Leuten findet nicht statt, während im Katholizismus nicht nur für Alles und Jeden ein Schutzheiliger da ist. Im Islam wird ein klarer Unterschied zwischen Mohammed, dem Menschen, und Gott gemacht, während der christliche Jesus qua definitionem Sohn Gottes ist.

Daß ich eine einseitige Sichtweise habe, glaube ich eigentlich nicht, da ich beide Seite aus eigenem Erleben zur Genüge kenne (mehr als 30 Jahre katholisch, seitdem Moslem).
Zitat:
Fanatische Menschen werden wir beide in allen Religionen finden.
Da hast Du, wie man täglich aus den Nachrichten ersehen kann, leider nur allzu Recht. Fanatismus, egal welcher Religion (Fanatiker gibt es ja auch zur Genüge in den anderen Religionen und nicht nur in Christentum und Islam), sind für einen Großteil des Unrechts in der Welt verantwortlich. Das Gebot des Mannes aus Galiläa: "liebe Deinen Nächsten" stünde allen Religionen gut zu Gesicht. Leider kenne ich keinen Menschen, der DAS fanatisch beachtet. Da sind alle Religionen wohl gleich..

> Antwort auf Beitrag vom: 23.04.2004 um 14:01:17


17) Re: Magisches Weltbild und Atonglaube
Gitta am 23.04.2004 um 21:31:47

Hallo zusammen,

zunächst eine Richtigstellung meinerseits. Mit

Zitat:
Dabei sehe ich auch keinen Unterschied zwischen sogenannten heidnischen und den heutigen Weltreligionen.

habe ich mich auf die traditionelle ägyptische Religion bezogen.

Zu Echnaton und Aton:

Ich habe nach allem was ich inzwischen über die Amarna-Zeit gelesen und gehört habe ein bisschen den Eindruck, dass wir ihr heute möglicherweise eine größere Bedeutung beimessen als es die Ägypter taten. Damit meine ich nicht die Elite, sondern das Volk, das sich ja nach vielen Meinungen durch Echnaton unterdrückt und sich seiner Götter beraubt sah oder die Lehre des Königs einfach nicht verstanden hat, mit anderen Worten: todunglücklich war. Ich sehe das ein bisschen anders. Was haben wir eigentlich Zeitgenössisches aus Unterägypten oder Nubien, das uns etwas über diese Vorgänge erzählt? Soweit ich das beurteilen kann, sind die immer wieder bemühten Zeugnisse aus Amarna oder aus Theben, den beiden Regionen, die unmittelbar betroffen waren. Oder gibt es noch andere? Wieviele Zeugnisse z.B. aus Grabbiografien o.ä. gibt es überhaupt? Eine fällt mir ein: das Graffito von Pawach aus seinem Thebaner Grab. Dass der sich beklagt ist aber auch nicht verwunderlich, denn er war soviel ich weiß Priester des Amun.

Was haben wir sonst noch Greifbares, das Unglück und Unzufriedenheit des ägyptischen Volkes - ausserhalb von Amarna und Theben - beweisen könnte?

Gitta

> Antwort auf Beitrag vom: 23.04.2004 um 15:19:04


18) Re: Magisches Weltbild und Atonglaube
 Ti am 24.04.2004 um 16:03:30

Hallo Gitta,


Zitat:
Was haben wir eigentlich Zeitgenössisches aus Unterägypten und Nubien, das uns etwas über diese Vorgänge erzählt?


Gegenfrage, da Du Dich ja explizit auf das "Volk" beziehst: Wie viele Menschen hätten Quellen, Zitate o.ä. hinterlassen können. Da ja nur ein winzig kleiner Prozentsatz der ägyptischen Bevölkerung des Lesens und Schreibens mächtig war? Aus diesem Grunde finde ich "die Entzifferung der Gedächtnisspur" von Assmann ja so wichtig.

Es ist unbestreitbar, daß Echnatons Hauptaugenmerk auf die Unterdrückung des Amun-Kultes gerichtet war. Dennoch meine ich mich zu erinnern, daß auch verschiedentlich der Plural des Wortes "Gott", also "Götter" seiner "Tilgungswut" zum Opfer fiel.

Es wurden ja bereits von anderen mehrere Phasen der Regierungszeit Echnatons unterschieden, die sich in der Regel nach den beiden lehrhaften Namen Atons richten. Und allem Anschein nach sind seine intoleranten und ikonoklastischen Ambitionen erst relativ spät in seiner Regierungszeit zum Ausbruch gekommen. Unterm Strich: Sollte er die Ambition gehabt haben, den Aton-Kult als einzige Religion in Ägypten zu etablieren, wieviel Zeit hätte er dafür gehabt? Vielleicht ein paar Jahre. Das wäre in Anbetracht der mangelhaften logistischen Voraussetzungen schlichtweg nicht zu erreichen gewesen. Deshalb gebe ich hier ja auch Krauss, den Du weiter oben angeführt hast recht, in dem Sinne, daß der Aton-Kult starb, weil es keinen Nachfolger für Echnaton gab.

Bleibt nach wie vor die Frage, warum ein solcher nicht gefunden werden konnte? Die meisten Würdenträger aus Achet-Aton, die uns heute noch namentlich bekannt sind, hatten, soweit sie nicht während der Regierungszeit Echnatons gestorben waren, nichts eiligeres zu tun, als sich in die Restauration einzureihen. Alles wurde schneller verlassen, als es aufgebaut worden war.

Liebe Grüße Ti

> Antwort auf Beitrag vom: 23.04.2004 um 21:31:47


19) Re: Magisches Weltbild und Atonglaube
 Iufaa am 24.04.2004 um 16:34:08

Hi Ti,

Zitat:
Es ist unbestreitbar, daß Echnatons Hauptaugenmerk auf die Unterdrückung des Amun-Kultes gerichtet war.
ist das wirklich so sicher?

Auf der Hatschepsut-Ausstellung in Speyer war ein Relief zu sehen, das Thutmosis III mit den Kronengöttinnen zeigt (gefunden in Elephantine, jetzt in Berlin, ÄMP 1626). Die Nekhbet (rechts) war eindeutig "beseitigt" worden (in der Amarna-Zeit) und später wieder restauriert worden. Die Wadjjt (links) dagegen wurde von den Ikonoklasten des A. IV nicht angetastet.
Erklärung durch Loeben: "A. IV hat nicht nur Amun von Karnak verfolgt, sondern er wollte auch den Dualismus aufheben und Ägypten als ein Land sehen. Deshalb störten die Doppeldarstellungen. In diesem Falle mußte die Nekhbet weichen, da die Wadjjt den Uräus trägt und damit für die "Erneuerung des Königtums sorgt".

Andererseits finden sich bei Aswan genügend Darstellungen der Triade von Elephantine (z.B. auf Sehel), die unangetastet neben zerstörten Namensteilen, z.B. in Amen-hotep, stehen.

Offensichtlich benötigen wir immer wieder neue Hilfskonstruktionen, um solche Befunde einordnen zu können - wie will man da überhaupt etwas über die Intentionen von A. IV und der Wahrnehmung seiner religiösen Ideen durch die Bevölkerung aussagen. Ich schätze mal, man bewegt sich mehr auf der Ebenen dessen, was man sich heute "vorstellen" kann als auf unwidersprochenen und vor allem lückenlosen Tatsachen.

Iufaa, ein ausgesprochener Freund von Sepkulatius, besonders in der Vorweihnachtszeit


> Antwort auf Beitrag vom: 24.04.2004 um 16:03:30


20) Re: Magisches Weltbild und Atonglaube
Gitta am 24.04.2004 um 17:11:42

Hi Ti,

Assmanns "Gedächtnisspur" ist reinste Theorie. Ich frage mich, wie es zu begründen ist, dass "das Bewusstsein einer furchtbaren und nicht wieder gutzumachenden Versündigung sich der Mehrheit der ägyptischen Bevölkerung bemächtigt haben muss".

Ich denke, der ägyptische Staatsapparat beschränkte sich nicht auf Achetaton und Theben. Sowohl im Norden als auch tief im Süden dürfte es weiterhin einen "Beamten"stab gegeben haben, der des Lesens und Schreibens mächtig war. Und wir haben aus anderen Zeiten einige schriftliche Dokumente der zeitgenössischen Literatur, in denen irgendwelche Mängel beklagt werden - auch wenn man nie genau weiß, aus welcher Zeit diese wirklich stammen. Meist weiß man nur, wann die gefundenen Versionen aufgeschrieben wurden. Grabinschriften/Biografien verraten auch häufig etwas über Lebensumstände. Ebenso müssten Grabdekorationen aus den anderen Regionen entsprechende Hinweise geben können. Vielleicht gibt es sie ja. Deshalb habe ich meine Frage gestellt.

Die Frage der Nachfolge Echnatons ist m.E. ganz einfach zu beantworten: es konnte keinen geben. Denn er selbst sah Aton als seinen Vater an, der ihm alle möglichen Eingaben vermittelt hat. Und er selbst war es ja auch, dem der Kult in Achetaton galt. Wie hätte ein Nachfolger in dieses Selbstbild gepasst?

Gitta

PS: eine Korrektur: das Pawach-Graffito stammt nicht aus seinem eigenen Grab, sondern aus TT139.

> Antwort auf Beitrag vom: 24.04.2004 um 16:03:30


21) Re: Magisches Weltbild und Atonglaube
 Ti am 25.04.2004 um 12:25:02

Hallo Gitta,

wenn es Deiner Theorie nach für Echnaton keinen Nachfolger gab, weil er sich als Sohn des Gottes sah, dann hätte sich aus just eben diesem Grund das Christentum auch nicht weiterverbreiten dürfen. ("Es kommt keiner zum Vater denn durch mich.")

Mir ist klar, daß wir uns nicht mehr auf der Ebene historisch gesicherter Fakten bewegen. Dennoch denke ich, daß "psycholgische Hintergründe" durchaus auch Fakten sein können, denn ich glaube, daß wir uns immer noch über Menschen unterhalten, oder?

Wenn Du sagst, daß der Staatsapparat sich nicht nur auf Achet-Aton und Theben beschränkt hat (was für die Verwaltung des Landes zwingend gewesen sein muß), entkräftet das noch nicht die These, daß es mit der Logistik zum "Transport" der Ideen gehapert haben muß. Und um Iufaas Spekulatius-Gelüste zu befriedigen (): Bürokratischer Widerstand?

Warum wurde Achet-Aton so schnell verlassen, wenn nicht ein dringendes Bedürfnis vorgelegen hat, diese Episode so schnell wie möglich zu vergessen (verdrängen?  )?

@Iufaa: Ich habe die Ausstellung in Speyer auch gesehen, das Relief ist mir leider nicht im Gedächtnis geblieben. Aber man könnte die Zerstörung Nechbets durchaus auch anders interpretieren: Soviel ich weiß hatte Amenophis III. eine ausgesprochene Affinität zu Nechbet. Wäre es denn nicht auch denkbar, daß er diese Göttin tilgen ließ, weil er sich von seinem Vater abgrenzen wollte? Diese Interpretation könnte dadurch gestützt werden, daß der Name seines Vaters in dessen Skarabäen z.T. zerstört wurde. Ich denke, daß Loebens Interpretation um nichts beweisbarer ist, als jede andere (insbesondere auch meine  ). Gibt es denn noch andere Artefakte oder Quellen, die darauf hindeuten, daß es Echnaton um die Aufhebung der Zweiteilung der Beiden Länder ging?

Liebe Grüße Ti

> Antwort auf Beitrag vom: 24.04.2004 um 17:11:42


22) Re: Magisches Weltbild und Atonglaube
 Iufaa am 25.04.2004 um 12:42:42

Die Frage ist nicht, warum er Nekhbet zestören liess (das passt ja noch in diverse Hypothesen), sondern warum die Wadjjt erhalten blieb.

Der entscheidende Punkt ist, dass in keiner Wissenschaft etwas beweisbar ist (nur in der Mathematik - und selbst da nicht in allen Teilgebieten - gibt es Beweise), man kann eine Hypothese nur plausibler machen, in dem man ihr Zutreffen wahrscheinlicher macht.

Offensichtlich ist die Amarna-Periode besonders anfällig für Versuche, etwas in die "Geschichte" hinein zu interpretieren  

Iufaa

> Antwort auf Beitrag vom: 25.04.2004 um 12:25:02


23) Re: Magisches Weltbild und Atonglaube
Gitta am 25.04.2004 um 13:33:52

Hi Ti,


Zitat:
Mir ist klar, daß wir uns nicht mehr auf der Ebene historisch gesicherter Fakten bewegen. Dennoch denke ich, daß "psycholgische Hintergründe" durchaus auch Fakten sein können, denn ich glaube, daß wir uns immer noch über Menschen unterhalten, oder?


Spätestens jetzt muss ich leider passen. Abgesehen von der bildlichen Darstellung der altägyptischen Seele kenne ich ihr Seelenleben leider nicht (ich kenne nicht mal das meiner Nachbarn ) und ich beglückwünsche jeden, der das von sich behaupten kann. Eine Analyse auf blauen Dunst kommt deshalb für mich nicht in Frage. Das ist übrigens etwas, das ich in Sachen Ägyptologie erst im Laufe der Zeit gelernt habe.

Gitta

> Antwort auf Beitrag vom: 25.04.2004 um 12:25:02


24) Re: Magisches Weltbild und Atonglaube
 Iufaa am 25.04.2004 um 13:51:51

Hallo Gitta,

Zitat:
....kenne ich ihr Seelenleben leider nicht (ich kenne nicht mal das meiner Nachbarn
- ich kenne einige Mitmenschen, die viel Geld dafür ausgeben, das eigene kennenzulernen und das nicht immer erfolgreich.


Zitat:
... und "psychologische Hintergründe" ..
von wem? Ich darf mal Goethe zitieren:

"Mein Freund, die Zeiten der Vergangenheit
sind uns ein Buch mit sieben Siegeln;
Was ihr den Geist der Zeiten heißt,
das ist im Grund der Herren Geist,
in dem die Zeiten sich bespiegeln."

Zum Seelenleben historischer Personen gibt es keine Fakten und es sind wohl auch kaum welche zu beschaffen.

Iufaa

> Antwort auf Beitrag vom: 25.04.2004 um 13:33:52


25) Re: Magisches Weltbild und Atonglaube
 Ti am 25.04.2004 um 18:59:21

Hallo Ihr zwei,

zunächst einmal:  Was ist ein Beweis? - Ich meine, diese Frage sollte geklärt werden, damit wir uns nicht auch noch darüber streiten müssen, was als solcher anerkannt wird und was nicht.
Wenn in der Ägyptologie, sowie in anderen Wissenschaften nichts bewiesen werden kann, wozu dann "Wissenschaft"? Wenn alles, was in den verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen behandelt wird, in den Bereich der Spekulation verwiesen wird, worüber können wir uns dann eigentlich noch unterhalten?



Zu "der Herren Geist" - es ist wahr, die überlieferten Zeugnisse, lassen uns fast ausschließlich erahnen, wie das Leben der "Herren" aussah. Das meinte ich ja auch in einem früheren Post, als ich sagte, daß die Quellen, die uns zur Verfügung stehen hauptsächlich aus diesem Klientel stammen.
Doch ich hoffe, daß wir uns noch nicht auf einer orwellschen Ebene befinden: "Wer die Vergangenheit, kontrolliert die Gegenwart. Wer die Gegenwart kontrolliert..."

Also, ich hoffe, Euch nicht allzu sehr verschreckt zu haben. Denn ich finde es wirklich schön, wenn Themen so unvoreingenommen angegangen werden.

Liebe Grüße Ti

> Antwort auf Beitrag vom: 25.04.2004 um 13:51:51


26) Re: Magisches Weltbild und Atonglaube
 Ti am 26.04.2004 um 08:59:57

PS:
Mir ging es auch zunächst in diesem Thema weniger um die Darstellung der persönlichen Befindlichkeit Echnatons (was wirklich nicht mehr rekonstruierbar ist), als um einige menschliche Grundbedürfnisse, die nicht auf der materiellen Ebene liegen, wie z.B. das Bedürfnis nach Schutz, das meiner Ansicht nach allen Menschen zu eigen ist.(Nur daß wir heute nicht mehr an einen Pharao glauben, der als Garant für Sicherheit fungiert, sondern an Versicherungen  ) Und dieses Bedürfnis nach Schutz konnte durch die Aton-Theologie Echnatons nicht mehr befriedigt werden.

Liebe Grüße Ti

> Antwort auf Beitrag vom: 25.04.2004 um 18:59:21


27) Re: Magisches Weltbild und Atonglaube
 Haremhab am 27.04.2004 um 21:11:00 - Anhang: Enachtons_Traum_-_ausgetraeumt.JPG

Einen schönen guten Abend!

Ich bin gerade beim Scannen in Mittelägypten angekommen. Ich glaube, ich habe ein passendes Bild zu dieser Diskussion gefunden.

Ich habe ihm den Titel gegeben:

Echnatons Traum - ausgeträumt.

Hinweis: Blick aus Höhe der Nordgräber Richtung nordpalast

Nix für ungut
Haremhab

> Antwort auf Beitrag vom: 26.04.2004 um 08:59:57