Liebe Leute, wie immer lohnt sich bei solchen Themen bzw. zur Begriffsklärung ein Blick in das "Lexikon der Ägyptologie" [LÄ]! Dort wird im Bd. V, Sp. 367-369 unter dem Stichwort Salbung vermerkt: Zitat:
"Ihre große Bedeutung wird durch die speziellen Salbenkammern der Tempel und die späteren sog. Laboratorien deutlich. Wiedergegeben wird häufig nur das Überreichen der Salbgefäße ... an die Gottheit, das in der Regel den Gebrauch zur S. impliziert. Es kann aber auch der Duft der Salben im Vordergrund stehen ... Andererseits wird aber auch die eigentliche S. mit dem zum Auftragen der Salbe vorgestreckten kleinen Finger dargestellt." |
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Zum Thema Gesten bzw. zu ihrer Abgrenzung von anderen Bewegungen heißt im LÄ, Bd. II, Sp. 573-585 Zitat:
"G. sind kurze Ausdrucksbewegungen einzelner Körperteile, vor allem der Hand, und der Gesichtsteile (bei Primitiven), selten des ganzen Körpers. Sie begleiten, ergänzen oder ersetzen die Sprache und stellen sich in den einfachsten und naturgegebenen Formen von Gefühlsreaktionen dar. G. unterscheiden sich von den 'technischen' Bewegungen, einmal dadurch, daß sie einen bestimmten, in Worte übertragbaren, einen 'sprechenden', Ausdruck liefern, zum anderen durch ihre formale Ausführung, die sie dem Tanz zuordnet... Nicht als G. im Sinne einer stummen Sprachgebärde, vielmehr als Verhalten/Gewohnheit zu werten ist der 'Finger am Mund' des Kindes bzw. des Kindergottes ... Weiter bleiben unberücksichtigt Handlungen (mit oder ohne Gegenstand), die infolge der Traditionsgebundenheit äg. Kunstformen und der Verpflichtung gegenüber der Maat bei der (inhaltlich) richtigen Durchführung einer Handlung zwar gestenhaft festgelegte Handlungen zeugen (wie Handwaschungen), aber keine Sprachgebärden darstellen. Das gleiche gilt auch für rituelle Handlungen ... u.a. Opferhandlungen ..." |
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Folgt man diesen Ausführungen, so wird man den ausgestreckten kleinen Finger bei der Übergabe der Salbe an den Gott nicht als Gestus einordnen können, da er nur die "übliche" Form des Salbenauftragens, aber keine "Ausdrucksbewegung" darstellt. Sie wird auch nicht in Brigitte Dominicus, Gesten und Gebärden in Darstellungen des Alten und Mittleren Reiches, Heidelberg, 1994 behandelt. Zum täglichen Tempelritual gehört die Salbung dazu, wie man in Bd. III, Sp. 839-848 unter dem Stichwort "Kult" nachlesen kann: Zitat:
"Salben und Schminken ... Das Kultbild wird mit 10 verschiedenen Ölen gesalbt und mit den beiden Augenschminken geschminkt. Abschließend wird ihm ein großes Zeremonialgewand umgelegt." (Sp. 843) |
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Auf Sp. 841 werden die ausführlichen Belege für das Tempelritual aufgeführt. Weiter heißt es: "Neben diesen ausführlichen Niederschriften begegnen in den Kultbildkammern der Tempel, z.B. des NR, auch einzelne Szenen als Ersatz für das Gesamtritual." Dies scheint mir in den angegeben Abbildungen der Fall zu sein. Wer sich näher mit dem täglichen Ritual im Tempel befassen will, sei auf Günther Roeder, Die ägyptische Religion in Texten und Bildern, Bd. III: Kulte, Orakel und Naturverehrung im alten Ägypten, Zürich, 1960 (es gab kürzlich - gibt noch? - einen Nachdruck) hingewiesen. Dort wird eine vollständige Übersetzung (in Teilen nicht mehr ganz "taufrisch") angegeben (S. 72-141); die Salbung auf S. 127-131. Viele Grüße, Michael Tilgner
> Antwort auf Beitrag vom: 28.05.2005 um 20:32:22
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