Hallo! Die Inschrift befindet sich etwas nördlich, oberhalb des Hatschepsut-Tempels an der Ostwand einer kleinen Grotte und wurde von Marciniak (in: MDAIK 37, 1981, S. 299-305) in Umschrift editiert. Die Grotte ist Teil einer Reihe 11. Dynastie-Gräber und stellt ein unvollendeten Grabzugang dar, der im Neuen Reich offenbar als Orakelstätte für Beamte und Priester der nahegelegenen Tempel diente. Leider war Marciniak so „anständig“ und hat die pikante Szene (a) in seiner Bearbeitung völlig unberücksichtigt gelassen und (b) auf seinem Foto geschickt „umschnitten“. Er geht also nur auf den trockenen Text ein... E.F. Wente (Some Graffiti from the Reign of Hatshepsut, in: JNES 43 (1984), S. 47-54) wiederum diskutiert eingehend den Bezug zwischen dem erotischen Graffito und dem Text ohne allerdings ein einziges Bild vorzulegen. Der Text lautet in Übersetzung (Ziffern in Klammern geben die Zeilenumbrüche im Text wieder; rechteckige Klammern kennzeichnen beschädigte Passagen): (1) Ein Opfer, das der König gibt, [an] Amun-Re, Herr der beiden Throne der beiden Länder, Re-Harachte, Hathor, Herrin von Theben (2), Mut von Asheru, Nechbet, der Weissen von Hierakonpolis, Sachmet, Wadjit, Ptah, Sokar, (3) Tatennen, Anubis – Erster der Gotteskapelle, Osiris Chontamenti (4), der sich auf seinem Thron befindet, Herr von Abydos, Wennenefer, Erster von Heseret, Götter, die (5) sich in der Nekropole befinden; mögen sie alles, was auf den Opfertisch kommt geben: Tausend Brote, tausend [Ölgefäße], tausend [Weihrauchbeutel] (6), tausend [Stoffbahnen], tausend [Bierkrüge], tausen Stiere, tausend an Geflügel, tausend gute und reine Dinge, von denen die (7) Götter leben; das, was der Himmel gibt (?); was die Erde erzeugt und das, was der Nil (8) aus seiner Quelle bringt; für die Seele des Schreibers Neferhotep, der die Arbeiter zählt (?) von Djeser-Djeseru (= der Tempel von Deir el-Bahari). Er spricht: (9) “Oh, jeder Schreiber, jeder Wab-Priester, jeder Gottesdiener, jeder Ka-Priester, welcher dieses Geschriebene zitiert, (10), eure Götter mögen euch begünstigen und ihr sollt eure Ämter euren Kindern übergeben. (11) so wie [ihr sagt: (?)]. „Ein Opfer, das der König [für] Amun-Re gibt, Herr der Throne der beiden Länder, Re-Harachte (12), Thot, Herr des Gotteswortes, Shesemet [...], Osiris Chontamenti (13), Großer Gott, Herr von Abydos, Anubis, Erster der Kapelle; die Könige die in der Nekropole sind; mögen sie geben (14) tausend gute und reine Dinge, von denen die Götter leben für die Seele des Schreibers (15) Neferhotep [gerechtfertigt] bei Osiris, gezeugt von derm Bürgermeister von Necheb (= Elkab) Renenj und (16), geboren von der Herrin des Hauses Nehi, gerechtfertigt bei Osiris.“ Nach der Ananlyse der Titel und genealogischen Daten kommt Wente (S. 50) zu dem Schluss, dass Neferhotep unter Hatschepsut mit Abrechnungsdiensten während des Tempelbaus von Deir el-Bahari beschäftigt war. Dass Neferhotep aus einer gut bezeugten Bürgermeisterfamilie aus Elkab stammt, entspricht auch anderen Quellen, die zB. bezeugen, dass 13 Arbeiter aus Elkab in einem Bautrupp von Deir el-Bahari tätig waren (vgl. W.C. Hayes, A Selection of Tutmoside Ostraca from Der el-Bahri, in: JEA 46 (1960), S. 34f.). Wie bedeutend die Elkab-Clique in der Thutmosidenzeit war, habe ich ja auch schon bei den „Würfelhockern“ angesprochen (vgl. auch W. Helck, Königswahl, in: ZÄS 121 (1994), S. 38ff. und A. SPalinger, in: RdE 32 (1980), S. 103-5). Interessant ist auch, dass rechts neben diesem (sehr bekannten) Graffito ein weiteres erotisches Bild angebracht ist, das einen kleinen nackten Mann mit erigiertem Glied zeigt. Ein weiterer Mann (mit Kopfbedeckung – eine blaue Krone?) ist deutlich größer auf einem Stock gestützt dargestellt (J. Romer, People of the Nile, London 1989, S. 159). Während die übrigen Graffiti der Grotte in die Phase datieren, in der der Tempel bereits vollendet war und von mittleren Priesterklassen stammen, möchte Wente mit Romer die erotischen Bilder dem Neferhotep selbst zuschreiben, der diese offenbar bei mehrmaligen Besuchen in der Grotte angebracht hat. Wente rekonstruiert in diesem Kontext den Versuch Neferhoteps, die reale Situation eines weiblichen Pharao als politische Parodie in Szene zu setzen. Der Mann, der hier als aktiver Part dargestellt sei, dominiere die Königin und veranschauliche, dass sie nicht der „Starke Stier“ des Königdogmas sei. Auch in der rechten Szene, in der nach Wente ebenfalls Sn-nj-mw.t dargestellt ist, soll der große „Mann“ Hatschepsut darstellen, um so den ambivalenten Charakter der Königin auszudrücken. Die subtile Erniedrigung erfolge hier durch das Weglassen der Königsinsignien (Uräus). Konkrete Indizien, dass es sich bei dem Mann um Sn-nj-mw.t handelt, gibt es nicht. Auf der Westwand der Grotte gibt es allerdings eine Darstellung des Sn-nj-mw.t mit einer Beischrift, die ihn sicher als solchen identifiziert. Einen sicheren Bezug zu den Szenen auf der Ostwand kann man aber nicht herstellen. Gruss A.
> Antwort auf Beitrag vom: 14.04.2004 um 14:18:27
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