Hallo Naunakhte! Das Grab des Harsiese liegt ausserhalb der hier interessierenden Zone (vgl. Hölscher MH Bd. II, S. 53 Abb. 46) und ist im Vorhofbereich des Großen Tempels angelegt - also auf diesen bzw. dessen Prozessionsweg bezogen. Auch ist die Architektur völlig anders als bei den hier zur Diskussion stehenden Gräbern (es hat eine lange getreppte Rampe sowie eine aufwendig gemauerte Verkleidung). Es kann daher meiner Meinung nach nicht zur Erklärung der Gräber im Kleinen Tempel herangezogen werden! Hölscher (Medinet Habu Bd. V, S. 17) beschreibt die kleinen Gräber im Kleinen Tempel als: „...less elegant tombs. These were located partly near the enclosure wall of the Small Temple (Nos. 3-6 and 9-12...) and partly on the other side of the highway (Nos. 13-15 and 18-20...). Some of them were cut into the brick foundations of the Eastern Fortified Gate, which had already been destroyed. The superstructure of these tombs had disappeared, leaving only the burial chambers, which were in some cases lined with stone. All the burials had been plundered, so that we recovered very few remains.” Hölscher gibt weiter an: „All the tombs of these three groups (1. die Gräber im Vorhof des Großen Tempels, 2. im Umfeld des Kleinen Tempels und 3. diejenigen im hinteren Teil des Großen Tempels) in which names or titles of the deceased were discovered belonged to women.“ Hölscher gibt einige Titel an: „Sängerinnen des Amun“, „Herrin des Haushaltes des Amun“ usw. (das kann ich mir leider nicht erklären, wie ein solcher Titel bei einer Untergebenen der Gottesgemahlin zu finden ist). Grab 21 (gehört wohl zur Gruppe 3) war die Bestattung der „Tochter des Königs Rudjamun“. Wenn man die Grabbauten der 3. Zwischenzeit, die hinter dem Großen Tempel liegen (Hölschers Gruppe 3) betrachtet, fallen jedoch ganz klare Unterschiede zu den Gräbern im Bereich des Kleinen Tempels auf. Der Grabschacht ist hier sehr ausgeprägt und knickt am Ende oder in seiner Mittelhöhe in eine oder mehrere Grabkammer(n) ab. Davon ist bei den Vorhof-Gräbern im Kleinen Tempel nichts zu bemerken. Hier handelt es sich immer nur um einfache Gruben. Insofern liegt Hölscher wohl nicht so verkehrt, wenn er eher in die Richtung tendiert, die Gruppen zeitlich zu trennen. So möchte er (Bd. II, S. 54) die Gruppe im direkten Umfeld des Kleinen Tempels in die 26. Dynastie datieren („other tombs, presumably of the Twenty-sixth Dynasty, now unfortunately destroyed, lay close beside the Ethiopian pylon and the gallery (des Kleinen Tempels).” Die Gräber 3a-d datieren nach Hölscher sicher in die 26. Dynastie (Bd. V, S. 30; konkreter Bd. II, S. 40). Ebenfalls sicher ist Grab 4 in diese Phase zu datieren (ibid.). Grab Nr. 7 ist nach Hölscher definitiv ptolemäisch (vgl. Bd. V, S. 16 Anm. 57). Auch Grab 8 legt er in diese Epoche. Es handelt sich vielleicht auch bei den Gräbern beim Kleinen Tempel von MH um die Priesterinnen aus dem direkten Umfeld der Gottesgemahlinnen, die ja in direkter Nachbarschaft bestattet wurden. Allerdings fehlt dazu offenbar noch der sichere Beweis aus den Gräbern selbst (keine Grabbeigaben!). Wenn man die Verteilung der Gräber betrachtet, liegt es wohl nahe sie entlang einer gepflasterten Prozessionsroute zu rekonstruieren (sie liegen ja in der Flucht des äthiop. Pylons). Ich wäre aber vorsichtig diese Anlagen der 26. Dynastie als typische „Gräber im Tempelvorhof“ zu klassifizieren (hierzu R. Stadelmann, Das Grab im Tempelhof, in: MDAIK 27,1, 1971, S. 111-23). Das von Udimu genannte memphitische Grab des Kronprinzen und Hohepriesters Schoschenk (vgl. Badawy, ASAE 54, 1957, S. 153ff.) ist in seiner Lage zum Tempelareal bislang nicht klar (vgl. Badawy, op.cit., S. 157). Es handelt sich hierbei auch nicht um Gräber der wirklich obersten Schicht der 26. Dynastie sondern um einen sehr engen - ausschließlich weiblichen - Personenkreis (Sängerinnen und Priesterinnen) , der vielleicht rund um die Gottesgemahlinnen anzusiedeln ist. Die männlichen Beamten der höchsten thebanischen Elite hatten ihre Gräber ja bekanntlich ausserhalb von Medinet Habu. Eine Erklärung, die mir so eingefallen ist, wäre das plötzliche Auftreten dieser Gräber mit dem ebenso plötzlichen Auftreten des diverser neuer Titels (zB. Smswt „Gefolgsfrau“) in der Hierarchie der Gottesgemahlinnen-Institution der 26. Dynastie (ab Nitokris) zu verbinden. Vielleicht handelt es sich bei den bestatteten Frauen um Personen aus dem Kreis der „Sängerinnen“, die ja unverheiratet waren, was wiederum das auffallende Fehlen männlicher Bestatteter erklären würde (vgl. E. Graefe, Untersuchungen zur Verwaltung und Geschichte der Institution der Gottesgemahlin des Amun, Wiesbaden 1981, S. 47, 95ff.). Problematisch ist dann aber dass der Titel „Sängerin des Amun“, den Hölscher ja bei einigen Gräbern gelesen haben will nach Graefe (op.cit, S. 48) von den „Sängerinnen der Gottesverehrerin“ zu trennen ist und die „Sängerinnen des Amun“ verheiratet waren (so auch S.L. Onstine, The Role of the Chantress (Smayt) in Ancient Egypt, Toronto 2001, S. 54, die nichts sinnvolles hinzufügen kann und die MH-Belege übersieht). Handelt es sich demnach vielleicht eher um Personen aus dem Kreis des königlichen Harims im Per des Amun oder um andere Priesterinnen des Kleinen Tempels von MH ohne jeglichen Bezug zur Gottesgemahlin?? Gruß A.
> Antwort auf Beitrag vom: 05.01.2005 um 11:07:25
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