Es gab ein Konzept gauübergreifender Raumdekoration im Tempel, das im Buch vom Tempel festgeschrieben wurde. Relevant war es vor allem für einen begrenzten Bereich von „Sonderszenen“, die über den üblichen Bestand an Opfertableaus vor den lokalen Hauptgöttern hinausgingen. Vielfach läßt sich schon jetzt zeigen, daß zumindest optional tatsächlich Elemente dieses Idealprogrammes konkret umgesetzt wurden. Man darf vermuten, daß über die bislang im Buch vom Tempel nachweisbaren Fälle hinaus noch etliche weitere Punkte, wo Ähnlichkeiten im Götterprogramm verschiedener Tempel nachweisbar sind, eben auf solche gauübergreifenden Normen zurückgehen. Prozentual wird der Bestandteil dieser Elemente gegenüber den „normalen“ Szenen nicht allzu hoch ausfallen, doch sollte seine Bedeutung dennoch nicht unterschätzt werden. In jedem Falle sollte dieser Befund dazu führen, daß man die gelegentlich etwas allzu hoch eingeschätzte Kreativität der spätzeitlichen Priester auf ein angemessenes Maß zurückführt. Sicher haben sich diese Leute ihre Gedanken gemacht, aber sie konnten dabei auf erhebliches Archivmaterial zurückgreifen und sich davon inspirieren lassen. Ihre Kunst lag oft mehr in der Adaption des Vorgegebenen als in der Schaffung ganz neuer Elemente. Hier sei daran erinnert, daß neue Forschungen zunehmend deutlich machen, daß auch die Texte der Opfertableaus vielfach keine Werke ex ovo waren, sondern auf der Montage altüberkommener Ritualelemente beruhen. Wer weiß, wie oft in griechisch-römischen Bauinschriften betont wird, die Dekoration sei „nach alten Schriften“ erfolgt, wird dies nicht verwunderlich finden. |