Der Sonnentempel des Königs Neuserre und die Jahreszeitenkammer König Neuserre war der 6. König der 5. Dynastie (2390 v.Chr.). Er hat in ca. 500 m Entfernung im Norden seines Totentempels das Sonnenheiligtum "Lustort des Re" erbaut. Als Ziegelbau angelegt, wurde er umgewandelt in einen Steinbau mit Taltempel, Aufweg und einem nach Norden ausgerichteten oberen Tempel mit weitem offenen Hof. Dort erhob sich auf einem 20 m hohen Sockel ein 36 m hoher gemauerter Obelisk. Zu dem eindrucksvollen Architekturensemble gehörte auch ein 30 m langes "Boot des Re", aus Ziegelsteinen nachgebaut, versehen mit Holzplanken und Deckaufbau. Vor dem Obeliskenpodium stand ein Altar aus Alabaster, an welchem dem Gott Re von allen 4 Seiten (Himmelsrichtungen) geopfert wurde. Dazu gehörten zwei Schlachtopferhöfe mit großen Kalksteinbecken. Ein gedeckter Gang führte die Südseite entlang, dekoriert mit den prachtvollen Reliefs der "großen Festdarstellung". Eine kleine Kapelle stand vor dem Eingang zum Sockel, mit Reliefs der Tempelgründung und des königlichen Jubiläumsfestes geschmückt. Den Eingang zum Sockel bildete ein kapellenartiger Gang in bemaltem Relief mit Darstellungen von zwei Jahreszeiten, Schemu (Erntezeit, Frühjahr, Sommer) und Achet (Überschwemmung, Herbst, Winter). Peret, die dritte ägyptische Jahreszeit, fehlt. Gegenübergestellt werden auf einer je 14,15 m langen Wand (Ostwand - Westwand) und einem ca. 150 m hohen schwarzen Sockel der Sommer und der Winter, das Leben in der Natur mit verschiedenen Tätigkeiten in der Landwirtschaft. Schwer lesbare hieroglyphische Beischriften bringen eine Erklärung der Bilder in Kurzform. Jeweils eine Gottheit führt die Jahreszeit an. Andere Götter symbolisieren Fruchtbarkeit. In der Achet-Jahreszeit werden Tiere bei der Paarung dargestellt. Unter den Vögeln finden sich ornithologisch genau wiedergegebene Arten, die nur zu bestimmten Jahreszeiten als Zugvögel in Ägypten zu beobachten sind. Auch die Gewinnung von Honig ist eine an diese Jahreszeit gebundene Tätigkeit. In der Schemu-Jahreszeit werfen die Wüstentiere ihre Jungen. Die Darstellungen sind von eindrucksvoller Beobachtungsgabe. Unter den Fischen im Wasserstreifen, der den Nil darstellt, finden sich auch noch heute gebräuchliche Fischarten, die nur einmal im Jahr zum Laichen in den Nil kommen. Diese Reliefs sind wie ein zum Bilde gewordener Hymnus an den Sonnengott, ein Mittel, die Präsenz des Sonnengottes Re auf Erden zu dokumentieren. Der Gott manifestiert sich im Leben der Natur, der Tiere, Pflanzen und Menschen. Ein Jahrtausend später wurde im berühmten Sonnengesang des Echnaton dieses Bild in Worte umgesetzt: "Deine Strahlen erreichen das Innere des Meeres. Du hast die Erde geschaffen nach deinem Wunsch, mit Menschen, Vieh und allem Getier...". Die Szenen in dem nahezu unbeleuchteten Gang waren kein Gegenstand frommer Betrachtung und nur wenigen zugänglich als magischer Ort, der die waltenden Kräfte des Sonnengottes im Bilde festhielt. |