Zwei altägyptische Adaptionen aus dem Kulturkreis der Hyksos, Teil 1 : Das Gazellen-Diadem Entsprechend den von Christine Lilyquist (2003 u. 1993) präsentierten Ergebnissen wird hier der folgende Standpunkt vertreten : Nach der Zweiten Zwischenzeit der Hyksos Könige (ca. 1650 - 1522) übernahmen die weiblichen Prätendenten des Neuen Reiches (ca. 1550 - 1091) deren Gazellen-Diadem als Krone in die Insignien ihrer Macht und Würde. (1) Die Auffassung, wonach das Gazellen-Diadem als ein Ornament der Würde und Macht während der Hyksos Periode in Ägypten eingeführt wurde, ist auch andernorts bereits vertreten worden. (2) Die für die Annahme einer ägyptischen Adaption herangezogenen Fundstücke gehen auf eine archäologische Fundlage zurück, welche überwiegend bereits im frühen 20. Jahrhundert in Theben-West erzielt wurde. (3) Diese sei hier zunächst wie folgt geschildert : Im August 1916 hielt sich der Archäologe Howard Carter in Luxor auf und erwarb dort zu seiner Überraschung in Antiquitätenläden drei kostbare Artefakte aus der Zeit des Neuen Reiches, welche er in die Sammlung Highclere Castle überführen ließ. (4) Als er sich bezüglich dieser Erwerbungen bei der örtlichen Behörde über die Herkunft dieser Fundstücke erkundigte, berichtete ihm deren Vertreter, dass es westlich des Tals der Königinnen vor kurzem auf der Nordseite des Wadi el-Gharbi zu der Entdeckung eines bedeutenden Grabes gekommen sei, worüber die dort ansässigen Clans in Streit geraten seien. Der Leiter dieser Behörde bat Howard Carter deshalb darum, die Fundstelle zu besuchen und den Streit zu schlichten. Daraufhin begab sich Howard Carter zur genannten Fundstelle und verbrachte 10 Tage im dortigen Wadi Gibanet el-Qurud und kartierte sowohl diesen, als auch den angrenzenden Wadi Sikked Taqet Zaid. (5) In diesem Zusammenhang notierte Carter unter anderem, dass er dort eine Kartusche entdeckt habe, welche den Namen der Prinzessin Neferura trug. (6) Dies war der Name der Tochter der Königin Hatschepsut und man nimmt an, dass sich diese Kartusche mit der Inschrift des Namens der Prinzessin Neferura heute im Ägyptischen Museum zu Kairo befindet und mit dem Inventar Kairo JE 45930 zu identifizieren ist. (7) Die von Howard Carter dazu gefertigte Karte (8) wurde inzwischen mehrfach überprüft und bearbeitet. (9) Eine gute Kopie dieser überarbeiteten Karte bietet Bernard Adams (10) Im Oktober des Jahres 1916 begann Howard Carter dann auf der Nordseite des Wadi el-Gharbi eine Umfangreiche Grabungskampagne, wobei sich das von ihm geleitete Grabungsteam vom Südosten her kommend entlang der Klippen und Abhänge bis zu den im Nordwesten im Wadi Qurud festgestellten Gräbern vorarbeitete. (10) Nach übereinstimmender Meinung entdeckte Howard Carter auf der Nordseite des Wadi el-Gharbi unter anderem drei sehr bedeutende Gräber, namentlich im Wadi A (Wadi Zaid) Tomb 22, welches als ein Grab der Königin Hatschepsut identifiziert wurde. Sowie im Wadi C (Wadi Gabbanat) Tomb 21, welches ihrer Tochter, der Prinzessin Neferura zugeordnet wird, und schließlich im Wadi D (Wadi Qurud) Tomb 70, welches drei ausländischen Königinnen zugeordnet wird, welche anhand der reichen Beigaben als Manuwai, Manhata und Maruta identifiziert werden konnten. (12) Diese drei Gräber wurden später wie folgt geführt : HC 21 (Prinzessin Neferura, Tochter der Hatschepsut, Fundort Wadi Gabbanat) HC 22 (Königin Hatschepsut, Fundort Wadi Zaid) HC 70 (Manuwai, Manhata u. Maruta, drei königliche Gemahlinnen des Pharao Thutmosis III, Fundort Wadi Qurud) Die Verzeichnung dieser Gräber der 18. Dynastie nach Howard Carter als HC 21 (Neferura), HC 22 (Hatschepsut) und HC 70 (Manuwai, Manhata, Maruta) wurde nach ihrer Einführung durch Elizabeth Thomas (1966) im allgemeinen anerkannt. (13) Howard Carter wird entsprechend der von ihm gefertigten Karte (14) mit seinem Grabungsteam über Medinet Habu kommend zunächst das Tal der Königinnen durchquert haben und wandte sich nach Erreichen des Wadi el-Gharbi gleich am Deir el-Mohareb nördlich und betrat dort den Wadi Zaid. An dessen Kopfende stieß er auf ein Grab, welches dort für die Königin Hatschepsut (HC 22) angelegt worden ist. (15) Dieses im Wadi Zaid gelegene Grab (HC 22) der Königin Hatschepsut war bereits in alter Zeit, durch eine Sturzflut verursacht, völlig mit Schutt und Gestein gefüllt worden, weshalb die Freilegung seiner Räume etwa 20 Tage in Anspruch nahm. (16) Schließlich wurde im Grab HC 22 ein Sarkophag aus kristallinem gelben Sandstein gefunden, welcher die Inschrift der Königin Hatschepsut trug, (17) Carter beschreibt diesen : "The tomb 22, ... its magnificent sarcophagus of yellow chrystallin sandstone" trägt eine fein gesetzte Inschrift der Königin Hatschepsut. (18) Doch ansonsten erwies sich das Grab HC 22, bis auf zwei Krüge, welche ebenfalls den Namen der Königin Hatschepsut trugen, als leer. Carter verließ daher den Wadi Zaid und erreichte mit seinem Team schließlich den Wadi Qurud, wo er anhand ihrer Kartusche das Grab der Prinzessin Neferure (HC 21) entdeckt hatte. Doch dieses Grab erwies sich als ausgeraubt. (19) Erst dann erreichte Carter schließlich das im westlichen Arm des Wadi Qurud gelegene Grab HC 70, welches bereits durch Grabräuber geöffnet worden war. Hier stieß Howard Carter auf eine große Fülle von Artefakten, darunter ein Gazellen Diadem, welches einer der drei in diesem Grab beigesetzten königlichen Gemahlinnen des Pharao Thutmosis III zugeordnet wurde, namentlich den Prinzessinnen Manuwai, Manhata und Maruta. (20) Dieses Gazellen Diadem wurde erstmals durch Winlock untersucht und spezifiziert. (21) Dann erneut durch Scott. (22) Aufgrund der im Jahre 1968 durch Wallace erfolgten Stiftung eines weiteren Gazellen Diadems, welches am Fundort Tell el-Dab'a (Auaris) entdeckt worden war, kamen Fischer (23) und Wilkinson (24) zu dem Schluss, dass dieses in Auaris (Tell el-Dab) gefundene zweite Gazellen Diadem dem Kulturkreis der Hyksos zuzuordnen ist. Diese Auffassung wurde durch Manfred Bietak bestätigt. (25) Darüber gelang Lilyquist der Nachweis, dass auch das in Theben-West im Grab HC 70 gefundene Gazellen Diadem dem Kulturkreis der Hyksos zuzuordnen ist. (26) Diesbezüglich kann nicht ausgeschlossen werden, dass es sich bei dem im Grab HC 70 gefundenen Gazellen Diadem um die Krone der Königin Hatschepsut handelt, (27) weil im Grab HC 70 auch Artefakte gefunden wurden, welche ganz eindeutig der Königin Hatschepsut zugeordnet werden konnten. (28) Die mehrfach festgestellte kulturelle Verbindung zwischen dem in Theben-West im Wadi Qurud in Grab HC 70 gefundenen Gazellen Diadem (MMA 26.8.99) und jenem in Auaris (Tell el-Dab'a) zutage getretenen Gazellen Diadem (MMA 68.136.1) sei hier im weiteren näher dargestellt. Literatur- und Quellenangaben (1) Lilyquist, Christine : The tomb of three foreign wives of Thutmosis III, New York 2003, S. 154 - 162. Siehe dazu : Lilyquist, Christine : Granulation and Glass, Chronological and Stylistic Investigations at Selected Sides, ca. 2500 - 1400 B.C.E. In : Bulletin of the American Schools of Oriental Research, No. 290 / 291, Chicago 1993, S. 90, Fig. 24 b. Sowie : Lilyquist, Christine : Studies in early Egyptian glass, New York 1993, S. 51, Fig. 40 u. S. 66, Tafel 2. (2) Fischer, Henry : Egyptian Art. In : Bulletin of the Metropolitan Museum of Art, new series, Vol. 28, No. 2, New York 1969, S. 69 - 72. Sowie : Wilkinson, Alix : Ancient Egyptian Jewellery, London 1971, S. 115 - 116 u. Platte 4 u. 41. Siehe dazu : Aldred, Cyril : Jewels of the Pharaohs : Egyptian Jewellery of the Dynastic Period, London 1971, S. 204 - 206 u. Platte 59 - 61. Zudem : Müller, Hans ; Thiem, Eberhard : Die Schätze der Pharaonen, Augsburg 1998, S. 128 u. Fig. 244 - 246 u. Fig. 343. Sowie : Quaegebeur, Jan : La naine et le bouquetin, ou l'enigme de la barque en al bâtre de Toutankhamon, Leuven 1999, S. 124, Fig. 37 - 38. Zudem : Habachi, Labib : Tell el-Dab'a, Bd. 1 : Tell el-Dab'a and Qantir, the sites and its connection with Avaris and Piramesse, Wien 2001. Siehe dazu : Bietak, Manfred : Artikel "Hyksos" in : Redford, Donald : The Oxford Encyclopedia of Ancient Egypt, Vol. 2, Oxford 2001, S. 139. (3) Lilyquist, Christine : The tomb of three foreign wives of Thutmosis III, New York 2003, S. 3 - 23. Sowie : Thomas, Elizabeth : The Royal Necropolis of Thebes, Princeton 1966, S. 196 - 197. (4) Carter, Howard : A tomb prepared for Queen Hatshepsuit and other recent discoveries at Thebes. In : The Journal of Egyptian Archaeology, Vol. 4, No. 2 / 3, London u. Kairo 1917, S. 110. (5) Carter, Howard : Ebenda, London u. Kairo 1917, S. 107. Sowie : Lilyquist, Christine : Ebenda, New York 2003, S. 2 - 3. (6) Carter, Howard : Ebenda, London u. Kairo 1917, S. 109. (mit Abb. der Kartusche) (7) Thomas, Elizabeth : The Royal Necropolis of Thebes, S. 196 - 197. Sowie : Lilyquist, Christine : Ebenda, S. 3 - 4 u. S. 8 - 9 u. S. 23, Fig. 9c (Kartusche Nefer[rure]). Siehe : Porter & Moss, 1964, S. 592. (8) Carter, Howard : Ebenda, London u. Kairo 1917, Plate XIX. (9) Thomas, Elizabeth : The Royal Necropolis of Thebes, Princeton 1966. Sowie : Kurz, Marcel : Plans de position du Graffiti de la Montagne thébaine, Vol. 2, part 6, Kairo 1977, No. 198 - 215. Siehe dazu auch : Cerny, Jaroslav ; Coque, Roger ; Kurz, Marcel : Vallée de l'Ouest : Cartographie, topographie, geomorphologie et préhistoire. In : Graffiti de la Montagne thébaine, Vol. 1, part 2, Kairo 1971, Pl. 35. Sowie : Coque, Roger ; Kurz, Marcel : Compléments aux secteurs A et C : Frange du Sahara thébain. In : Graffiti de la Montagne thébaine, Vol. 1, part 3, Kairo 1972, Pl. 216. So auch : Lilyquist, Christine : Ebenda, New York 2003, S. 17 u. Fig. 3, sowie Fig. 13 u. 14. (10) Adams, Bernard : https://egyptmyluxor.weebly.com/three-princesses-neferura-cliff-tombs.html nötigenfalls über die Startseite https://egyptmyluxor.weebly.com gehen und dort dann "More" anklicken. Danach den Report "Three Princesses & Neferura Cliff Tombs" anwählen. Gezeigt wird die Karte von Jaroslav Cerny 1971, Pl. 35. Die zweite im Anhang befindliche Karte wurde 1909 von Georg Schweinfurth unter dem Titel "Karte der westlichen Umgebung von Luksor und Karnak [Theben]" in Berlin veröffentlicht. Sie zeigt offenbar bereits die Position der im Wadi Gabbanat nachgewiesenen Gräber des Herihor, sowie HC 21, HC 22 und HC 70. Siehe dazu : Thomas, Elizabeth : Princeton 1966, Fig. 1 : Schweinfurth's Map of the Theban Necropolis. Das hier verwendete Exemplar stammt aus dem Katalog der Karls Universität Prag : https://www.oldmapsonline.org/map/cuni/1173184 und befindet sich in public domain. (11) Carter, Howard : Ebenda, London u. Kairo 1917, S. 108. (12) Lilyquist, Christine : Ebenda, New York 2003, S. 195, Fig. 99 - 102 (Cat. 13 - 15) u. S. 222, Fig. 149 - 151 (Cat. 106 - 107) (13) Thomas, Elizabeth : Ebenda, Princeton 1966, S. 170 - 208. So auch : Lilyquist, Christine : Ebenda, New York 2003, S. 3 u. S. 7 - 8 u. S. 16 - 17, Fig. 2 - 3 (Karten). (14) Carter, Howard : Ebenda, London u. Kairo 1917, Plate XIX. Seine Ebenda auf S. 108 gegebene Beschreibung des Zugangs erscheint vor dem Hintergrund seiner Karte nicht plausibel. (15) Thomas, Elizabeth : Ebenda, Princeton 1966, S. 194 - 196. Sowie : Lilyquist, Christine : Ebenda, New York 2003, S. 3 u. S. 7 - 8, sowie S. 16 - 17, Fig. 2 u. 3 (Karten). (16) Carter, Howard : Ebenda, London u. Kairo 1917, S. 118. Sowie : Carter, Howard : A tomb prepared for Queen Hatshepsuit discovered by the Earl of Carnavon. In : Annales du Service des Antiquités de l'Egypte, Tome XVI, Kairo 1916, S. 181. (17) Carter, Howard : Ebenda, London u. Kairo 1917, S. 107 - 108 u. Plate XXII. Sowie : Carter, Howard : Ebenda, Kairo 1916, S. 179 - 182. Siehe dazu : Roehrig, Catharine : Hatshepsut, from Queen to Pharaoh, New York 2005, S. 185, Fig. 74, Sarcophagus of Hatshepsut, Egyptian Museum Cairo, JE 47032. (18) Carter, Howard : Ebenda, Kairo 1916, S. 180. Sowie : Carter, Howard : Ebenda, London u. Kairo 1917, S. 107 - 118. (19) Carter, Howard : Ebenda, London u. Kairo 1917, S. 109. Sowie : Thomas, Elizabeth : Ebenda, Princeton 1966, S. 196 - 197. Sowie : Lilyquist, Christine : Ebenda, New York 2003, S. 4 u. S. 8 - 9 u. S. 23, Fig. 9 c. (20) Thomas, Elizabeth : Ebenda, Princeton 1966, S. 197. Sowie : Lilyquist, Christine : Ebenda, New York 2003, S. 4 u. S. 9 - 10 u. S. 17 - 24. (21) Winlock, Herbert Eustis : The Treasure of Three Egyptian Princesses, New York 1948, Plate I - IV. (22) Scott, Nora : Egyptian Jewelry. In : The Metropolitan Museum of Art Bulletin, Vol. 22, No. 7, New York 1964, S. 231 - 234. (23) Fischer, Henry George : Egyptian Art. In : Bulletin of the Metropolitan Museum of Art, Vol. 28, No. 2, New York 1969, S. 69 - 72. (24) Wilkinson, Alix : Ancient Egyptian Jewellery, London 1971, S. 115 - 116, Plates 4 u. 41. Siehe dazu : Lilyquist, Christine : Ebenda, New York 2003, S. 155 - 160. (25) Bietak, Manfred : Artikel "Hyksos" in : Redford, Donald : The Oxford Encyclopädia of Ancient Egypt, Vol. 2, Oxford 2001, S. 139. Siehe dazu : Habachi, Labib : Tell el-Dab'a I, Wien 2001. (26) Lilyquist, Christine : Ebenda, New York 2003, S. 154 - 162 u. S. 225, Fig. 155 (MMA Inv. Nr. 26.8.99). So auch Ebenda, S. 156, Fig. 92 a - d (MMA 26.8.99). (27) Patch, Diana Craig : Jewelry in the early Eighteenth Dynasty. In : Roehrig, Catharine : Hatshepsut, from Queen to Pharaoh, S. 198, Abb. 113. (28) Lilyquist, Christine : Ebenda, New York 2003, S. 206, Fig. 127 a (Cat. 54), sowie S. 207, Fig. 128 a (Cat. 57) u. S. 235, Fig. 169 - 170 (Cat. 138 u. 137). Siehe dazu : Patch, Diana Craig : Ebenda, In : Roehrig, Catharine : Ebenda, S. 200, Abb. 117.
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