Hallo Iufaa, tatsächlich sind die Dekadenfeste in den Tempel-Festlisten nicht vor der Ramessidenzeit nachweisbar. Allerdings muß hier eine grundsätzliche Sache berücksichtigt werden: Die Dekadenfeste waren anders als die Monatsfeste („Feste der Zeitabläufe“) ursprünglich keine Tempelfeste (wie zB. das Opetfest und die damit verbundenen kleineren Feste) und gehören daher auch nicht in deren Festlisten (vgl. etwa die beiden Listen Thutmosis’ III. aus Karnak). Zahlreiche Tempelfeste wurden in der Ramessidenzeit durch Königserlasse auf die Dekaden-„Feiertage“ verteilt - daher das scheinbare „Fehlen“ solcher Dekaden-Tempelfeste in früheren Listen. Die zahllosen Tempel-/Monatsfeste spielten außerhalb der Tempel offenbar keine besonders bedeutende Rolle im Alltag und wurden nur bei wenigen Festen im wirklich großen Rahmen von der allgemeinen Bevölkerung begangen (dabei ist zu beachten, dass auch bei den größten Tempelfesten nur diejenigen Tage als arbeitsfrei galten, bei denen der Gott erschien („xaj“; der Wechsel von „Erscheinen“ und „Ruhen“ der Kultbarke gehörte ja grundsätzlich zu jeder ägyptischen Festprozession. Allerdings durfte nur bei einem kleineren Teil des gesamten Festablaufes die Bevölkerung teilnehmen). Aller anderen Festtage spielten nur im Tempel selbst eine Rolle; vgl. W. Helck, Feiertage und Arbeitstage, in: JESHO 7, 1964, S. 160ff.). Dagegen waren es die Dekaden-Feiertage (Wochenenden), die die Arbeitswoche der Arbeiter und Handwerker bestimmten. Und da wir erst aus der Ramessidenzeit und durch die Beleglage in Deir el-Medine über den Handwerkeralltag und damit auch über dortige Dekaden-Feste gut unformiert sind, ist es verlockend aber auch einseitig anzunehmen, es hätte zuvor keine Dekadenfeste gegeben (so argumentiert zB. auch Assmann immer: eine Sache gab es erst, wenn wir sie schriftlich schwarz auf weiß dokumentiert haben). Orakel konnten übrigens auch außerhalb von Dekadenfesten gegeben werden (zB. Opetfest, Wüstental etc.), da auch bei diesen Feierlichkeiten der Gott „erschien“. Allerdings ist die Häufung von Orakelpetitionen an Dekadenfesten - etwa in Deir el-Medine - so signifikant, dass man wohl davon ausgehen muss, dass sie zum normalen Geschehen am altägyptischen „Wochenende“ der breiten Bevölkerungsgruppen gehörten. Auch wäre es sehr verwunderlich, dass eine solche komplexe Fest-Sitte ex nihilo in der frühesten Ramessidenzeit aus dem Boden geschossen sein soll. Dafür ist sie schlichtweg zu fest im Alltagsleben verankert, zu ausgefeilt und zu standardisiert. Wenn wir in der Ramessidenzeit die Orakelpraxis der Bevölkerung v.a. für diese Dekaden-Festtage festmachen können, und bereits vor der Amarnazeit die typischen Phrasen dieser Praxis vorfinden (G. Posener, La Piété Personelle avant l’âge amarnien, in: Rde 27, 1975, S. 195ff.) ist es naheliegend hier einen Bezug herzustellen. Typisch für die Ramessidenzeit ist die Verlegung von Tempelfesten auf die Wochenenden am Ende einer Dekade (s.o.). Dies mag praktische Gründe gehabt haben (breitere Festteilnahme der Bevölkerung o.ä.). Daher kann es hier aber auch manchmal zu Verwirrung kommen, was nun eigentliches Dekadenfest und was ein Monats- bzw. Tempelfest ist. Die Dekadenteilung des Monats ist bereits aus dem Alten Reich bekannt. Es ist auch so, dass die Festlisten aus Tempeln nicht vollständig bzw. standardisiert sind und daher nicht unbedingt Beweiskraft gegen ein solches Festgeschehen vor der 19. Dynastie haben. In Medinet Habu etwa begegnen die kalendarischen Auszüge von Königsstatuen, die für das direkt benachbarte Deir el-Medine so bedeutend an den Dekaden gewesen sind, überhaupt nicht (bis auf Ramses III.). Für Deir el-Medine spielten die Fest- und Kultvorschriften Amenophis’ I. eine zentrale Rolle. Dies mag ein Grund dafür gewesen sein, warum ihm dort eine so zentrale Rolle zukam. Eventuell gehen die Prozessions-Abläufe bereits auf die Kultvorschriften Amenophis’ I. selbst zurück (sie scheinen jedenfalls nicht von einem ramessidischen Herrscher installiert worden zu sein, da sich darauf kein Bezug findet und die Betonung Amenophis’ I. wirklich erdrückend ist). Sicher belegen ließe sich das erst mit neuem Material. Aus dem frühen Neuen Reich gibt einige vage Hinweise auf Prozessionen/Orakel an „Wochenenden“: So wird schon unter Thutmosis III. (Gründungsstele CG 34012, Zeile 7) das Erscheinen des Gottes während einer Prozession auf ein Dekadenende gelegt (30. Monatstag). Vielleicht ist es auch nur Zufall, dass die Orakelprozession aus der Roten Kapelle der Hatschepsut im Jahr 2 am 19 Monatstag stattfand (die Dekadenvortage bzw. -nächte gehören zum Festgeschehen am 1., 10., 20., und 30. Monatstag). Eventuell auch ohne Bedeutung, dass Thutmosis IV. sein Traumorakel ebenfalls auf den Festvortag datiert (Jahr 1, III. Achet, Tag 9)? Thutmosis IV. datiert dann allerdings sein Orakel in Konosso auf den 2. Monatstag. Hier würde sich die Frage stellen, wie lang ein (königliches?) Dekadenfest sei konnte/durfte. Eventuell liegt hier ja auch gar kein Hinweis auf ein solches vor. Schwierig zu sagen, da uns eben die Angaben zu ähnlichen sozialen Gruppen, wie wir sie später für Deir el-Medine haben, in der Thutmosidenzeit fehlen. Mit einer direkten Ableitung des Dekadengeschehens aus königlichen Festriten wäre ich wirklich vorsichtig. Allerdings ist das procedere der Anrufung (etwa in Deir el-Medine) sehr wahrscheinlich königlichen bzw. tempelbezogenen Riten entnommen (etwa das Nächtigen an der Kultstätte wie wir es von Königen kennen usw.). Die Orakelprozessionen des Amun von Karnak und Luxor aus sind ja im Übrigen auch schon vor den Ramessiden belegt. Insofern relativiert dies das Argument gegen die Dekadenverteilung etwas. Gruß A.
> Antwort auf Beitrag vom: 16.02.2005 um 20:33:13
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