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Ägyptologie Forum >> Pharao & Hofstaat


1) Legitimationsbedürfnis
Gitta am 24.07.2004 um 22:26:13

Ich habe mal einen neuen Thread aufgemacht, da mich diese Diskussion noch ein wenig beschäftigt hat.


Zitat:
Der Hinweis auf das Legitimationsbedürfnis der Hatschepsut ist üblich, aber nichstdestoweniger eine "Hinein-Interpretation" - die auch nicht wahrer wird, in dem man sie immer wieder wiederholt.


Ob sie wahr ist oder nicht, weiss natürlich keiner, solange nicht irgendwo eindeutige Inschriften o.ä. gefunden werden. Aber Grimm/Schoske sprechen - wohl wegen der sich auffällig oft wiederholenden Texte zur göttlichen Herkunft - sehr drastisch von einer "Legitimationsoper" oder "Hatschepsuts Königslegitimation als Inszenierung von Fiktionen" und gar von "Künstlicher Legitimation" (Seite 14 ff und Seite 33 ff von "Hatschepsut - KönigIN Ägyptens).


Zitat:
Vielleicht kannst Du die Frage beantworten, welches Legitimationsbedürfnis denn Amenhotep III und Ramses II hatten?


Dazu kann man nur anhand einiger weniger Hinweise spekulieren:

Vom Vater von Amenophis III., Thutmosis IV., sind einige Indizien bekannt, die man als Ergebnis eines Legitimationsbedürfnisses werten kann: die Traumstele, ein Naos, zwei Prinzenstelen. Ob man dies tatsächlich als Folge von Thronstreitigkeiten ansehen kann, ist nicht sicher. Wenn dies aber so gewesen wäre, dann könnte Amenophis III. nach nur 8 (9) Jahren Regierung seines Vaters (starb mit etwa 35 Jahren, nach der Mumie zu urteilen), der noch mindestens 5 (vielleicht bei seinem Tod teilweise noch lebende?) Brüder hatte, sich schon genötigt sehen, sich eine Legende zuzulegen.

Ramses II. hatte vielleicht auch Grund dazu. Wenn man Helck und Schlögl folgt, war Ramses zunächst nicht als Thronfolger vorgesehen, sondern ein hoher Offizier (Truppenkapitän und Wedelträger) namens Mehi (dagegen plädieren K.A. Kitchen, W.J. Murnane und auch Tyldesley s.u.). Dieser Mehi war innerhalb der Schlachtenszenen an der Nordwand des Tempels von Karnak zweimal an bevorzugter Position in unmittelbarer Nähe von Sethos I. dargestellt und wurde nachträglich durch die Person des Ramses ersetzt. Tyldesley meint dazu, Ramses II. hätte einfach einen geeigneten Platz gesucht, um sich in das Relief einzubringen und dabei sei halt der offensichtliche Favorit Sethos' I. im Wege gewesen.

Es gibt also schon Anzeichen, dass selbst die beiden großen Könige Amenophis III. und Ramses II. Legetimationsbedarf/-bedürfnisse hatten - natürlich nicht dem Volk gegenüber, aber vielleicht ist es denkbar, dass einem skeptischen Teil der Priesterschaft der Wind aus den Segeln genommen werden musste.

Gitta

PS: die Informationen zu Thutmosis IV., Amenophis III. und Ramses II. sind Schneiders Pharaonenlexikon und Tyldesleys Ramesses entnommen.


2) Re: Legitimationsbedürfnis
 Iufaa am 24.07.2004 um 22:39:08

Hallo Gitta,

ich denke, man bekommt vielleicht Licht in die Dinge, wenn man mal zu klären versucht, gegenüber wem denn diese Legitimierung erfolgen sollte. "legitimo" (lat.) bedeutet dem "Recht" gemäß, aber ist damit unser (d.h. das römische) Rechtsverständnis überhaupt gemeint? Dieses würde einen irdischen Adressaten zwingend erfordern, denn nur der könnte die Übereinstimmung in "legitimo" feststellen.
Die "gewöhnliche" Bevölkerung und den größten Teil der Priesterschaft kann man wohl sofort ausschliessen, die kamen weder bis zum nördlichen Flügel des 2. Portikus in Deir el-Bahari (Hatschepsut) noch in die Geburtshalle im Luxor-Tempel (Amenhotep III). Ich weiss nicht, wo die Trümmer im Ramesseum gefunden wurden, aber ich unterstelle mal, dass auch dort keiner aus dem genannten Personenkreis hinkam.

Also blieben als irdische Adressaten nur die obere Priesterränge. Die dürften aber sicherlich bei H. ihren Teil zur Thronbesteigung beigetragen haben - sie haben ja schon die Regentschaft "mitgetragen". Wozu also sollte man die noch mit einer Legitimationsoper überzeugen (dieser Begriff wird übrigens immer nur im Zusammenhang mit H. genannt, niemals aber bei A. III. oder R. II.) - zumal alle Geburtsmythen im Nachhinein installiert worden sind.
Für R. II. gelten ähnliche Überlegungen, sein Grossvater hat von Haremhab den Thron übernommen und an seinen Sohn, Sethi I., vererbt. Wenn hier jemand ein Legitimationsbedürfnis gehabt hätte (ein ähnliches wie bei H.), dann wäre das sicher R. I. oder Sethi I. gewesen - aber R. II. sicherlich nicht mehr, der war doch schon der 3. König in der 19. Dynastie.
Ich fürchte, mit unserer üblichen Vorstellungswelt passt das nicht zusammen.

Der Adressat und die "Rechtsverhältnisse" (in denen man sich "legitim" bewegt) muss foglich "jemand" anderes sein. Ich denke, es geht hier um die "Maat" und/oder um die Position im Götterhimmel.

Iufaa

> Antwort auf Beitrag vom: 24.07.2004 um 22:26:13


3) Re: Legitimationsbedürfnis
 Iufaa am 24.07.2004 um 23:06:59


Zitat:
Ramses zunächst nicht als Thronfolger vorgesehen, sondern ein hoher Offizier (Truppenkapitän und Wedelträger) namens Mehi


Erscheint diese Annahme angesichts der ägyptischen Geschichte überhaupt plausibel? Das kann doch höchstens eine "Reservelösung" gewesen sein, für den Fall, dass der Sohn des Sethi I. vorzeitig stirbt.

Da dieser Fall augenscheinlich nicht eingetreten ist, warum sollte R. II. ein Legitimationsbedürfnis haben. Er war Sohn des Königs, des Horus aus Erden, wer sollte an seinem Thronrecht zweifeln?

Iufaa

> Antwort auf Beitrag vom: 24.07.2004 um 22:26:13


4) Re: Legitimationsbedürfnis
Gitta am 24.07.2004 um 23:45:08

Hi Iufaa,

das ist vollkommen richtig. Trotzdem scheinen Helck und Schlögl die Möglichkeit, dass ein gewissen Mehi dem Ramses vorgezogen wurde als Thronfolger, durchaus ernst zu meinen. Leider habe ich keine detaillierten Arbeiten der beiden Herren zu diesem Thema. Die müssen ihre Meinung ja irgendwie begründet haben.

Allerdings - soweit ich es verstanden haben, hielten Helck/Schlögl Mehi für einen Sethos-Sohn. Vielleicht nicht zuletzt auch deshalb, weil er auf dem Relief in unmittelbarer Nähe, sozusagen im Intimbereich, des Königs auftaucht. Demzufolge stellten sie eine Mitregentschaft von Ramses ab dem 10. Lebensjahr (so niedergeschrieben in einer Widmungsinschrift in Abydos) in Frage. Nach Untersuchungen des Oriental Institutes, die womöglich später durchgeführt wurden, handelt es sich bei Mehi aber nicht um einen Königssohn, sondern um einen Bürgerlichen.

Erstaunlich aber ist, dass dieser Mehi in der Schlachtenszene als Prädestinierter abgebildet war, obwohl Ramses zu dieser Zeit bereits geboren war.

Gitta

> Antwort auf Beitrag vom: 24.07.2004 um 23:06:59


5) Re: Legitimationsbedürfnis
 Iufaa am 24.07.2004 um 23:58:22

Hi Gitta,

Zitat:
..hielten Helck/Schlögl Mehi für einen Sethos-Sohn.
- selbst wenn das so war, dann erkärt dass nicht ein Legitimationsbedürfnis von R. II.. Dieses würde (bei unserem "Rechtsverständnis" einer Legitimation) nur erforderlich sein, wenn nicht der älteste Sohn des Sethi I. sondern ein jüngerer Sohn auf den Thron gelangt sei, obwohl der ältere (Halb-)Bruder noch lebt.

Erscheint auch nicht sehr wahrscheinlich. Was its aus diesem Mehi geworden, wann verschwindet er aus den Darstellungen?

Iufaa

> Antwort auf Beitrag vom: 24.07.2004 um 23:45:08


6) Re: Legitimationsbedürfnis
Gitta am 25.07.2004 um 00:30:05

Ja, er verschwindet. Deshalb flammen auch hier und da immer wieder Gerüchte auf, Ramses hätte sich dieses Herrn entledigt, um auf den Thron zu gelangen.

Gitta

> Antwort auf Beitrag vom: 24.07.2004 um 23:58:22


7) Re: Legitimationsbedürfnis
Irjnefer_d.J. am 25.07.2004 um 10:05:47

Zu Hatschepsut: Etwaige subtile Frauenfeindlichkeit unter Ägyptologen finde ich nicht minder ätzend.

Ansonsten muß halt wenigstens den Worten nach Pharao immer der Sohn seines Vorgängers sein. - Nicht ?

Viele Grüße

Irjnefer d.J.

> Antwort auf Beitrag vom: 25.07.2004 um 00:30:05


8) Re: Legitimationsbedürfnis
 Iufaa am 25.07.2004 um 10:15:48


Zitat:
Ja, er verschwindet.
Aha, wie so mancher in der ägyptischen Geschichte ohne weitere Spuren zu hinterlassen.
Aber das ändert nichts daran, dass man hier im Falle des R. II. bereits wieder zu Spekulationen greift, um ein Legitimationsbedürfnis nach unserer Vorstellung zu konstruieren. Wozu eigentlich? Als die Reliefs in Stein geschlagen wurden, sass er sicherlich längst fest im Sattel (oder musste er sich a la Yul Brunner für den Auszug der Juden etc. verantworten ).

Iufaa

> Antwort auf Beitrag vom: 25.07.2004 um 00:30:05


9) Re: Legitimationsbedürfnis
 Iufaa am 25.07.2004 um 10:24:35 - Anhang: ramses_II.JPG

Ansonsten habe ich hier noch zur Anregung der Diskussion einen kleinen Bildbeitrag.

Die Aufnahme stammt aus der Kapelle des Amuns aus dem Triple Shrine im Luxor-Tempel, linke Nische, und zeigt auf der Nischenrückwand Ramses II, auf den Seitenwände finden sich Darstellungen des Iunmutef.

Interessant ist der Bogen (siehe Pfeil) um das Ohr herum, vielleicht hilft der bei der Suche nach einem Legitimationsgrund weiter?

Iufaa

> Antwort auf Beitrag vom: 24.07.2004 um 22:39:08


10) Re: Legitimationsbedürfnis
Gitta am 25.07.2004 um 12:02:48

Hi Iufaa,


Zitat:
Als die Reliefs in Stein geschlagen wurden, sass er sicherlich längst fest im Sattel


Das ist zwar auch Spekulation, aber dann wäre es umso schlimmer, dass Ramses nicht primär erwähnt wird, sondern erst sekundär eingefügt wurde. Das gesamte Schlachtenrelief zeigt Kriegshandlungen Sethos' wohl vom 1. (Palästina) bis wohl zum 6. Regierungsjahr (Libyen). Wann das Relief nun entstanden ist, weiß ich nicht. Es gibt mehrere Möglichkeiten: nach dem 6. Regierungsjahr, sukzessive vom 1. Regierungsjahr an oder retrospektiv noch viel später. Was sagen P&M? Diese Ausgabe habe ich nicht.

@Irjnefer

Zitat:
Zu Hatschepsut: Etwaige subtile Frauenfeindlichkeit unter Ägyptologen finde ich nicht minder ätzend.


Ich auch. Nur sollte man nicht alles unter dem Rundumschlag "Frauenfeindlichkeit" abtun, sondern vielleicht doch anhand der Beleglage urteilen.


Zitat:
Ansonsten muß halt wenigstens den Worten nach Pharao immer der Sohn seines Vorgängers sein. - Nicht ?


Ja. Leider habe ich keine Kenntnis zum Inhalt der Untersuchungen des Chicago House, die Mehi als Bürgerlichen identifizieren - ebenso wenig wie ich Einblick habe in Unterlagen von Helck und Schlögl, die ihn scheinbar als ältesten Königssohn und somit als Thronfolger ansehen.

Gitta

> Antwort auf Beitrag vom: 25.07.2004 um 10:15:48


11) Re: Legitimationsbedürfnis
 Iufaa am 25.07.2004 um 13:09:27


Zitat:
Als die Reliefs in Stein geschlagen wurden, sass er sicherlich längst fest im Sattel

ne ne, Gitta, ich dachte an die Wand mit dem Geburtsmythos.

Iufaa

> Antwort auf Beitrag vom: 25.07.2004 um 12:02:48


12) Re: Legitimationsbedürfnis
Gitta am 25.07.2004 um 13:30:49

Achso. Weißt Du, von wann die Reliefs sind?
Gitta

> Antwort auf Beitrag vom: 25.07.2004 um 13:09:27


13) Re: Legitimationsbedürfnis
Gitta am 25.07.2004 um 13:47:29

Hi Iufaa,

ich habe mich nochmal auf die Suche begeben. Die "göttliche Zeugung/Geburt" ist im Sethos-Tempel in Qurna verzeichnet. Vielleicht hattest Du schon darauf hingewiesen und ich habe es überlesen. Hast Du eigentlich den DAI-Führer des Tempels (ich habe ihn leider nicht) und wenn ja, steht darin vielleicht eine Datierung, wann das Mammisi von Ramses II. errichtet wurde? CDN schreibt nämlich, dass eben dieses Mammisi für Ramses II. nicht im Verborgenen lag, sondern dass sie (Sethos I. eventuell, sicher aber Ramses II.) mit dieser Tradition brachen und "ein eigenes Heiligtum schufen, das neben dem Tempel für alle erkennbar ein unabhängiges Dasein führte". Interessant wäre für mich die Datierung deshalb, weil Ramses II. im 39. Jahr Bakenchons, einen zu der Zeit schon alten Mann von 60, zum Hohepriester des Amun und Nachfolger des Paser ernannte. Nun kann man natürlich auch wieder herrlich spekulieren, weshalb ein 60Jähriger dieses Amt erhielt. Vielleicht weil er ein alter Bekannter der Familie und Ramses daher treu ergeben war? Bakenchons erhielt seine erste (militärische) Ausbildung nach eigenen Angaben in seiner Biografie im Rekrutenstall Sethos' I.

Gitta

> Antwort auf Beitrag vom: 25.07.2004 um 13:30:49


14) Re: Legitimationsbedürfnis
 Iufaa am 25.07.2004 um 14:10:27

Nein Gitta,

aber das Haus der Millionen von Jahren des Ramses (Ramesseum) dürfte wohl kaum vor der Thronbesteigung begonnen worden sein. Lt. LÄ lassen sich darüber hinaus mind. 2 Planungen unterscheiden, denn der erste Plan umfasst noch einen älteren Doppeltempel, der von Sethi I. gegründet und von R. II restauriert worden ist - von diesem Tempel sind nur noch die Gründungsbeigaben erhalten.

Das Ganze setzt natürlich voraus, dass Brunner mit seiner Lokalisation recht hat, denn:
- es gibt nur einen Block aus dem ganzen Geburtszyklus (!), dieser passt lt. Brunner in die Szene 4 (Königin Tuja und Amun, getragen von Selket und Neith), und der Block trägt den Namen Ramses II;
- dieser Block befindet sich heute in einem (ptolemäischen) Anbau des kleinen Amun-Tempels von Medinet Habu - in diesem Tempel fanden sich zahlreiche Blöcke, die eindeutig aus dem Ramesseum entfernt worden sind;
- Brunner "lokalisiert" daher den Ort des Geburtsmythos ebenfalls in diesem Tempel.

Wann immer dieses Geburtszyklus in die Wand gemeißelt worden ist, an Pharao´s-Thronberechtigung dürfte da keiner mehr gezweifelt haben - ist natürlich nicht nachprüfbar.

Iufaa


> Antwort auf Beitrag vom: 25.07.2004 um 13:30:49


15) Re: Legitimationsbedürfnis
 naunakhte am 25.07.2004 um 14:16:10

Hallo Gitta,

WO lokalisiert CDN ein Mammisi im Sethostempel?

Ich suche nämlich noch immer  

nauna

> Antwort auf Beitrag vom: 25.07.2004 um 13:47:29


16) Re: Legitimationsbedürfnis
 Lutz am 25.07.2004 um 14:22:57

Hallo Iufaa,
Hallo zusammen,

Zitat:
Interessant ist der Bogen (siehe Pfeil) um das Ohr herum, vielleicht hilft der bei der Suche nach einem Legitimationsgrund weiter?

versteh ich jetzt nicht ... wieso sollte das Bild weiter helfen ?  

Sieht für mich aus wie Widdergehörn, Teil der Krone mit den hohen Federn.

Gruß, Lutz.

> Antwort auf Beitrag vom: 25.07.2004 um 10:24:35


17) Re: Legitimationsbedürfnis
 Iufaa am 25.07.2004 um 14:30:42

Hi Gitta,


Zitat:
Mammisi von Ramses II.
kann den Begriff Mammisi hier schon verwenden? Bis jetzt haben wir nur von Geburtszyklen gesprochen.

Gruss, Iufaa

> Antwort auf Beitrag vom: 25.07.2004 um 13:47:29


18) Re: Legitimationsbedürfnis
Gitta am 25.07.2004 um 14:59:31


Zitat:
kann den Begriff Mammisi hier schon verwenden?


CDN tut es jedenfalls

Gitta

> Antwort auf Beitrag vom: 25.07.2004 um 14:30:42


19) Re: Legitimationsbedürfnis
 Iufaa am 25.07.2004 um 15:32:28 - Anhang: Scannen0011.jpg

Hallo Gitta,

das LÄ unterscheidet hier deutlich zwischen den Geburtshäusern (Mammisi) in den späten Tempeln von Edfu, Dendera oder Philae und den Geburtslegende (letztere S. aus dem LÄ II hängt als Scan an). Auch wenn die Mammisi aus den Geburtslegenden bzw. -hallen in DeB oder Luxor-Temple hervorgegangen sein sollten, im Augenblick diskutieren wir über Legenden bei Hatschepsut, Amenhotep III und Ramses II.

Gruss, Iufaa

> Antwort auf Beitrag vom: 25.07.2004 um 14:59:31


20) Re: Legitimationsbedürfnis
Gitta am 25.07.2004 um 15:42:40

Eigentlich ist es mir egal, ob Mammisi oder nicht. Wichtig wäre für mich eigentlich eher, wann die "göttliche Zeugung/Geburt" des Ramses in Qurna anbebracht wurde - falls es darüber überhaupt Erkenntnisse gibt.

Gitta

> Antwort auf Beitrag vom: 25.07.2004 um 15:32:28


21) Re: Legitimationsbedürfnis
 Iufaa am 25.07.2004 um 15:54:35


Zitat:
falls es darüber überhaupt Erkenntnisse gibt.
wie gesagt, man hat nur den einen Block im kleinen Amun-Tempel in MH. Daraus lässt sich sicherlich kaum die ursprüngliche Position im Ramesseum identifizieren - und somit auch keine zeitliche Korrelation mit der Bauentwicklung herstellen.

Das ist aus meiner Sicht auch eher unerheblich, man darf nicht vergessen, wir haben mind. 3 Ausgaben einer Geburtslegende für einen Pharao, und nicht einer davon war ein schwacher Herrscher.

Iufaa






> Antwort auf Beitrag vom: 25.07.2004 um 15:42:40


22) Re: Legitimationsbedürfnis
Gitta am 25.07.2004 um 17:30:38 - Anhang: mammisi.jpg


Zitat:
nicht einer davon war ein schwacher Herrscher


Mit Schwäche hatte das m.E. nichts zu tun. Ich meine eher, dass irgendein Ereignis oder ein Fleck auf der weißen Weste dazu hätte führen können, das Königtum zu schwächen. Deshalb die ausdrückliche Bestätigung göttlicher Abstammung - entweder gegenüber einer Gruppe von Skeptikern oder - wie Du schon geschrieben hattest - in Erfüllung der Maat.

CDN schreibt tatsächlich folgendes:

Ramses II. ließ dieses erste baulich selbständige Mammisi, das seine göttliche Abstammung beschwor, im Norden der Säulenhalle seines "Tempels der Millionen Jahre" (nicht wie ich irrtümlich falsch gelesen hatte im Sethos-Komplex in Qurna) errichten. Diese Entdeckung konnte ich schon 1970 bei Forschungsarbeiten vor Ort machen. Sie sieht auch den ursprünglichen Ort der beiden MH-Blöcke dort.

Anbei zwei Seiten mit einem Foto und Um- bzw. Rekonstruktionszeichnungen. Das Fragment links unten, das CDN ebenso wie das rechts daneben im Schutt vor Ort gefunden haben will, ist textlich eindeutig: jr n-f m mnw-f n mwt-f ..."(Kartuschenrest Ramses) Er machte als sein Denkmal für seine Mutter..."

Nun kommt es darauf an, inwieweit man CDN folgen möchte und kann.

Gitta

> Antwort auf Beitrag vom: 25.07.2004 um 15:54:35


23) Re: Legitimationsbedürfnis
 Iufaa am 25.07.2004 um 18:09:49

Hi Gitta,

der Hinweis auf den Sethi I.-Tempel hat wohl nicht nur mich irritiert.
Im LÄ wird dieser Seitenbau im Ramesseum als Doppel- oder Stationstempel des Sethi I. bezeichnet, als alternative M. wird auch ein Tempel der Tuja nicht ausgeschlossen.
In jedem Falle steht es nicht, wie die späteren Mamisi, frei seitlich vor dem Haupttempel. Aber das ist sicher weniger wichtig.

Entscheidend ist für mich eine ganz andere Frage, wir haben 2 mehr oder weniger komplette und identische Geburtslegenden (Hatschepsut und Amenhotep III.), den Rest einer 3 (dieser Rest passt aber von der Szene her völlig in die beiden älteren; R. II).
Wenn Du auf einem Schrottplatz zwei komplette Modell vom Typ Golf findest, wirst Du diese auch als Golf ansprechen, wenn Du eindeutige Reste eines 3. Autos mit Herstelleremblem und Markenbezeichnung siehst, wirst Du auch hier ggf. einen "Golf" identifizieren. Je nach Kenntnisstand kann man dann ältere von jüngeren Modellen unterscheiden, ussw.. Aber ohne weitere Informationen kannst Du kaum Aussagen darüber machen können, warum sich die früheren Eigentümer für einen Golf entschieden haben.
Und genau die Information vermisse ich. Die "Argumentation" läuft doch nach dem Verfahren "Welchen Grund hätte ich aus meiner Sicht (wenn ich H., A. III, R. II gewesen wäre), mein Handeln rechtfertigen zu müssen". Dann fällt einem der ins 2. Glied geschobene Thutmosis III ein, ein Mehi - hatten wir schon jemand bei Amenhotep III? Wissen wir denn, dass das für die aÄ überhaupt ein Problem war?

Ich würde eher in eine andere Richtung spekulieren. Ich habe eine Darstellung von R. II aus dem Luxor-Tempel in die Diskussion eingebracht - anscheinend kann niemand was damit bzw. mit dem "Hörgerät" über dem Ohr des R.II anfangen.

Bei diesem Teil handelt es sich um ein Widdergehörn (siehe Amun!), also um ein Zeichen der Vergöttlichung des Ramses II (erinnersst Du Dich, Nauna, an Loebens Hinweis darauf?). Eine entsprechende Darstellung des vergöttlichten A. III muss es irgendwo im Luxor-Tempel geben.  
Was, wenn die Geburtslegende hierhin gehört?

Gruss, Iufaa

> Antwort auf Beitrag vom: 25.07.2004 um 17:30:38


24) Re: Legitimationsbedürfnis
Gitta am 25.07.2004 um 18:51:18

Hi Iufaa,


Zitat:
der Hinweis auf den Sethi I.-Tempel hat wohl nicht nur mich irritiert.


Tschuldigung
Zitat:
Was, wenn die Geburtslegende hierhin gehört?


Du meinst die beiden MH-Blöcke Ramses' II.? Könnte sein, aber eher unwahrscheinlich, dass sie über den Nil nach MH gelangt sind und warum? Baumaterial liegt im Ramesseum genug rum und das ist viel näher.


Zitat:
Wissen wir denn, dass das für die aÄ überhaupt ein Problem war?


Nein. Aber wir haben nun mal drei Geburtslegenden, die man natürlich - wie Irjnefer_d_J und wohl auch Brunner - so erklären kann


Zitat:
Die 'Geburtslegende' stammt aus dem Alten Reich. Vorher war Pharao als Horus der Sohn des Osiris, nun geht man in der Genealogie zurück und betrachtet ihn als Sohn (- alias direkten Nachkommen -) des Re. ( Ab MR: des Amun-Re. )


die aber auch mit einem Ausgleich von Unebenheiten in der Genealogie oder der Person erklärt werden können (Hatschepsut/Frau, Amenophis III./Thutmosis IV., Ramses II./Mehi). Das war es eigentlich, worauf ich hinaus wollte und weshalb ich nach Parallelen gesucht habe.

Gitta

> Antwort auf Beitrag vom: 25.07.2004 um 18:09:49


25) Re: Legitimationsbedürfnis
 Iufaa am 25.07.2004 um 19:04:18


Zitat:
Du meinst die beiden MH-Blöcke Ramses' II.? Könnte sein, aber eher unwahrscheinlich, dass sie über den Nil nach MH gelangt sind und warum? Baumaterial liegt im Ramesseum genug rum und das ist viel näher.

Nein, ich meine nicht, dass die Blöcke physikalisch nach Luxor gehören.

Ich spekuliere mal, dass die Geburtslegende im Zusammenhang mit der Vergöttlichung steht, nur A. III und R. II sind m.E.n. mit Widdergehörn dargestellt worden. Bei Hatschepsut kommen natürlich mit Amun-verknüpfte Symbole nicht in Frage, hier könnte eine "Wiedergeburt" als "neue Hathor" angedacht geweswen sein - und dazu passt auch ein Göttervater Amun.

Wie Du siehst, suche ich auch nach Gemeinsamheiten.

Iufaa

> Antwort auf Beitrag vom: 25.07.2004 um 18:51:18


26) Re: Legitimationsbedürfnis
Gitta am 25.07.2004 um 19:25:17


Zitat:
Ich spekuliere mal, dass die Geburtslegende im Zusammenhang mit der Vergöttlichung steht, nur A. III und R. II sind m.E.n. mit Widdergehörn dargestellt worden


Stimmt. Bei Ramses bin ich mir sicher. Bei Amenophis habe ich es noch nicht bemerkt, jedenfalls nicht bewusst. Dieser Kontext könnte stimmen.


Zitat:
Bei Hatschepsut kommen natürlich mit Amun-verknüpfte Symbole nicht in Frage, hier könnte eine "Wiedergeburt" als "neue Hathor" angedacht geweswen sein - und dazu passt auch ein Göttervater Amun.


Doch zur Vergöttlichung kam es dann nicht mehr. Ob das passt? Dazu gibt es doch bisher auch keinerlei Erkenntnisse. Jedenfalls nach meinem Dafürhalten. Du als "Hatschepsut-Biograph" wirst es aber sicher besser wissen.

Gitta

> Antwort auf Beitrag vom: 25.07.2004 um 19:04:18


27) Re: Legitimationsbedürfnis
jd_degreef am 25.07.2004 um 19:48:20

Hallo !

In den Häuser in Deir el-Medineh findet man in Vorraum ein Podium mit Vorstellungen von Bes und Thueris, augenscheinlich ein Geburtspodium. Würde man Kinder nicht eher in den meist privaten Zimmern, hinten im Haus gebären ? Kann man also nicht sagen das der Vorraum das "Mammisi" dieser Häuser ist ? Andere Zimmer besitzen auch Kultstrukturen (Statuennischen usw.), die Häuser sie sind wie Tempel ausgestattet. "Geburtstempel" bestünden also schon im NR ?

MfG,

JD

> Antwort auf Beitrag vom: 25.07.2004 um 19:25:17


28) Re: Legitimationsbedürfnis
 naunakhte am 25.07.2004 um 19:57:17

Hallo jd degreef,

man geht aber allgemein davon aus dass Geburten in der sogenannten "Wochenlaube" stattfanden.

In einem ausserhalb des Hauses errichteten Pavillon.  Es gibt wohl auch Darstellungen auf Ostraca davon.

nauna

> Antwort auf Beitrag vom: 25.07.2004 um 19:48:20


29) Re: Legitimationsbedürfnis
 Iufaa am 25.07.2004 um 20:03:48


Zitat:
Doch zur Vergöttlichung kam es dann nicht mehr. Ob das passt? Dazu gibt es doch bisher auch keinerlei Erkenntnisse.

Ein nicht ganz unbekannter Ägyptologe aus dem poln. Team, dass dort oben seit längerem "buddelt", erklärte mir mal bei einem mitternächtlichen Tee im Büro des Direktor des SCA, "er hätte so das Gefühl, als würde die Hathor-Kapelle auf die Vergöttlichung der H. und deren Wiedergeburt als Hathor hinzielen; er könne sich die Dekoration der Kapelle, bei der nicht Hathor sondern Hatschepsut im Zentrum stünde, nicht anders erklären - aber das würde er nie publizieren, da würde er nur Prügel beziehen."

Iufaa


> Antwort auf Beitrag vom: 25.07.2004 um 19:25:17


30) Re: Legitimationsbedürfnis
 Lutz am 25.07.2004 um 20:34:29

Hallo Iufaa,
Hallo zusammen,

Zitat:
Ich habe eine Darstellung von R. II aus dem Luxor-Tempel in die Diskussion eingebracht - anscheinend kann niemand was damit bzw. mit dem "Hörgerät" über dem Ohr des R.II anfangen.

anscheinend liest Du meine Beiträge nicht !  

Ich vermute eine ähnliche Krone trägt Neb-Maat-Ra im Vorraum zum Allerheiligsten des Luxortempels ... müssen wir im November mal suchen.

Ich finde die Erklärung aus dem LÄ doch eigentlich ganz plausiebel :

"Der Mythos erklärt die göttlich-menschliche Doppelnatur des Pharao durch den göttlichen Vater und die menschliche Mutter."

Es handelt sich also um eine standardisierte Darstellung Pharaos (wie das Erschlagen der Feinde) und dient keinerlei Legitimation niemandem gegenüber. Man versucht lediglich die Ursache für seine Doppelnatur zu erklären.
Entsprechende Darstellungen für die anderen Herrscher sind nicht erhalten geblieben.

Gruß, Lutz.

> Antwort auf Beitrag vom: 25.07.2004 um 18:09:49


31) Re: Legitimationsbedürfnis
 Iufaa am 25.07.2004 um 20:42:19

Hi Lutz,

den hab ich tatsächlich übersehen, immer den falschen Zweig gewählt.

Kennst Du andere Herrscherdarstellungen (ausser A. III, die wir wirklich suchen müssen)?

Gruss, Iufaa

> Antwort auf Beitrag vom: 25.07.2004 um 20:34:29


32) Re: Legitimationsbedürfnis
 Lutz am 25.07.2004 um 20:53:20

Hallo Iufaa,
Hallo zusammen,

Zitat:
Kennst Du andere Herrscherdarstellungen (ausser A. III, die wir wirklich suchen müssen)?

wenn ich das richtig sehe gehören die Darstellungen zum Bildprogramm der Millionen-Jahre-Häuser. Die meißten sind dummerweise platt gemacht worden ...  

Gibt`s in Medinet Habu vergleichbares ?

Gruß, Lutz.


> Antwort auf Beitrag vom: 25.07.2004 um 20:42:19


33) Re: Legitimationsbedürfnis
 naunakhte am 25.07.2004 um 23:09:31

Hallo Gitta,


Zitat:
Nun kommt es darauf an, inwieweit man CDN folgen möchte und kann.


Das Gebäude wird bei Schmidt/Willeitner: Nefertari behandelt.

Es ist dem Grundriss nach ein Doppeltempel und steht nach Aussage der Autoren auf einem älteren Doppeltempel der Zeit Sethos I.
Im Artikel wird die Möglichkeit eines Totentetmpels für die Mutter Ramses II Mut-Tuy und für Nefertari angesprochen.
Der Behauptung CDN es als Mamissi zu sehen stellt er die Frage entgegen: warum es ein Doppeltempel sei.

Dies würde mich auch stören. Mir fiele da nämlich erstmal keine Erklärungzu ein.

Gruß
nauna


> Antwort auf Beitrag vom: 25.07.2004 um 17:30:38


34) Re: Legitimationsbedürfnis
 Gast_A. am 26.07.2004 um 02:20:58

Hallo

@Gitta:

Zitat:
Interessant wäre für mich die Datierung deshalb, weil Ramses II. im 39. Jahr Bakenchons, einen zu der Zeit schon alten Mann von 60, zum Hohepriester des Amun und Nachfolger des Paser ernannte. Nun kann man natürlich auch wieder herrlich spekulieren, weshalb ein 60Jähriger dieses Amt erhielt. Vielleicht weil er ein alter Bekannter der Familie und Ramses daher treu ergeben war? Bakenchons erhielt seine erste (militärische) Ausbildung nach eigenen Angaben in seiner Biografie im Rekrutenstall Sethos' I.


zu diesem Beitrag hab ich meine überschaubare Anzahl Hirnzellen gemartert. Leider konnten sie mir bislang keinen logischen Zusammenhang zwischen a) der Datierung des Tempels und b) der Laufbahn des Bakenchons I. vermelden... vermutlich sitzen sie (die Hirnzellen) gerade alle auf einer dicken Leitung...
Bitte um Aufklärung,

@Jd Degreef:

Zitat:
In den Häuser in Deir el-Medineh findet man in Vorraum ein Podium mit Vorstellungen von Bes und Thueris, augenscheinlich ein Geburtspodium. Würde man Kinder nicht eher in den meist privaten Zimmern, hinten im Haus gebären ? Kann man also nicht sagen das der Vorraum das "Mammisi" dieser Häuser ist ? Andere Zimmer besitzen auch Kultstrukturen (Statuennischen usw.), die Häuser sie sind wie Tempel ausgestattet. "Geburtstempel" bestünden also schon im NR ?


Die Interpretation als „Gebärliege“ oder „Kinderbett“ geht auf den Ausgräber von Deir el-Medine B. Bruyère zurück, der in erster Linie Ausgräber war (leider nicht mal ein besonders guter) und von ägyptischer Religion und Kultpraxis keine wirklich fundierte Ahnung hatte (s. B. Bryère, Les Fouilles de Deir el Médineh (1934-1935), FIFAO 16, Le Caire 1939; von diesem „lits clos“ genannt). Bruyères These basiert auf seiner Analogie zwischen den sogenannten Meschenet-Geburtsziegeln in den Mammisi der Spätzeit und der Form des Podestes in den Häusern von Deir el-Medine. Also eine rein phänomenologisch begründete Interpretation, die jeglicher direkter Beweise entbehrt...
Für Erwachsene sind die „Liegen“ definitiv zu klein und in ihren Maßen zu uneinheitlich um wirklich als Betten interpretiert werden zu können. Auch ist der Zugang über eine schmale Rampe oder eine eine Leiter wohl kaum für Schwangere geeignet. Der Aufstellungsort im ersten Raum legt ebenfalls eine andere Ausdeutung nahe (die Schlaf- und Privaträume liegen sonst IMMER im hintersten Wohnteil und die Unterbringung von Säuglingen oder Schwangeren in Räumen, die tagsüber der Hitze und nachts der Kälte ausgesetzt waren ist kaum sinnvoll).
Aus Tell el-Amarna kennen wir im Bereich der Arbeitersiedlungen in den Vorräumen ähnliche Installationen, die als Aufstellungsständer für Stelen oder Kultgegenstände interpretiert werden, da sie nur als schmale pilasterartige und kaum tragfähige Podeste gearbeitet sind.
Das erste Zimmer als „Mammisi“ zu deuten halte ich für sehr gewagt. Viel mehr könnte ich mir vorstellen, dass es sich bei den Podesten um Ständer für Stelen, Kultbilder oder -geräte  handeln könnte, die von den – als wab-Priester agierenden – Schreibern aus Deir el-Medine für den täglichen Kult bei sich zuhaue aufbewahrt wurden. Das „wöchentliche“ Dekadenfestgeschehen fand dagegen ja in den lokalen Kapellen statt. Die Dekorationsmotive der Podeste sind generell apotropäisch (Musik/Tanz, Bes- und Thoeris-Figuren) und würden somit in jeden kultischen Kontext passen. Der gegen Dämonen gerichtete Schutz des Kultbildes im Haus des Wab-Priesters scheint mir jedenfalls akzeptabler als die Vorstellung einer dort leidenden Wöchnerin oder eines plärrenden Säuglings!
Interessanterweise finden wir ganz ähnliche Konstruktionen in der sogenannten „village du col“,die als Weg- und Kontrollstation zum Tal der Könige oberhalb von Deir el-Medineh installiert war. Auch hier sind „Liegen“ zu finden, die aber definitiv nicht zum Schlafen zu gebrauchen sind (auch hier stammt die Interpretation als „Lehmziegelbett“ von Bruyère ; vgl. op.cit, S. 9); die Größe der Konstruktionen sowie die Verteilung in den Häusern spricht klar dagegen. Zusammen mit den dort gefundenen Ahnenkultgegenständen deutet auch hier einiges eher darauf hin, in den „Liegen“ der „village du col“ Ständer oder Podeste für mitgeführtes Kultgerät zu sehen. Denn die Arbeiter haben in der „village du col“ wohl öfter längere Aufenthalte eingelegt, was dann eben die Mitnahme von Kultstatuen oder –geräten bedingte. Die „village du col“ besaß ja eigene Kapellen und Schreine, vor denen zu Festtagen ebenfalls größere Kultaktivitäten stattgefunden haben dürften.

Gruss A.

> Antwort auf Beitrag vom: 25.07.2004 um 19:48:20


35) Re: Legitimationsbedürfnis
jd_degreef am 26.07.2004 um 07:45:12

Liebe Naunakhte und Gast_A,

Vielen Dank für die interessanten Daten !

Naunakhte, wo sollten die "Wochenlauben" den gestünden haben ? Außer den Häuser gab es in Deir el-Medineh nur die schmalen Strassen ! Auf die Dächer ?

Gast_A, bei der kauernder Haltung des Gebären könnten die Strukturen im Vorzimmer wohl für den Geburt gedient haben. Aber ihre Anwesenheit im "village du col" deutet wie Sie schreiben auf eine andere Rolle. Ihre Dekoration ist nicht nur apotropäisch : die nackte Flötenspielerin auf solch ein Podium deutet auf etwas anderes, vielleicht einen Fruchtbarkeitskult. Könnte dies ein xtjw des Min oder Amun Kamutef sein, wo er sich selbst mit seiner Mutter erzeugt ?

MfG,

JD

> Antwort auf Beitrag vom: 26.07.2004 um 02:20:58


36) Re: Legitimationsbedürfnis
 Gast_A. am 26.07.2004 um 09:40:24

Hallo Jd Degreef!

Zitat:
Ihre Dekoration ist nicht nur apotropäisch : die nackte Flötenspielerin auf solch ein Podium deutet auf etwas anderes, vielleicht einen Fruchtbarkeitskult.


Das ist eine moderne Problematik wie WIR die Kategorien Musik/Tanz inhaltlich und mythologisch besetzen. Für uns kommt aus modernen Erfahrungen heraus kaum in Betracht, dass Musik apotropäisch wirksam sein könnte, daher klammern wir gern diese Inhalte aus dem Bedeutungsfeld „Schutzrituale/-zauber“ etc. ohne echte Begründung aus. Aus ägyptischen Quellen ist aber sehr wohl bekannt, dass Musik und Tanz zentraler Bestandteil apotropäischer Rituale war. Erinnern wir uns auch an die Situation im Sinuhe, in der der König durch das normenwidrige Verhalten Sinuhes bei dessen Rückkehr zum Hof so aufgebracht wird, dass sein Machtpotential Unglück zu bewirken droht... die Prinzessinnen beginnen als Hathoren zu Musizieren und wehren so die bedrohliche Situation ab indem sie den Herrscher beruhigen. Auch begegnet im Mythem der Schöpfungssituation in der die Welt von Dämonen bedroht wird, während Isis den Horusknaben im Papyrusdickicht aufzieht, Musik und Tanz als Schutzmittel vor den Schöpfungsfeinden. Auch hier sei etwa an die als Klappern, Schlaghölzer und „magischen Messer“ gedacht auf denen ja solche Dämonen der Schöpfungssituation (u.a. Bes- und Thoeris-Dämonen) festgehalten sind...

Die tanzenden Mädchen auf den „lits clos“ sollten also wegen unserer modernen Assoziation zu Sex/Erotik nicht vorab aus der Kategorie „Apotropaia“ ausgeschlossen werden. Der Bezug zu den Hathoren legt eine Schutzfunktion sehr nahe.

Gruss A.

> Antwort auf Beitrag vom: 26.07.2004 um 07:45:12


37) Re: Legitimationsbedürfnis
 Gast_A. am 26.07.2004 um 10:07:11

...nochmals ein Kommentar zur Frage der Lokalisierung von Wochenlauben:

Die gesellschaftliche Isolierung von Schwangeren, Gebärenden und Frauen während der Menstruation ist ein völlig übliches kulturelles Muster. Auch in Deir el-Medine gibt es Hinweise hierauf. Allerdings extrem spärlich und bislang kaum aufgearbeitet. Eine interessante Ausnahme, die interessante Einblicke eröffnet ist die Studie von Terry G. Wilfong (Menstrual Synchrony and the "Place of Women" in Ancient Egypt (OIM 13512), in: E. Teeter und E.F. Wente, [Hrsg.], Gold of Praise, Studies on Ancient Egypt in Honor of Edward F. Wente (Fs Wente), Chicago 1999, S. 419 – 34). Hierin wird das Toponym s.t-Hmw.t („Ort der Frauen“) untersucht. Dabei kommt Wilfong zu dem Ergebnis, dass es sich um einen ausserhalb Deir el-Medines gelegenen Platz handelt, an dem sich die Frauen monatlich während der „unreinen Phase“ aufhielten. Bemerkenswert ist weiterhin das auch heutzutage wissenschaftlich dokumentierte Phänomen, dass Frauengruppen dazu tendieren, sich in den Daten ihrer Periode aneinander „anzugleichen“. Dies geht aus den Datumsangaben in den untersuchten Quellen hervor, die hierin Regelmäßigkeiten erkennen lassen.
Zur Lage der Wochenlauben ist nichts bekannt. Sie dürften ausserhalb der Siedlung, aber wohl in direkter Umgebung zu lokalisieren sein, da ja der Bewegungsspielraum der Bewohner von Deir el-Medine stark eingeschränkt war.
Leider ein sehr spärlich beackertes Forschungsfeld...

Gruss A.

> Antwort auf Beitrag vom: 26.07.2004 um 07:45:12


38) Re: Legitimationsbedürfnis
 naunakhte am 26.07.2004 um 10:13:40 - Anhang: Wochenlaube.jpg

Hallo Gast A,

da warst du schneller. Ich war noch am suchen.

bleibt mir nur ein Bild nachzutragen und den "älteren" Kommentar: Wochenlauben stünden im Hof oder auf dem Dach.

Damit konnte ich mich allerdings nie so recht anfreunden.
Ich würde sie gerne im Fruchtland, oder dessen Nähe ansiedeln. Einmal wegen der symbolischen Wirkung der Fruchtbarkeit und zweitens sind auf den Darstellungen sogenannter Wochenlauben immer Pflanzen dabei. Irgendwie stelle ich mir einen bewachsenen Pavillon vor.


Gruß
nauna

> Antwort auf Beitrag vom: 26.07.2004 um 10:07:11


39) Re: Legitimationsbedürfnis
jd_degreef am 26.07.2004 um 12:08:55

Hallo Gast_A und Naunakhte,

Die Sache wird immer interessanter ! Passt aber wohl nicht in der Diskussion über dem Legitimationsbedürfnis... (die Administratoren sollten dies vielleicht in einer neuen Diskussion unterbringen ?).

Nach DESROCHES-NOBLECOURT, Amours et fureurs de la Lointaine, Paris, 1996, S. 105-107 habe ich immer geglaubt die Menat wäre die stilisierte Figur einer nackten Frau, m.M.n. zum sexuellen Aufregen des Gottes / Königs während seiner Hierogamie (s. Heb Sed Podium mit König, Maat und Königin bei Cheruef, auch mit Prinzessinnen). Und jetzt schreiben Sie, Gast_A, über einem Beruhigen desselben (bei Sinuhe). Könnte es da keine andere Erklärung geben ? Sinuhe's Wörter oder seine Wiederkehr zur Orthodoxie fördern die Maat, sie sind ein Zeichen der Macht des Königs, und das Benehmen der Prinzessinnen ein Zeugnis der Potenz und der Macht von Sesostris I ? Wie sie auch die Potenz des Königs andeuten bei anderen Szenen auf den Podium, d.H. auf ein Abbild des Urhügels, und in anderen Schöpfungsvorstellungen.
Die Windeblätter auf das von Naunacht gezeigte Bild des Frauenortes sind dieselbe wie auf den "lit clos" mit der flötenspielenden* Tänzerin. Sie sind aber nicht spezifisch : man findet sie auch in der Nähe des Thrones des Osiris, ein Gott der eher aufgeregt als beruhigt werden sollte ! Ich habe doch das Gefühl das der "lit clos" etwas mit den späteren Mammisi-Tempeln zu tun hat, selbst wenn seine Anwesenheit im "village du col" zeigt das er nicht für die Geburt von realen Kindern benützt wurde. Könnte aber für die Geburt eines Gottes wie Amun bestimmt sein : s. z. B. das hathorische bA.t Objekt auf das Podium des Min, 6. Dyn., aus Koptos (L'Art égyptien au temps des pyramides, Ausstellungskatalog, Paris, 1999, S. 350).

Ich wundere mich ob zwischen dem zeltförmigen Ort der Frauen (s.t Hm.wt) und das Zelt der Frauen (zH n Hm.wt) des Begräbnisrituals (SETTGAST, Untersuchungen zu altägyptischen Bestattungsdarstellungen, 1963, S. 50-51) eine Beziehung bestehen könnte. Dies könnte dann ein Proto-Mammisi sein, was in solch archaischen Szenen sehr interessant sein würde, und die Existenz des Mammisi in sehr alten Zeit anzeigen könnte.

Dies alles natürlich für wen Spekulatius liebt...

MfG,

JD

*Flötenspiel > Ernteszenen > Minfest !

> Antwort auf Beitrag vom: 26.07.2004 um 10:13:40


40) Re: Legitimationsbedürfnis
jd_degreef am 26.07.2004 um 15:15:06

PS:

habe den Sinuhe Text nachgelesen : es scheint als ob die Königskinder die verschiedenen Phasen des Schöpfungsrituals erwähnen : die Göttin gibt dem König das Leben (seine Wiedergeburt) ; die Hierogamie zwischen den Beiden (Potenz erneut) ; der König hat die Welt in seiner Macht (Kraft erneut). Jetzt herrscht Friede, er braucht den im Totesangst verkehrenden Sinuhe nicht zu schädigen.

Es fällt nicht leicht zu sagen worauf, auf welche Phase sich das erotische Schütteln der mnj.wt und der Sistra bezieht : die letztendliche Besänftigung des Herrschers oder die Steigerung seiner Potenz am Anfang des Rituals ? Der Tanz vor der wütenden Fernen Göttin dient zu ihrer Besänftigung, jedoch in einem anderen Kontext..

Gibt es Beispiele aus dem NR von Tempelteilen die von Bes- oder Thuerisabbildungen beschützt werden (oder von Tänzerinnen) ?

JD

> Antwort auf Beitrag vom: 26.07.2004 um 12:08:55


41) Re: Legitimationsbedürfnis
 Iufaa am 26.07.2004 um 18:19:36 - Anhang: Gundlach_Tempelfeste_und_Etappen__der_Koenigsherrschaft.pdf

Hallo an alle Mitstreiter,

damit der Diskussionsspielplatz oder war das - raum   nicht zu eng wird, anbei mehrere Seiten einer Spielanleitung.

An dieses grundlegende Werk hat mich natürlich Michael T. erinnert und auch drauf aufmerksam gemacht, dass es sich irgendwo auf meinem Bodenarchiv befinden müsste.

Das ist schon sehr bedenklich.

Ein tief besorgter Iufaa

> Antwort auf Beitrag vom: 25.07.2004 um 20:03:48


42) Re: Legitimationsbedürfnis
Gitta am 26.07.2004 um 20:44:09

Und gleich nochmal Danke, an Iufaa

Damit kann ich ja meine Aufsatz-/Literatursammelleidenschaft heute mal so richtig ausleben (habe die Anhänge umgehend runtergezogen)

Gitta

PS: Du kannst Dir vorstellen, dass ich Gundlachs Artikel seeehr interessant finde

> Antwort auf Beitrag vom: 26.07.2004 um 18:19:36


43) Re: Legitimationsbedürfnis
Gitta am 26.07.2004 um 21:31:52


Zitat:
zu diesem Beitrag hab ich meine überschaubare Anzahl Hirnzellen gemartert. Leider konnten sie mir bislang keinen logischen Zusammenhang zwischen a) der Datierung des Tempels und b) der Laufbahn des Bakenchons I. vermelden... vermutlich sitzen sie (die Hirnzellen) gerade alle auf einer dicken Leitung...
Bitte um Aufklärung,


Ich will gern versuchen, meine verschlungenen Gedankengänge zu erklären:

Ich wollte ja ergründen, ob die Geburtslegenden nicht auch ganz profane Hintergründe haben. Ich war deshalb darauf aus zu erfahren, ob sich nachstehende Ereignisse zeitlich verknüpfen lässt:

1. Die Errichtung des "Nebentempels" am Ramesseum, den CDN für ein Mammisi hält, und damit die Anbringung der Szene, die sich jetzt verbaut in MH befindet und die - jedenfalls ist das wegen der Nähe ziemlich wahrscheinlich - von dort stammen könnte.

2. Die Einsetzung des für ägyptische Verhältnisse mit 60 uralten Bakenchons (auch wenn er selbst 110 werden wollte und es fast geschafft hat) als loyalen Hohepriester des Amun.

3. Die "Usurpation" der Darstellung des Mehi in Karnak durch Ramses II.

Gitta
(alias Hercul(ine) Poirot)

> Antwort auf Beitrag vom: 26.07.2004 um 02:20:58


44) Re: Legitimationsbedürfnis
 Gast_A. am 27.07.2004 um 04:13:48 - Anhang: Altenmueller_Geburtsschrein_und_Geburtshaus.pdf

Hallo!

Seiner Vorstellung entsprechend, dass die Geburtsmythen v.a. in die jenseitige Dimension wirkten (Regenerationsthematik – entsprechend auch die Anbringung in Millionenjahrhäusern) und aus der „Bettenszene“ des Alten Reichs entstanden sind (vgl. H. Altenmüller, Auferstehungsritual und Geburtsmythos, in: SAK 24 [1997], S. 1-21), interpretiert Altenmüller im beiliegenden Beitrag (pdf-Format) eine interessante Inschrift Amenemhets II. (bei der Lektüre sollte man sich daran erinnern, dass bereits L. Borchardt daran dachte, die späten Geburtshäuser als steinerne Umsetzung hölzerner Zelt- und Pavillionkonstruktionen zu interpretieren).
Der Text dürfte für die hier geführte Debatte nicht unerheblich sein, spricht er doch recht deutlich für die These, dass Geburtsmythen in Verbindung mit dafür vorgesehenen architektonischen Installationen an königlichen Tempelbezirken seit frühester Zeit wohl die Norm waren und in ihren erhaltenen Einzelbelegen des Neuen Reiches nicht überinterpretiert werden sollten.

Gruss A.

P.S.:

Zitat:
Hast Du eigentlich den DAI-Führer des Tempels (ich habe ihn leider nicht) und wenn ja, steht darin vielleicht eine Datierung, wann das Mammisi von Ramses II. errichtet wurde? CDN schreibt nämlich, dass eben dieses Mammisi für Ramses II. nicht im Verborgenen lag, sondern dass sie (Sethos I. eventuell, sicher aber Ramses II.) mit dieser Tradition brachen und "ein eigenes Heiligtum schufen, das neben dem Tempel für alle erkennbar ein unabhängiges Dasein führte".


Zitat:
Nein Gitta, aber das Haus der Millionen von Jahren des Ramses (Ramesseum) dürfte wohl kaum vor der Thronbesteigung begonnen worden sein. Lt. LÄ lassen sich darüber hinaus mind. 2 Planungen unterscheiden, denn der erste Plan umfasst noch einen älteren Doppeltempel, der von Sethi I. gegründet und von R. II restauriert worden ist - von diesem Tempel sind nur noch die Gründungsbeigaben erhalten.


Zitat:
Ramses II. ließ dieses erste baulich selbständige Mammisi, das seine göttliche Abstammung beschwor, im Norden der Säulenhalle seines "Tempels der Millionen Jahre" errichten.

Die Deutung des Nebentempels vom Ramesseum als „Mammisi“ durch CDN (vgl. hierzu ihren ausführlichen Aufsatz in: Le Mammisi de Ramsès au Ramesseum, in: Memnonia I [1990/1991], S. 25-46) ist m.E. problematisch. Die „Reliefzyklen“ die das Thema der göttlichen Geburt thematisieren sollen beschränken sich auf EIN FRAGMENT´(der Prinz Ramses wird von Amun der Hathor präsentiert, die diesem das Menat reicht)!

Für Mammisis ist einerseits der Grundriss des sogenannten Peripteraltempels (also ein Tempel mit äußerem Säulenumgang; „Ambulatorium“), andererseits die Knickachse , bei der das Geburtshaus senkrecht auf die Achse des Haupttempels ausgerichtet ist, charakteristisch. Beides finden wir hier nicht. Auch ist, wie in den obigen Beiträgen schon kritisiert, sonst kein Geburtshaus belegt, das zwei Achsen aufweist – vielmehr ist es immer ein Einsanktuar-Tempel. Wenn man nun der sinnvollen Argumentation Altenmüllers folgt und davon ausgeht, dass die einfache Zelt-/Stangenkonstruktion des Geburtsschreine des AR und MR (s.o.) im Mammisi in Stein umgesetzt worden sei (was bei den ptolemäischen Bauten ja durchaus nachvollziehbar ist) so würde es wundern, dass Ramses II. diese Holzbauten nicht zum Vorbild nimmt, obwohl er doch zeitlich viel näher an den ursprünglichen Konstruktionen dran war als die Ptolemäer.
...

> Antwort auf Beitrag vom: 26.07.2004 um 21:31:52


45) Re: Legitimationsbedürfnis
 Gast_A. am 27.07.2004 um 04:17:02

...
Der Beginn der Dekorationsarbeiten am „Mammisi“ ist anhand der Kartuschenreste Ramses’ II. recht sicher VOR dessen 21. Jahr anzusetzen. Diese Aussage ist dank K.A. Kitchen (K.A. KITCHEN, Aspects of Ramesside Egypt, in: Acts of the 1st International Congress of Egyptology, Kairo, 1976, S. 383-89) möglich, der feststellen konnte, dass in Oberägypten und Nubien der Name Ramses’ II. BIS zum 20. Jahr mit zwei „Riegel-S“ (Gardiner O34) notiert wurde, DANACH mit „s+sw“ (S29+M23). Ein Hathorkapitell trägt nun eine Kartusche des frühen Typs (s. CDN, op.cit, S. 40). Andere Fragmente (S. 31) weisen dagegen den späten Namen auf. Da nicht anzunehmen ist, dass an der Dekoration des kleinen Tempels mehr als 21 Jahre durchgearbeitet wurde, kommt wohl nur die Überlegung in Betracht, dass die Anlage kurz VOR dem Wechsel von der „alten“ zur „neuen“ Kartuschenform  und noch etwas länger ausgeschmückt wurde. Nur so wäre das Nebeneinander beider Kartuschentypen m.E. sinnvoll zu erklären.
Dass Ramses II. also kurz vor oder NACH dem 20. Regierungsjahr das „Mammisi“ mit eigenen Texten ausschmücken ließ, spricht wohl klar gegen eine Funktion des Baus als innerpolitischer Propagandaträger. Genealogisch bedingte Legitimationsprobleme dürften nach 2 Jahrzehnten (gerade in der Zeit des Friedensvertrages und des florierenden Aussenpolitik) nur noch bedingt von Relevanz gewesen sein.

Berücksichtigt man dagegen die durch die Kartuschen gegebene Datierungsspanne und bedenkt dann, dass im 22. Jahr Ramses’ II. seine Mutter Tuja und im 25. Jahr Nofretete stirbt (beide auf Blöcken des „Mammisis“ genannt), so fällt doch dies alles (Dekoration, Tod der Mutter, Tod der Gemahlin) auffälligerweise in einen sehr eng begrenzten Zeithorizont. Die Kombination der frühen Kartuschenform (bis Jahr 20) mit dem Namen der Tuja (Mutter Ramses’ II. – bis Jahr 22) auf besagtem Hathorkapitell belegt klar, dass es sich NICHT um eine posthume Kultstätte handeln kann, sondern die Mutter zu Lebzeiten in dem Tempel eine kultische Verehrung erfuhr. Die Aussage eines Fragments mit der späten Kartusche Ramses’ II. „ir.t m-mnw=f n-mw.t=f“ „gemacht als Denkmal für (an?) seine Mutter“ ist also nicht so zu verstehen, dass der Bau zur ERINNERUNG erst nach dem Tod der Mutter ausgeführt wurde. Vielmehr war er bereits zu Lebzeiten der Mutter errichtet worden.
Da Nefertari ja im 25. Jahr stirbt ist zu überlegen, ob die Nennung ihres Namens dagegen posthum erfolgte (die Hathorsäulenfragmente ihres Bezirkes nennen ausschließlich den Thronnamen Ramses’ II. und geben somit keine Datierungshilfe).
Die von Anfang an doppelachsig konzipierte Anlage spricht wohl eindeutig für die Überlegung, dass auch Nefertari hier zu Lebzeiten einen Kult als „Große Königliche Gemahlin“ genoss. Die Dekoration dürfte also vermutlich bis zum 25. Regierungsjahr Ramses’ II. abgeschlossen worden sein.
Auch die klare Aufteilung zwischen dem Tuja-Bereich mit dem Geburtsnamen des Königs und dem Nefertari-Bereich mit dem Thronnamen weist auf ein zugrundeliegendes und einheitliches Gesamtkonzept hin (übrigens eine sehr interessante Kartuschenverteilung, die vielleicht einiges über die Funktion der beiden Damen aussagt), das nahelegt, dass der Bau in kurzer Zeit geplant und ausgeführt/dekoriert wurde. Ramses II. errichtete den Tempel also nicht erst für die verstorbene Mutter und dann für die tote Gemahlin! Beide erhielten nebeneinander während ihres gemeinsamen Daseins unter den Lebenden in dem Tempel einen Kult.

Die Bezeichnung als „Mammisi“ ist m.M.n. mißverständlich, da dieser spezielle Gebäudetyp architektonisch wie funktional von den Ägyptologen wie von den alten Ägyptern recht klar definiert wurde. CDN nennt den Tempel selbst einmal „temple des Dames Royales“ (Tempel der königlichen Damen). Damit könnte ich schon eher leben. Was für ein spezieller Kult in dem Annextempel ausgeübt wurde läßt sich bei der spärlichen Deko nicht rekonstruieren (entsprechend der Hathor- und Mut-Rolle der Königsmutter bzw. der kgl. Gemahlin ist wohl mit entsprechenden Riten zu rechnen – vgl. die zitierte Szene mit Ramses als Kind zusammen mit Amun und Hathor. Eventuell wurden hier ja Riten vollzogen, die denen der späteren Mammisis ähnelten).
Auf mich wirkt der Bau eher wie ein Ahnen und Familienkulttempel. CDN unterscheidet nämlich 5 Thementypen, die in dem Bau durch Dekorfragmente belegt sind:
1. Hathorpfeiler; 2. „offizielle“ Darstellungen Ramses’ II. mit seiner Mutter und seiner Gemahlin vor diversen Göttern; 3. Theogamie; 4. Prinzen/Prinzessinnenparade (Kinder von Tuja und Nefertari in Kolonnen abgebildet); 5. Fragmente mit Darstellungen und Nennung der ELTERN der Tuja (!).
Einen solchen Kult mit dem Millionenjahrhaus zu assoziieren ist wohl nur logisch, wurde doch an den sogenannten Totentempeln v.a. zu Lebzeiten eines Pharao der Erneuerungskult sowie die Ahnenanbindung für den Herrscher und dessen Familie praktiziert.

Sorry, ein etwas langes „P.S.“

> Antwort auf Beitrag vom: 27.07.2004 um 04:13:48


46) Re: Legitimationsbedürfnis
Gitta am 27.07.2004 um 21:31:49 - Anhang: geburt2.jpg

Hallo A,

zunächst einmal ganz herzlichen Dank für Deine Ausführungen. Soviel Mühe wollte ich eigentlich niemandem zumuten mit meinen Fragen. Und sich bei Datierungen einmal mit Namensschreibungen (hier Ramses II.) zu befassen, darauf bin ich nicht gekommen. Habe also mal wieder etwas dazugelernt und werde es mir merken, wenn ich mich auf das nächste Glatteis begebe .


Zitat:
Die „Reliefzyklen“ die das Thema der göttlichen Geburt thematisieren sollen beschränken sich auf EIN FRAGMENT´(der Prinz Ramses wird von Amun der Hathor präsentiert, die diesem das Menat reicht)!


Das ist glaub ich nicht ganz richtig (siehe Abbildung - aus CDN "Ramses"), sofern wir beide den gleich Block meinen.

Altenmüller scheint aber auch nicht abgeneigt, sowohl bei Hatschepsut als auch bei Ramses II. Vorläufer der Mammisi der Ptolemäer zu sehen.

Ein Passus seines Artikels hat mich verwirrt:

Die ursprüngliche Bedeutung der Geburtsschreine erschließt sich aus der "Geburt des Gottkönigs". Das mit diesem Ereignis verbundene Ritual dient dem Nachweis der Göttlichkeit des regierenden Königs. Ort der Handlung ist der Totentempel, weil dort die Göttlichkeit des Königs frühzeitig und nach aussen hin dargestellt werden kann.

Was ist mit "nach aussen hin" gemeint und wieso frühzeitig?

Altenmüller erwähnt ein Stückchen weiter unten den "Dramatischen Ramessuempapyrus", der ja nach bisheriger Meinung Hebsed-Rituale/-Abläufe o.ä. beinhaltet. Dazu vielleicht eine Anmerkung: Joachim Quack arbeitet an einer Neubearbeitung des Textes. Auf der SÄK ließ er verlauten, dass es sich dabei seines Erachtens nicht um das Hebsed handelt. Er wird seine Erkenntnisse wohl in absehbarer Zeit auch publizieren.

Wie auch immer - mein Verdacht, die Geburtslegende hätte etwas mit Legitimierung zu tun, scheint nun nach all den Erkenntnissen zunächst einmal null und nichtig.

Gitta

> Antwort auf Beitrag vom: 27.07.2004 um 04:17:02


47) Re: Legitimationsbedürfnis
Irjnefer_d.J. am 28.07.2004 um 20:17:37

Hallo Gitta,

den Passus verstehe ich auch nicht. Eine typisch Altenmüllersche Erklärung. Am Schluß schreibt er etwas von   W i e d e r geburt: Das wäre logisch (- wie auch im Privatgrab -): Die Wiedergeburt des Verstorbenen als Osiris NN.
- Hat aber mit der Göttlichkeit des   r e g i e r e n d e n   Herrschers nichts zu tun ...  

Gruß
Irjnefer d.J.

> Antwort auf Beitrag vom: 27.07.2004 um 21:31:49


48) Re: Legitimationsbedürfnis
 Gast_A. am 28.07.2004 um 22:20:49

Hallo Gitta und Irjnefer_d.J....

Vielen Dank für das Bild der Bettszene... Meine Kopie des Blockes war leider zu schlecht, daher hab ich mich auf die „Beschreibung“ von CDN verlassen (welchen Block hat sie dann wohl gemeint?)...
Da man bei dem Thema um Altenmüller ja kaum herum kommt, hier mal ein Zitat aus H. Altenmüller, Auferstehungsritual und Geburtsmythos, in: SAK 24 (1997), S. 17:
„Das Ziel des Auferstehungsrituals besteht nun darin, durch den Vollzug des Rituals dem Verstorbenen eine Wiedergeburt zu ermöglichen. Da als Vater des für die Auferstehung vorgesehenen verstorbenen Königs der Sonnengott Re angenommen wird, dürfte die Wiedergeburt des verstorbenen Königs in der Form erfolgen, daß der König in seiner jenseitigen Gestalt in der Form eines “Sohn des Re“, d.h. als sA-Ra, aufersteht. Diese Wiedergeburt des verstorbenen Königs als “Sohn des Re“ bedeutet zugleich, daß der Todes- zustand des Königs aufgehoben ist. Da die Wiedergeburt des Königs in der Gestalt eines “Sohnes des Re“ erfolgt, sind Todeszustand und Auferstehung des Königs mit der Gestalt des Sonnengottes eng verbunden. Der Sonnengott Re vertritt auf diese Weise durch sein Wesen und seine Gestalt zwei entgegengesetzte Zustände, die Tod und Auferstehung bedeuten. Beide Zustände sind täglich zu beobachten. Sie werden durch den Sonnen Untergang im Westhorizont und den Sonnenaufgang am Osthorizont demonstriert. Der Sonnenzyklus beweist alltäglich und eindringlich die Aufhebung des Todeszustand durch die Auferstehung.“

Der letzte Satz ist m.E. entscheidend für das Problem, das Irjnefer_d.J. zuletzt angesprochen hat: Die Regeneration erfolgt im Grunde tagtäglich beim Sonnenaufgang. An den täglichen solaren Kreislauf angebunden spiegelt der Geburtsmythos hier also am Abend das Sterben des Herrschers (Verschwinden im Palastinnern – von Ägyptologen „Entrücken“ genannt) wieder. Am Morgen erscheint er dagegen verjüngt als vergöttlichter sA-Ra in seinem irdischen Palast (ich stelle mir das dann ähnlich wie bei Ludwig XIV. in Versailles vor, wo der Sonnenkönigs nach seinem (Todes-)schlaf von allen Repräsentanten seines Reiches streng hierarchisch gestaffelt begrüßt und ritualisiert gewaschen/angekleidet wird bevor er sich in der ersten Audienz erneut dem Kosmos präsentiert.
Dieses Wiedergeburtsritual wurde nun sicherlich an den Millionenjahrhäusern nicht nur an den großen Jahresfesten, sondern auch morgen- und abendlich mittels tragbarer Königsstatuen nachempfunden (solche Statuenkulte sind ja bildlich wie textlich belegt – nur wieder einmal in ihrem Inhalt und Umfang nicht genau bekannt). Dadurch wurde a) die Anbindung an die Ahnenkönige/-götter im Ritual vollzogen und b) die demonstrative Vergöttlichung des lebenden Herrschers praktiziert. Aus den ptolemäischen Mammisi kennen wir übrigens ähnliche Statuenkulte. Auch hier wurden zum Neujahrstag die kleinen Statuen der Ahnenkönige im Vorhof des Mammisi aufgestellt, um an der mythischen Wiedergeburt und Krafterneuerung des lebenden Herrschers zu partizipieren.
So ließe sich die logische Crux, die Irjnefer_d.J. angesprochen hat vielleicht erklären...

Gruss A.

> Antwort auf Beitrag vom: 28.07.2004 um 20:17:37


49) Re: Legitimationsbedürfnis
Irjnefer_d.J. am 29.07.2004 um 14:39:05

Hallo -A.-,

es tut mir leid,

die ptolemäischen Mammisis sind meines unwissenden Erachtens nicht mehr für die Geburt des KÖNIGS errichtet worden,

der Geburtsmythus gibt meines unwissenden Erachtens ein einmaliges (, kein "regeneratives" ) Ereignis wieder,

und: Ist es wirklich belegt, daß Re es ist, der Osiris NN zeugt ? ( Meines unwissenden Erachtens wird hier der OSIRISmythus angewandt ..! )

Viele Grüße

Irjnefer d.J.

> Antwort auf Beitrag vom: 28.07.2004 um 22:20:49


50) Re: Legitimationsbedürfnis
 Gast_A. am 30.07.2004 um 10:30:13 - Anhang: Tabelle_1.doc

Hallo Irjnefer d.J.

Zitat:
die ptolemäischen Mammisis sind meines unwissenden Erachtens nicht mehr für die Geburt des KÖNIGS errichtet worden

Dem ist definitiv nicht so. Der zentrale Zweck der Mammisi IST die Regeneration (Wiedergeburt) des Königs als jugendlicher Horus. Die Schlüsselposition in der Dekoration nimmt ja der König ein, der an die Phasen der Geburt des Horuskindes angeglichen wird (Zeugung, Geburtssituation, Aufwachsen im Papyrusdickicht, Überstehen der Bedrohungen durch seine Feinde, Rächen seines Vaters...). Für die Geburtshäuser ist ja grundlegend, dass sie immer die Sohnform der lokalen Triade an den König anschließen. So erscheint der König einmal als Ihi, Mehy, dann wieder als Horus usw. Entscheidend dabei ist sein Auftreten in der genealogischen Funktion als Sohngott:
„Dem Geburtshaus fällt die Rolle zu, die Erneuerung der Naturkreisläufe, sowie parallel dazu die des jugendlichen Tempelgottes und die des Königs rituell in Bewegung zu setzen.“ (W. Wettengel und E. Winter, Kom Ombo-Szene von der Fahrt im Papyrusdickicht, OLA 39, Leuven 1991, S. 370).
„The concept of the infant god and the daily rebirth of the sun encouraged an equation between the young king and the eternal renewal of kingship. The birth house could therefore be understood in the wider sense as a royal cult chapel.”(D. Arnold, Temples of the last Pharaohs, NY – Oxford 1999, S. 286). Etwa besser hat es (wiedermal) Altenmüller ausgedrückt
„Auf der Ebene des Königtums wird die Rolle des göttlichen Kindes durch den König, auf der götterweltlichen Ebene durch Horus wahrgenommen.“(H. Altenmüller, Die Fahrt der Hathor nach Edfu und die „Heilige Hochzeit“, OLA 85 (Fs Quaegebeur), Leuven 1998, S. 759)


Zitat:
der Geburtsmythus gibt meines unwissenden Erachtens ein einmaliges (, kein "regeneratives" ) Ereignis wieder

Hierzu lohnt sich ein Blick in Iufaas Beitrag (Gundlach: Tempelfeste und Etappen d. Königsherrschaft). Auf S. 64 erwähnt Gundlach, dass zB. auch die göttliche Geburt der Hatschepsut im Rahmen von Festabläufen regelmäßig wiederholt wurde (S. 64 und v.a. S. 67). Mit dem Auszug der Hathor im Rahmen ausgedehnter Nekropolenfeste bewegen wir uns dann auch wieder im typischen Rahmen der ägyptischen Regenerationsfeste, die eben dadurch gekennzeichnet sind, dass Göttinnen/Götter sich gegenseitig besuchen und dabei die Zeugung des Götterkindes vollziehen (vgl. Altenmüller, 1998 sowie W. Waitkus, Zur Deutung von zwei Besuchsfesten der Göttlichen Stätte (jAt-nTrjt) von Edfu, ÄAT 33,2, Wiesbaden 1998, S. 155-74).
Im Übrigen sind die Bildelemente der späten Mammisi-Dekoration weitgehend identisch mit denen der Geburtsmythen des Neuen Reiches (vgl. zB. die detaillierten Dendera-Abbildungen bei Daumas, Les Mammisis de Dendera, Kairo 1959, Tf. LIX – LXbis). Wieso soll nun ein und dasselbe Motiv im Neuen Reich ein einmaliges Ereignis darstellen und in den ptolemäischen Tempeln den täglichen Regenerationskult?


Zitat:
und: Ist es wirklich belegt, daß Re es ist, der Osiris NN zeugt ? ( Meines unwissenden Erachtens wird hier der OSIRISmythus angewandt ..! )

Die Personenkonstellationen sind tatsächlich zunächst verwirrend. Stellt man es tabellarisch dar, ergäbe sich folgende Zusammensetzung : (s. Tabelle 1 im Anhang als doc-Datei).
Für das Alte Reich ist die wichtigste Quelle der Papyrus Westcar. Hier wird expressis verbis geschildert, dass Rudjedet, die Frau eines Re-Priesters aus dem Deltakaff Sachebu von Re „besucht“ wird, der mit ihr die ersten 3 Könige der 5. Dynastie zeugt. Auch wurde hier ja bereits mehrfach die Titulierung des Pharao als sA-Ra (Sohn des Re) angesprochen, die dieses Verhältnis ebenfalls zum Ausdruck bringt. Erweiternd dazu begegnet im Alten Reich für den König auch die Bezeichnung sA-Hw.t-Hr (Sohn der Hathor), was dem von Altenmüller (Tabelle 1) entworfenen Konzept gut entspricht.
Der Einwand, es handle sich um ein Osirisritual, speziell DEN Osirismythos, ist wohl insofern ungültig, als in der Phase, in der der Geburtsmythos konzipiert wurde (4. Dynastie) ein solcher Osirismythos nicht nachweisbar ist und vermutlich noch gar nicht existent war. Altenmüller hat in all seinen Beiträgen darzustellen versucht, dass Osiris im Alten Reich noch nicht DER Totengott par excellance war, sondern eine Ritualfigur, die aufs Engste mit dem Ritual um das Bettenmachen bzw. das Auferstehungsritual verbunden war. Die sakrale Ausdeutung dieser Ritualfigur erfolgte dann erst am Ende des Alten Reiches und v.a im Mittleren Reich. Obwohl sich die Wiedergeburt des Königs im jenseitigen Bereich vollzieht und die Integration des Gottkönigs in der Götterwelt beschreibt, handelt es sich im Grunde um ein solares – also kosmisches – Phänomen mit Bezug auf die Phasen des Sonnengottes Re (bzw. Re-Atum/Re-Harachte) und nicht um ein rein unterweltlich osirianisches Konzept.

Gruss A.

> Antwort auf Beitrag vom: 29.07.2004 um 14:39:05


51) Re: Legitimationsbedürfnis
 Gast_A. am 30.07.2004 um 10:45:49 - Anhang: Gundlach_Legitimierung.PDF

Hallo Gitta

Zitat:
Wie auch immer - mein Verdacht, die Geburtslegende hätte etwas mit Legitimierung zu tun, scheint nun nach all den Erkenntnissen zunächst einmal null und nichtig.

Das ist dann wieder ein Problem (s.o. Iufaa) wie wir Legitimation definieren. Wenn Du Legitimierung eigentlich anstelle von "Propaganda/Öffentlichkeitarbeit" verstehst, hast Du vermutlich recht. Ansonsten kann eine (mythische) Legitimation auch von einer kultischen Rolle (Königtum) ausgehen und nicht zwangsläufig der Bestätigung einer (breiten) Masse bedürfen.

Hierzu der mitgeschickte Artikel von Gundlach, der sich konkret mit diesem Problem befasst...

Gruss A.

> Antwort auf Beitrag vom: 27.07.2004 um 21:31:49


52) Re: Legitimationsbedürfnis
Irjnefer_d.J. am 30.07.2004 um 15:16:37

Hallo -A.-,
vielen Dank für Deine Mühe.

Können wir uns vielleicht darauf einigen, daß es ein ?tägliches RegenerationsRITUAL auf der Grundlage der "GeburtsLEHRE" gegeben hat ?

( Zur göttlichen Vaterschaft: Ich kann mich mit dem dualistischen Wesen der Lehren besser anfreunden, als mit ihrer Vermischung [- speziell hier Diesseits und Jenseits -]... )

Viele Grüße

Irjnefer d.J.

> Antwort auf Beitrag vom: 30.07.2004 um 10:45:49


53) Re: Legitimationsbedürfnis
Gitta am 31.07.2004 um 11:47:48

Hallo A,


Zitat:
Hierzu der mitgeschickte Artikel von Gundlach, der sich konkret mit diesem Problem befasst...


Danke, dass Du sozusagen als "Stichwortgeber" noch einmal wenigstens in etwa darauf zurückkommst, was eigentlich der Hintergrund meiner Beiträge war. Ich hätte mich sonst mangels weiterer Erkenntnisse meinerseits erst einmal herausgehalten.


Zitat:
Wenn Du Legitimierung eigentlich anstelle von "Propaganda/Öffentlichkeitarbeit" verstehst


Das war selbstverständlich nicht meine Intention. Falls jemand diese Einfältigkeit aus meinem Geschreibsel herausgelesen haben sollte, habe ich etwas falsch gemacht. Die "Masse" wird - so meine Vermutung - nicht einmal den Namen des Königs gekannt haben, sondern ihn vielleicht umgangssprachlich als NTr aA oder NTr nfr bezeichnet haben, im Gegensatz zu den des Schreibens und Lesens Kundigen. Da sollte selbst der kleinste Schreiber gewusst haben, welchem König er dient - spätestens bei der Angabe des Datums in irgendwelchen Urkunden.

Mir ging es darum zu klären: Gab es Machtkämpfe o.ä. mit anderen Thronprätendenten oder einflussreichen Kreisen, die den König veranlassten, seine Legitimation für den Thronbesitz ausdrücklich zu verdeutlichen, teilweise auch nachträglich? Zumindest für Hatschepsut könnte das der Fall gewesen sein (siehe Gundlach "Feste im Tempel"). Gundlach sieht als Grund jedoch nicht die von mir vermutete Weiblichkeit, obwohl die späteren Darstellungen der Königin als Mann und auch einige Inschriften, z.B. "Der Gute Gott Maat-Ka-Re, er hat gemacht seine Denkmäler...", dafür sprechen (bitte mich jetzt nicht als frauenfeindlich bezichtigen - wenn meine Vermutung gestimmt hätte, wären die ollen Ägypter die Frauenfeinde gewesen). Er sieht den Grund wenn ich es richtig lese in der  Abwendung von der Expansionspolitik Thutmoses' I. Und er geht sogar noch weiter und sieht in der gemeinsamen Herrschaftsperiode von Hatschepsut und Thutmoses III. schon eine Verletzung der Maat.

Auch das Diagramm in Gundlachs "Legitimation" kann auf eine besondere Situation der Hatschepsut hindeuten: sowohl Teile der juristischen (Designation durch Vorgänger) als auch der göttlichen Legitimation (Geburtslegende) wurden entweder mit Übernahme der Alleinherrschaft oder später schriftlich niedergelegt.

Bezüglich Amenophis III. und Ramses II. hatte ich schon weiter oben dargelegt, weshalb sie sich in "Legitimierungsnöten" befunden haben könnten. Auffallend dabei ist allerdings, dass die Geburtslegende A. III. sich im Luxortempel befindet. Bei den Stücken aus seinem Millionenjahrhaus, die verbaut im Merenptah-Tempel aufgefunden wurden, ist mir bei den Teilen, die ich besichtigen konnte, keines aufgefallen, das in den Kontext der Geburtslegende passen würde.

Lutz wies neulich zu Recht darauf hin, dass von den Millionenjahrhäusern anderer Herrscher nichts geblieben ist, so dass man nicht weiss, wie das Bildprogramm aussah. Die Beantwortung der Frage, ob in Medinet Habu eine Geburtslegende ausgemacht werden konnte, steht noch aus.

Gitta

PS: vielleicht ist der eine oder andere Leser nun der Meinung, dass es vielleicht doch besser gewesen wäre, wenn ich mich weiter rausgehalten hätte  

> Antwort auf Beitrag vom: 30.07.2004 um 10:45:49


54) Re: Legitimationsbedürfnis
Gitta am 31.07.2004 um 15:28:05 - Anhang: rams_mut.jpg

Den Seti-Tempel hatte ich ganz vergessen. Der ist ja auch noch teilweise erhalten und restauriert. Da erinnere ich mich an eine Szene (siehe Foto): Mut säugt Ramses II. - mit einem Riegel-s, also früher Name(?). Eine Parallele zu Deir el-Bahri (Mut ersetzt durch Hathor)

Leider weiß ich nicht mehr genau, wo genau im Seti-Tempel sich dieses Relief befindet

Gitta

> Antwort auf Beitrag vom: 31.07.2004 um 11:47:48


55) Re: Legitimationsbedürfnis
Irjnefer_d.J. am 31.07.2004 um 15:47:41

Gitta,

ich denke, es gibt überhaupt nur ein juristisches "Legitimationsbedürfnis", wenn die Nachfolge steht, ist z.B. die Geburtslegende Standard (, d.h. nachträglich ).

Oder machen die Priester die Politik ?

Viele Grüße
Irjnefer d.J.

> Antwort auf Beitrag vom: 31.07.2004 um 15:28:05


56) Re: Legitimationsbedürfnis
 Iufaa am 31.07.2004 um 16:00:59

Hallo Gitta,

diese Abbildung stammt aus dem Hypostyl, und gehört zu den Abbildungen auf der linken Wand (vom Eingang aus gesehen) (vgl. P&M, I-2, S. 410, und Plan XI).

Die Szene gehört nicht zu einem Geburtszyklus, im gleichen (unteren) Register opfert Sethi einmal Öl zu Amun (kniend, damit er wohl nicht auf dem Öl ausrutscht), daneben gibt´s für den König der Götter Blumen von Amun - der kleine Ramses, der sich hier an der Milchbar bedienen darf, gehört auch zu diesem Register.

Gruss, Iufaa

> Antwort auf Beitrag vom: 31.07.2004 um 15:28:05


57) Re: Legitimationsbedürfnis
 Iufaa am 31.07.2004 um 16:02:50

Hi,

Zitat:
juristisches "Legitimationsbedürfnis",
ich denke, es gibt hier überhaupt kein juristisches Legitmitationsbedürfnis - einfach weil der Terminus "juristisch" hier nicht anwendbar ist.

Iufaa

> Antwort auf Beitrag vom: 31.07.2004 um 15:47:41


58) Re: Legitimationsbedürfnis
Gitta am 31.07.2004 um 16:03:47

Hallo Irjnefer,


Zitat:
Oder machen die Priester die Politik ?


Diese Frage würde ich zunächst einmal nicht kategorisch verneinen. Dazu muss man aber sicherlich viele Parameter genauestens untersuchen.

Gitta

> Antwort auf Beitrag vom: 31.07.2004 um 15:47:41


59) Re: Legitimationsbedürfnis
Gitta am 31.07.2004 um 16:12:30 - Anhang: rams_mut2.jpg


Zitat:
Die Szene gehört nicht zu einem Geburtszyklus, im gleichen (unteren) Register opfert Sethi einmal Öl zu Amun (kniend, damit er wohl nicht auf dem Öl ausrutscht), daneben gibt´s für den König der Götter Blumen von Amun - der kleine Ramses, der sich hier an der Milchbar bedienen darf, gehört auch zu diesem Register.


Auf meinem Foto (sorry, ein bißchen groß, aber sonst erkennt man nichts) gibts keinen Seti, alles Ramses - vielleicht usurpiert?

Gitta

> Antwort auf Beitrag vom: 31.07.2004 um 16:00:59


60) Re: Legitimationsbedürfnis
Gitta am 31.07.2004 um 16:23:32


Zitat:
der kleine Ramses, der sich hier an der Milchbar bedienen darf, gehört auch zu diesem Register


Das seh ich anders. Ramses und Mut stehen in einer Art Pavillon, dessen Dach die Himmelshieroglyphe bildet.

Gitta

> Antwort auf Beitrag vom: 31.07.2004 um 16:12:30


61) Re: Legitimationsbedürfnis
 naunakhte am 31.07.2004 um 16:25:09

Hallo Gitta,

Ramses II an der Brust eine Göttin finden wir doch häufiger.
Dann müssten wir jetzt eventuell auch Tempel wie der "kleine Tempel" in Abu Simbel usw. in die Diskussion mit einbeziehen

nauna

> Antwort auf Beitrag vom: 31.07.2004 um 16:12:30


62) Re: Legitimationsbedürfnis
Gitta am 31.07.2004 um 16:45:07

Irgendjemand hat Abu Simbel tatsächlich mit den Mammisi in Verbindung gebracht. Wenn ich mich recht erinnere, habe ich dieser Tage sowas gelesen. Ich kann mich nicht mehr erinnern, wo das war

Gitta

> Antwort auf Beitrag vom: 31.07.2004 um 16:25:09


63) Re: Legitimationsbedürfnis
 naunakhte am 31.07.2004 um 17:12:55

Im kleinen Tempel haben wir doch das Thema der "Aufzucht". Hathor im Papyrusdickicht, säugen usw.


> Antwort auf Beitrag vom: 31.07.2004 um 16:45:07


64) Re: Legitimationsbedürfnis
Gitta am 31.07.2004 um 23:13:09

Ich habe keine vernünftige Dokumentation des kleinen Abu-Simbel-Tempels. CDN sieht in den dort wiedergegebenen Szenen Zusammenhänge mit Fruchtbarkeit/Nilschwemme.

Gitta

> Antwort auf Beitrag vom: 31.07.2004 um 17:12:55


65) Re: Legitimationsbedürfnis
 chufu am 26.08.2004 um 23:06:47

Bitte hier weiterposten:
(Fortsetzung) Legitimationsbedürfnis1


Thema geschlossen!

> Antwort auf Beitrag vom: 31.07.2004 um 23:13:09


1: http://www.aegyptologie.com/forum/cgi-bin/YaBB/YaBB.pl?board=wuh&action=display&num=1093535294