... Zurück zu den Kassiten (um die ging es ja eigentlich): Die kassitischen Herrscher haben die religiösen und kultischen Traditionen weitgehend fortgeführt und den babylonischen Staatskult unverändert übernommen (Marduk bleibt unangetastet das Oberhaupt des Staatspantheons; Falkenstein, in: MDOG 85, S: 12). Tempelbauten für rein kassitische Götter sind überhaupt nicht bekannt (wir kennen sie nur über Namen, die teilweise indoeuropäische Züge tragen: zB. Schipak; vgl. K. Balkan, Kassitenstudien Bd. I, S. 99ff.). Die persönlichen Schutzgötter der Königsfamilie („Götter des Königs“) waren kassitische Berggötter (Schuqamuna und Schumalija). Ihr Kult reicht bis in die assyrischen Palastkulte im 1. Jt. v.Chr (Zt. Assarhaddon). Eine parallele „spontane“ Verehrung eines „neuen“ Gottes, sowie dessen nachträgliche Verfehmung kennen wir aus dem kassitischen Raum gar nicht. Traditionelle Inhalte und Formen der Religion blieben auch in der Kassitenzeit unangetastet bestehen. Die Errichtung einer eigenen Residenz ist bereits diskutiert worden. Der heilige Bezirk der Zikkurat von Aqarquf beherbergte Heiligtümer mehrere Götter (zB. Enlil, dem der Komplex geweiht war, Ninlil und Ninurta), was kaum eine Monotheismus-Theorie unterstützen dürfte. Im Übrigen denke man an die zahlreichen neuen Residenzgründungen der neuassyrischen Epoche (Chorsabad u.a.), die keineswegs einen „Traditionsbruch“ oder eine „Revolution“ ausdrücken, sondern entweder strategischen Gesichtspunkten folgten oder die eigene Machtpolitik untermauern sollen (Sanherib verlegt die Residenz nach Ninive zurück, als Sargon II. im Krieg fällt und das Königtum daher geschwächt wirkt). Die häufige Zahl der Residenzwechsel spricht eher für ein übliches procedere. Die Palast-Architektur entleht sich aus der mesopotamischen Bautradition (zB. Palast v. Mari und Nuzi (Jorgan Tepe) und wird kaum verändert von den mittel- und neuassyrischen Königen aufgegriffen; vgl. Chrosabad, Nimrud, Ninive; vgl. P. Matthiae, Geschichte und Kunst im Alten Orient, Stuttgart 1999). Ein reiches Pantheon im offiziellen wie privaten Bereich bezeugen auch die zahllosen Götter-Symbole der Kudurrus (fast alle dieser Götter gehören dem Kreis des altbabylonischen Pantheons an: Ischtar, Sin, Schamasch, Ischchara, Nusku u.a.). Daneben wurden alle wichtigen Kultzentren weiterhin gepflegt und restauriert (zB. in Ur und der Karaindash-Tempel in Uruk). Bei Abriss und Neubaufbau eines verfallenen Tempels wurden dessen Grundrisse beibehalten. Auch hier gibt es also keinen Bruch mit Traditionen aus religiöser oder ideologischer Motivation! Einige der kassitischen Neubauten zB. der kassitische Tempel in Uruk, wurden bis in neubabylonische Zeit (Sargons II. aus dem 8. Jh.) benutzt. Eine monumentale Königsstatue nennt in sehr holprigem Sumerisch die Bemühngen des König Kurigalzu um die „Wiederingangsetzung althergebrachter Kulte. Ähnliches hören wir in einer Schenkungsurkunde, in der die Fürsorge für Ur, Uruk und Eridu, die Erbauung des Anu- und des Ischtartempels und die Festsetzung der Abgaben für die grossen Götter verzeichnet wird. Der „König der Gesamtheit“ und „Berufene der Götterherrn“ nennt hier Ischtar seine erhabene Herrin, die ihm zur Seite geht und sein Heer erhält, seine Untertanen hütet und seine Widersacher niederwirft.“ (H. Schmökel, Geschichte des Alten Vorderasien, Leiden 1957, S. 175). In dieser Inschrift werden auch die Götter Igigi, Anunnaki und Nanna, Ninchursag (?), Ninisinna und Nergal genannt. Von Monotheismus also keine Spur! Auch in künstlerischer und literarischer Hinsicht ist kein Traditionsbruch festzustellen (H. Klengel, Kulturgeschichte des alten Vorderasien, Berlin 1989, S. 320; „die Kunst (der Kassiten - Gast_A.) verläßt nur selten die ererbten Bahnen“ H. Schmökel, Geschichte des Alten Vorderasien, Leiden 1957, S. 171). Allerdings ist gegen eine direkte Übernahme eines Motivschatzes aus dem kassitischen Raum nach Ägypten einzuwenden, dass die Figuren der jungkassitischen Wandmalereien (zB. aus dem Palast „Egal-Kisara“ von Dur-Kurigalzu) oder der kassitischen Kudurrus gedrungen und sehr massig wirken, also keine Parallele zum grazilen, sehr überlängten Stil der Amarnazeit aufweisen. Allerdings bezeugen die vereinzelten rundplastischen jungkassitischen Stücke – zB. der „Terrakottakopf“ aus Dur-Kurigalzu – einen feinen und naturalistischen Stil (A. Spycket, La Statuaire du proche-orient ancien, Leiden-Köln 1981, Pl. 195 – Spyckert kann jedoch m.E. recht überzeugend zeigen, dass dieses Stück, das immer als Portrait eines Kassiten gehalten wird, eventuell einen syrischen Prinzen darstellt S. 296). Auch die Glyptik der Frühkassiten setzt Traditionen der babylonischen Zeit fort (H. Frankfort, Cylinder Selas, London 1939, S. 180f.), bringt aber auch Innovationen (so erscheint erstmals der Gott Nabu auf Siegeln; auch Hunde, Vögel, Wage und „kassitisches Kreuz“). Daneben zeichnen sich die Figuren der kassitischen Siegel durch eine überlängte Körperform aus, die die früheren babylonischen Tendenzen fortsetzt s. B. Hrouda, Vorderasien I, München 1971, S. 185). Die mittelkassitische Phase (v.a Burnaburisch II.) zeichnet sich in der Siegelkunst und Ritzzeichnungen durch „belebte und naturnahe Darstellungen“ aus. Allerdings bleibt auch hier die Motiv traditionsverhaftet und aus den wenigen Objekten (v.a. die Szene „Löwe und Wildschwein“ O. Reuther, Die Innenstadt von Babylon (Merkes), WVDOG 47, Leipzig 1926, Tf. 7f. – Zuweisung zu Kassiten allerdings spekulativ!) kann kaum eine eigenständige kassitische „Schule“ rekonstruiert werden. ...
> Antwort auf Beitrag vom: 14.02.2004 um 00:38:29
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