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Ägyptologie Forum >> Jenseitsglaube & Totenkult


1) Pharao Djer
 naunakhte am 22.05.2004 um 13:54:10 - Anhang: Djer.jpg

Ich lese gerade eine Arbeit in der die Autorin zu folgendem Jahrestäfelchen eine Deutung abgibt die mir nicht zusagt.

Es handelt sich bei der Abbildung um ein Jahrestäfelchen des Djer aus Saqqara.

Gewußt hätte ich gerne, was seht ihr in den Teilen vor den Gesichtern der Frauen?

Danke
nauna


2) Re: Pharao Djer
Irjnefer_d.J. am 22.05.2004 um 14:08:33

Hallo Naunachte,

hast Du eine Erklärung für Hieroglyphen von (relativ) kurz nach der Erfindung der Schrift, die sich unanfechtbar beweisen (, d.h. entziffern ) ließe ?

Gruß
Irjnefer d.J.

> Antwort auf Beitrag vom: 22.05.2004 um 13:54:10


3) Re: Pharao Djer
Gitta am 22.05.2004 um 14:25:17

Sieht aus wie Ortsnamen mit den zwei entsprechenden Determinativen.

Gitta

> Antwort auf Beitrag vom: 22.05.2004 um 13:54:10


4) Re: Pharao Djer
 naunakhte am 22.05.2004 um 14:33:16

Nein, nein

'tschuldigung. Ich meine nicht die Hieroglyphen.
Mir geht es um die von den Köpfen der Frauen, vor den Gesichtern herabhängenden Teile.

sorry, dass ich mich nicht deutlich genug ausgedrückt habe
nauna

> Antwort auf Beitrag vom: 22.05.2004 um 14:25:17


5) Re: Pharao Djer
 naunakhte am 22.05.2004 um 14:35:29

hallo Irjnefer,

so vermessen bin ich nicht. Da glaub ich Peter Kaplony alles aufs Wort  

nauna

> Antwort auf Beitrag vom: 22.05.2004 um 14:08:33


6) Re: Pharao Djer
Gitta am 22.05.2004 um 14:35:36

Achso. Die halte ich für Lotosblüten, wie man sie auch auf den Köpfen von Damen in späterer Zeit findet und an Mumien, auch männlichen.

Gitta

> Antwort auf Beitrag vom: 22.05.2004 um 14:33:16


7) Re: Pharao Djer
 naunakhte am 22.05.2004 um 14:40:07

Hallo Gitta,

was würdest du zu der Erklärung
Zitat:
die vermutlich austretendes Blut wiedergeben, um ihren Tod zu dokumentieren
halten?

In der Anm.
Zitat:
Keinesfalls ist an eine Haartracht oder einen Uräus zu denken


sorry, diese Erklärung halte ich, für mich, nicht tragbar.

nauna

Da halte ich es lieber mit Dir  

> Antwort auf Beitrag vom: 22.05.2004 um 14:35:36


8) Re: Pharao Djer
Gitta am 22.05.2004 um 14:46:57


Zitat:
die vermutlich austretendes Blut wiedergeben, um ihren Tod zu dokumentieren


Naja, dann wärs nach meiner Kenntnis aber auf jeden Fall ein Unikat. Diese Erklärung zeugt zumindest von einiger Fantasie .

Gitta

> Antwort auf Beitrag vom: 22.05.2004 um 14:40:07


9) Re: Pharao Djer
Mariasha am 22.05.2004 um 14:51:58

Hmm, ich hätte es eher für einen Kopfschmuck gehalten, eventuell von einer Krone.

> Antwort auf Beitrag vom: 22.05.2004 um 14:46:57


10) Re: Pharao Djer
 naunakhte am 22.05.2004 um 14:52:50


Zitat:
Diese Erklärung zeugt zumindest von einiger Fantasie


stimmt  

Aber in einer Doktorarbeit  

nauna

> Antwort auf Beitrag vom: 22.05.2004 um 14:46:57


11) Re: Pharao Djer
Gitta am 22.05.2004 um 15:27:48

Irgenwie muss der Autor der Diss doch darauf gekommen sein. Gibts vielleicht doch Referenzen? Gibts irgendeine Begründung?

Gitta

> Antwort auf Beitrag vom: 22.05.2004 um 14:52:50


12) Re: Pharao Djer
 Michael Tilgner am 22.05.2004 um 15:58:56 - Anhang: Djer-4_Jahr.jpg

Liebe Naunakhte,

Wolfgang Helck, Untersuchungen zur Thinitenzeit, Wiesbaden, 1987, S. 153-154 interpretiert diese Szene wie folgt:

Zitat:
"Die Schreibung 'Sitzende Frau mit Blut aus dem Kopf' und die Hieroglyphe 'Tod' (dem späteren 'Kot'-Zeichen ähnlich) findet sich bereits auf Pal.Stein im 4. Jahr unseres Königs. An unserer Stelle soll also der Tod zweier Königinnen angegeben werden, von denen die erste den Titel wr(.t) Hts führt und p-nb.wj heißt ('Sitz der beiden Herren' - also Hofdame), die andere aber den Titel mAA(.t)-Hr führt, wie das Photo in der Publikation erkennen läßt. Ihr Name ist nicht lesbar. Beide Titel sind auch später bei Königinnen belegt. ..." (S. 154)

Helck "übersetzt" die Szene so: "Tod der wr(.t)-Hts p-nb.wj und Tod der Königin (mAA.tj-Hr) ..." (S. 153)

Man vergleiche dazu die Hieroglyphe A14 "liegender Mann, aus dem Blut herausströmt" - Determinativ für "sterben".

Das vollständige Täfelchen:
Täfelchen 2 des Djer1

wr.t-Hts "Weret-Hetes, *Große Favoritin (ein Titel einer Königin)" (Hannig, Ägyptisch-Deutsch, S. 203)
mAA.t-Hr "die den Horus schaut" (Hannig, S. 314)

Die von Helck erwähnte Angabe im Palermo-Stein ist beigefügt. Die Übersetzung dieser Stelle ist recht schwierig. Die sitzende Frau mit der herausströmenden Flüssigkeit (Blut?) wird als Determinativ gedeutet.

Sms-Hr kAp? Hsq?
"'following of Horus'; censing a sacrificial victim?"

kAp "räuchern" (Hannig, S. 875)
Hsq "(1) abhauen, abschneiden (2) enthaupten, köpfen" (Hannig, S. 562) - Dieses Wort wird im Mittelägyptischen mit A14 determiniert. Daher hat es eine gewisse Wahrscheinlichkeit, daß es sich bei dem Zeichen auf dem Djer-Täfelchen um eine frühe Variante handelt. Aber wie Toby A.H. Wilkinson, Royal Annals of Ancient Egypt, London / New York, 2000, S. 98 bemerkt:

Zitat:
"Nevertheless, the reading kAp Hsq, 'censing a sacrificial victim', for this entry is no more than a tentative suggestion."

Viele Grüße,
Michael Tilgner

> Antwort auf Beitrag vom: 22.05.2004 um 14:52:50


1: http://xoomer.virgilio.it/francescoraf/hesyra/labels/xxdjer2.htm


13) Re: Pharao Djer
Irjnefer_d.J. am 22.05.2004 um 16:45:41

Nochmals hallo,

die Interpretation der zwei Hochzeitsschleier als Blutströme ( und die Dreiecke über der rechten Frau als Blutstropfen ) geht wahrscheinlich auf Raymond Weill zurück, irgendwann kurz nach 1900.

Viele Grüße
Irjnefer d.J.

> Antwort auf Beitrag vom: 22.05.2004 um 15:58:56


14) Re: Pharao Djer
jd_degreef am 22.05.2004 um 18:31:33

Das sogenannte "Blut das aus den Köpfen der beiden Königinnen ströme" soll eine Trauerhaartracht sein (Michel BAUD & Marc ETIENNE, "Le vanneau et le couteau. Un rituel monarchique sacrificiel dans l'Egypte de la Ière dynastie. Archéo-Nil 10, 2000, S. 1-22, speziell S. 13-15 und Tf. 7-9).

MfG,

JD

> Antwort auf Beitrag vom: 22.05.2004 um 15:58:56


15) Re: Pharao Djer
 naunakhte am 22.05.2004 um 18:47:20

Ich danke allen für ihre Antworten.

Wie es scheint gehen die Interpretationen weit auseinander.
Mir ist klar, dass man in dieser Zeitstufe der Geschichte wenig Chancen auf Klärung des Sachverhaltes hat.

Nichtsdestotrotz gibt es Erklärungen die einleuchtender sind wie andere.

Die, für mich, unwahrscheinlichste bleibt das heraustretende Blut.
Lieber Michael, deine umfangreichen Angaben muß ich in Ruhe "auseinander nehmen". Danke.

Gittas (Lotus)blumen und jd degreef's Trauerhaartracht, leuchten mir noch am ehesten ein, weil sie meinen Gedanken dazu entsprechen.

irjnefer, wie kommst du auf Hochzeitsschleier?

Das Gros der erwähnten Literatur habe ich natürlich nicht griffbereit.

Danke

nauna

> Antwort auf Beitrag vom: 22.05.2004 um 18:31:33


16) Re: Pharao Djer
jd_degreef am 22.05.2004 um 20:56:57

Gab es den im Alten Ägypten Hochzeitsfeier ? Außer eine kürze Erwähnung im Krönungstext auf der Turiner Statue des Horemheb (BAR III, S. 14 & 17 –online !-) gibt es da nicht viel...

Die Szenen auf das Plattchen scheinen eher eine sehr frühe Form von Tb. 168 zu sein.

Dieses Kapitel wurde m.W. für zwei verschiedene Gelegenheiten benützt :
1. im Totenkult (daher die trauernde Königinnen !)
-für Leute : Tb 168 (sehr selten !), Grab des Petosiris
-für Osiris : Osireion in Abydos, s. Margaret MURRAY, The Osireion at Abydos, ERA 1903, S. 3-8 & Tf. IV-V (online !).

2. während des königlichen Neujahrsfestes der Ptolemäischen Periode (s. Jean-Claude GOYON, Confirmation du pouvoir royal au nouvel-an, IFAO, Bibliothèque d'étude, LII, 1972, S. 75-77 und S. 120 Anm. 320).

MfG,

JD

> Antwort auf Beitrag vom: 22.05.2004 um 18:47:20


17) Re: Pharao Djer
 naunakhte am 22.05.2004 um 22:47:23 - Anhang: djer2.jpg

ich binde das ganze täfelchen mal ein

> Antwort auf Beitrag vom: 22.05.2004 um 18:47:20


18) Re: Pharao Djer
Gitta am 23.05.2004 um 00:39:46 - Anhang: tafel-djer.jpg

Ich habe gerade das Buch "Die 70 großen Geheimnisse des alten Ägypten" durchgeblättert. Darin ist das gleiche Täfelchen abgebildet, in einem Kapitel von Toby Wilkinson. Darauf scheinen noch mehr Blutrünstigkeiten abgebildet zu sein. In dem Ausschnitt (s.u.) soll ein Mann dargestellt sein, der einem Gefangenen einen Dolch in die Brust stösst. Das austretende Blut wird in einer Schale aufgefangen. Bei der Szene soll es sich um ein Menschenopfer handeln. Das ist eine von zwei derartigen Darstellungen, die bisher aufgefunden wurden.

Gitta

> Antwort auf Beitrag vom: 22.05.2004 um 22:47:23


19) Re: Pharao Djer
 Iufaa am 23.05.2004 um 10:15:35

Hi Gitta,

ich habe hier den Eindruck, dass diese Zeichnung(en) mit den modernen Vorstellungen von der finsteren "Frühzeit" interpretiert wurden.

Ich sehe hier eine zurückgelehnte Gestalt, auf beiden Armen gestützt und die Beine gespreizt. Davor kniet eine weitere Gestallt und hält eine Schale oder Korb.

Mehr da "rauszulesen" halte ich für spekulativ, es sei denn, es gibt ähnlich Szenen mit eindeutiger Aussage (z.B. Beischrift), die zum Vergleich herangezogen werden können.

Iufaa

(der heilfroh, dass diese Zeichnungen nicht in Grün ausgeführt wurden, sonst wären wir jetzt bei den kleinen grünen ... )

> Antwort auf Beitrag vom: 23.05.2004 um 00:39:46


20) Re: Pharao Djer
 naunakhte am 23.05.2004 um 10:29:35

Ich muß Iufaa zustimmen.

Je mehr "Aussagen" zusammengetragen werden, desto stärker hat man den Eindruck "es handelt sich um wilde Phantasien" der Buchautoren.

Finde es aber recht interessant mehr solcher "Phantasien" zusammen zu tragen. Es hilft ev. die Publikationen zu dieser Zeit besser zu beurteilen.

Es soll ja tatsächlich Leute eben die glauben was sie lesen  

Danke an alle, und laßt uns ruhig weiter sammeln

nauna

> Antwort auf Beitrag vom: 23.05.2004 um 10:15:35


21) Re: Pharao Djer
Gitta am 23.05.2004 um 12:41:19


Zitat:
Ich sehe hier eine zurückgelehnte Gestalt, auf beiden Armen gestützt und die Beine gespreizt. Davor kniet eine weitere Gestallt und hält eine Schale oder Korb.


Ganz so zusammenhanglos sollte man das Ganze vielleicht nicht betrachten, denn links daneben sind ja Menschen zu sehen, die ich mit meinen nicht gerade ausgeprägten Kenntnissen zu dieser Epoche für Opferträger halte. Vorneweg einer mit einer Mumie.


Gitta

> Antwort auf Beitrag vom: 23.05.2004 um 10:15:35


22) Re: Pharao Djer
 Iufaa am 23.05.2004 um 13:10:23

Hi Gitta,

natürlich sollte man den Rest des Registers nicht übersehen, aber ist es vollständig?

Serekh mit Horus (?) Mumie, Beigaben, Standarten, etc. sind sicherlich auch "richtig" interpretiert.

Aber was bedeutet die Szene rechts? Die Figur mit den nach hinten gebogenen Armen könnte natürlich eine frühe Form der "gebundener Feind"-Hieroglyphe (A13) sein, auch wenn die Fesselung der Arme fehlt. "Messer in die Brust" - naja, wenn ich die Arme in Relation zu den restlichen Strichen der Figur betrachte, dann ist das eher von der Lokalisation ein Bauchschnitt. Auströmendes Blut ist nicht zu sehen. Könnte also auch ein Mumifizierungsschritt dargestellt sein, z.B. Entnahme der inneren Organe (die dann in der Schüssel landen).
Die Opferung eines gefangenen Feindes ist natürlich auch eine mögliche Interpretation - aber eine sichere?

Iufaa

> Antwort auf Beitrag vom: 23.05.2004 um 12:41:19


23) Re: Pharao Djer
 naunakhte am 23.05.2004 um 13:16:28

An Mumifizierung hatte ich auch mal gedacht.
Dann hätte man die Mumifizierung, die Mumie die wohl zum Begräbnis getragen wird und mit den beiden Frauen (Trauerhaartracht) seinen Begräbniszug.

Wenn man das ganze als Jahrestäfelchen betrachten soll, dann wäre wohl der Tod des Pharaos das herausragende Ereignis dieses Jahres gewesen.

alles Spekulation

> Antwort auf Beitrag vom: 23.05.2004 um 13:10:23


24) Re: Pharao Djer
Gitta am 23.05.2004 um 13:46:21 - Anhang: tafel2.jpg

Ich hänge mal die oben erwähnte zweite Darstellung einer solchen Szene an. Ebenfalls aus dem Buch "Die 70 großen Geheimnisse...". Das Buch steht mir nur leihweise zur Verfügung. Ich gehe mal davon aus, dass der Besitzer es mir verzeiht, dass ich es hier ausweide (und ich hoffe, die Autoren/Verleger lesen hier nicht mit ). Leider geht aus dem Text nicht eindeutig hervor, dass auch dieses Stück aus dem Grab des Djer stammt.

Gitta

> Antwort auf Beitrag vom: 23.05.2004 um 13:16:28


25) Re: Pharao Djer
Gitta am 23.05.2004 um 13:58:34


Zitat:
Könnte also auch ein Mumifizierungsschritt dargestellt sein, z.B. Entnahme der inneren Organe (die dann in der Schüssel landen).


Diese "Technik" ist aber erst für später nachgewiesen. Überhaupt ist die Vollständigkeit der auf dem Täfelchen gezeigten Mumie überraschend (sie sieht zumindest vollständig aus). Ich dachte nicht, dass das komplette Umwickeln mit Leinenbinden schon so früh stattfand.

Gitta

> Antwort auf Beitrag vom: 23.05.2004 um 13:46:21


26) Re: Pharao Djer
Gitta am 23.05.2004 um 14:09:50

Das Ganze könnte auch ein "ritueller Königsmord" sein. Hier und da ist zu lesen, dass das Hebsed damit in Zusammenhang zu bringen wäre. Wenn ich mir das untere Register so anschaue, dann sehe ich Zahlen, allerdings etwas unpassende "600", und links oben in der Ecke ein Zeichen, das man evtl. als Hebsed-Glyphe interpretieren könnte. Und zwei Mal haben wir das msj-Zeichen.

Auch alles Spekulation

Gitta

> Antwort auf Beitrag vom: 23.05.2004 um 13:58:34


27) Re: Pharao Djer
Gitta am 23.05.2004 um 14:41:05

@jd


Zitat:
Die Szenen auf das Plattchen scheinen eher eine sehr frühe Form von Tb. 168 zu sein.


Ich habe mir gerade mal Spruch 168 angesehen und die zugehörige Vignette. Du hast Recht. Auch das wäre eine Erklärung, denn die Vignette zeigt sowohl das "rituelle Ballspiel" als auch die Stierstandarte. Und die Personen auf dem Täfelchen tragen Götterbärte wie in der Vignette.

Das msj auf dem Täfelchen wird im Lexikon der Pharaonen als "herstellen" interpretiert (nach Helck):

"Herstellung und Darbringung von Kultgegenständen; Erlangung von Ober- und Unterägypten; Herstellung der Standarte eines Stiergottes; rituelles Ballspiel (?); Tod zweier Königinnen (?)"

Gitta

> Antwort auf Beitrag vom: 22.05.2004 um 20:56:57


28) Re: Pharao Djer
 Michael Tilgner am 23.05.2004 um 15:25:26 - Anhang: djer1_Detail.jpg

Hallo, Leute,

eine wunderbare Abbildung des Djer-Täfelchen ist in Francesco Tiradritti (Hrsg.), The Cairo Museum Masterpieces of Egyptian Art, London, 1999, S. 30-31 abgedruckt. Sie ist größer als DIN A4 und geht über eine Seite hinaus: insofern ein fürs Scannen unglückliches Layout. Das Buch gibt es auch in einer deutschen Übersetzung. Da ist jeder Kratzer zu erkennen!

Zur Interpretation zitiere ich nochmal aus Helck, Thinitenzeit (sh. oben):

1. Register
"(1) Vor Horus Dr Geburt und Darbringen von einem unklaren Gegenstand, einer (weiblichen?) Statue, einem Wels(bild), einem Pelikan(bild), eines Speeres"

Darüber steht die Hieroglyphe F31 phon. ms "gebären", hier in der Bedeutung "künstlich herstellen (Götterbilder, Gebäude, Geräte)" (Hannig, Ägyptisch-Deutsch, S. 360, Bedeutung (9) von msj). Dieses Zeichen taucht auf vielen dieser frühzeitlichen Täfelchen auf.

Zu den Kultsymbolen meint Helck:

Zitat:
"lassen sie sich in keiner Weise irgendwo zuordnen. Das vorderste Gebilde hält Vandier, Manuel I, 847 sicher zu Unrecht für einen Feueraltar; aber auch eine Leiter dürfte es kaum sein. Die zweite Figur als Mumie zu bezeichnen ist schon deshalb nicht wahrscheinlich, weil es damals noch keine Mumifizierung gab; es kann also nur eine altertümliche Statue sein. Weiter aber läßt sich nichts aussagen. Daß der Wels nach Aelian in Bubastis verehrt wurde (nach Kees, Götterglaube, 69), könnte zwar mit dem Speer als Zeichen des Ostgaues in späterer Zeit verbunden werden, aber der Pelikan ist mit keinem Lokalkult zu verbinden. So kann keine Deutung dieses Aufzugs gegeben werden." (S. 153-154)

"(2) Erlangen von Ober- und Unterägypten"
Die Inschrift wie die zugehörige Szene gibt es auch auf einem Täfelchen des Aha.

Die Zeichen Smaw tA-mHw "Ober- und Unterägypten" (Hannig, S. 820) sind oft belegt. Das andere Zeichen ist vielleicht O42 Ssp "empfangen ... (7) übernehmen (Amt, Würde, Königtum)" (Hannig, S. 835) Zur Szene unter der Inschrift schreibt Helck:

Zitat:
"Es ist eindeutig ein Menschenopfer, das aber in der beschriebenen Weise bewußt vergessen worden ist, so daß wir den gedanklichen Zusammenhang zwischen diesem Menschenopfer und dem 'Entgegennehmen' der beiden Landesteile nicht mehr nachvollziehen können." (S. 149)

Zweites Register

"(3) Geburt der Standarte des TAj-zp=f; Bringen eines Schreins (?)"

Helck gibt Vergleichsstellen an, aus denen er auf den TAj-zp=f-Stier schließt. Der Gegenstand ist nicht sicher zu interpretieren, er kann "ein Schrein, aber auch ein Kleid" sein.

"(4) Ballspiel"

Zitat:
"Der dargestellte Mann jongliert eindeutig mit 4 Bällen; einen der Bälle faßt ein 'Gänsevogel', wohl um anzuzeigen, daß er zu diesem Ballspiel die Hieroglyphe sein soll. Da es einen Gänsevogel bDA gibt (Wb I, 488, 10), soll hier wohl auf das Ritual des 'Ball'(bD)-Spiels hingewiesen werden, eines sehr alten Rituals." (Helck, S. 154)

bDA "eine Ente" (Hannig, S. 267)

"(5) Tod der wr(.t)-Hts p-nb.wj und Tod der Königin (mAA.tj-Hr) ..."

Die Erläuterungen hatte ich schon oben wiedergegeben.

Übrigens ist auf einem anderen Täfelchen
Täfelchen 1 des Djer1
ebenfalls die Frau mit dem heraustretendem Blut bzw. der Haartracht(?) zu sehen. Helck: "'Tod der Königin', wobei zwei fast unleserliche Zeichen über dem Kopf der 'blutenden' Frau wohl ihren Titel U1-G5 [mAA(.t)-Hr] angeben" (S. 152-153)

Drittes Register

Hierzu gibt Helck keine Interpretation an.


Insgesamt muß man aber wohl eingestehen, daß diese frühen Inschriften zu lesen ein "hartes Brot" ist.

Viele Grüße,
Michael Tilgner



> Antwort auf Beitrag vom: 23.05.2004 um 13:16:28


1: http://xoomer.virgilio.it/francescoraf/hesyra/labels/xxdjer1.htm


29) Re: Pharao Djer
 Iufaa am 23.05.2004 um 16:14:33

Hallo Michael,

die Argumentation, dass es keine "Mumie" sein kann, weil man zu der Zeit nicht mumifiziert hat, ist natürlich "wackelig". Ich stimme Helck insofern zu, dass man den Begriff "Mumie", der ja eine bestimmte Behandlungsweise beeinhaltet, hier wahrscheinlich nicht anwenden darf. Aber, auch wenn man nicht mumifiziert hat, wird man einen "edlen" Verstorbenen nicht einfach verscharrt haben. Eine Beisetzung, eingewickelt in edles Tuch würde auch die Form der Gestalt erklären - und Verstorbene in diesen Ländern werden heute noch so "eingewickelt" zu Grabe getragen.

Zum dem "ms" könnte die Gestalt ebenfalls passen und ein "gewickeltes" Kind darstellen, stramme Wicklungen sind bei zahlreichen Naturvölkern ja bekannt.

Iufaa

> Antwort auf Beitrag vom: 23.05.2004 um 15:25:26


30) Re: Pharao Djer
 naunakhte am 23.05.2004 um 16:18:24

und vor dem einwickeln werden Tote in der Regel gewaschen. Dafür kann man gut die Schüssel nutzen.

weiterhin nur Spekulation

nauna

> Antwort auf Beitrag vom: 23.05.2004 um 16:14:33


31) Re: Pharao Djer
Gitta am 23.05.2004 um 16:19:19


Zitat:
diese frühen Inschriften zu lesen ein "hartes Brot" ist


Das kann man laut sagen.

Nochmal zum untersten Register:

Angenommen die Zeichen, die ich als "hundert" gelesen habe, sind eine frühe Schreibung von "zehn" und weiterhin angenommen, das Zeichen in der linken Ecke ist tatsächlich eine Hebsed-Schreibung, dann käme mit den beiden Strichen darunter heraus, dass es sich um ein 2. Hebsed = 60 Jahre handeln könnte, was in etwa den Regierungsjahren dieses Königs nach Manetho (Africanus) entspricht (57 Jahre).

Die zugehörigen Zeichen bringe ich in keinen vernünftigen Zusammenhang. Ausserdem fehlt ja rechts noch etwas. Wie soll man das ergänzen?

Gitta


> Antwort auf Beitrag vom: 23.05.2004 um 15:25:26


32) Re: Pharao Djer
 Michael Tilgner am 23.05.2004 um 17:39:31

Hallo, Gitta,

Drittes Register

Ich muß mich korrigieren: Helck geht an anderer Stelle auf diese und ähnliche Angaben dieser Täfelchen ein: "Zu der Anlage der 'Jahrestäfelchen'" (Helck, Thinitenzeit, S. 168-175). Ich fasse mal zusammen:

Zitat:
"Die Angaben der Jahrestäfelchen erstrecken sich auf zwei Bereiche: einmal wird das Jahr durch mehrere Angaben festgelegt, zum anderen wird die Öllieferung festgehalten." (S. 168)

Nach seiner Übersicht ist es wahrscheinlich, daß am Anfang F4 HAt.t "Öl" (sh. auch Hannig, Ägyptisch-Deutsch, S. 508: "Salböl bester Qualität") stand.

Dann folgt eine Gruppe, die nach den Parallelen vollständig etwa so ausgesehen hat:


wobei diese Zeichen in verschiedener Anordnung verwendet worden sind. "Die Lesung bleibt dabei unbekannt." (S. 172) Helck präferiert, daß es sich wohl mehr um eine topographische Bezeichnung als um eine Ölbezeichnung (Kaplony) handelt.

Es schließt sich an:


Helck will in M3 "Ast" ein "damaliges Öl-Maß - etwa 'Zweig'" erkennen, so daß zu lesen wäre:
"600 'Zweig'"

Sodann die sog. "Steuerangabe":


jnw Smaw
"Abgabe von Oberägypten"

jnw "Gaben, Lieferungen" (Hannig, S. 74) - Die Schreibung mit dem Fisch K1 jn ist mehrfach aus der Frühzeit nachweisbar.

Den Schluß bildet die "Nennung der Zahl der Gefäße, die mit diesem Öl gefüllt sind" (S. 173), nämlich: "2 Gefäße".

Damit lautet die Inschrift im 4. Register wie folgt:

"[Salböl,] <topographische Angabe>, 600 "Zweig" (Maß), Abgabe von Oberägypten, 2 Gefäße"

Viele Grüße,
Michael Tilgner

> Antwort auf Beitrag vom: 23.05.2004 um 16:19:19


33) Re: Pharao Djer
Gitta am 23.05.2004 um 17:50:37

Danke, Michael

> Antwort auf Beitrag vom: 23.05.2004 um 17:39:31


34) Re: Pharao Djer
jd_degreef am 23.05.2004 um 20:30:43

Wenn man die Kugeln als bnn.w interpretiert (bnn, "Kugel", s. Wb. I, 460), dann müsste man den Vogel als bnnw (Phönix) lesen.

Die Zeichen Treppe, Falke, tj Seil werden von Raymond WEILL, Recherches sur la 1ère dynastie... BIFAO 38, I, 1961, S. 64-65 als "was zum Thron des Horus gebracht wird", (j)T (r) s.t Hrw.
Vielleicht sollte man eher jT xtjw Hrw lesen, "was zum Podium des Horus gebracht wird". PT 496 erwähnt
das zH-Zelt / Opferraum des Todtentempels
des mnw Trones
in der Mitte (Hrj-jb) des xt(jw) Podiums usw.

Die große Vase am Ende des unteren Seiles liest WEILL (S. 73) als mDd, eine Ölpresse.

MfG,

JD

> Antwort auf Beitrag vom: 23.05.2004 um 17:50:37


35) Re: Pharao Djer
jd_degreef am 23.05.2004 um 20:42:50

PS:
die trauernde Königin auf dem Palermostein II, 6 (auch Regierung des Djer) sitzt neben einem Rechit der mit einem Messer getötet wird.
Auch im Falle der Inschrift aus Elephantine (3. Dyn.), s. DREYER, Drei archaisch-hieratische Gefässaufschriften mit Jahresnamen aus Elephantine, Fs. G. HECHT, 1987, 98-109, erscheint die trauernde Königin nach eine Erwähnung des "3. Mal des Bekämpfens der Räuber" (S. 104).
Also ist die Hypothese des zeremoniellen Tötens eines Feindes doch ziemlich wahrscheinlich !

> Antwort auf Beitrag vom: 23.05.2004 um 20:30:43


36) Re: Pharao Djer
 Michael Tilgner am 24.05.2004 um 22:25:43 - Anhang: Label-Oil.jpg

Hallo, JD,

laut Hannig, Ägyptisch-Deutsch, S. 254 gibt es ein Wort bnn "Kügelchen" und bnn.t "(1) Kugel ... (2) 'Ball' (den der König wirft) ..."

Sieht man im Digitalen Zettelarchiv nach, so findet man dort nur einen Beleg
Digitales Zettelarchiv: Beleg für bnn.t "Ball?"1
der viel später anzusetzen ist.

Soweit ich weiß, heißt der "Phönix" auf ägyptisch bnw (Hannig, S. 253). Das LÄ IV, 1030 leitet den Namen von wbn "aufgehen; glänzen, leuchten, aufleuchten aufflammen" oder bnbn "Benben-Stein" her, "doch läßt sich die genaue Bedeutung nicht ermitteln".

Insgesamt halte ich daher die Herleitung über bnn "Kugel" nicht für wahrscheinlich.


Für die Gruppe Treppe, Horus, T-Schnur gibt Rolf Gundlach, Der Pharao und sein Staat, Darmstadt, 1998, S. 96 die Lesung

(jTj) TnTA.t Hrw(?)

an, wobei TnTA.t "Thronpodium ... Thronhalle (für das Hebsed-Fest)" (Hannig, S. 958) bedeutet. Das käme Deiner Deutung oder der von Weill nahe.

Helck zitiert Kaplony (IÄF I, 313), der in dieser Gruppe das spätere sTj-Hr- bzw. -wr-Öl lesen will. Siegfried Schott, Hieroglyphen. Untersuchungen zum Ursprung der Schrift, Wiesbaden, 1950, S. 140 interpretiert diese Zeichengruppe als Domänenname "Horus, der (seinen) Thron gewann", eine Deutung, die Kaplony (IÄF II, Anm. 1653) kategorisch ablehnt. Helck zitiert eine ähnliche Schreibung S-x.t-Hr "Baumgarten des Horus", woraus er schließt, daß unsere Gruppe wohl so etwas ähnliches bezeichnen würde, "nur noch in 'butischer Schrift' geschrieben" (Helck, Thinitenzeit, S. 171-172). Allerdings hat Helcks These von der sog. "butischen Schrift" keine Anhänger gefunden.

Insgesamt gesehen muß man doch wohl zunächst die Auffassung akzeptieren, daß die Lesung umstritten ist. Die Annahme, daß es sich um "eine topographische Angabe" handelt, ist insofern der kleinste gemeinsame Nenner.

Dennoch ist der Einwand nicht berechtigt, daß alles reine Spekulation sei. Aus diesem Grunde füge ich Helcks Tabelle (S. 173) bei, in der er die Lieferangaben von 21 Jahrestäfelchen zusammengefaßt hat. Unser Täfelchen ist unter "Dr Hemaka" angegeben (es wurde im Grab des Hemaka gefunden).

Es ist doch eine klare Struktur erkennbar, wenn man auch nicht erwarten kann, daß den alten Schreibern eine exakte Anweisung vorgelegen hat. Helck diskutiert nun jede Spalte im einzelnen. So kann man klar erkennen, daß die Zahlen unter dem "Zweig" in die Hunderte bis über über Tausend gehen, während unter den "Gefäßen" nur 1 - 3 angegeben ist. Irgendwie spricht diese Spalte auch gegen Weills Auffassung von "Ölpresse", finde ich. Ferner ist eine gewisse zeitliche Entwicklung zu erkennen. Für die Einzelheiten muß ich auf Helck verweisen.

Ich möchte mich auch einmal zitieren:

Zitat:
"Insgesamt muß man aber wohl eingestehen, daß diese frühen Inschriften zu lesen ein 'hartes Brot' ist."

wenn auch nicht unmöglich, sollte ich anfügen!

Viele Grüße,
Michael Tilgner

> Antwort auf Beitrag vom: 23.05.2004 um 20:30:43


1: http://aaew.bbaw.de/gif/22/22885000/22886570.gif


37) Re: Pharao Djer
jd_degreef am 25.05.2004 um 06:40:55

Lieber Michael,

Die Tabelle aus HELCK, Untersuchungen zur Thinitenzeit, ÄA 45 (1987), S.173 bringt zwei für unseren Zweck interessante Informationen :
1. die Variante RT I, 14, 11 : (j)T Hrw tp TnTA / xtjw / s.t, "Gebracht (zum) Horus auf den Thron / das Thronpodium".
2. die späte Varianten, deutlich mit xtjw (einem Podium, mit phonetischem Komplement x.t).

GUNDLACH's TnTA(.t) ist eine gute Lösung.

KAPLONY's Lesung sTj-Hr is sehr unwahrscheinlich, denn der Öltyp wird schon am Anfang der unteren Zeile bestimmt. Und was macht er mit der Treppe ?

Betreffs bnn, kann eine Wiederholung des Ballwerfens oder des gaukeln nicht zu eine Verdoppelung des /n/ leiten (ich kenne die präzise Grammatische Bezeichnung nicht) ? So das der Wurzel auch (w)bn sein würde, wie in bnw, bnbn ?

MfG,

JD

> Antwort auf Beitrag vom: 24.05.2004 um 22:25:43


38) Re: Pharao Djer
Gitta am 27.05.2004 um 23:49:15 - Anhang: Trauer1.jpg

Vielleicht interessante Parallele aus der Berliner Totenbuchausstellung: Trauernde mit "Trauerfrisur"

Gitta

PS: unqualifizierte Bemerkung am Rande: sieht aus, als hätten die Leningrad-Cowboys hier ihre Frisur geklaut

> Antwort auf Beitrag vom: 25.05.2004 um 06:40:55


39) Re: Pharao Djer
Gitta am 27.05.2004 um 23:51:16 - Anhang: Trauer2.jpg

Hier der komplette Papyrus (leider ein wenig zerstört): Totenbuch des Nespaheran, Priester im Amun-Tempel, 20./21. Dynastie.

> Antwort auf Beitrag vom: 27.05.2004 um 23:49:15