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Ägyptologie Forum >> Pharao & Hofstaat


1) (Fortsetzung:) Legitimationsbedürfnis
Irjnefer_d.J. am 26.08.2004 um 17:48:14

Hallo zusammen,

(ich fange mit dem Thema bei null an, da die alte Folge schon so lang ist ..., )

ganz dumme Frage von mir heute:

Wem gegenüber mußte diese königliche "Legitimation" eigentlich stattfinden ?

( Der Inhalt jener Legitimation ist ja klar. )

Angenommen, die übliche Geburtsfolge war nicht gegeben:
Wie kam der König denn überhaupt auf den Thron ?

Wer hinterfragte denn potentiell seine "Legitimität" als Regent ?

Vielen Dank für Antworten.

Gruß
Irjnefer d.J.


2) Re: (Fortsetzung:) Legitimationsbedürfnis
 heka-waset am 26.08.2004 um 17:52:34

Die Götter, die Menschen hatten weder die Möglichkeit noch waren sie geistig in der Lage zu Königskritik

> Antwort auf Beitrag vom: 26.08.2004 um 17:48:14


3) Re: (Fortsetzung:) Legitimationsbedürfnis
Irjnefer_d.J. am 26.08.2004 um 20:33:40

Lieber Heka-waset,

hast Du einen Beleg dafür ( im Kopf ) ?

Irjnefer d.J.

> Antwort auf Beitrag vom: 26.08.2004 um 17:52:34


4) Re: (Fortsetzung:) Legitimationsbedürfnis
 Anubis am 26.08.2004 um 21:27:07

Heka, ich verstehe deine Antwort nicht.  

> Antwort auf Beitrag vom: 26.08.2004 um 17:52:34


5) Re: (Fortsetzung:) Legitimationsbedürfnis
Gitta am 26.08.2004 um 21:41:05


Zitat:
Die Götter, die Menschen hatten weder die Möglichkeit noch waren sie geistig in der Lage zu Königskritik


Ich bin nach wie vor skeptisch (geblieben  ). Zumindest kann das m.E. nicht allgemeingültig so gesagt werden:

Von Haremhab gibt es diese Statuengruppe in Turin (der König mit seiner Gattin), die relativ eindeutig zu datieren, deren Herkunft allerdings unbekannt ist. Die Inschrift auf der Rückseite ist eine Biografie, m.E. eine Erwählungslegende. Ein zweites Objekt dieser Art (und dieses Königs) bildet ein Bruchstück einer Stele, die vor dem ersten Pylon des Ptah-Tempels in Memphis gefunden wurde. Die Inschrift ist ähnlicher Art: zunächst das "Erkennen des Haremhab durch Amun als seinen Sohn" usw., und dann "... Er machte es (den Denkstein) als ein Denkmal für seinen Vater Ptah, Südlich seiner Mauer. Er machte ihm einen gewaltigen (?) und prächtigen (?) Denkstein aus Stein von Biat angesichts (oder: vor) der Kapelle (?)...." und weiter "...die Türflügel an ihnen waren aus echem Zedernholz, um das Haus dessen, der ihn erzeugt hatte, prächtig zu machen, damit der Weg gereinigt würde, auf dem sein Vater Ptah schreitet..." Entnommen habe ich die Hinweise auf diese Stücke Günter Roeders "Der Ausklang der ägyptischen Religion mit Reformation, Zauberei und Jenseitsglauben". Den Text zur Stele deutet Roeder so, dass selbige neben dem Tor an der Zugangsstraße gestanden haben müsste. Dieses und auch der Text auf einen Statuengruppe (s.o.) spricht nicht unbedingt dafür, dass hier nur die Götter als Adressaten gemeint sind.

Auch der noch nicht publizierte Text eines Blockes aus Bubastis (siehe SÄK-Bericht 31) sieht ganz nach Legitimationsbemühungen des Osorkon I. aus, auch wenn er aus einer anderen Epoche stammt und noch unklar ist, wo er eigentlich ursprünglich verbaut war.

Ich meine, es muss in Ägypten immer wieder Phasen der Unsicherheit o.ä. gegeben haben, wo auch und ganz handfest gegenüber Menschen (welchen auch immer) die Legitimität eines Königs unterstrichen werden musste.

Auch Hatschepsut gehört angesichts ihrer zahlreichen diesbezüglichen Inschriften für meine Begriffe in diesen Reigen.

Gitta

> Antwort auf Beitrag vom: 26.08.2004 um 20:33:40


1: http://www.aegyptologie.com/forum/cgi-bin/YaBB/YaBB.pl?action=newsshow&ntag=040718183005


6) Re: (Fortsetzung:) Legitimationsbedürfnis
 heka-waset am 26.08.2004 um 22:10:54

Ja, stimmt Gitta, meine Antwort wat zu pauschal. Aber jeder Pharao hat ja gewisse Legitimationsbilder in den Tempel anbringen lassen, bestimmte Formelb benutzt usw.

Das es Pharaonen gab die sich auch vor dem Volk (genauer wohl eher der Oberschicht!!) legitimieren mussten seh eich auch so - aber sie legitimieren sich durch die Götter, welche die Garanten des Herrschaftsanspruches waren.

Zur geistigen Fähigkeit der königskritik: Der Mensche war im Glauben an den gottgleichen, ewigen, mächtigen, siegreichen König erzogen worden . bei den Fellachen seit Jahrhunderten. Da kommt Königskritik nicht auf. Der König garantiert ja Kosmos und Leben...

Bücher dazu: Assmann, Ägypten eine Sinngeschichte
Assmann, Herrschaft und Heil
Hornung, Echnaton
"Pharao Sohn der Sonne" (Autor ist mir entfallen)
Gundlach "Der Pharao und sein Staat"

> Antwort auf Beitrag vom: 26.08.2004 um 21:41:05


7) Re: (Fortsetzung:) Legitimationsbedürfnis
Gitta am 26.08.2004 um 22:38:40


Zitat:
Das es Pharaonen gab die sich auch vor dem Volk (genauer wohl eher der Oberschicht!!) legitimieren mussten seh eich auch so - aber sie legitimieren sich durch die Götter, welche die Garanten des Herrschaftsanspruches waren.


Ja selbstverständlich legitimieren sie sich durch die Götter und mir kommt es so vor, als wäre das Bedürfnis zur göttlichen Legitimation gerade dann am stärksten, wenn die Legitimation durch Abstammung eher lau ist. Aber sogar diese, so scheint es, konnte "getürkt" sein. Ludwig Morenz hat zu Mentuhotep II. einleuchtende Belege dafür gesammelt, dass die Abstammung dieses Königs von Mentuhotep I. nur fiktiv ist, also ein Fantasieprodukt, da letzterer gar nicht wirklich esixtiert habe (siehe IBAES 51 - leider vorerst noch nur als Abstract).

Gitta

> Antwort auf Beitrag vom: 26.08.2004 um 22:10:54


1: http://www2.rz.hu-berlin.de/nilus/net-publications/ibaes5/lay.html


8) Re: (Fortsetzung:) Legitimationsbedürfnis
Irjnefer_d.J. am 27.08.2004 um 08:43:28

Ja. Super.

Trotzdem ist mir immer noch der Terminus technicus königliche Legitimation (- also: "Ich habe Anspruch auf den Thron", z.B. durch göttliche Erwählung -) undurchschaubar.

Soll der Zweck jener "Legitimation" denn der Schutz vor einem Putsch sein ?

Oder ist die genealogische Vorspiegelung Mittel zum Zweck, König sein zu dürfen ?

Irjnefer d.J.

> Antwort auf Beitrag vom: 26.08.2004 um 22:38:40


9) Re: (Fortsetzung:) Legitimationsbedürfnis
Gitta am 27.08.2004 um 09:34:10

Ich weiß nicht, ob es dazu belegbare Informationen gibt. Man kann nur die paar Indizien, heranziehen, z.B. die vermutliche Ermordung Ramses III. (hier hat es ja wirklich sowas wie einen Putschversuch gegeben) und - früher - Amenemhet I., die Übernahme der Königsmacht durch Priester (Herihor), was wiederum später war. Ich komme nicht davon los, dass es irgendeinen Grund jenseits (bzw. diesseits ) der Mythologie gegeben haben muss. Aber was ich denke und was wirklich war bzw. belegbar ist, sind zwei verschiedene Schuhe.

Gitta

> Antwort auf Beitrag vom: 27.08.2004 um 08:43:28


10) Re: (Fortsetzung:) Legitimationsbedürfnis
 Iufaa am 27.08.2004 um 10:49:24

Hallo,

aus meiner Sicht seit ihr auf dem berühmenten Holzweg:

Zitat:
.....legitimieren sie sich durch die Götter

Rein formell (© Duden 5, Das Fremdwörterbuch) heisst legitimieren in unserer Rechtsvorstellung -
1. a) beglaubigen; b) für gesetzmäßig erklären.
2. ein Kind für ehelich erklären.
3. sich legitimieren: sich ausweisen.
4. jmdn. berechtigen.
wobei wir die 2. Option weglassen können.

Daraus folgt aber grundsätzlich, dass es immer einen Handelnden A gibt, der sich mit "Beweismitteln" gegenüber B "legitimitiert" (oder legitimieren muss).

Nun erfolgt - ich verweise hier auf die Fälle Hatschepsut und Amenhotep III - ein Teil der Legitimation durch die göttliche Zeugung und natürlich, siehe Abbilder des Geburtsmythos auch durch die Anerkennung der Abstammung durch Aufname des Kindes durch den göttlichen Vater, Amun. Hier sind Amun und die anderen handelnden Götter (Thot, Khnum, Heket, Genien, etc.) "Mittel" der Legitimation. Weitere "göttliche Legitimationshilfen" (Orakel, Designation durch den "göttlichen" Vater) vervollständigen die eingesetzten Mittel.

Bleibt also die Frage, wer oder was ist der Adressat des ganzen Brimboriums - die Götter wohl kaum, die sind hier Mittel zum Zweck, die Menschen wohl noch weniger, die kriegten in der Mehrheit weder den Geburtszyklus noch die Designation zu sehen, vielleicht durften sie bei Hatschepsut  Zeuge des inszenierten Orakels sein (wie Gundlach in "Tempelfest und Etappen der Königsherrschaft in der 18. Dynastie", 4. Ägypt. Tempeltagung, 1996, richtig schreibt, hatte sie ja schon alle Macht in den Händen und konnte ihre Legitimationsschritte zumindest teilweise im voraus planen - alle anderen sind natürlich post eventum entstanden).

Also bleibt aus meiner Sicht als Adressat nur ein "über allem stehendes Prinzip"!

Möchte jemand raten?



> Antwort auf Beitrag vom: 27.08.2004 um 08:43:28


11) Re: (Fortsetzung:) Legitimationsbedürfnis
 heka-waset am 27.08.2004 um 11:06:57

ja aber das zielt ja in meine Richtung. Da die Götter die sind die "von Ma´at leben" und auch der König "von Ma´at lebt"

> Antwort auf Beitrag vom: 27.08.2004 um 10:49:24


12) Re: (Fortsetzung:) Legitimationsbedürfnis
 naunakhte am 27.08.2004 um 11:13:50

aber Iufaa,

welch ein Wandel.

Ich verweise auf Abstammungsbegradigung und Maat

> Antwort auf Beitrag vom: 27.08.2004 um 11:06:57


13) Re: (Fortsetzung:) Legitimationsbedürfnis
 Iufaa am 27.08.2004 um 11:20:04

Aber Nauna,

wenn Du wüsstest, was ich so jeden Tag begradige

Iufaa

> Antwort auf Beitrag vom: 27.08.2004 um 11:13:50


14) Re: (Fortsetzung:) Legitimationsbedürfnis
Irjnefer_d.J. am 27.08.2004 um 11:31:50

Hallo Iufaa,

ich habe zwar keine Ahnung,
aber die Göttin Maât setzt den König nicht in sein Amt ein.

Gibt es da einen Zusammmenhang ?

Viele Grüße
Irjnefer d.J.

> Antwort auf Beitrag vom: 27.08.2004 um 11:20:04


15) Re: (Fortsetzung:) Legitimationsbedürfnis
 Iufaa am 27.08.2004 um 11:40:44

Wenige,

ausser, dass die Thronbesteigung, Herrschaft, etc. wohl Maat-gerecht sein muss.

Iufaa

> Antwort auf Beitrag vom: 27.08.2004 um 11:31:50


16) Re: (Fortsetzung:) Legitimationsbedürfnis
Irjnefer_d.J. am 27.08.2004 um 11:51:02

Gut, wer führt denn die Oberaufsicht über das Privatleben des Pharao ?

> Antwort auf Beitrag vom: 27.08.2004 um 11:40:44


17) Re: (Fortsetzung:) Legitimationsbedürfnis
 Iufaa am 27.08.2004 um 11:58:47

Heutzutage würde man auf die hm.t nsw wr.t tippen, aber ich weiss nicht, ob das opportun ist

> Antwort auf Beitrag vom: 27.08.2004 um 11:51:02


18) Re: (Fortsetzung:) Legitimationsbedürfnis
Gitta am 27.08.2004 um 20:36:59


Zitat:
Rein formell (© Duden 5, Das Fremdwörterbuch) heisst legitimieren in unserer Rechtsvorstellung -
1. a) beglaubigen; b) für gesetzmäßig erklären.
2. ein Kind für ehelich erklären.
3. sich legitimieren: sich ausweisen.
4. jmdn. berechtigen.
wobei wir die 2. Option weglassen können.


Ich fürchte, unser urdeutscher Duden ist hier fehl am Platz. Versuchen wir es besser mit Hannig:

legitim = mAa oder n bs (Deutsch-Ägyptisch, Seite 789)

bs = einführen (König in Tempel), initiieren, einweihen, einführen (Priester in Amt), Zutritt haben, bestatten* (!) [euphemistisch]
HkA n bs = ein legitimer Herrscher
n bs r nsw = zum König einsetzen

Wir könnten den Thread also umbenennen in Ma'atisierung und kämen zum gleichen Ergebnis. Bloß gewonnen hätten wir nichts.

Mit dem Hinweis auf die Ma'at kann man natürlich alles erschlagen. War halt ma'atgerecht und damit basta. Ein HkA n bs ist ein Thronfolger, der seinen Vorgänger ordnungsgemäß bestattet* hat. Es wäre eigentlich nicht mehr erforderlich, wiederholt auf seine Abstammung hinzuweisen.

Gitta

> Antwort auf Beitrag vom: 27.08.2004 um 10:49:24


19) Re: (Fortsetzung:) Legitimationsbedürfnis
 Iufaa am 27.08.2004 um 21:14:49

Hi Gitta,

Zitat:
Ich fürchte, unser urdeutscher Duden ist hier fehl am Platz. Versuchen wir es besser mit Hannig.

Das hilft auch nichts, denn
1. stammt der Begriff der Legitimität nicht aus dem Deutschen, sondern aus den röm. Rechtsvorstellungen, und

2. transportiert Hannig ja diese Rechtsvorstellungen auch in seinem WB mit -> "ein legitimer Herrscher" benutzt in der Übersetzung ja genau die Vorstellungen, die in dem Wort drinstecken.

Das Problem besteht darin, dass wir versuchen mit unserer Sprache (und den darin historisch entwickelten Vorstellungen) die "Wirklichkeit" der alten Ägypter zu beschreiben. Das wird immer ein unzulänglicher Versuch bleiben. Man kann nur hoffen, dass man duch "Forschung" eine möglichst widerspruchsfreie Interpretation historischer Vorgänge hinkriegt - aber ein "endgültiges" Verstehen wird es wohl nicht geben. Wir haben ja schon Schwierigkeiten, Zeitgenossen zu verstehen, die die gleiche Sprache benutzen - und wie oft sind wir dennoch unsicher und fragen nach.
Wie sollen wir anhand von "politischen" Texten verstehen, wie die alten Äygpter ihre Welt wahrgenommen haben.
Ein "praktischer Ansatz", wie Vorbeugung gegen Putschversuche", erscheint mir da einfach als "zu kurz gesprungen".

Das "Gleiche" gilt natürlich für Teile der urspünglichen Fragestellung ->
Zitat:
Angenommen, die übliche Geburtsfolge war nicht gegeben: Wie kam der König denn überhaupt auf den Thron?
Hier erhebt sich sofort die Frage, kennen wir denn ein Regelwerk, das im aÄ die Thronfolge vorhersehbar beschreibt oder sehen wir nur retrospektiv die Ergebnisse des "Gerangels" um den Thron?

Alles Peanuts, aber harte

Iufaa

> Antwort auf Beitrag vom: 27.08.2004 um 20:36:59


20) Re: (Fortsetzung:) Legitimationsbedürfnis
Irjnefer_d.J. am 27.08.2004 um 21:16:27

Sehr gut, Gitta.

Zitat:
Ein HkA n bs ist ein Thronfolger, der seinen Vorgänger ordnungsgemäß bestattet hat.

- Und wo finden wir jenes "Legitimationsdokument" jeweils ?

Viele Grüße
Irjnefer d.J.

> Antwort auf Beitrag vom: 27.08.2004 um 20:36:59


21) Re: (Fortsetzung:) Legitimationsbedürfnis
Irjnefer_d.J. am 27.08.2004 um 21:20:32

Hallo Iufaa, das ist klassisch-kanonisch, daß Pharao seinen Sohn oder seine Tochter zur Nachfolgerin / zum Nachfolger kürt.
Gruß

Irjnefer d.J.

> Antwort auf Beitrag vom: 27.08.2004 um 21:16:27


22) Re: (Fortsetzung:) Legitimationsbedürfnis
 Iufaa am 27.08.2004 um 21:20:39


Zitat:
- Und wo finden wir jenes "Legitimationsdokument" jeweils ?
und an wen ist das "adressiert

Iufaa

> Antwort auf Beitrag vom: 27.08.2004 um 21:16:27


23) Re: (Fortsetzung:) Legitimationsbedürfnis
Gitta am 27.08.2004 um 21:24:33


Zitat:
2. transportiert Hannig ja diese Rechtsvorstellungen auch in seinem WB mit -> "ein legitimer Herrscher" benutzt ja genau die Vorstellungen, die in dem Wort drinstecken.


Das wird er sich ja wohl hoffentlich nicht einfach ausgedacht, sondern aus einem Kontext gezogen haben. Wir müssten ihn also befragen oder auf Band 5 warten. In Band 4 ist dieser Terminus noch nicht erwähnt.

Gitta


> Antwort auf Beitrag vom: 27.08.2004 um 21:14:49


24) Re: (Fortsetzung:) Legitimationsbedürfnis
 Iufaa am 27.08.2004 um 21:26:44

Hallo Gitta,


Zitat:
Das wird er sich ja wohl hoffentlich nicht einfach ausgedacht, sondern aus einem Kontext gezogen haben
natürlich, und nach einem passenden Wort gesucht, dass den Kontext beschreibt, oder wie würdest Du übersetzen?

Gruss, Iufaa

> Antwort auf Beitrag vom: 27.08.2004 um 21:24:33


25) Re: (Fortsetzung:) Legitimationsbedürfnis
Irjnefer_d.J. am 27.08.2004 um 21:28:46

Wer fragt (ihn) ?

> Antwort auf Beitrag vom: 27.08.2004 um 21:26:44


26) Re: (Fortsetzung:) Legitimationsbedürfnis
Gitta am 27.08.2004 um 21:31:58


Zitat:
Und wo finden wir jenes "Legitimationsdokument" jeweils ?


Bei z.B. Eje findet man es in Tuts Grab und - wenn ich mich nicht sehr irre - auch in seinem eigenen. Und die waren wohl an das Jenseitsgericht o.ä "adressiert".

Mehr fallen mir auf Anhieb nicht ein. Ich müsste mal recherchieren.

Gitta




> Antwort auf Beitrag vom: 27.08.2004 um 21:16:27


27) Re: (Fortsetzung:) Legitimationsbedürfnis
Gitta am 27.08.2004 um 21:35:15


Zitat:
und nach einem passenden Wort gesucht, dass den Kontext beschreibt,


Der Kontext wäre interessant. Alles andere ist Wortklauberei.

Gitta

> Antwort auf Beitrag vom: 27.08.2004 um 21:26:44


28) Re: (Fortsetzung:) Legitimationsbedürfnis
 Iufaa am 27.08.2004 um 21:35:37


Zitat:
Und die waren wohl an das Jenseitsgericht o.ä "adressiert".
wo es dann letztlich darum geht, ob man im "Einklang" mit der Maat gelebt hat.

Iufaa

> Antwort auf Beitrag vom: 27.08.2004 um 21:31:58


29) Re: (Fortsetzung:) Legitimationsbedürfnis
Gitta am 27.08.2004 um 21:36:49


Zitat:
Wer fragt (ihn) ?


Vielleicht liest jemand mit, der das übernehmen könnte?

Gitta

> Antwort auf Beitrag vom: 27.08.2004 um 21:28:46


30) Re: (Fortsetzung:) Legitimationsbedürfnis
Irjnefer_d.J. am 27.08.2004 um 21:38:11

... Und DAS ist das verwähnte "Legitimationsbedürfnis", die eigene Grabdekoration, die - mit Verlaub - eine Selbstverständlichkeit darstellt ?    

> Antwort auf Beitrag vom: 27.08.2004 um 21:35:37


31) Re: (Fortsetzung:) Legitimationsbedürfnis
 Iufaa am 27.08.2004 um 21:44:35

Hi Irinefer,

Zitat:
Pharao seinen Sohn oder seine Tochter zur Nachfolgerin / zum Nachfolger kürt
natürlich, wenn sonst - denn genau das sehen wir doch, wenn die die Thronfolge retrograd betrachten. Aber sehen wir auch die Entscheidungsprozesse? Gibt es irgendwo ein Stück Papyrus, das besagt, im Falle A folgt der Sohn von Hauptfrau B, im Falle C der von Nebenfrau X und nicht der von Y?

Iufaa

> Antwort auf Beitrag vom: 27.08.2004 um 21:20:32


32) Re: (Fortsetzung:) Legitimationsbedürfnis
Gitta am 27.08.2004 um 21:45:10


Zitat:
wo es dann letztlich darum geht, ob man im "Einklang" mit der Maat gelebt hat.


Die Bedeutung der Ma'at habe ich nicht bestritten. Die wurde beschworen, aber wahrlich nicht immer eingehalten. Und dann wurde halt aufgeschrieben, dass sie eingehalten wurde - die sogenannte zweite Dimension der Wahrheit.

Gitta

> Antwort auf Beitrag vom: 27.08.2004 um 21:35:37


33) Re: (Fortsetzung:) Legitimationsbedürfnis
 Iufaa am 27.08.2004 um 21:48:06


Zitat:
Die wurde beschworen, aber wahrlich nicht immer eingehalten. Und dann wurde halt aufgeschrieben, dass sie eingehalten wurde
wie wahr, aber warum betrügt man die Waage, warum stützt Anubis manchmal sogar den Balken? So nebensächlich scheint die nicht gewesen zu sein, wenn man sorgfältig das Punktekonto löscht.

Gruss, Iufaa

> Antwort auf Beitrag vom: 27.08.2004 um 21:45:10


34) Re: (Fortsetzung:) Legitimationsbedürfnis
Gitta am 27.08.2004 um 21:54:07


Zitat:
Und DAS ist das verwähnte "Legitimationsbedürfnis", die eigene Grabdekoration, die - mit Verlaub - eine Selbstverständlichkeit darstellt ?


Eje ist eine Ausnahme. Das berühmte Mundöffnungsritual gibt es bisher in keinem anderen Königsgrab, soviel ich weiß. Aber Aufzeichnungen über die ordnungsgemäße Bestattung des Vorgängers schon. Ich weiß nur auf Anhieb nicht, welche Texte das sind. Ausserdem sind Aufzeichnungen in einer Grabkammer sicher nicht das, was wir hier diskutieren. Da müsste man eher mal schauen, was so an den Wänden der offenen Grabeingangsbereiche steht. Die gibt es aber wohl erst seit den Ramessiden.

Gitta

> Antwort auf Beitrag vom: 27.08.2004 um 21:38:11


35) Re: (Fortsetzung:) Legitimationsbedürfnis
 Iufaa am 27.08.2004 um 22:20:19 - Anhang: koenigsdogma.zip

und hier der LÄ-Artikel zum Königsdogma (LÄ III, Sp486ff)

Vile Vergnügen beim Lesen.

Iufaa

> Antwort auf Beitrag vom: 27.08.2004 um 21:54:07


36) Re: (Fortsetzung:) Legitimationsbedürfnis
Irjnefer_d.J. am 27.08.2004 um 22:56:56

- Von vorne:

Ist das etwa ein künstlicher Unterschied, den wir da machen zwischen "gerechtfertigt" (- post mortem !?! -) und "legitim" ?

( Oder geht es um "legal" ? -- Quatsch. )

( Oder aber, ist DAS das "Legitimationsbedürfnis", wenn wir irgendwo - s. Antwort #17 von Gitta - "der designierte Herrscher" lesen ? ? ? ? )

Gruß
Irjnefer d.J.

> Antwort auf Beitrag vom: 27.08.2004 um 22:20:19


37) Re: (Fortsetzung:) Legitimationsbedürfnis
Gitta am 28.08.2004 um 11:57:36


Zitat:
Vile Vergnügen beim Lesen


Herzlichen Dank, Iufaa, habe ich gehabt. Soviel zur Theorie.

Ich denke, wir müssen bei unserer Diskussion eine Unterscheidung vornehmen: zum Einen die dogmatische Seite des Königtums, um Anderen die menschliche. Siehe dazu auch den Vortrag1 von Dr. Ute Rummel auf der SÄK, in dem ausdrücklich auf diese Unterscheidung hingewiesen wurde - in Verbindung mit dem Hebsed, das ja in engem Zusammenhang mit der Krönung zu sehen ist.

Soweit ich es verstanden habe, geht es hier um die menschliche Seite. Der Ur-Sinn des Königsdogmas liegt in der Übertragung der Königswürde vom Vater auf den Sohn (Osiris -> Horus) - jedenfalls mit Sicherheit von dem Zeitpunkt an, als dieser Mythos entstand und fassbar seit er schriftlich überliefert ist. Vorliegende Inschriften und Texte, die mit Nachdruck auf göttliche Abstammung hinweisen, wären also Zeugnisse dafür, dass der Urheber ma'atgerecht und streng dogmatisch die Königswürde innehat. Hier denke ich setzt auch die Frage von Jrinefer an: Warum waren diese Niederschriften erforderlich, wer war also der "Adressat"? Das ist genau die Frage, die ich mir stelle. Auch im alten Ägypten waren Könige Menschen, mit allen Schwächen und Stärken. Für einen König, der nicht durch Koregentschaft oder ausdrückliche Designation zum Thronfolger die Regentschaft übernahm (vielleicht sogar an sich riss), muss es wichtig gewesen sein nachzuweisen, dass er durch andere Voraussetzungen (z.B. göttliche Abstammung) für das Amt berufen ist. Für mich sieht das nach einer ganz pragmatischen Handlungsweise aus, die Götter und Ma'at als Vehikel benutzt. Es wäre wirklich mal interessant herauszufinden, wie stark - wenn es solche gab - die Kräfte waren, die die Thronbesteigung eines nicht legitimen Königs hätten verhindern können, und wer diese waren.

Interessant ist eine Aussage von Gutgesell im Zusammenhang mit den Arbeiterstreiks in Deir el-Medina: Nur ganz aussergewöhnliche Ereignisse, die vielleicht der Herrschaft gefährlich werden konnten, führen dazu, dass manchmal nur ein einziger Wesir als Leiter der Verwaltung herrschte. Hier hing diese Massnahme sicherlich mit den zu erwartenden inneren Unruhen zusammen. Man hoffte wohl, dass ein Wesir mit überragender Machtfülle am besten geeignete Massnahmen ergreifen könne, um diese Unruhen wirkungsvoll zu bekämpfen. Man war anscheinend nicht in der Lage, den Grund für diese Krise zu beseitigen, indem die fehlenden Rationen und Versorgungsgüter an die unzufriedenen Arbeiter gegeben wurden. Es sind aus dieser Zeit zwar nur aus Deir el Medineh selbst Streiks belegt, doch dürfte diese Situation auch in anderen Dörfern und Städten eingetreten sein, auch wenn unsere Quellen darüber nichts aussagen. Das liegt ganz sicher ausschliesslich an der unzureichenden Beleglage, mit der jeder Altertumswissenschaftler permanent zu kämpfen hat. Aber einzig und allein wegen einiger Dutzend streikender Arbeiter im Tal der Könige hätte niemand ernsthafte organisatorische Veränderungen im Staatsapparat vorgenommen, sondern einfach Polizei oder Soldaten dorthin geschicht, um die Ruhe wieder herzustellen. Hier wird ein scheinbar zu dieser Zeit für den König hochgefährliches innenpolitisches Szenario geschildert, wo trotz aller Unantastbarkeit - Königsdogma hin oder her - sein Thron zu wackeln schien. Es war Ramses III., später vermutlich ermordet, um einen genehmen Herrscher (Parenefer) an die Macht zu bringen, was jedoch nicht gelang.

Diese Geschichte - wenn auch bisher in diesen Details wohl einzigartig - zeigt m.E., dass zwar das Königtum unantastbar gewesen sein mag, der Mensch, der es verkörpert, jedoch nicht unbedingt. So erkläre ich mir auch die bei einigen Königen erscheinende Dauerberieselung von fiktiven Geburts- oder Erwählungslegenden.

Zu Haremhab und Eje schreibt übrigens Stadelmann im Führungsheft zum Totentempel Sethos' I. in Qurna: Sethos I., der Sohn des nur kurz regierenden Ramses I., bestieg als zweiter König der 19. Dynastie um 1300 v.Chr. den Thron, erstmals wieder in der kanonischen Thronfolge als legaler und erwählter Sohn eines regierenden Königs, wogegen die letzten Könige der vorangegangen 18. Dynastie, Eje und Haremhab, sich allein auf eine göttliche Berufung stützen konnten. Daher wählte Sethos als Horusnamen, dem programmatischen ersten Namen der Königstitulatur, die Aussage "Erneuerer der Schöpfung", wobei vielleicht auch auf den glücklichen Zufall angespielt wird, dass sein Regierungsantritt nahezu mit dem Beginn einer neuen Sothisperiode zusammenfiel, einem kosmischen Ereignis, das nur alle 1460 Jahre stattfand.

Zum Thema Hatschepsut kann ich nur empfehlen, sich mit den Artikeln im Katalog zur Ausstellung "Hatschepsut - KönigIN Ägyptens" auseinandersetzen. Übrigens - ich habe nicht nachgezählt, aber in den Artikeln kommt das Wort "legitim" und die auf diesen Wortstamm gründenden Ableitungen in einer Anzahl vor, die zweistellig sein dürfte. Schoske und Grimm fiel wohl auch nichts besseres ein, um gewisse Dinge zu beschreiben

Gitta

> Antwort auf Beitrag vom: 27.08.2004 um 22:20:19


1: http://www.aegyptologie.com/forum/cgi-bin/YaBB/YaBB.pl?action=newsshow&ntag=040713221355


38) Re: (Fortsetzung:) Legitimationsbedürfnis
Irjnefer_d.J. am 28.08.2004 um 13:03:22

Ja, schön, die Dauerberieselung.

Aber "menschliche" Legitimation der Herrschaftsausübung versus "dogmatische" Legitimation der Herrschaftsausübung ?

Die Dogma-Berieselung IST doch (- zumindest wissenschaftlich interpretiert als -) die Legitimation ! Wer wacht über die Formulierung des Königsdogmas ?

- Darf ich meine ganz philologische Frage ( Antwort #35 ) noch einmal stellen ?

Viele Grüße
Irjnefer d.J.

> Antwort auf Beitrag vom: 28.08.2004 um 11:57:36


39) Re: (Fortsetzung:) Legitimationsbedürfnis
Gitta am 28.08.2004 um 13:56:16


Zitat:
Wer wacht über die Formulierung des Königsdogmas ?


Ich weiß es nicht. Meine Vermutung geht dahin, dass es sich bei den wesentlichen Formulierungen um überlieferte kanonische Texte handelte, in die einzelne Passagen, zugeschnitten auf den jeweiligen König (wahrscheinlich auf dessen eigene Veranlassung), einflossen. Das Ganze wurde in Stein gehauen und gleichzeitig auf Papyrus niedergeschrieben, um von Boten im Land verteilt zu werden.

Gitta

> Antwort auf Beitrag vom: 28.08.2004 um 13:03:22


40) Re: (Fortsetzung:) Legitimationsbedürfnis
Irjnefer_d.J. am 28.08.2004 um 15:01:07

Gut, also ist die Frage beantwortet. (?)

[ Frage #35 ist noch offen... ]

- "Königsdogma" klingt für mich wie nach einer Aufschrift auf einer Schublade.
"Legitimationsbemühungen" dagegen klingt für mich nach Klugscheißerei. Niemand stellt die göttliche "Legitimität" des Königs in Frage. Seine Majestät war heilig. Gegen wen hätte er sich denn legitimieren müssen ?

Herr, hilf.

Irjnefer d.J.

> Antwort auf Beitrag vom: 28.08.2004 um 13:56:16


41) Re: (Fortsetzung:) Legitimationsbedürfnis
Gitta am 28.08.2004 um 15:16:03


Zitat:
Niemand stellt die göttliche "Legitimität" des Königs in Frage.


Das ist es ja, wovon ich nicht überzeugt bin. Niemand stellt die göttliche Legitimität des Königs als Institution in Frage. Aber als Person?

Gitta

Frage #35 können wir wohl erst nach Befragung von Rainer Hannig beantworten. Oder anderen, die uns sagen können, in welchem Zusammenhang die Bezeichnung HkA n bs verwendet wurde.

> Antwort auf Beitrag vom: 28.08.2004 um 15:01:07


42) Re: (Fortsetzung:) Legitimationsbedürfnis
 naunakhte am 28.08.2004 um 15:27:29


Zitat:
können wir wohl erst nach Befragung von Rainer Hannig beantworten


nicht vor Dienstag

> Antwort auf Beitrag vom: 28.08.2004 um 15:16:03


43) Re: (Fortsetzung:) Legitimationsbedürfnis
 naunakhte am 31.08.2004 um 10:00:20


Zitat:
nicht vor Dienstag


nun ist es Dienstag  

Rainer Hannig hat den Begriff aus dem Wörterbuch von Erman/Grapow und verweist auf deren Belegstellen.

Diese werde ich, sobald ich zuhause bin, einstellen.
Wer es eilig hat, muß den Berliner Zettelkasten befragen.

Gruß
nauna

> Antwort auf Beitrag vom: 28.08.2004 um 15:27:29


44) Re: (Fortsetzung:) Legitimationsbedürfnis
Gitta am 31.08.2004 um 10:19:18

Danke


Zitat:
Wer es eilig hat, muß den Berliner Zettelkasten befragen.


Da hätte man natürlich auch selbst drauf kommen können

Gitta

PS:...obwohl - ich meine, da hätte ich schon gesucht und nichts gefunden (oh oh, diese grauen Zellen machen mir langsam zu schaffen)


> Antwort auf Beitrag vom: 31.08.2004 um 10:00:20


45) Re: (Fortsetzung:) Legitimationsbedürfnis
Irjnefer_d.J. am 31.08.2004 um 15:32:11

Gut, Naunachte,
kommt jemand leicht an das Belegstellenwörterbuch von Erman-Grapow ?

Wann sagten die Alten Ägypter: "Die Herrschaft des Königs ist legitim [, wenn ... / da ... / nachdem ... ]" ?

Gruß

Irjnefer d.J.

> Antwort auf Beitrag vom: 31.08.2004 um 10:19:18


46) Re: (Fortsetzung:) Legitimationsbedürfnis
 Gast_A. am 31.08.2004 um 17:16:15 - Anhang: Grafik_A_und_B.pdf

Hallo,

zu der hier geführten Diskussion um die Institution „Königtum“ hat sich mehrfach und ausführlich R. Gundlach (Pharao und sein Staat, Darmstadt 1998, S. 17-19 Kapitel „Legitimation und Funktion des ägyptischen Königs“ sowie ders., Die Legitimation des ägyptischen Königs – Versuch einer Systematisierung, ÄAT 36,1, Wiesbaden 1997, S. 11-20; s. auch E. Otto, Legitimation des Herrschens im pharaonischen Ägypten, in: Saeculum 20 (1969), S. 385-411) geäußert. Gundlach unterscheidet bei Legitimation zwischen
1. juristischer Legitimation,
2. göttlicher Legitimation und
3. politischer Legitimation.
Diese drei Gruppen sind jeweils weiter in
A. „initiale/reale“ und
B. „post eventum/fiktive“ Legitimation
zu trennen. Vgl. hierzu die Grafik A aus Roth (1999:120) im Anhang. Gundlachs Definition von Legitimation lautet in diesem Zusammenhang „Unter Legitimation sind all diejenigen Phänomene zu subsummieren, in denen sich die Grundlagen der Königsherrschaft im allgemeinen wie auch das Selbstverständnis des einzelnen Herrschers wiederspiegeln“. Seine Untersuchung basiert v.a. auf der Analyse von Titulatursequenzen und königlicher Bildsymbolik.

Verständnisentscheidend an diesem System (s. Grafik A) ist, dass ein Defizit in einer der Kategorien/ Gruppen (zB. „reales Erbe“) durch Betonung der entsprechenden „Gegenkategorie“ oder anderer Punkte ausgeglichen bzw. kompensiert werden kann (zB. durch Betonung der „Designation durch Gott“) ohne dabei grundsätzlich an „Qualität“ der Legitimation einzubüßen. Wenn wir also die verschiedenen Legitimationsdarstellungen werten (Legitimation über direkte Sohnschaft sei „besser“ als der „Notbehelf“ über die Gottessohnschaft) , so geschieht dies aus einer modernen, willkürlichen Argumentation heraus.

Gundlach arbeitet in seinem Modell (vgl. Gundlach, 1998, S. 43) zwei unterschiedliche Zieladresse der Legitimationskategorien heraus (dies betrifft ja speziell die Frage Irjnefers):
Die „göttliche Legitimation“ verläuft zwischen Sonnengott-Vater (überregionaler Staatsgott Amun[-Re]) und Sonnengott-Sohn (König), wobei einerseits die Rollenübertragung vom Gott auf den irdischen Sohn erfolgt andererseits der Sohn den Staatskult für seine kosmischen Vaterfigur aufrecht erhält.
Die „juristische Legitimation“ richtet sich vom jenseitigen König (Vorgängerkönige) an den diesseitigen König. Hier spielt also das Ahnen-Verhältnis die entscheidende Rolle. Wie üblich im Toten- und Ahnenkult übernimmt der Sohn als Gegengabe für die Legitimation die Aufgabe des Toten- und Gedächtniskultes.
Die „politische Legitimation“ findet natürlich keine Entsprechung in einer Gott-König-Beziehung da sie einseitig auf das Diesseits bezogen ist. Wie uns zB. die „Lehre des Amenemhet“ zeigt bestand durchaus die Vorstellung, dass ein Herrscher sich mittels guter (erfolgreicher) Taten gegenüber seinem Volk auszeichnete und dadurch in gewisser Weise legitimierte. Völlig abgehoben von ihrem Volk waren die Pharaonen sicher nicht.

Gundlachs Modell ist scheinbar sehr pragmatisch und modern konzipiert. Sein Konzept ist v.a. aus Königstitulaturen erschlossen und somit für diese Beleggruppe aussagekräftig.
So modern und durchkomponiert Gundlachs Modell wirkt, so wird dieses dreischiffige Königsideologie-Konzept („Göttliche Legitimation – Juristische Legitimation – Politische Legitimation“) aber sehr plausibel, wenn man über den ägyptischen Tellerrand hinausblickt und beobachtet auf welchen ideologischen Grundpfeilern altorientalische Könige ihre Herrschaftslegitimation aufbauen. Besonders die Legitimation über den Ahnenkult ist DAS zentrale Thema der nahöstlichen Königsherrschaft. Gemeinsames Charakteristikum ist ausserdem die Berufung auf das direkte Verhältnis zum Staats-/Reichsgott und dessen göttlicher Gemahlin. Hierzu habe ich einige grundlegende Beiträge dem Beitrag angehängt (s. Das_hethitische_Königtum I-IV und Das_mesopotamische_Königtum I-II).

Dass genealogische Probleme durch „politische Legitimierungskampagnen“ überschattet werden sollten, um – gegen eine reale innere Opposition gerichtet – zu wirken, ist angesichts der hethitischen, mesopotamischen und ägyptischen Quellen eher unwahrscheinlich. Vielmehr stützen die kulturellen Vergleiche die Vorstellung, dass durch die Zurschaustellung des rechtmäßige Verhaltens gegenüber Königs- und Götterahnen den gesellschaftlichen und religiösen Anforderungen der Institution Königtum Genüge getan werden sollte, bzw. dass durch Betonung der göttlichen Abstammung der grundsätzliche ERBANSPRUCH des Amtes gegenüber den Ahnen (göttlichen wie königlichen) begründet werden sollte. Wie oben bereits erklärt erfolgt diese Rechtfertigung aber ausschließlich gegenüber dem Staatsgott bzw. dem mythischen Vatergott des Königs. „Überzeugungsarbeit“ gegen aufmüpfige Beamten sollten die Legitimationstexte wohl nicht leisten (das heißt nicht, dass es solche „Propaganda-Texte/-Inhalte generell nicht gegeben hat! Hanna Jenni hat zB. jüngst verzweifelt versucht für den Papyrus Westcar eine realpolitische Propagandafunktion herauszuarbeiten; SAK 25 (1998), S. 113-41).
...

> Antwort auf Beitrag vom: 31.08.2004 um 15:32:11


47) Re: (Fortsetzung:) Legitimationsbedürfnis
 Gast_A. am 31.08.2004 um 17:22:22 - Anhang: Das_hethitische_Koenigtum_I.pdf

...
In derartigen religiösen Systemen ist es ausserdem notwendig sich gegenüber den Göttern dauerhaft und permanent zu rechtfertigen, dass man die Herrschaft WEITER ausübt bzw. sie ausüben DARF (Kompetenz), da dies sonst unweigerlich zum realen Niedergang des Landes geführt hätte (Katastrophen, Mißernten, Niederlagen etc.). Die Texte geben nie Auskunft warum z.B. ein Prinz in der Realität berechtigt war Pharao zu WERDEN! Die Legitimationfrage wird auch in Ägypten grundsätzlich nicht der Thronbesteigung vorweggestellt oder thematisiert! Wieso Prinz X dem Prinz Y vorgezogen wurde ist im Einzelfall nicht mehr nachvollziehbar.

Ein Hinweis auf dieses Ahnen-gestützte Legitimationssystem ist z.B. die Bezeichnung der Königsmutter als sA.t-nTr „Gottestochter“ (vgl. S. Roth, Die Königsmütter ded Alten Ägypten, Wiesbaden 2001, S. 337). Dieser Titel wird einer Königsmutter aber erst verliehen, wenn ihr Sohn den Thron bestiegen hat und nicht – wie die Bezeichnung nTr erwarten lassen könnte – wenn der Gemahl verstorben ist! Er drückt also keine besondere Rolle des Vorgängerkönigs (hier als nTr „Gott“) aus, um dadurch auf den Kronprinzen in spe zu wirken, sondern er steht allein mit dem Legitimationsstatus des lebenden Königs in Zusammenhang, der sich eben durch diese Titulierung seiner Mutter in die Ahnenkette anschliessen und sich dadurch entsprechend des Gundlach’schen Modells legitimieren konnte.

Die Arbeit am Konzept Maat und der damit verbundenen permanenten Absicherung der eigenen Herrschaftskompetenz gegenüber der Götter setzt erst mit der Thronbesteigung ein und zählt nicht zu einem irdischen Problem (zumindest nicht zu einem Problem, das an TEMPELwänden thematisiert wurde).

Generell ist die Legitimation über den Staatsgott und über die Ahnengötter parallel aufgebaut- Hierzu habe ich aus S. Roth (op.cit. S. 340) die entsprechende Grafik gescannt (s. Anhang Grafik B). Erinnert sei hier noch an die Forums-Diskussion zum „Millionenjahrhaus“ am Ramesseum das ich dort als „Ahnentempel“ bezeichnete und das ja neben der Gemahlin auch der MUTTER geweiht war). Als Legitimationsfaktor spielten die Königsmütter eine entscheidende Rolle. Hier sei wieder auf Roths Bearbeitung verwiesen, die auf S. 269ff. auch auf die Probleme „göttlicher legitimation“ im Neuen Reich eingeht.

Gruß A.

> Antwort auf Beitrag vom: 31.08.2004 um 17:16:15


48) Re: (Fortsetzung:) Legitimationsbedürfnis
 Gast_A. am 31.08.2004 um 17:27:54 - Anhang: Das_hethitische_Koenigtum_II.pdf

... hier also die folgenden Teile zum hethitischen und mesopotamischen Königtum...

Abschnitt II

> Antwort auf Beitrag vom: 31.08.2004 um 17:22:22


49) Re: (Fortsetzung:) Legitimationsbedürfnis
 Gast_A. am 31.08.2004 um 17:32:27 - Anhang: Das_hethitische_Koenigtum_III.pdf

...
Abschnitt III

> Antwort auf Beitrag vom: 31.08.2004 um 17:27:54


50) Re: (Fortsetzung:) Legitimationsbedürfnis
Irjnefer_d.J. am 31.08.2004 um 17:32:51

Hallo, A,

vielen vielen Dank für Deine Mühe des Lesens und Reproduzierens.

Leider macht es mich beim Lesen wahnsinnig !

Wir sind noch nicht ganz soweit, aber:

Solange wir keine explizite philologische Quelle für ein königliches "Legitimationsbedürfnis" haben, ist für mich dieses Wort   a u s s c h l i e ß l i c h   Wortgeklingel, die Idee rein eine ägyptologische   W a h n idee !

Sorry. So sorry.

> Antwort auf Beitrag vom: 31.08.2004 um 17:27:54


51) Re: (Fortsetzung:) Legitimationsbedürfnis
 Gast_A. am 31.08.2004 um 17:36:22 - Anhang: Das_hethitische_Koenigtum_IV.pdf

...
trotzdem noch Abschnitt IV  

> Antwort auf Beitrag vom: 31.08.2004 um 17:32:51


52) Re: (Fortsetzung:) Legitimationsbedürfnis
Irjnefer_d.J. am 31.08.2004 um 17:40:05

Bitte, ernsthaft.

Textarbeit, keine Phantastereien.

> Antwort auf Beitrag vom: 31.08.2004 um 17:36:22


53) Re: (Fortsetzung:) Legitimationsbedürfnis
 Gast_A. am 31.08.2004 um 17:48:20 - Anhang: Das_mesopotamische_Koenigtum_I.pdf

...
übrigens ist es ein (leider) weit verbreiteter Philologen-Irrglaube es gäbe

Zitat:
explizite philologische Quelle(n)

Die Erschließung einer Wortbedeutung aus einem Text ist INTERPRETATION. Insofern ist eine phililogische Interpretation einer ikonographischen oder stilistischen in nichts voraus! Gundlachs Lösung dürfte daher kaum minderwertiger sein als eine die vielleicht Quack auf rein philologischer Basis in einer Papyrusedition getroffen hat...

Hier auch noch Teil I der mesopotamischen Königsideologie...

> Antwort auf Beitrag vom: 31.08.2004 um 17:36:22


54) Re: (Fortsetzung:) Legitimationsbedürfnis
 Iufaa am 31.08.2004 um 17:49:36

Hi Irinefer,

kleine Korrektur:

Zitat:
Solange wir keine explizite philologische Quelle für ein königliches "Legitimationsbedürfnis" haben, ist für mich dieses Wort   a u s s c h l i e ß l i c h   Wortgeklingel, die Idee rein eine ägyptologische   W a h n idee

Das ist keine Wahnidee, sondern der Versuch, historische (Be-)Funde aus heutiger Sicht zu erklären. Ich habe schon mehrfach gesagt, dass in solchen Erklärungsversuchen unsere gesamte kulturelle Entwicklung mit drinsteckt. Für bestimmte historische Befunde (z.B. "persönliche oder institutionelle Motivation für Handlungen") werden wir keine Antworten finden, sondern bei Erklärungsversuchen steckenbleiben.

Die historischen Wissenschaften können ja keine Experimente machen, um ihre Hypothesen zu falsifizieren, aber sie können schon durch Befundsammlung und -interpretation versuchen, ihre Hypothesen wahrscheinlicher zu machen.

Ob die aÄ überhaupt ein "Legitimationsproblem" - wie wir es heute beschreiben - "gesehen" haben, lässt sich nicht beantworten. Aber eindeutig haben sie einen Grund gehabt, ihre Tempelwände etc. ausgiebig zu verzieren - und der heutigen Wissenschaft geben sie damit auch noch einen Grund (sich damit zu beschäftigen), nämlich die Suche nach einer plausiblen Erklärung.

Und so schlecht klingen die Versuche nicht, oder hast Du eindeutige Befunde, die diese hypothetische Erklärungen "falsifizieren" könnten.

Gruss, Iufaa

> Antwort auf Beitrag vom: 31.08.2004 um 17:32:51


55) Re: (Fortsetzung:) Legitimationsbedürfnis
 Gast_A. am 31.08.2004 um 17:54:14 - Anhang: Das_mesopotamische_Koenigtum_II.pdf

... und fertig! Viel Spass beim Vergleichen...

> Antwort auf Beitrag vom: 31.08.2004 um 17:48:20


56) Re: (Fortsetzung:) Legitimationsbedürfnis
Irjnefer_d.J. am 31.08.2004 um 18:47:31

Ja, genau, Iufaa,

bitte - O.K., der Vergleich hinkt - erkläre mir
doch einmal die Kunst entlang des Berliner Ku-damms.

> Antwort auf Beitrag vom: 31.08.2004 um 17:54:14


57) Re: (Fortsetzung:) Legitimationsbedürfnis
Gitta am 31.08.2004 um 23:03:24


Zitat:
Wie uns zB. die „Lehre des Amenemhet“ zeigt bestand durchaus die Vorstellung, dass ein Herrscher sich mittels guter (erfolgreicher) Taten gegenüber seinem Volk auszeichnete und dadurch in gewisser Weise legitimierte. Völlig abgehoben von ihrem Volk waren die Pharaonen sicher nicht.


Darüber hinaus bedauert Amenemhet in diesem Text (postum), dass er es zu Lebzeiten, also vor seiner Ermordung, nicht mehr geschafft hatte, seinen Sohn (Sesostris I.) zum Koregenten zu erheben. Aus der Tatsache, dass dies niedergeschrieben wurde, könnte man auch so seine Schlüsse ziehen.

@Iufaa

Zitat:
Ob die aÄ überhaupt ein "Legitimationsproblem" - wie wir es heute beschreiben - "gesehen" haben, lässt sich nicht beantworten. Aber eindeutig haben sie einen Grund gehabt, ihre Tempelwände etc. ausgiebig zu verzieren - und der heutigen Wissenschaft geben sie damit auch noch einen Grund (sich damit zu beschäftigen), nämlich die Suche nach einer plausiblen Erklärung.


Und die finde ich unglaublich spannend.

Gitta

> Antwort auf Beitrag vom: 31.08.2004 um 17:16:15


58) Re: (Fortsetzung:) Legitimationsbedürfnis
Irjnefer_d.J. am 04.09.2004 um 20:09:23

Hallo Gitta, hallo Iufaa und Kollegen,

Thema "königliches Legitimationsbedürfnis":

Ist (- Gundlach unberücksichtigt -) die Formulierung des Königsdogmas ...

... a) Rechenschaftsablage gegenüber dem Volk ? ( Ich erinnere
      an den "arischen Nachweis" für Staatsdiener. )

... b) gleichsam Magie gegen Feinde des Königs ?

- Liebe Naunachte, findest Du uns die Belegstellen ( Kontexte ) für den HkA n bs, einen "legitimen Herrscher" ?

Viele Grüße
Irjnefer d.J.

> Antwort auf Beitrag vom: 31.08.2004 um 23:03:24


59) Re: (Fortsetzung:) Legitimationsbedürfnis
 heka-waset am 05.09.2004 um 10:43:46

Gundlach kann auch ruhig unberücksichtigt sein. Sein Buch nicht alles andere als unumstritten, seine Theorien oft schwach gestützt.

> Antwort auf Beitrag vom: 04.09.2004 um 20:09:23


60) Re: (Fortsetzung:) Legitimationsbedürfnis
 Gast_A. am 05.09.2004 um 14:45:29

Hallo Heka,

ich denke das ist kein Verständnisproblem von Gundlach, sondern eines der „vielen Ägyptologen“ auf Lehrstühlen in Münster, Berlin und Tübingen. Wenn Gundlach eine „Staats-/LegitimierungsTHEORIE“ vorstellt, muss diese auch als theoretischer Ansatz wahrgenommen werden. Wie ich geschrieben habe baut Gundlach seine komplexen Systeme v.a. auf Titulaturketten und Herrscherikonographie auf. Insofern finde ich sein Modell durchaus gut, da in sich homogen. Ob es historisch ist muss durch weitere Detailstudien untersucht werden. Vielfach ist es sicher zu starr konzipiert und der Logik verhaftet.
„Inhaltsleer“ bedeutet bei den meisten Professoren aber nur, dass wir immer noch nicht DEN Papyrus gefunden haben, der all dies mit einem Schlag bestätigt oder widerlegt (zufällig sind die von dir genannten Herren ja allesamt Philologen). Man warten lieber darauf, dass dieser Wunderpapyrus gefunden wird – um dann endlich „das Material sprechen zu lassen“ – anstatt sich mit Gundlachs THEORETISCHEM Ansatz kritisch auseinanderzusetzen (oder hat einer von ihnen ein Gegenmodell entworfen?).
Gundlachs verwirrenden Diagramme und Graphiken muss man nicht mögen. Sie sind halt ein Spleen von dem Herrn. Und wie zB. die Untersuchungen von A. Thiem zu Haremhabs Legitimation zeigen, kann man durchaus mit seinem System arbeiten.

Wenn Du Gundlach wegen mangelnder Materialschlachten in seinen Büchern als inhaltsleer bezeichnest, würde mich interessieren was Du zB. zu Assmanns „Ma’at“, „Sinngeschichte“ oder „Frömmigkeit“ sagst – die Du ja gerne zitierst? Dort hat Assmann ja auch nur eine THEORIE entworfen (was i.d.R. ebenfalls nicht wahrgenommen wird). Ist Assmann deswegen „inhaltsleer“? Diese Debatte dann aber vielleicht an einer anderen Stelle.

Gruß A.

> Antwort auf Beitrag vom: 05.09.2004 um 10:43:46


61) Re: (Fortsetzung:) Legitimationsbedürfnis
Irjnefer_d.J. am 05.09.2004 um 17:49:29

Hallo, und ich setze noch einmal Frage #58 entgegen.

Will denn Gundlach seinen belegeunabhängigen Gedanken aus der Luft gegriffen haben ?

Irjnefer d.J.

> Antwort auf Beitrag vom: 05.09.2004 um 14:45:29


62) Re: (Fortsetzung:) Legitimationsbedürfnis
JMK am 05.09.2004 um 21:01:59

Nicht aufregen. Leute!  

heka-waset ist noch jung! In diesem Alter übernimmt man noch gerne die Meinungen seines Professors.  

Crossinger


> Antwort auf Beitrag vom: 05.09.2004 um 17:49:29


63) Re: (Fortsetzung:) Legitimationsbedürfnis
 heka-waset am 05.09.2004 um 23:03:03

Oder bildet sich eine eigene, die man in der Meinung von Professoren wieder findet! Ich empfand das Buch beim Lesen als spekulativ und oft nicht schlüssig...

> Antwort auf Beitrag vom: 05.09.2004 um 21:01:59


64) Re: (Fortsetzung:) Legitimationsbedürfnis
JMK am 05.09.2004 um 23:18:45


Zitat:
Ich empfand das Buch beim Lesen als spekulativ und oft nicht schlüssig...


Mein Prof. hat uns im Doktorandenkolloquium mal gesagt, das (="Spekulation") wäre "gesteuerte Hypothesenbildung".

Oft passiert eh' nichts anderes in unserem Fach als Spekulation. Und die Vorwürfe von A. an die Philologen habe ich im Laufe der Jahre auch schon sattsam miterleben müssen. Diese extreme Form des Positivismus, die hauptsächlich den Papyri (und deren unmittelbaren Exegese) Glauben schenkt, bringt das Fach nicht weiter.

Es ist nun der Punkt, "wie" die Spekulation aufgezogen wird. Gundlach unterlaufen (leider) immer wieder Fehler, die das Gesamtbild trüben. Das war auch in der Vergangenheit schon so. Doch immerhin versucht er Gesamtentwürfe in Themenbereichen, die Weiß-Gott nicht mit hoher Belegdichte aufwarten. Und Königsideologie ist da eine sprödere Materie als etwa Philologie oder Architektur.

Andererseits arbeitet fast jeder heute noch mit Arbeiten von Helck, obwohl dessen "Schlüssigkeit" gelegentlich eine Frechheit ist.  

Crossinger

> Antwort auf Beitrag vom: 05.09.2004 um 23:03:03


65) Re: (Fortsetzung:) Legitimationsbedürfnis
Thomas_ am 06.09.2004 um 10:08:29

Hallo an alle,

ich hätte wohl beinahe diesen wunderbaren Thread nicht gelesen. Eines meiner Lieblings-"aufreger"-themen: Das Legetimations"bedürfnis". Sollte es nicht Legetimations"pflicht" heißen? Keine gesellschaftliche Gruppe, ob in der Steinzeit oder in unserer heutigen Zeit, kann ohne diese "Legetimations-Riten" (Kampf mit der Keule, Erbnachfolge, demokratische Wahlen etc.) stabil existieren. Die Führung muß immer legetimiert sein, ansonsten fällt die Gesellschaft in Anarchie auseinander oder fährt nach einer gewaltsamen Diktatur gegen die Wand. Gundlach versucht diesen unausgesprochenen Gesetzen auf den Grund zu gehen. Sicher auch mit Fehlern. Mit "Brimborium" und "Inszenierung" (Iufaa) hat dies jedenfalls nichts zu tun. Man wird nicht weit kommen, wenn man, wie in manchen Publikationen zu lesen, die Zustände im Alte Ägypten als Bananenrepublik beschreibt. Malte Römers "Gottes- und Priesterherrschaft in Ägypten am Ende des Neuen Reiches" (Ägypten und Altes Testament Bd. 21,(1994) Wiesbaden) ist eine sehr gute Arbeit, die man sich zu diesem Thema ansehen sollte. Mit sehr viel(!) Material. Selbst J. Assmann entfährt bei dem Thema "Orakel" ein Stoßseufzer: "Es ist ein Wunder, wie so etwas über die Jahrhunderte nicht nur funktioniert, sondern auch noch floriert und immer weiter ausgebaut wird." (Ägypten, S.335, Fischer Taschenbuch, 2000) Da schlagen zwei Herzen in seiner Brust: mit "so etwas" die vermeintliche "Überlegenheit" der Moderne, und ein paar Sätze später die Erkenntniss "Die törichte Theorie des Priesterbetrugs kann man in diesem Zusammenhang ausschließen, weil ... bei vielen Orakeln die Zuschauer selbst Priester waren" (mit Verweis auf Römer).

Gruß Thomas

> Antwort auf Beitrag vom: 05.09.2004 um 23:18:45


66) Re: (Fortsetzung:) Legitimationsbedürfnis
 naunakhte am 06.09.2004 um 12:11:47


Zitat:
Liebe Naunachte, findest Du uns die Belegstellen ( Kontexte ) für den HkA n bs, einen "legitimen Herrscher"


Lieber Irjnefer,

da du speziell ein HkA n bs suchst muß ich passen.
Den Deutsch-Ägyptisch Band von Hannig habe ich nicht. Unter Hka im Ägyptisch Deutsch wird diese Variante nicht angegeben und auch bei Erman/Grapow finde ich diese Kombination nicht. Somit ist ein abfragen von Belegstellen auch nicht möglich.


Vielleicht solltest Du der Einfachheithalber lieber direkt bei Rainer Hannig nachfragen.

Gruß
naunakhte

> Antwort auf Beitrag vom: 04.09.2004 um 20:09:23


67) Re: (Fortsetzung:) Legitimationsbedürfnis
Gitta am 06.09.2004 um 12:41:31


Zitat:
Unter Hka im Ägyptisch Deutsch wird diese Variante nicht angegeben


Siehe unter bs, Seite 260

Gitta

> Antwort auf Beitrag vom: 06.09.2004 um 12:11:47


68) Re: (Fortsetzung:) Legitimationsbedürfnis
 naunakhte am 06.09.2004 um 12:58:17

ok Gitta,

gehen wir halt über bs.

Erman/Grapow Bd. 2 S. 473

HkA n bs ein legitimer Herrscher (Dyn. 20)
Belegstelle Nr. 9
Abyd Mar II 54/5, 13 - ähnlich auch Kanop 16


nauna

> Antwort auf Beitrag vom: 06.09.2004 um 12:41:31


69) Re: (Fortsetzung:) Legitimationsbedürfnis
Thomas_ am 06.09.2004 um 14:35:44

Hallo Naunakhte,

kleine Korrektur: Bd 1, 473
im WB unter bz suchen, nicht unter bs

hier noch einige weitere Belegstellen aus der Umgebung von bz und HqA:
Palermostein, recto(!) Zeile 5 /9-10, Jahr 2 des Djoser, Dyn 3
Einführung des Königs...1
Grab des Pehsucher, Theben, Dyn 18
Geheimnis des Palastes2
Hatnub, frühes MR
Son of chief in truth3

Welche Geheimnisse da wohl die Legitimität widerspiegeln?

Gruß Thomas

> Antwort auf Beitrag vom: 06.09.2004 um 12:58:17


1: http://aaew.bbaw.de/gif/22/22920000/22922430.gif
2: http://aaew.bbaw.de/gif/22/22925000/22926950.gif
3: http://aaew.bbaw.de/gif/27/27365000/27368580.gif


70) Re: (Fortsetzung:) Legitimationsbedürfnis
Irjnefer_d.J. am 06.09.2004 um 20:02:42

Sehr schön, so, - und -
wer bitte wird uns diese beiden Belegsätze
(mit der Aussage über die Legitimität eines Herrschers)
aus der Publikation über Abydos von Mariette (?) -

Zitat:
Abyd Mar II 54/5, 13
-
und dem Kanopus-Dekret (?) -

Zitat:
Kanop 16
-
hier auf deutsch präsentieren ( können ) ?

Bitte, bitte    !..

Irjnefer d.J.

> Antwort auf Beitrag vom: 06.09.2004 um 14:35:44


71) Re: (Fortsetzung:) Legitimationsbedürfnis
 Gast_A. am 06.09.2004 um 20:33:24 - Anhang: Ramses_IV_Abydos.jpg

Hallo,

nachdem nun offenbar alles von HqA-n-bs abhängt stelle ich hier mal die Stele Ramses’ IV. rein, die die Belegstelle aus dem Wörterbuch darstellt.
Der Verweis auf das Kanopusdekret (hieroglyphischer Text §C-16 nach Spiegelberg, Priesterdekrete, Heidelberg 1922) ist ungültig, da hier eindeutig die Wortbedeutung „eintreten“ gemeint ist und der Terminus auch nicht in Bezug auf einen König angewendet wird.

In der Bearbeitung der Stele Ramses’ IV. hat M. Korostovtsev (Stèle de Ramsès IV, in: BIFAO  45, 1947-48, S. 162) HqA-n-bs als „souverain légitime“ wiedergegeben und sich somit streng an die Vorgabe des Wb. gehalten. Einen Kommentar zu seiner Übersetzung liefert er leider nicht.
Die Passage bei Ramses IV. lautet (auf dem beigefügten Bild habe ich HqA-n-bs rot markiert. Das Zitat setzt eine Zeile früher ein):

(Zeile 12) [....] isT sxr=i m-bAH Hm=k Nun, meine Pläne sind vor Deiner Majestät

Hna DADA n.t aA.t m.x.t=k
und dem großen Kollegium hinter Dir

iw MAa.t imi.w r (Zeile 13) Aw
und die Maat ist in euch insgesamt

nn nj.w jwms
und nicht ist bei euch Lüge.

jnk HqA n bs
(Wahrlich) ich bin ein ‚HqA-n-bs’;

nn Hwrw.n=i
nicht habe ich usurpiert;

tw=i m s.t wtt=i mi sA (A)s.t
ich bin auf dem Sitz dessen, der mich gezeugt hat wie den Sohn der Isis

Dr aHa=i m nsw.t Hr s.t n.t Hr
seit ich aufgestanden bin als König auf dem Thron des Horus;

ini.n=i mAa.t r tA pn wn.w nn sw
ich brachte die Maat zu den Ländern, die ohne sie waren.“

Die folgenden Verse behandelt die Maat-gerechten Handlungen des Königs, die Osiris und dessen Kollegium vorgetragen werden:

Ich weiss, dass Du (Osiris) leidest, wenn sie (die Ma’at) in Ägypten fehlt: ich habe viele Opferstiftungen für deinen Ka eingerichtet; ich habe täglich diejenigen (Opferstiftungen) vermehrt, die früher waren; ich habe beschützt die  Viertel deiner Stadt; ich habe deinen Platz behütet; ich habe die Dekrete erlassen um deinen Tempel (in Abydos) mit allen Sorten an Schätzen auszustatten.
Wahrhaftig, ich habe nicht meinen Vater abgelehnt/zurückgestoßen; ich habe nicht meine Mutter zurückgewiesen; ich habe den Nil nicht blockiert/versperrt; ich bin nicht gekommen zu einem Gott (... zerstört .....) in seinem Tempel...“


Ramses IV. führt noch eine ganze Reihe „guter Taten“ auf, die er den Göttern gegenüber vollbracht hat (er hat bestimmte Dinge an Festen getan/unterlassen, er hat die Maat an der Seite des Re gesehen, er hat bestimmte Tabus nicht gebrochen usw.).
Schließlich listet er alle Götter aus dem Giebelfeld noch einmal auf und äußert jedem gegenüber in knapper Form, was er für sein Wohl getan hat.

Wenn ich das so betrachte deckt sich das durchaus mit dem Konzept von Herrn Gundlach. Rechtfertigung gegenüber den Göttern und Bestätigung des Ahnenreihe (Vater und Mutter s.o.). Von irgendwelchen Oppositionen oder gar realpolitischen Begebenheiten ist hier nichts zu lesen. Auch solches hinein zu interpretieren dürfte schwer fallen.

Gruß A.

> Antwort auf Beitrag vom: 06.09.2004 um 20:02:42


72) Re: (Fortsetzung:) Legitimationsbedürfnis
Irjnefer_d.J. am 07.09.2004 um 17:38:36

Lieber A., danke, ganz hervorragend, eins A.

Deute ich es richtig: Der   v e r s t o r b e n e   Ramses tritt hier vor die Totenrichter ?

Erman/Grapow "interpretieren" für mich nur "Ich bin (? war) auf dem Sitz dessen, der mich gezeugt hat" als Kennzeichen für einen "legitimen" Herrscher.

Die glatte Genealogie. ( Sonst aber - falls es sich um einen Musterbeleg handelt - nichts anderes. )

Adressat - wie schon von Gitta vermutet - : das Jenseitsgericht (?!)!

Keinerlei Erklärung haben wir somit dafür, daß z.B. (gerade) Hatschepsut sich vielfach als göttliche Tochter der Öffentlichkeit präsentiert. - Finde ich.

Viele Grüße
Irjnefer d.J.

> Antwort auf Beitrag vom: 06.09.2004 um 20:33:24


73) Re: (Fortsetzung:) Legitimationsbedürfnis
 Gast_A. am 07.09.2004 um 21:02:34

Hallo Irjnefer,

Ramses IV. ist hier durchaus noch munter und lebendig. Es handelt sich um eine offizielle Stele während seiner Regentschaft. Dies geht aus der Datumsangabe am Zeilenanfang ("... Überschwemmungszeit) hervor. Die Götter, die Ramses hier anspricht sind die Urgötter der Schöpfungssituation. Ich würde daher die Stele lieber als eine Weihgabe an den bedeutenden abydenischen Osiristempel oder einen dort benachbarten Königstempel betrachten, die vor/während des Neujahrsfestes gestiftet wurde. Die Schöpfungssituation in der die genannten Götter begegnen würde am ehesten in den Neujahrskontext passen, an der neben den Göttern auch die Königsherrschaft erneuert wird. Daher muss sich Ramses in dieser Stele wohl als „guter Herrscher“ präsentieren.
Auf was das „HqA-n-bs“ nun aber konkret bezogen ist kann man meiner Meinung nach aus dem Text nicht ableiten. Ist es die Angabe keine Tempelbauten der Vorgänger usurpiert zu haben, oder sein Handeln bei Festen? Die maatgerechte Machtausübung? Der vorbildliche Götterkult? Vielleicht alles zusammen? Oder ist es garnicht mit dem folgenden Text in Zusammenhang zu bringen?  

Gruß A.

P.S.: T. Schneider, Lexikon d. Pharaonen, S. 236 gibt übrigens an, dass die Stele als „politische Tendenzschrift“ zu werten sei, die sich indirekt auf den gewaltsamen Tod Ramses’ III. bezieht und den Herrschaftsanspruch Ramses’ IV. „legitimieren“ soll.
Womit wir wieder so schlau wären wie am Anfang  

> Antwort auf Beitrag vom: 07.09.2004 um 17:38:36


74) Re: (Fortsetzung:) Legitimationsbedürfnis
Gitta am 07.09.2004 um 21:36:14 - Anhang: hka.jpg

Genau, nämlich wieder bei der Haremsverschwörung

Bei der Gelegenheit: kommt die Schreibung von HqA in Kartuschen häufiger vor? Auf der oberen Terasse von Deir el-Bahri habe ich nachstehendes Foto gemacht. Es ist mir nicht gelungen, einen Sinn in den leider ein wenig zerstörten Text zu bringen (jw-j oder jw jmn z.B.; was bedeutet das vorangestellte n pA?). Mir kam es auch eigentlich momentan auch nur auf diese Schreibung an. Wenn dabei noch eine Deutung herausspringt, umso besser. Die Inschrift befindet sich oberhalb einer Bootsszene mit Takelage (Abydos-Fahrt?).

Gitta


> Antwort auf Beitrag vom: 07.09.2004 um 21:02:34


75) Re: (Fortsetzung:) Legitimationsbedürfnis
Gitta am 07.09.2004 um 21:37:06 - Anhang: hka2.jpg

Hier noch einmal im Zusammenhang

> Antwort auf Beitrag vom: 07.09.2004 um 21:36:14


76) Re: (Fortsetzung:) Legitimationsbedürfnis
Irjnefer_d.J. am 08.09.2004 um 15:26:38

Nun, so frage ich, wen interessiert die "Legitimität" des Königs außer den Göttern noch ?

Unser Beleg ist eine einzelne Stele, vielleicht "Weihgabe an den Osiristempel in Abydos" ( A. Gast ), vielleicht "politische Tendenzschrift" ( T. Schneider ).
Solchermaßen jedenfalls ungeeignet als "Rechenschaftsablage gegenüber dem Volk" bzw. "magischer Text gegen Feinde des Königs" ( d. Verf. ).

Wenn wir großartig über das kgl. "Legitimationsbedürfnis" sprechen, wen hat das denn interessieren sollen ? ?!

Viele Grüße
Irjnefer d.J.

> Antwort auf Beitrag vom: 07.09.2004 um 21:37:06


77) Re: (Fortsetzung:) Legitimationsbedürfnis
Gitta am 13.09.2004 um 17:47:44


Zitat:
Nun, so frage ich, wen interessiert die "Legitimität" des Königs außer den Göttern noch ?


Vielleicht doch "das Volk"?

Ich habe mal zusammengestellt, was ich nach mir zugänglicher Literatur gefunden habe:

Amenemhet I. / Sesostris I.
Nach Jansen-Winkeln Legitimierung der von Amenemhet eingeführten Koregentschaft in der "Lehre des Amenemhet für seinen Sohn" (Sesostris I.). Daraus kann man schlussfolgern, dass es sich dabei auch um eine Legitimierung Sesostris' handelt. Weiterhin Herleitung der Abstammung Amenemhet's auf Snofru in "Prophezeiungen des Neferti" (überliefert aus der 18. Dynastie).
Lehre

Thutmosis I. (nichtköniglicher Herkunft)
Ein Denkstein mit "Thronbesteigungsanzeige" nennt nicht seine leibliche, nichtkönigliche Mutter Seniseneb, sondern Ahmose-Nefertari, die vielleicht (nicht gesichert) die Mutter seiner Großen Königsgemahlin Ahmose ist. In der "Thronbesteigungsanzeige" an seine Beamten im Süden wird Seniseneb genannt.
Denkstein

Hatschepsut
Reihenweise Niederschriften über juristische und göttliche Legitimation. Schoske/Grimm halten "öffentliche Veranstaltung" bei Erwählung durch Orakel für möglich (wie sie überhaupt von "öffentlicher Propaganda" sprechen). Die Texte können teilweise tatsächlich so verstanden werden: Krönung durch Amun Unfassbares durchzog das Volk, ihr Ansehen ergriff Himmel und Erde, jeder Einzelne wandte sich an seinen Genossen. Niemand dachte mehr an sich selbst, keiner war mehr bei Verstand, jedermann vergaß seinen Leib. Ihre Gesichter wurden vom Staunen ergriffen, ihr Leib wurde schwach, als sie die Königskronen angelegt sahen, als etwas was Amun selbst getan hatte. Sie warfen sich auf den Boden.. Inschrift in Speos Artemidos Hört, ihr Menschen alle, du Volk in seiner Vielzahl, ich habe dies getan aus einem Einfall meines Herzens...... Eine Weisung des Vaters der Väter war es, die zu seiner Zeit, (nämlich) des Re, kam. Schließlich noch ein Graffito auf Sehel, aus dem hervorgehen soll, Re habe Hatschepsut das wahre Königtum verliehen.
"öffentliche Propaganda" (?), Graffito

Thutmosis IV.
Traumstele / ausradierte Texte auf zwei Prinzenstelen, ebenfalls in Giza.
Denkstein

Amenophis III.
Göttliche Legitimation durch Geburtslegende. Sein Vater bestieg wohl erst mit 25 Jahren den Thron und starb nach 10 Jahren. Es gab noch mindestens fünf Brüder Thutmosis', von denen mir nicht bekannt ist, ob sie nach dessen Tod noch am Leben und nicht vielleicht als mögliche Thronanwärter in Frage kamen.
Tempel (nicht öffentlich)

Haremhab
Inthronisationsstele vor dem ersten Pylon des Ptah-Tempels in Memphis, nach Roeder "an der Straße".
Denkstein

Ramses IV.
Papyrus Harris1 mit Bitte an die Götter, seine Herrschaft zu sichern. Denkstein aus Abydos (s.o.) und Hymnus an Amun-Re.
Denkstein / Papyrus aus Medinet Habu

Zu Ramses II. haben wir nur die ominöse usurpierte Darstellung des "Mehi" sowie Fragmente einer Geburtslegende, die sich in einem Nebentempel des Ramesseum befunden haben sollen. Ausserdem Hinweise, dass Ramses alle wichtigen Positionen mit Vertrauten besetzte. Da die Karnak-Mauer m.E. noch nicht komplett freigelegt ist, könnten dort verborgene Inschriften eines Tages vielleicht noch Licht ins Dunkel der Mehi-Geschichte bringen.

Wenn man sich die gar nicht so geringe Anzahl an Denksteinen anschaut, sogar Texte, die als "Lehren" verfasst wurden, dann scheint "das Volk" wohl doch nicht eine völlig untergeordnete Rolle gespielt zu haben. Auch wenn das Gros nicht lesen konnte, dürften die Inhalte der Texte Verbreitung gefunden haben. Die Thronbesteigung durch einen neuen Herrscher musste im Lande verbreitet werden - schon allein wegen der Datierung von Urkunden aller Art. Und das ist sicher nicht durch Mundpropaganda geschehen, sondern schriftlich wie es ja auch von Dekreten bekannt ist: sie wurden in Stein gehauen an verschiedensten Stellen aufgestellt und Abschriften auf Papyrus durch Boten im Lande verteilt.

Ich will nicht behaupten, dass "das Volk" in der Lage war, einen König abzusetzen. Eine ma'atgerechte Thronfolge scheint aber doch nicht nur in den illustren Kreisen um den König herum (oder gar bei den Göttern) von hoher Wichtigkeit gewesen zu sein und deshalb musste m.E. hier und da auch mal nachgeholfen werden.

Gitta

> Antwort auf Beitrag vom: 08.09.2004 um 15:26:38


1: http://www.manetho.de/lexika/p/papyrus_harris.htm


78) Re: (Fortsetzung:) Legitimationsbedürfnis
 Gast_A. am 13.09.2004 um 19:38:54

Hallo Gitta,

Zitat:
Thutmosis I. (nichtköniglicher Herkunft)
Ein Denkstein mit "Thronbesteigungsanzeige" nennt nicht seine leibliche, nichtkönigliche Mutter Seniseneb, sondern Ahmose-Nefertari, die vielleicht (nicht gesichert) die Mutter seiner Großen Königsgemahlin Ahmose ist. In der "Thronbesteigungsanzeige" an seine Beamten im Süden wird Seniseneb genannt.
Denkstein

Die einzigen beiden Thronbesteigungsanzeigen zu Thutmosis I. besitzen wir aus dem nubischen Raum. Hierbei handelt es sich um zwei identische Kopien desselben Textes (Buhen-Stele und Kuban-Stele). Lesbar ist heute allerdings nur noch die Buhen-Stele (die Kuban-Stele „nennt Seniseneb nicht“ weil hier die entsprechende Textpassage einfach weggebrochen – also verloren – ist. Sie dürfte aber sicherlich auch in der Kuban-Stele genannt gewesen sein).
Hier ist IM BILDFELD Thutmosis I., dahinter Ahmose (seine Gemahlin) und dahinter Ahmose-Nefertari (Mutter der Ahmose) wiedergegeben. IM TEXT begegnet wiederum nicht der Name dieser Personen, sondern der der Seniseneb, die wie beschrieben, die leibliche Mutter Thutmosis’ I. war.
Die Erklärung, die hierzu allgemein bevorzugt wird ist die, dass der Text als „juristisch“ relevanter Königsbefehl (Dokument) die Filiation des Königs bedurfte. Hier musste also Seniseneb stehen (die übrigens einen offiziellen Königsmutterkult mit Tempel und Opferstiftung genoß und keineswegs „totgeschwiegen“ o.ä. wurde).
Dagegen stellt das Bildfeld mit der Gemahlin und deren berühmter Mutter die notwendige Anbindung an die Königsahnen dar (eben über die königliche Linie der Ahmose zu Ahmose/Ahmose-Nefertari).

Eigentlich kein inhaltlicher oder logischer Widerspruch. Hier werden eben nur verschiedene Aspekte der Legitimierungsmöglichkeiten/-notwendigkeiten ausgeschöpft.

Der Aufstellungsort der Stele ist unklar, da sie unter Hatschepsut offenbar verlegt wurde. Es dürfte sich aber um den frühen 18. Dynastie-Tempel bei Buhen (Nordtempel) handeln... und der war kaum öffentlich zugänglich.

Gruß A.

> Antwort auf Beitrag vom: 13.09.2004 um 17:47:44


79) Re: (Fortsetzung:) Legitimationsbedürfnis
Irjnefer_d.J. am 13.09.2004 um 20:02:04

Hallo, danke Gitta, ich sehe die Sache nun so:

König / -in "legitimiert" seine / ihre Herrschaft gegenüber den Göttern (- spontane Antwort Heka-waset -): "Seht, ich bin ein legitimer Herrscher."     [vgl. Übers. A. Gast]

Und das ist so kanonisch wie die Anbringung der Geburtslegende selbst.
Im Volk wird diese Aussage dann z.B. als Standard-Lehre verbreitet.

- Ist das "Propaganda" ? - Ich bezweifle es.

- Ist das "Legitimation" gegenüber dem Volk ? - Ich verneine.




> Antwort auf Beitrag vom: 13.09.2004 um 19:38:54


80) Re: (Fortsetzung:) Legitimationsbedürfnis
Gitta am 13.09.2004 um 20:07:48

Hallo Gast_A,

gibt es Erkenntnisse über einen "generellen Aufstellungsort" von Denksteinen? Waren sie immer in Tempeln "versteckt"?

Schoske/Grimm schreiben übrigens, es sei keineswegs sicher, dass die GKG Ahmose eine Tochter der Ahmose-Nefertari sei. Es gäbe Belege dafür und dagegen.

Gitta

> Antwort auf Beitrag vom: 13.09.2004 um 19:38:54


81) Re: (Fortsetzung:) Legitimationsbedürfnis
 Iufaa am 13.09.2004 um 20:57:56

Hi All,


Zitat:
Hier ist IM BILDFELD Thutmosis I., dahinter Ahmose (seine Gemahlin) und dahinter Ahmose-Nefertari (Mutter der Ahmose) wiedergegeben. IM TEXT begegnet wiederum nicht der Name dieser Personen, sondern der der Seniseneb, die wie beschrieben, die leibliche Mutter Thutmosis’ I. war.


Angesichts dieses Befundes und der teilweise verzweifelten Suche nach einer irdisch-praktischen Begründung für die "Legitimationsversuche" fehlt an dieser Stelle nur noch der Hinweis, dass

1. die Textversion nur für die Gebildeten gedacht war, die eh´ Bescheid wussten und die Mutter kannten,

2. die "Bild-"Version für das leseunfähige Volk gedacht war, denen man (unter Verwendung altbekannter, richtig, Irinefer, "kanonischer" Formen und Inhalte) den Sachverhalt erklärt - Bild Dir Deine Meinung.

Auch wenn sich Gast_A verzweifelt bemüht, eine gerade Linie beizubehalten, der Rest scheint mir im Kreise "herumzueiern".

"Legitimation" für die Götter und damit Erfüllung "Forderungen der Maat" hatten wir schon mehrfach

Und jetzt darf ich mich wohl mit einem Stein bewerfen .

Iufaa

> Antwort auf Beitrag vom: 13.09.2004 um 19:38:54


82) Re: (Fortsetzung:) Legitimationsbedürfnis
Gitta am 13.09.2004 um 21:10:56


Zitat:
"Legitimation" für die Götter und damit Erfüllung "Forderungen der Maat"


So wirds wohl sein oder besser - belassen wir es dabei, bis sich neue Quellen auftun.

Gitta

> Antwort auf Beitrag vom: 13.09.2004 um 20:57:56