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Ägyptologie Forum >> Jenseitsglaube & Totenkult


1) Frage zum Totenbuch
Irjnefer_d.J. am 15.06.2004 um 20:26:30

Hallo liebe Experten,

wer ist denn bitte diese bisweilen anzutreffende unter dem Waagebalken der Totengerichtsszene in der Luft dasitzende ( männliche ) Figur ?
Hat das etwas mit Totenbuchspruch 94 zu tun ? ( Ich hab's gerade nicht griffbereit, sorry. )

Danke !
Gruß, Irjnefer d.J.


2) Re: Frage zum Totenbuch
Amunet am 16.06.2004 um 19:04:56

Ich hätte eine Darstellung des Ka vermutet, auf Bildnissen sieht man den Ka als schwarzes menschliches Wesen, aber wenn die "Figur" auch ausgemalt vorkommt ...  

Es grüßt freundlich Amunett

> Antwort auf Beitrag vom: 16.06.2004 um 18:22:59


3) Re: Frage zum Totenbuch
Bes_Maat am 16.06.2004 um 22:07:29

Hallo Ihr !!

Ich hätte auch erst vermutet das es der Ka ist.
Aber so wie sich dieses darstellt;könnte es nicht eine Schattendarstellung des Ka sein?

mfg
Bes Maat

> Antwort auf Beitrag vom: 16.06.2004 um 19:04:56


4) Re: Frage zum Totenbuch
Irjnefer_d.J. am 17.06.2004 um 18:20:04

Ka klingt plausibel. - Oder Ach ?

Jedenfalls meint ihr, es sei ( quasi ) der Totenbuchbesitzer dargestellt.

Viele Grüße von Irjnefer d.J.

> Antwort auf Beitrag vom: 16.06.2004 um 22:07:29


5) Re: Frage zum Totenbuch
Amunet am 17.06.2004 um 19:59:37

Also ich habe nur eine Ach - Darstellung als Ibis mit Federschopf in Erinnerung....  

Es käme vielleicht auch noch schut, der Schatten, als "weltlicher" Bestandteil der Seele, in betracht?
Da er sich vorübergehend vom Körper des Verstorbenen lösen konnte und über-lebenswichtig war, so zu sagen als Schutz für den Menschen vor großem Übel. Hier vielleicht als Schutz für das Herz ... (   )

Es macht mich nur stutzig, weil diese Figur auch ausgemalt dargestellt worden sein soll ... Aber ich denke schon, dass eine Beziehung zu dem Totenbuchbesitzer besteht.

Grüße von Amunett


> Antwort auf Beitrag vom: 17.06.2004 um 18:20:04


6) Re: Frage zum Totenbuch
Gitta am 18.06.2004 um 00:17:38

Das könnte sich wirklich um den Schatten handeln. Ich bin mir nicht sicher: oben im Text lese ich zweimal "ihr (weiblich) Herz", die nachfolgende Zeichenfolge kann ich nicht komplett deuten, aber die Feder und das T könnte man als Sw.t lesen. Die Abbildung scheint aus dem Totenbuch einer weiblichen Person zu sein.

Diese Schatten tauchen in vielen Totentexten als "Strichmännchen" auf, werden also scheinbar meist so dargestellt, dass sie keine Details erkennen lassen.

Gitta

> Antwort auf Beitrag vom: 17.06.2004 um 19:59:37


7) Re: Frage zum Totenbuch
Bes_Maat am 18.06.2004 um 06:20:17 - Anhang: das_Fest_nach_dem_Gericht_-_LEH_-_Netz.pdf

Hallo !!

Habe zu dem Thema noch was gefunden. Möchte ich Euch nicht vorenthalten.


Zitat:
Um zu verstehen, wie die alten Ägypter mit dem Tod umgehen und wie sie sich das Fortleben nach dem Tod vorstellten, muss man ihr Menschenbild berücksichtigen. Anders als bei uns heute, wo der Mensch oft als Wesen mit einem (sterblichen) Körper und einer (unsterblichen) Seele, manchmal noch mit einem schwer zuzuordnenden Geist, angesehen wird, ist das ägyptischen Menschenbild wesentlich komplexer. Man stellt sich vor, dass ein Mensch aus fünf Teilen besteht, nämlich aus vier persönlichen (Körper, Name, Schatten, Ba) und einem unpersönlichen (Ka). Diese sind zusätzlich entweder frei beweglich (Ba, Schatten) oder aber örtlich gebunden (Körper, Name).
Der Ka umfasst die abstrakte Lebenskraft des Menschen, die auch Göttern, Tieren und sogar Statuen zukommt. Der Ba ist ein persönliches, frei bewegliches Seelenelement, das als Vogel mit Menschenkopf dargestellt wird. In der ägyptischen Vorstellung lebt ein Mensch, solange diese fünf Wesensanteile beieinander sind; wird eines davon zu sehr geschwächt oder entfernt es sich auf Dauer von den anderen, so stirbt er.
Damit nun der Mensch über seinen physischen Tod hinaus als Individuum fortdauern kann, müssen diese Seelenelemente weiterhin zusammenbleiben respektive immer wieder zusammenkommen. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, den physischen Körper durch Mumifizierung unbeschadet zu erhalten, den Namen des Verstorbenen zu bewahren, den Ka durch Opfergaben zu stärken und für den frei beweglichen Ba und den Schatten mit der Mumie im Grab sozusagen einen "Treffpunkt" für die Wiedervereinigung festzulegen.

Quelle:lic. phil.-hist. Susanne Ris, Ägyptologin Institut für Religionswissenschaft


Der vollständige Text im PDF-Anhang.

mfg
Bes Maat

> Antwort auf Beitrag vom: 18.06.2004 um 00:17:38


8) Re: Frage zum Totenbuch
Irjnefer_d.J. am 18.06.2004 um 10:28:14

Hallo, richtig Gitta, das ist der Totenbuchpapyrus der Nani, 3. Zwischenzeit.
Der Text dabei ist Tb.spruch 94.

Vielleicht ist es der Schatten der Nani, jedenfalls - aus weiterer Informationsquelle - ist der   A u s g a n g   der Wägung des Herzens noch ungewiß, deswegen schwebt die Verstorbene hier noch in der Luft (, es wird also das Urteil noch nicht vorweggenommen wie bei den meisten anderen Darstellungen ).

Gruß, Irjnefer d.J.

> Antwort auf Beitrag vom: 18.06.2004 um 06:20:17


9) Re: Frage zum Totenbuch
 Michael Tilgner am 18.06.2004 um 11:49:10 - Anhang: Bapun-Totengericht.jpg

Hallo, Irjnefer_d.J.,

ich habe eine Parallelstelle gefunden in: Anna Maria Donadoni Roveri (Hrsg.), Das alte Ägypten. Die religiösen Vorstellungen, Torino, 1988, S. 215. Diese Szene stammt vom Sarg des Bapun (XXI. Dynastie). Hier schwebt eine ähnlich geformte Gestalt, aber ausgemalt, unter der Waage. Dabei steht:

wsjr bApwn
"Der Osiris [= der Verstorbene] Bapun"

Daher liegt es nahe zu vermuten, daß es sich bei diesen Figuren um die Verstorbenen handeln muß.

Zu klären bleibt ihre seltsam gekrümmte Haltung und ob sie vorwiegend in Schwarz oder wie hier auch ausgemalt vorkommen.

Viele Grüße,
Michael Tilgner


> Antwort auf Beitrag vom: 18.06.2004 um 10:28:14


10) Re: Frage zum Totenbuch
Bes_Maat am 18.06.2004 um 17:25:45

Hallo Ihr !!

Gitta hatte schon einmal ein Beitrag Meschenet1 im Forum gebracht. Mit 'ner Abbildung von Ani's Totengericht.
Vielleicht hilft Euch das ein wenig weiter (?).

mfg
Bes maat

> Antwort auf Beitrag vom: 18.06.2004 um 11:49:10


1: http://www.aegyptologie.com/forum/cgi-bin/YaBB/YaBB.pl?board=dpusf&action=display&num=1084311804&start=0&showall=true


11) Re: Frage zum Totenbuch
Thomas_ am 18.06.2004 um 21:56:53

Hallo Michael,

die Lösung zur gekrümmten Haltung dürfte in den Erläuterungen zu Meschenet im von Bes_Maat angesprochenen Thread liegen.

Zitat:
The use of bricks in a mortuary context is thus metaphorical replicating the equipment of an earthly birth in order to ensure the deseased´s rebirth into the other world. Roth/Roehrig/ Post von kg


Die Figur, besonders die obere kleine schwarze, erinnerte mich auch sofort an eine Fötus-Haltung, wie sie auch- so meine ich mich zu erinnern- bei der Geburt des Sonnengottes aus einer Lotusblüte vorkommt. Hab so ein Bild auf die Schnelle nicht zur Hand. Versuch ich aber zu finden.

Gruß Thomas

> Antwort auf Beitrag vom: 18.06.2004 um 11:49:10


12) Re: Frage zum Totenbuch
Irjnefer_d.J. am 19.06.2004 um 10:28:16

Die 'Wägung des Herzens' alias die   G e b u r t   des Osiris NN   ?

Gruß, Irjnefer d.J.

> Antwort auf Beitrag vom: 18.06.2004 um 21:56:53


13) Re: Frage zum Totenbuch
Thomas_ am 19.06.2004 um 14:37:59

@Irjnefer_d.J.


Zitat:
Die 'Wägung des Herzens' alias die   G e b u r t   des Osiris NN ?


Natürlich nicht der Vorgang der Wägung selbst, aber bis zum Urteilsspruch wartet der Tote eben in einer Art vorgeburtlichen Haltung bis dann der letzte Akt beim Übergang in die jenseitige Welt durch die Wiedergeburt vollzogen wird.
Gruß Thomas

> Antwort auf Beitrag vom: 19.06.2004 um 10:28:16


14) Re: Frage zum Totenbuch
Irjnefer_d.J. am 19.06.2004 um 19:54:53

Könnte es auch die   H o c k e r - Stellung des / der Bestatteten sein ?

Viele Grüße
Irjnefer d.J.

> Antwort auf Beitrag vom: 19.06.2004 um 14:37:59


15) Re: Frage zum Totenbuch
Thomas_ am 19.06.2004 um 21:13:36

Prinzipiell möglich, ich sehe aber die Hockerstellung durchaus auch in Richtung Wiedergeburt, zu mehr fehlen mir allerdings die fachlichen Hintergründe. Das ist nicht so ganz mein Lieblingsthema.
Weiterhin denke ich auch, dass diejenigen, die ein Totenbuch bezahlen konnten, keine einfache Hockerbestattung genommen haben, oder gibt es Totenbücher bei Hockergräbern? Das waren doch wohl arme Leute.

Gruß Thomas

> Antwort auf Beitrag vom: 19.06.2004 um 19:54:53


16) Re: Frage zum Totenbuch
 Michael Tilgner am 23.06.2004 um 20:04:06

Hallo, Thomas,

im Prinzip sind wir alle schon auf dem "richtigen Pfad", zumindest sind wir der Position von Christine Seeber, Untersuchungen zur Darstellung des Totengerichts im Alten Ägypten, München / Berlin, 1976, Abschnitt: "Der Verstorbene im 'Stadium der Wiedergeburt'", S. 101-106 nahe. Es heißt dort:

Zitat:
"Unter diesem Gesichtspunkt soll eine weitere Darstellung des Verstorbenen betrachtet werden, die nur in der 21. Dyn. belegt ist und gleichfalls ein charakteristisches Merkmal für diese Zeit bildet.
Es handelt sich um eine kleine Figur, die unter der Waage, gleichsam in der Luft schwebend, abgebildet ist ... Sie hat beide Beine wie ein Hockender angezogen, die Arme auf der Brust nebeneinander gelegt und ist in ein Gewand gehüllt, das den Körper vollständig bedeckt und ein glattgezogenes Oberteil wie häufig bei Osirismumien aufweist...
Daß es sich hier nicht um 'a figure of a squatting child' [Piankoff], sondern um die verkleinerte Figur des erwachsenen Toten in Mumiengestalt handelt, erweist die Beischrift 'Osiris' in einigen Fällen, z.T. auch gefolgt von Namen und Titeln des Verstorbenen...
Da sich gezeigt hat, daß die Mumiengestalt dem Verstorbenen nicht als eine wünschenswerte Seinsform im Jenseits erscheint und er sie mit dem Bestehen des Gerichts abzulegen trachtet, muß hier vermutet werden, daß dieser Gestalt noch eine andere Bedeutung innewohnt, als die bloße Mumienstarre während des Wiegevorgangs anzuzeigen.
...
Die Assoziation an das neugeborene Kind in seiner typischen Hockhaltung wird vermutlich auch den Figuren des Verstorbenen aus der 21. Dyn. zugrunde liegen, die jedoch noch in den Mumienumhüllungen stecken. Somit könnte man als Deutung dieser Figur annehmen, daß sie den Verstorbenen in einem Stadium zeigt, in dem er im Wiederbesitz seiner Beweglichkeit gerade im Begriff ist, sich aus seinen Mumienbinden zu lösen, um einer neuen Existenz entgegenzugehen..."

Viele Grüße,
Michael Tilgner

> Antwort auf Beitrag vom: 19.06.2004 um 21:13:36


17) Re: Frage zum Totenbuch
Irjnefer_d.J. am 23.06.2004 um 22:00:43

Hallo Michael,
bitte sieh' Dir Deinen Bapun-Sarg an, ich kann da keine Mumienhülle erkennen, paßt ja auch nicht zur Hockerstellung.

Das Warten des Verstorbenen auf seine Wiedergeburt genügt doch m.E. einwandfrei.

Viele Grüße
Irjnefer d.J.

> Antwort auf Beitrag vom: 23.06.2004 um 20:04:06


18) Re: Frage zum Totenbuch
 Michael Tilgner am 23.06.2004 um 23:03:55

Hallo, Irjnefer d.J.,

ich habe nicht alles zitiert. Bei Seeber heißt es hierzu:

Zitat:
"Auf die Mumienhaftigkeit deutet ferner, daß bei ... [diversen Papyri] ... die ganze Figur völlig schwarz ist ..."

mit einer Anmerkung, daß Schwarz die Farbe der Wiedergeburt sei (nach Desroches-Noblecourt, Tut-ench-Amun, Berlin, 1963).

Dazu läßt sich jetzt auch das Lexikon der Ägyptologie, Bd. II, Sp. 123 aus dem Stichwort "Farben" - Abschnitt Farbsymbolik - zitieren:

Zitat:
"Schwarz ist die Unterwelt, der Tote dort ..."

(Das ist allerdings nicht ganz dasselbe.)

Viele Grüße,
Michael Tilgner


> Antwort auf Beitrag vom: 23.06.2004 um 22:00:43


19) Re: Frage zum Totenbuch
Horusauge am 03.07.2006 um 14:10:39

Hallo ,
Ich  habe wieder mal eine Frage ,
Die Szenen des Wiegens des Herzens , sieht man ganz  oft .
Es ist bestimmt  jeden aufgefallen , dass die Waage immer aufrecht steht und der Verstorbene , so zusagen immer durchkommt. Er wird nie von dem Totenfresser aufgefressen. Meine Frage nun , gibt es auch  Szenen , wo der Verstorbene weniger Glück hatte und das Herz  verschlungen wurde? Warum  wurde es so dargestellt? Wieder mal , Perfektionismus der Ägypter  ?
Über eine Antwort würde ich mich sehr freuen
Gruß
Horusauge

> Antwort auf Beitrag vom: 23.06.2004 um 23:03:55


20) Re: Frage zum Totenbuch
 naunakhte am 03.07.2006 um 14:45:59

Lieber Horusauge,

ein Verstorbener, dessen Herz zu schwer war und der deswegen die Prüfung nicht bestand brauchte keine Jenseitsversorgung mehr.
Insofern wäre das gesamte Grab überflüssig. ok?  

Die Idealvorstellung sieht ein Bestehen der Prüfung vor. Dem Verstorbenen eine "Bedienungsanleitung für den Vernichtungsfall" mitzugeben liegt wohl ausserhalb ägyptischer Vorstellungen.

Gruß
nauna

> Antwort auf Beitrag vom: 03.07.2006 um 14:10:39