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   Architektur & Kunst (513)
   Sonnenuhr ? (4)
  Autor/in  Thema: Sonnenuhr ?
Geistsucher  maennlich
Member



Sonnenuhr ? 
« Datum: 07.11.2006 um 19:33:54 »   

Hatte bzw. wann hatte im Alten Ägypten ein Obelisk (- man denke z.B. auch an die Sonnenheiligtümer oder die Erdvermessung des Eratosthenes -) die Funktion als Gnomon einer Sonnenuhr ?

Es scheint ja sogar Hinweise dafür zu geben (siehe Member Rolf [Zitat K. Baumgartl 1995]), daß der Pyramidenschatten zur Messung der Tagesstunden gedient haben könnte...

Geistsucher
« Letzte Änderung: 07.11.2006 um 19:55:31 von Geistsucher »
Michael Tilgner  maennlich
Member



Re: Sonnenuhr ? 
« Antwort #1, Datum: 07.11.2006 um 21:34:47 »   

Lieber Geistsucher,

zur Messung der Tagesstunden im allgemeinen und zu den Sonnenuhren im besonderen sei auf das folgende Buch verwiesen, das auch online einsehbar ist:
Ludwi
g Borchardt, Altägyptische Zeitmessung, Berlin 1920


Es ist fraglich, ob Obelisken in Ägypten zur Zeitmessung dienen können:

Zitat:
Uberhaupt: wenn wir uns die Bauform eines üblichen Obelisken anschauen, stellen wir fest, dass es schwierig bis unmöglich ist, bei > 85 Grad Sonnenhöhe überhaupt einen Schattenwurf der Spitze auszumachen. Meines Wissens haben typische ägyptische Obelisken die Form eines – allerdings sehr steilen – Pyramidenstumpfs mit aufgesetzter flacher Pyramidenspitze. Er wirft also nur dann einen Schatten, wenn die Sonnenhöhe deutlich kleiner ist als 90 Grad und die Spitze wird erst ab einer Sonnenhöhe von weniger als 60 Grad einen Schatten werfen. Schließlich – und das ist entscheidend – muss man zur Auswertung der Schattenlänge dazu noch die genaue Höhe der Obeliskenspitze kennen. Also ist ein Obeliskenschatten für die Messung des Eratosthenes völlig unbrauchbar ...

Weiteres in: Klaus Kohl, Die Erdmessung des Eratosthenes

Viele Grüße,
Michael Tilgner
« Letzte Änderung: 07.11.2006 um 21:35:00 von Michael Tilgner »
> Antwort auf Beitrag vom: 07.11.2006 um 19:33:54  Gehe zu Beitrag
Rolf  
Gast

  
Re: Sonnenuhr ? 
« Antwort #2, Datum: 13.11.2006 um 03:59:44 »     

Fraglich, lieber Michael? Historische Fakten sprechen eine deutlich andere Sprache. So zum Beispiel das "Solarium Augusti", welches nichts anderes als eine riesige Sonnenuhr war. Das Instrument ließ  Kaiser Augustus erbauen und im Jahr 10 v. Chr. einweihen.

Das Solarium Augusti befand sich nördlich der Bauten des Agrippa auf dem Campus Martius in Rom. Es bildete mit dem Augustusmausoleum, den dazugehörigen Parkanlagen und der Ara Pacis eine bauliche Einheit und war eines der wichtigsten politischen Zeichen der Macht des Augustus.

Als Gnomon (Zeiger) der Sonnenuhr, die mit der dort am Boden angebrachten Skala auch ein Kalender war, fungierte ein über 20 m hoher ägyptischer Obelisk aus Heliopolis (heute zu finden auf der Piazza Montecitorio). Der aus Rosengranit dauerhaft gefertigte Obelisk stand noch im 8. Jhdt an Ort und Stelle aufrecht, vermutlich wurde er aber dann bei der Eroberung und Plünderung Roms durch die Normannen im Jahre 1084 aus seiner streng orthogonalen Position gestürzt.

Sein Schatten wurde auf ein weitläufiges System von Bronzelinien und Bronzebuchstaben in Latein und Griechisch geworfen. Im Endpunkt bildete dieser Schattenwurf das lebendige Beispiel der, freilich idealisiert, nach einer mathematischen Formel gekrümmten Kurve. Dieses Liniensystem war begehbar und vermittelte so für alle, die es sehen wollten und dafür Interesse zeigten, den lebendigen Eindruck einer Sonnenuhr, also ein anschauliches Mass für die wahre Sonnen- und Ortszeit sowie der Bestimmung der - von den saisonal unterschiedlichen Sonnenhöchstständen relativ leicht abgeleiteten - Anfänge der hier vier Jahreszeiten.

Warum sollten die Alten in Ägypten, die sich eigens die Mühe gemacht hatten und den Aufwand nicht scheuten, ein solch schweres Gerät aus dem harten Stein zu schlagen und (spätestens ab der 5. Dynastie) im Sonnenheiligtum zentral zu errichten, nicht auch ähnliche oder zumindest analoge Beobachtungen über die sich periodisch wiederholenden Bewegungen ihres Sonnengotts am Himmel gemacht haben?

LG Rolf
« Letzte Änderung: 13.11.2006 um 04:11:21 von Rolf »
> Antwort auf Beitrag vom: 07.11.2006 um 21:34:47  Gehe zu Beitrag
Michael Tilgner  maennlich
Member



Re: Sonnenuhr ? 
« Antwort #3, Datum: 13.11.2006 um 12:56:28 »   

Lieber Rolf,

Dein Hinweis auf den in Rom aufgestellten Obelisken des Kaisers Augustus zeigt, daß ein Obelisk durchaus als Sonnenuhr verwendet werden kann und auch verwendet wurde. Dazu gehört neben einem Schattenwerfer auch ein Zifferblatt. Das war - wie Du beschrieben hast - auch hier der Fall. Ich füge die Rekonstruktion aus Erik Iversen, Obelisks in Exile, Vol. I: The Obelisks of Rome, Copenhagen, 1968 bei.

Insofern ist die Fragestellung, ob Obelisken nicht auch im Alten Ägypten als Sonnenuhren verwendet wurden, durchaus berechtigt. Wir kennen aber keine archäologischen oder textlichen Belege, die eine solche Vermutung belegen könnten. Daß sich ein Alter Ägypter gedacht haben mag: "Der Schatten fällt auf die und die Tempelwand; es wird also wohl spät am Nachmittag sein", entzieht sich leider unserer Kenntnis.

Andererseits sind die Obelisken zumeist mit Inschriften versehen, aus denen sich ihre Zweckbestimmung ableiten läßt. Ich zitiere den entsprechenden Teil aus der Basis des Hatschepsut-Obelisken in Karnak:

Zitat:
Sie machte als ihr Denkmal für ihren Vater Amun, den Herrn der Throne der beiden Länder und Ersten von Karnak (Ip.t-sw.t), daß für ihn die beiden großen Obelisken aus hartem Granit des Südbezirkes (aus Assuan) hergestellt werden. Ihre Oberteile sind aus Elektron vom Besten aller Fremdländer, so daß man sie auf beiden Flußufern sehen kann. Ihre Strahlen übergießen die beiden Länder, wenn die Sonne zwischen ihnen aufgeht, (ist es) als ob sie am Horizont des Himmels erscheint ...
Was also die beiden großen Obelisken betrifft, so hat Meine Majestät sie für meinen Vater Amun mit Elektron beschlagen, damit mein Name in diesem Tempel bis zur Ewigkeit und immer dauern und bleiben wird. (Elke Blumenthal, Ingeborg Müller, Walter F. Reineke, Adelheid Burkhardt (Hrsg.), Urkunden der 18. Dynastie. Übersetzung zu den Heften 5-16, Berlin, 1984, S. 32-33)

Was wir über altägyptische Schatten- und Sonnenuhren wissen, hat Borchardt in dem von mir erwähnten Werk zusammengetragen. Seitdem hat sich das eine oder andere Neue ergeben; siehe den Eintrag im Lexikon der Ägyptologie, Bd. V, Sp. 1105-1106. Ein Nachweis über einen Obelisken als Sonnenuhr gehört aber nicht dazu.

Viele Grüße,
Michael Tilgner



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> Antwort auf Beitrag vom: 13.11.2006 um 03:59:44  Gehe zu Beitrag
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