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Thema: (Fortsetzung:) Legitimationsbedürfnis |
Gast_A. Member
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« Antwort #45, Datum: 31.08.2004 um 17:16:15 » |
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Hallo, zu der hier geführten Diskussion um die Institution „Königtum“ hat sich mehrfach und ausführlich R. Gundlach (Pharao und sein Staat, Darmstadt 1998, S. 17-19 Kapitel „Legitimation und Funktion des ägyptischen Königs“ sowie ders., Die Legitimation des ägyptischen Königs – Versuch einer Systematisierung, ÄAT 36,1, Wiesbaden 1997, S. 11-20; s. auch E. Otto, Legitimation des Herrschens im pharaonischen Ägypten, in: Saeculum 20 (1969), S. 385-411) geäußert. Gundlach unterscheidet bei Legitimation zwischen 1. juristischer Legitimation, 2. göttlicher Legitimation und 3. politischer Legitimation. Diese drei Gruppen sind jeweils weiter in A. „initiale/reale“ und B. „post eventum/fiktive“ Legitimation zu trennen. Vgl. hierzu die Grafik A aus Roth (1999:120) im Anhang. Gundlachs Definition von Legitimation lautet in diesem Zusammenhang „Unter Legitimation sind all diejenigen Phänomene zu subsummieren, in denen sich die Grundlagen der Königsherrschaft im allgemeinen wie auch das Selbstverständnis des einzelnen Herrschers wiederspiegeln“. Seine Untersuchung basiert v.a. auf der Analyse von Titulatursequenzen und königlicher Bildsymbolik. Verständnisentscheidend an diesem System (s. Grafik A) ist, dass ein Defizit in einer der Kategorien/ Gruppen (zB. „reales Erbe“) durch Betonung der entsprechenden „Gegenkategorie“ oder anderer Punkte ausgeglichen bzw. kompensiert werden kann (zB. durch Betonung der „Designation durch Gott“) ohne dabei grundsätzlich an „Qualität“ der Legitimation einzubüßen. Wenn wir also die verschiedenen Legitimationsdarstellungen werten (Legitimation über direkte Sohnschaft sei „besser“ als der „Notbehelf“ über die Gottessohnschaft) , so geschieht dies aus einer modernen, willkürlichen Argumentation heraus. Gundlach arbeitet in seinem Modell (vgl. Gundlach, 1998, S. 43) zwei unterschiedliche Zieladresse der Legitimationskategorien heraus (dies betrifft ja speziell die Frage Irjnefers): Die „göttliche Legitimation“ verläuft zwischen Sonnengott-Vater (überregionaler Staatsgott Amun[-Re]) und Sonnengott-Sohn (König), wobei einerseits die Rollenübertragung vom Gott auf den irdischen Sohn erfolgt andererseits der Sohn den Staatskult für seine kosmischen Vaterfigur aufrecht erhält. Die „juristische Legitimation“ richtet sich vom jenseitigen König (Vorgängerkönige) an den diesseitigen König. Hier spielt also das Ahnen-Verhältnis die entscheidende Rolle. Wie üblich im Toten- und Ahnenkult übernimmt der Sohn als Gegengabe für die Legitimation die Aufgabe des Toten- und Gedächtniskultes. Die „politische Legitimation“ findet natürlich keine Entsprechung in einer Gott-König-Beziehung da sie einseitig auf das Diesseits bezogen ist. Wie uns zB. die „Lehre des Amenemhet“ zeigt bestand durchaus die Vorstellung, dass ein Herrscher sich mittels guter (erfolgreicher) Taten gegenüber seinem Volk auszeichnete und dadurch in gewisser Weise legitimierte. Völlig abgehoben von ihrem Volk waren die Pharaonen sicher nicht. Gundlachs Modell ist scheinbar sehr pragmatisch und modern konzipiert. Sein Konzept ist v.a. aus Königstitulaturen erschlossen und somit für diese Beleggruppe aussagekräftig. So modern und durchkomponiert Gundlachs Modell wirkt, so wird dieses dreischiffige Königsideologie-Konzept („Göttliche Legitimation – Juristische Legitimation – Politische Legitimation“) aber sehr plausibel, wenn man über den ägyptischen Tellerrand hinausblickt und beobachtet auf welchen ideologischen Grundpfeilern altorientalische Könige ihre Herrschaftslegitimation aufbauen. Besonders die Legitimation über den Ahnenkult ist DAS zentrale Thema der nahöstlichen Königsherrschaft. Gemeinsames Charakteristikum ist ausserdem die Berufung auf das direkte Verhältnis zum Staats-/Reichsgott und dessen göttlicher Gemahlin. Hierzu habe ich einige grundlegende Beiträge dem Beitrag angehängt (s. Das_hethitische_Königtum I-IV und Das_mesopotamische_Königtum I-II). Dass genealogische Probleme durch „politische Legitimierungskampagnen“ überschattet werden sollten, um – gegen eine reale innere Opposition gerichtet – zu wirken, ist angesichts der hethitischen, mesopotamischen und ägyptischen Quellen eher unwahrscheinlich. Vielmehr stützen die kulturellen Vergleiche die Vorstellung, dass durch die Zurschaustellung des rechtmäßige Verhaltens gegenüber Königs- und Götterahnen den gesellschaftlichen und religiösen Anforderungen der Institution Königtum Genüge getan werden sollte, bzw. dass durch Betonung der göttlichen Abstammung der grundsätzliche ERBANSPRUCH des Amtes gegenüber den Ahnen (göttlichen wie königlichen) begründet werden sollte. Wie oben bereits erklärt erfolgt diese Rechtfertigung aber ausschließlich gegenüber dem Staatsgott bzw. dem mythischen Vatergott des Königs. „Überzeugungsarbeit“ gegen aufmüpfige Beamten sollten die Legitimationstexte wohl nicht leisten (das heißt nicht, dass es solche „Propaganda-Texte/-Inhalte generell nicht gegeben hat! Hanna Jenni hat zB. jüngst verzweifelt versucht für den Papyrus Westcar eine realpolitische Propagandafunktion herauszuarbeiten; SAK 25 (1998), S. 113-41). ...
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Gast_A. Member
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« Antwort #46, Datum: 31.08.2004 um 17:22:22 » |
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... In derartigen religiösen Systemen ist es ausserdem notwendig sich gegenüber den Göttern dauerhaft und permanent zu rechtfertigen, dass man die Herrschaft WEITER ausübt bzw. sie ausüben DARF (Kompetenz), da dies sonst unweigerlich zum realen Niedergang des Landes geführt hätte (Katastrophen, Mißernten, Niederlagen etc.). Die Texte geben nie Auskunft warum z.B. ein Prinz in der Realität berechtigt war Pharao zu WERDEN! Die Legitimationfrage wird auch in Ägypten grundsätzlich nicht der Thronbesteigung vorweggestellt oder thematisiert! Wieso Prinz X dem Prinz Y vorgezogen wurde ist im Einzelfall nicht mehr nachvollziehbar. Ein Hinweis auf dieses Ahnen-gestützte Legitimationssystem ist z.B. die Bezeichnung der Königsmutter als sA.t-nTr „Gottestochter“ (vgl. S. Roth, Die Königsmütter ded Alten Ägypten, Wiesbaden 2001, S. 337). Dieser Titel wird einer Königsmutter aber erst verliehen, wenn ihr Sohn den Thron bestiegen hat und nicht – wie die Bezeichnung nTr erwarten lassen könnte – wenn der Gemahl verstorben ist! Er drückt also keine besondere Rolle des Vorgängerkönigs (hier als nTr „Gott“) aus, um dadurch auf den Kronprinzen in spe zu wirken, sondern er steht allein mit dem Legitimationsstatus des lebenden Königs in Zusammenhang, der sich eben durch diese Titulierung seiner Mutter in die Ahnenkette anschliessen und sich dadurch entsprechend des Gundlach’schen Modells legitimieren konnte. Die Arbeit am Konzept Maat und der damit verbundenen permanenten Absicherung der eigenen Herrschaftskompetenz gegenüber der Götter setzt erst mit der Thronbesteigung ein und zählt nicht zu einem irdischen Problem (zumindest nicht zu einem Problem, das an TEMPELwänden thematisiert wurde). Generell ist die Legitimation über den Staatsgott und über die Ahnengötter parallel aufgebaut- Hierzu habe ich aus S. Roth (op.cit. S. 340) die entsprechende Grafik gescannt (s. Anhang Grafik B). Erinnert sei hier noch an die Forums-Diskussion zum „Millionenjahrhaus“ am Ramesseum das ich dort als „Ahnentempel“ bezeichnete und das ja neben der Gemahlin auch der MUTTER geweiht war). Als Legitimationsfaktor spielten die Königsmütter eine entscheidende Rolle. Hier sei wieder auf Roths Bearbeitung verwiesen, die auf S. 269ff. auch auf die Probleme „göttlicher legitimation“ im Neuen Reich eingeht. Gruß A.
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Gast_A. Member
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« Antwort #47, Datum: 31.08.2004 um 17:27:54 » |
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... hier also die folgenden Teile zum hethitischen und mesopotamischen Königtum... Abschnitt II
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Gast_A. Member
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« Antwort #48, Datum: 31.08.2004 um 17:32:27 » |
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... Abschnitt III
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Irjnefer_d.J. Gast - Themenstarter
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Re: (Fortsetzung:) Legitimationsbedürfnis |
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« Antwort #49, Datum: 31.08.2004 um 17:32:51 » |
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Hallo, A, vielen vielen Dank für Deine Mühe des Lesens und Reproduzierens. Leider macht es mich beim Lesen wahnsinnig ! Wir sind noch nicht ganz soweit, aber: Solange wir keine explizite philologische Quelle für ein königliches "Legitimationsbedürfnis" haben, ist für mich dieses Wort a u s s c h l i e ß l i c h Wortgeklingel, die Idee rein eine ägyptologische W a h n idee ! Sorry. So sorry.
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Gast_A. Member
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« Antwort #50, Datum: 31.08.2004 um 17:36:22 » |
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... trotzdem noch Abschnitt IV
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Irjnefer_d.J. Gast - Themenstarter
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Re: (Fortsetzung:) Legitimationsbedürfnis |
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« Antwort #51, Datum: 31.08.2004 um 17:40:05 » |
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Bitte, ernsthaft. Textarbeit, keine Phantastereien.
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Iufaa Moderator
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Re: (Fortsetzung:) Legitimationsbedürfnis |
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« Antwort #53, Datum: 31.08.2004 um 17:49:36 » |
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Hi Irinefer, kleine Korrektur: Zitat:
Solange wir keine explizite philologische Quelle für ein königliches "Legitimationsbedürfnis" haben, ist für mich dieses Wort a u s s c h l i e ß l i c h Wortgeklingel, die Idee rein eine ägyptologische W a h n idee |
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Das ist keine Wahnidee, sondern der Versuch, historische (Be-)Funde aus heutiger Sicht zu erklären. Ich habe schon mehrfach gesagt, dass in solchen Erklärungsversuchen unsere gesamte kulturelle Entwicklung mit drinsteckt. Für bestimmte historische Befunde (z.B. "persönliche oder institutionelle Motivation für Handlungen") werden wir keine Antworten finden, sondern bei Erklärungsversuchen steckenbleiben. Die historischen Wissenschaften können ja keine Experimente machen, um ihre Hypothesen zu falsifizieren, aber sie können schon durch Befundsammlung und -interpretation versuchen, ihre Hypothesen wahrscheinlicher zu machen. Ob die aÄ überhaupt ein "Legitimationsproblem" - wie wir es heute beschreiben - "gesehen" haben, lässt sich nicht beantworten. Aber eindeutig haben sie einen Grund gehabt, ihre Tempelwände etc. ausgiebig zu verzieren - und der heutigen Wissenschaft geben sie damit auch noch einen Grund (sich damit zu beschäftigen), nämlich die Suche nach einer plausiblen Erklärung. Und so schlecht klingen die Versuche nicht, oder hast Du eindeutige Befunde, die diese hypothetische Erklärungen "falsifizieren" könnten. Gruss, Iufaa
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Gast_A. Member
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« Antwort #54, Datum: 31.08.2004 um 17:54:14 » |
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... und fertig! Viel Spass beim Vergleichen...
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Irjnefer_d.J. Gast - Themenstarter
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Re: (Fortsetzung:) Legitimationsbedürfnis |
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« Antwort #55, Datum: 31.08.2004 um 18:47:31 » |
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Ja, genau, Iufaa, bitte - O.K., der Vergleich hinkt - erkläre mir doch einmal die Kunst entlang des Berliner Ku-damms.
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Gitta Gast
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Re: (Fortsetzung:) Legitimationsbedürfnis |
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« Antwort #56, Datum: 31.08.2004 um 23:03:24 » |
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Zitat:
Wie uns zB. die „Lehre des Amenemhet“ zeigt bestand durchaus die Vorstellung, dass ein Herrscher sich mittels guter (erfolgreicher) Taten gegenüber seinem Volk auszeichnete und dadurch in gewisser Weise legitimierte. Völlig abgehoben von ihrem Volk waren die Pharaonen sicher nicht. |
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Darüber hinaus bedauert Amenemhet in diesem Text (postum), dass er es zu Lebzeiten, also vor seiner Ermordung, nicht mehr geschafft hatte, seinen Sohn (Sesostris I.) zum Koregenten zu erheben. Aus der Tatsache, dass dies niedergeschrieben wurde, könnte man auch so seine Schlüsse ziehen. @Iufaa Zitat:
Ob die aÄ überhaupt ein "Legitimationsproblem" - wie wir es heute beschreiben - "gesehen" haben, lässt sich nicht beantworten. Aber eindeutig haben sie einen Grund gehabt, ihre Tempelwände etc. ausgiebig zu verzieren - und der heutigen Wissenschaft geben sie damit auch noch einen Grund (sich damit zu beschäftigen), nämlich die Suche nach einer plausiblen Erklärung. |
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Und die finde ich unglaublich spannend. Gitta
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Irjnefer_d.J. Gast - Themenstarter
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Re: (Fortsetzung:) Legitimationsbedürfnis |
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« Antwort #57, Datum: 04.09.2004 um 20:09:23 » |
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Hallo Gitta, hallo Iufaa und Kollegen, Thema "königliches Legitimationsbedürfnis": Ist (- Gundlach unberücksichtigt -) die Formulierung des Königsdogmas ... ... a) Rechenschaftsablage gegenüber dem Volk ? ( Ich erinnere an den "arischen Nachweis" für Staatsdiener. ) ... b) gleichsam Magie gegen Feinde des Königs ? - Liebe Naunachte, findest Du uns die Belegstellen ( Kontexte ) für den HkA n bs, einen "legitimen Herrscher" ? Viele Grüße Irjnefer d.J.
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heka-waset Member
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Re: (Fortsetzung:) Legitimationsbedürfnis |
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« Antwort #58, Datum: 05.09.2004 um 10:43:46 » |
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Gundlach kann auch ruhig unberücksichtigt sein. Sein Buch nicht alles andere als unumstritten, seine Theorien oft schwach gestützt.
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Gast_A. Member
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Re: (Fortsetzung:) Legitimationsbedürfnis |
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« Antwort #59, Datum: 05.09.2004 um 14:45:29 » |
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Hallo Heka, ich denke das ist kein Verständnisproblem von Gundlach, sondern eines der „vielen Ägyptologen“ auf Lehrstühlen in Münster, Berlin und Tübingen. Wenn Gundlach eine „Staats-/LegitimierungsTHEORIE“ vorstellt, muss diese auch als theoretischer Ansatz wahrgenommen werden. Wie ich geschrieben habe baut Gundlach seine komplexen Systeme v.a. auf Titulaturketten und Herrscherikonographie auf. Insofern finde ich sein Modell durchaus gut, da in sich homogen. Ob es historisch ist muss durch weitere Detailstudien untersucht werden. Vielfach ist es sicher zu starr konzipiert und der Logik verhaftet. „Inhaltsleer“ bedeutet bei den meisten Professoren aber nur, dass wir immer noch nicht DEN Papyrus gefunden haben, der all dies mit einem Schlag bestätigt oder widerlegt (zufällig sind die von dir genannten Herren ja allesamt Philologen). Man warten lieber darauf, dass dieser Wunderpapyrus gefunden wird – um dann endlich „das Material sprechen zu lassen“ – anstatt sich mit Gundlachs THEORETISCHEM Ansatz kritisch auseinanderzusetzen (oder hat einer von ihnen ein Gegenmodell entworfen?). Gundlachs verwirrenden Diagramme und Graphiken muss man nicht mögen. Sie sind halt ein Spleen von dem Herrn. Und wie zB. die Untersuchungen von A. Thiem zu Haremhabs Legitimation zeigen, kann man durchaus mit seinem System arbeiten. Wenn Du Gundlach wegen mangelnder Materialschlachten in seinen Büchern als inhaltsleer bezeichnest, würde mich interessieren was Du zB. zu Assmanns „Ma’at“, „Sinngeschichte“ oder „Frömmigkeit“ sagst – die Du ja gerne zitierst? Dort hat Assmann ja auch nur eine THEORIE entworfen (was i.d.R. ebenfalls nicht wahrgenommen wird). Ist Assmann deswegen „inhaltsleer“? Diese Debatte dann aber vielleicht an einer anderen Stelle. Gruß A.
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