In der Grabkammer Pepis’ I. wurde von Petrie (in: PSBA 3, 1881, S, 114) offenbar während einer nicht autorisierten Expedition ins Innere der Pyramidenanlage eine mummifizierte Hand, sowie Textilien (?) gefunden. Die Hand ist seitdem verschollen (geistert als Phantombeleg aber gelegentlich durch die Literatur; vgl. etwa S. Ikram und A. Dodson, The Mummy in Ancient Egypt, London 1998, S. 82 und dem oben genannten Beitrag von Frau Germer). Über die angeblich gefundenen „Mumienbinden“ und die „Mumienfragmente“ äußert sich Petrie nur sehr oberflächlich: „In addition to the description already given, Brugsch Pasha states that the cover of the sarcophagus of Pepi had been pushed aside by a thief, and that part (sic!) of an alabaster object, probably portion of a canopus, was found in the stone chest. I would however mention that the alabaster vases of the elegant calathus of basket shape pf this material, which are in the different European Museums, one of which is figured by Prisse in his „Monuments Egyptiens,“ probably came from this pyramid, as also some wooden boxes and other objects. Remains of the bandages of brown and yellow colour of fine texture were found, but it is not said if they were of linen. A well embalmed hand (probably that of the king Pepi) was also found amidst the debris.“ Da Petrie in dem Beitrag nur Objekte und Fundsituationen der Grabkammer schildert, ist davon auszugehen, dass sich diese Beschreibung ebenfalls auf diesen Bereich bezieht. Allerdings geht aus seinen Aussagen nicht eindeutig hervor, ob er die besagten Fragmente alle selbst gefunden/gesehen hat oder ob er sich hier auf die Aussagen von Brugsch stützt. Die Autoren S. Ikram und A. Dodson geben (op.cit., S. 82) an, dass die von Petrie genannten Textilien Mumienbandagen gewesen seien und beschriftet waren. Da sie die Bandagen ausdrücklich Pepi I. zuordnen (ohne Angabe von Gründen) implizieren sie damit, dass die „Bandagen“ den Königsnamen trugen. Dies läßt sich nur als gewagte Spekulation betrachten, da sämtliche von Petrie gemachten Beobachtungen sich nicht mehr bestätigen lassen. Eine Abbildung und Fundbesprechung der Kanope(n) findet sich bei A. Labrousse, L'architecture des pyramides à textes. I - Saqqara Nord, Le Caire, IFAO, 1996, Taf. 15: hier wird auch geschildert, dass es sich nur um die gut erhaltene Füllung EINER Kanope handelt und dass ebenfalls Alabasterfragmente einer (?) Kanope gefunden wurden (Leclant selbst vermutet in Orientalia 41, 1972, S. 257, dass es sich um Alabasterfragmente derselben Kanope handelt, von der die „Innereien“ erhalten sind – dass also insgesamt nur ein einziges Exemplar erhalten ist). Die von Lauer und Stadelmann angegebenen 3 oder gar 4 Kanopen sind also definitiv falsch. Der Irrtum um die gefundene Anzahl der Kanopen basiert vielleicht auf der Angabe G. Masperos (RecTrav 5, 1884, S. 158f.), der angibt, „einen kleinen Kasten aus grauem Granit der die Alabastervasen und Kanopen enthielt...“ gefunden zu haben. Dass der Kasten nach Masperos Beschreibung nochmals geöffnet wurde ist unwahrscheinlich, da er selbst in der Publikation angibt, dass bereits nach kurzer Zeit die Kanopennische von Schutt und Sand der baufälligen Grabkammer bedeckt war. Petrie hatte schon 1881, also vor Maspero die Kanopenkiste gesehen und nennt als Inhalt nur den „part of an alabaster object“ (s.o.)! 14 Jahre später aber schreibt er, man habe in der Pyramide Pepis’ I. „Canopic Jars“ (PLURAL!) gefunden. (A History of Egypt I-2, London 1895, S. 89). Er interpretiert also vielleicht die 1884 gemachte Fundangabe Masperos falsch, der ja nur angibt, man habe den Kasten gefunden, der (einst) die KANOPENKRÜGE enthalten hat (Maspero sagt nicht, dass die Krüge tatsächlich darin lagen). 1899 verwirrt auch Reisner (in: ZÄS 37, 1899, S. 61) die Fachwelt weiter, indem er in einer Untersuchung „The Dated Canopic Jars of the Gizeh Museum“ angibt, dass „ „the earliest indication of the use of jars for preserving the entrails of the mummy, is the chest for canopic Jars found by Maspero in the pyramid. Parts of three alabaster vases (!!!) were also found, partly by Maspero in 1881 and partly by others this spring“. Reisner gibt als eines der besagten Kanopenfragmente die Inv. Nr. 5020 an. Dieses Stück sei innen ölig geschwärzt. Aussen sei ein Inschriftband angebracht, das die Kartusche Pepis’ I. aufweise (Hier irrt Reisner. Tatächlich ist die Kartusche Mr-n-Ra zu lesen, was aber auf den Nachfolger Pepis verweist. Von Reisner wurde hier fälschlich der angebliche Königsname Pepis’ I. „Mr-n-Ra-(Pepy)“ gelesen). Nun ist im Kanopen-Katalog des Kairener Museum (Reisner, CG, Canopics, Le Caire 1967, 399f.) bei den entsprechenden Fragmenten 5020-5022 aber die Herkunft mit „Pyramide of Pepi II“ angegeben. Auch ist in Anbetracht der Form der Stücke eine Identifizierung als Kanope fraglich (s. Abbildung im Anhang). Anhand der Grabungsberichte sowie identischer Alabaster-Funde, die G. Jéquier aus dem Pepi II.-Komplex geborgen hat, lässt sich definitiv zeigen, dass diese Fundangabe des Kairener Katalogs korrekt ist und die Fragmente zusammen mit dem dritten angeblichen Pepi-I.-Fragment tatsächlich aus dem Pyramidenkomplex Pepis’ II. stammen müssen (Opfergaben aus Stiftungen des/der Vorgänger? Oder einfach Mitgabe von Objekten aus dem kgl. Schatzhaus wie schon etwa bei Djoser). Sie sind dann vermutlich nicht als Kanopen, sondern als normale Öl- oder Salbgefäße zu identifizieren. A. Fakhry gibt in „The Pyramids“ (Chicago 1969, S. 192) an, dass man „3 Kanopen“ in der Pyramide Pepis I. gefunden habe. Und auch Browarski möchte (Canopic Jars: CAA Boston Facs.1, Mainz 1978, S. 83) in den Fragmenten Königskanopen Pepis’ I. sehen. Dies wurde dann mit der Zeit zum archäologischen Faktum und hat sich – wie oben bereits geschildert – in der neueren Literatur gehalten (siehe Stadelmann u.a.). Leclant (in: Orientalia 41, 1972, S. 257) gibt in seinem Grabungsbericht an, dass in der Grabkammer plissierte „Stofffetzen“ von ausserordentlicher Qualität gefunden wurden und Reste einer Sandalensohle aus Leder, auf der die Neun Bogen aufgemalt waren (ein typisches Motiv für Schuhwerk). Ähnliche (oder dieselben?) Stoffe werden ja schon von Petrie erwähnt (s.o.). Zur Datierung dieser Stücke ist nichts bekannt. Da es sich um einen relativ modernen und genauen Grabungsbericht handelt ist hier aber von der Richtigkeit der Beschreibung auszugehen. Da der Kanopenkasten von Pepi I. keine viergeteilte Innenstruktur aufweist ist nicht zwangläufig davon auszugehen, dass er 4 Kanopenkrüge besaß. Dies ist angesichts der Tradition natürlich naheliegend, grundsätzlich aus dem archäologischen Befund aber nicht ableitbar. Eine naturwissenschaftliche Untersuchung der Kanopen-Innereien Pepis’ I. liegt bislang nicht vor. Daher ist nicht sicher welche Inhaltsstoffe die Harze und Öle hatten und welche Organe in dem Behälter deponiert waren. Ob die Hand tatsächlich Pepi I. gehörte ist völlig unklar. Das Petrie ausdrücklich die gute Qualität der Bandagierung/Mummifizierung erwähnt (s.o.) ist eine solche Datierung aber eher unwahrscheinlich (wie bei den meisten „königlichen Mumien des Alten Reiches“). Gruß A.
> Antwort auf Beitrag vom: 12.03.2005 um 17:18:08
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