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Ägyptologie Forum >> Pharao & Hofstaat


1) Heerwesen 26.Dynastie
Flieger am 22.04.2006 um 19:16:31

Hallo,

ich suche Informationen über der Heerwesen Ägyptens im 6.JH v.Chr. vor allem über Erscheinungsbild und Terminologie (sofern möglich).

Was ich von Herodot weiß, ist dass die Pharaonen offenbar sehr stark auf Söldner setzten, die als Hopliten kämpften, hauptsächlich aus Ioniern und Kariern bestanden und haw-nebu (?) genannt wurden.
Deren Erscheinungsbild ist mir bestens bekannt.

Interessanter aber die indigenen Truppen... Herodot nennt die Kalasirier und Hermotybier als Kasten. Was bedeuten diese Namen und bezeichnen sie Waffengattungen?
Wenn ja, wie haben sie gekämpft, wie sahen sie aus?

Insgesamt würde ich mich über alle Informationen, besonders zu den indigenen Verbänden freuen!

Grüße


2) Re: Heerwesen 26.Dynastie
Mubarek am 23.04.2006 um 22:20:42

Lieber Flieger,

nur ein Überflieger würde Dir Deine Fragen mal „eben so“ beantworten, zu komplex ist das Thema. Denke nur daran, dass die „Marine“ auch zu Lande eingesetzt wurde, so zum Beispiel im Expeditionswesen, ohne gleich als „Marineinfanterie“ gedeutet zu werden. Hinzu kommt die (alt)ägyptische Unart, militärische Titel zu verleihen und zu führen, ohne dass der so geadelte jemals gedient hätte.
Ein kompaktes Kompendium, welches Dich jeder Arbeit entblößt, wirst Du nur schwerlich finden; es gibt nämlich keines. Es bleibt also nur die gewisslich interessante Aufgabe, die entsprechende Literatur zu durchforsten und zu eigenen Schlüssen zu kommen. Hier eine kleine und ad hoc getroffene Auswahl:

Eichler, Eckard; Untersuchungen zum Expeditionswesen des ägyptischen Alten Reiches; Harrassowitz Verlag, Wiesbaden; 1993

Fakhry, Ahmed; The Oases of Egypt, Volume 2; The American University in Cairo Press, Kairo; 1983

Fakhry, Ahmed; Siwa Oasis; The American University in Cairo Press, Kairo; 1990

Fischer, Hugo; Die Geburt der Hochkultur in Ägypten und Mesopotamien;  Klett-Cotta im Ullstein Taschenbuch; 1981

Freydank, Helmut / Reincke, Walter F. / Schetelich, Maria / Thilo, Thomas; Der Alte Orient in Stichworten; Koehler & Amelang (VOB), Leipzig; 1978

Goedicke, Hans; Königliche Dokumente aus dem Alten Reich; Harrassowitz Verlag, Wiesbaden; 1967

Helck, Wolfgang / Otto, Eberhard; KleinesWörterbuch der Ägyptologie; Verlag Otto Harrassowitz, Wiesbaden; 1987

Helck, Wolfgang / Otto, Eberhard; Kleines Lexikon der Ägyptologie; Harrassowitz Verlag, Wiesbaden; 1999

Hornung, Erik; Einführung in die Ägyptologie; Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt; 1993

Hornung, Erik; Grundzüge der ägyptischen Geschichte; Primus Verlag, Darmstadt; 1996

Priebe, Carsten; Gold und Weihrauch – Ägyptische Expeditionen nach Punt; Herstellung: Books on Demand GmbH; 2005

Rachet, Guy; Lexikon des alten Ägypten; Patmos Verlag, Zürich, Düsseldorf; 2002

Sethe, Kurt; Urkunden der 18. Dynastie (Die Lebensgeschichte des Admirals Amosis); J.C. Hinrichs’sche Buchhandlung, Leipzig; 1914

Sethe, Kurt; Urkunden der 18. Dynastie (Die Lebensgeschichte des Sinuhe); J.C. Hinrichs’sche Buchhandlung, Leipzig; 1927

Williams, Brenda; Ancient Egyptian War and Weapons; Heinemann Library, Chicago, Illinois; 2003

Wolf, Walther; Die Bewaffnung des altägyptischen Heeres; J. C. Hinrichs’sche Buchhandlung, Leipzig; 1926



> Antwort auf Beitrag vom: 22.04.2006 um 19:16:31


3) Re: Heerwesen 26.Dynastie
Flieger am 24.04.2006 um 01:49:44

Hallo Mubarek,

ich bin durchaus willens und auch befähigt selbstständig wissenschaftlich zu arbeiten, es ergab sich für mich allerdings ein Problem.
Bei meiner Studienfachkombination bildet die Ägyptologie bestenfalls eine angrenzende Wissenschaft. Das bedeutet ich kenne entsprechende Standardwerke, Bibliographien etc. i.d.R. nicht.

Das unsystematische Bibliographieren brachte bisher eher unbefriedigende Ergebnisse, da die sich auf einen Zeitraum vor der 26.Dyn. bezogen.
Ich möchte aufgrund meiner Erfahrungen in Sachen antikes Heerwesen arg bezweifeln, dass das Heerwesen des Alten Reiches z.B. noch schrecklich viel mit dem 1500 Jahre später zu tun hat. Überblicksliteratur ist i.d.R. ebenfalls nicht geeignet für eine Untersuchung, wie ich sie plane.

Ich bin natürlich sehr dankbar für Literaturhinweise, hoffe aber auf etwas spezifischere Literatur, über die Armee Amasis'z.B.
Allzu schrecklich komplex ist meine Frage nach Erscheinung und Terminologie eigentlich auch nicht, da sie sich i.W. im Rahmen der Ereignisgeschichte bewegt und ich keine tiefschürfenden kulturhistorischen Erkenntnisse mit Neuigkeitswert im Rahmen einer sogenannten "neuen Militärgeschichte" (à la MGFA) anstrebe.

In der Alten Geschichte gibt es eine Reihe von Werken, die überblicksartig das Erscheinungsbild verschiedener Heere, sowie Gliederung ("Order of Battle") und soweit bekannt die Namen/Bezeichnungen der einzelnen "Waffengattungen"/"Kriegertypen" (je nach dem...) darlegen.
Am bekanntesten, wenn auch eher populärwissenschaftlich, sind vielleicht die Osprey-Reihen.

Es ist ja durchaus möglich, dass soetwas für die Heere der 26.Dynastie nicht existiert - das kann ich eben nicht beurteilen.
Daher frage ich ja auch bei den Experten  

> Antwort auf Beitrag vom: 23.04.2006 um 22:20:42


4) Re: Heerwesen 26.Dynastie
Flieger am 24.04.2006 um 02:08:52

Hm, durch Zufall gefunden:

Pressl: Beamte und Soldaten: Die Verwaltung in der 26. Dynastie in Ägypten, Frankfurt am Main 1998

Klingt schon mal gut... zumindest nicht schlecht. Kennt das jemand und kann mir etwas zu Qualität sagen?

> Antwort auf Beitrag vom: 24.04.2006 um 01:49:44


5) Re: Heerwesen 26.Dynastie
Mubarek am 24.04.2006 um 16:37:26


Zitat:
Ich möchte aufgrund meiner Erfahrungen in Sachen antikes Heerwesen arg bezweifeln, dass das Heerwesen des Alten Reiches z.B. noch schrecklich viel mit dem 1500 Jahre später zu tun hat. Überblicksliteratur ist i.d.R. ebenfalls nicht geeignet für eine Untersuchung, wie ich sie plane.


Es hatte "schrecklich viel" mit dem 1500 Jahre späteren Heerwesen zu tun, trotz der grossen Zeitspanne dazwischen. Deshalb ist als Grundlage die Kenntnis des Militärwesens im Alten, Mittleren und Neuen Reich durchaus hilfreich.

> Antwort auf Beitrag vom: 24.04.2006 um 02:08:52


6) Re: Heerwesen 26.Dynastie
 Udimu am 24.04.2006 um 17:07:29

Hallo,

Pressl beschreibt auf S. 85-96 das Militär, kann da aber nicht allzuviel Aussagen machen, da die Quellen einfach sehr rar sind. Sie bezieht sich teilweise auf die Beschreibung von Herodot (II, 164-166), nach dem die Soldaten in Kasten eingeteilt waren, der Vater belehrte den Sohn im Beruf des Soldaten. Daneben gab es aber auch einen Leiter der Rekruten, was aus eine formelle Ausbildung von Soldaten hinweisst.

Zum Lebensunterhalt erhielten die Soldaten Felder.

Es lassen sich hierarchische Abstufungen im Heer erkennen, wobei die oberen Ränge besser als die unteren bezeugt sind. Diese Beamte tragen auch oft zivile Titel.

Es kann zwischen Infantrie, Marine und Kavalerie unterschieden werden.

Gruss
Udimu

> Antwort auf Beitrag vom: 24.04.2006 um 16:37:26


7) Re: Heerwesen 26.Dynastie
Mubarek am 24.04.2006 um 19:13:13 - Anhang: 2 Anhänge


Zitat:
Es kann zwischen Infantrie, Marine und Kavalerie unterschieden werden.


Gewiss gab es aufgabenspezifische Ränge, doch der überwiegende Teil der Rangbezeichnungen war übergreifend. Hinzu kamen priesterliche Ränge, die weder etwas über die priesterliche noch die militärische Funktion des Inhabers aussagen und auf deren Aktivitäten sich nur aus dem textlichen Zusammenhang schließen lässt, so zum Beispiel jmj-rA mS'.
Eine Kavallerie im Sinne von Reiterei hat es nicht gegeben, es sei denn, Du meinst die Streitwagenabteilungen. Mir sind, was nichts heissen soll, nur zwei Reiterdarstellungen bekannt; das eine (linke Abb.) ist ein Relief im Grab des Haremhab in Sakkara, das andere (rechte Abb.) findet sich in einem der Schlachtreliefs Ramses II. im Luxortempel. Bei der linken Abbildung ist beachtenswert, dass der unbewaffnete Reiter in der Position des Eselreiters auf dem Pferd sitzt.

> Antwort auf Beitrag vom: 24.04.2006 um 17:07:29

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8) Re: Heerwesen 26.Dynastie
 Iufaa am 24.04.2006 um 19:15:53

Hi,

auch der Reiter an der Südseite des Luxor-Tempels ist unbewaffnet - also eher ein Bote, denn ein berittener Soldat.

Gruss,

Iufaa

> Antwort auf Beitrag vom: 24.04.2006 um 19:13:13


9) Re: Heerwesen 26.Dynastie
Mubarek am 24.04.2006 um 19:25:35

Trotz der miserablen Qualität meines Bildbeitrages ist der "südliche" Reiter ein Bogenschütze:
In der rechten, nach hinten weisenden Hand, hält er einen Pfeil; in der linken einen Bogen, über die linke Schulter ragt das Oberteil eines Köchers, welcher an der rechten Hüfte wieder sichtbar wird.
Vertrackt ist, dass er im "Damensitz" reitet, was die aktive Schlachtbeteiligung bei einem maximal aus einer Decke bestehenden Sattel mehr als unwahrscheinlich macht. Vielleicht führte auch in dieser Darstellung mehr der Wunsch als die Realität dem Künstler die Hand.

> Antwort auf Beitrag vom: 24.04.2006 um 19:15:53


10) Re: Heerwesen 26.Dynastie
 Udimu am 24.04.2006 um 19:32:49

Keine Frage, es geht um Streitwagen; als Kavalerie bezeichnet Pressl wohl alles, was mit Pferden zu tun hat.

Pressl op. cit. 88, 91-92 führt da folgende Titel für die Spätzeit auf:

imy-r Htr- Vorsteher der Gespanne (1 Beleg)
imy-r ssmt nhpt - Vorsteher des Gestüts ? (1x)
aA smmt - Meister des Pferdestalls (2x)
kTn - Wagenführer (9x)
qr aw aA - Schildträger des Streitwagens (1x)
imy-ra sS niswt ssmt n Smat mHw - Vorsteher der kgl. Schreiber der Pferde von Ober- und Unterägypten (1x)
imy-r ssmt - Vorsteher der Pferde (4x)

Gruss
Udimu

> Antwort auf Beitrag vom: 24.04.2006 um 19:15:53


11) Re: Heerwesen 26.Dynastie
Mubarek am 24.04.2006 um 20:24:16

Schon recht. Diese Bezeichnungen sind unzweifelhaft.
Etwas schwieriger wird es zum Beispiel beim Titel des xtm.tj-nTr. Die Lesung des Titels S 20 / S 19 ist immer noch nicht zweifelsfrei gesichert. Während in der älteren Literatur die Lesung sDAw.tj, abgeleitet von sDAw.t favorisiert wurde, zeichnet sich neuerdings eine Bevorzugung der Lesung xtm.tj, einer Nisbe von xtm.t, Siegel, ab. Die militärisch gleiche Funktion kann aber ebenfalls von Personen ausgeübt werden, deren Titel mit der bereits im Alten Reich verwendeten wp.t-njswt-Formel eingeleitet werden (auch in der XXVI Dynastie). Und so weiter und so fort...

> Antwort auf Beitrag vom: 24.04.2006 um 19:32:49


12) Re: Heerwesen 26.Dynastie
 Iufaa am 24.04.2006 um 21:05:22

Hi,

die Bewaffnung mit Pfeil und Bogen, sowie das Vorhandensein eines Köchers, hielt Ray Johnson von Chikago House (die arbeiten dort) nicht davon ab, von einem "Boten" zu sprechen (möglicherweise belegt durch die Beischriften).

Ansonsten bestätigte er die Tatsache, dass nur noch ein weiterer Reiter bekannt sei (der in Haremhabs Grab in Saqqara).

Gruss, Iufaa

> Antwort auf Beitrag vom: 24.04.2006 um 19:25:35


13) Re: Heerwesen 26.Dynastie
Mubarek am 24.04.2006 um 21:08:40

Na denn, es wird ja wohl auch bewaffnete Boten gegeben haben...

> Antwort auf Beitrag vom: 24.04.2006 um 21:05:22


14) Re: Heerwesen 26.Dynastie
Flieger am 28.04.2006 um 21:23:08

Ich habe Pressl inzwischen gelesen und mit den griechischen Quellen ist die altägyptische Epigraphik hinsichtlich des Heerwesens offenbar nicht zu vereinbaren. Trotzdem sehr interessant.

Inwiefern sind die Offizierdienstgrade als Beleg für Waffengattungen zu sehen, d.h. wenn es z.B. einen Reiteroberst gibt, gab es dann auch eine Reiterei? (von Kavallerie nach kanonisch akzeptierter Delbrück’scher Terminologie zu sprechen ist ohnehin verfehlt)
Stillman und Talis (Armies of the Ancient Near East, WRG, o.O. 1984, S.58) sehen z.B. leichte Reiterei als gegeben, der Quellennachweis allerdings ist entsprechend dieser populärwissenschaftlichen Publikation mehr als dürftig („Assyrian records“, S.110)

Wenn die Liste bei Pressl korrekt ist, gab es neben den Garden/Wachen als indigene Truppen nur Reiterei, Kampfwagen, Fußtruppen (wohl Nahkampf), Bogenschützen und Mannschaften. Letztere geben mir Rätsel auf. Was ist darunter zu verstehen?

Mich interessiert auch sehr, was genau denn dann das Heerwesen z.B. des Alten Reiches noch mit dem der Sais-Dynastie zu tun hat, Nomenklatura ausgeschlossen versteht sich.

> Antwort auf Beitrag vom: 24.04.2006 um 21:08:40


15) Re: Heerwesen 26.Dynastie
Mubarek am 30.04.2006 um 00:54:58


Zitat:
...d.h. wenn es z.B. einen Reiteroberst gibt, gab es dann auch eine Reiterei?

Als Oberst Hrj-pDt wird gemeinhin der ranghöchste Berufsmilitär bezeichnet. Der Reiteroberst ist demnach der ranghöchste Berufssoldat der Pferdetruppen, also der Streitwagen. Die Bezeichnung „Reiteroberst“ ist eine unpassende, wenn auch verbreitete Übersetzung; richtiger wäre „Oberst der Pferdetruppen“. - Eine Reiterei ist nirgendwo belegt.
Ich habe den Pressl nicht zur Hand, es wäre aber auf jeden Fall hilfreich zu wissen, welchen Begriff Pressl mit „Reiteroberst“ übersetzt.
Oder lässt sich Pressl über (meines Wissens nach nirgendwo nachgewiesene) berittene Söldnertruppen aus, welche von ägyptischen Offizieren befehligt wurden?


Zitat:
Wenn die Liste bei Pressl korrekt ist, gab es neben den Garden/Wachen als indigene Truppen nur Reiterei, Kampfwagen, Fußtruppen (wohl Nahkampf), Bogenschützen und Mannschaften.

Keine indigene Reiterei, nur Streitwagen, auch in der Saitenzeit.
Nicht nur die „Fußtruppen“ sondern auch die Bogenschützen und Mannschaften waren zu Fuß unterwegs.
Ohne Kenntnis der von Pressl übersetzten Originalbezeichnungen bleibt nur die Vermutung, dass die Unterscheidung zwischen Fußtruppen und Mannschaften die Aufteilung in Berufssoldaten und Gezogene meint. Beide waren mit Schild, Beil, Dolch und Lanze (als Schleuderer verdingten sich meist kanaanitische Söldner) bewaffnet .

> Antwort auf Beitrag vom: 28.04.2006 um 21:23:08


16) Re: Heerwesen 26.Dynastie
Mubarek am 30.04.2006 um 15:08:20


Zitat:
Mich interessiert auch sehr, was genau denn dann das Heerwesen z.B. des Alten Reiches noch mit dem der Sais-Dynastie zu tun hat, Nomenklatura ausgeschlossen versteht sich.


Bereits im Alten Reich wurden die wesentlichen Militärstrukturen geschaffen, welche sich bis in die Ptolemäerzeit erhielten.
In der Waffentechnik wurde die Kriegskeule ausgemustert, den Schwerpunkt des Heeres bilden jetzt die Beil- und Lanzenträger. Erst mit der Einführung des Streitwagens und des Kompositbogens in der XV. Dynastie (sowie der des Kamels in der XVII. Dynastie) kommt es zu relevanten Modernisierungen. Mit dem Streitwagen werden auch Panzerhemd und Lederkappe des Fahrers übernommen. Das Panzerhemd wird zunächst als mcc n HA, Kampfhemd, bezeichnet und besteht aus Leder oder mehrfachen, gestärkten Leinenlagen. In der IXX. Dynastie setzen sich mit Bronzeschuppen verstärkte Panzerhemden durch und verdrängen das Kampfhemd durch das vom semitischen sirjon abgeleitete Trjn. Die XXVI. Dynastie zeichnet sich durch ein Übermaß an Söldnern, meist Karier und Ionier, aus.

> Antwort auf Beitrag vom: 30.04.2006 um 00:54:58


17) Re: Heerwesen 26.Dynastie
Mubarek am 30.04.2006 um 16:02:29

Nach A. Erman und  H. Ranke war das Alte Reich mangels äußerer Bedrohung friedlich und bedurfte keines stehenden Heeres. Doch gab es nachweislich in ägyptischen Diensten befindliche nubische Hilfstruppen und so muss es wenigstens einen Kern ägyptischer Truppen zur Kontrolle eben dieser Söldner gegeben haben.
Im Grab des Jntj in Deschascheh und des K3=j-m-Hzj.t in Saqqara finden sich Szenen vom Erstürmen feindlicher Festungen. Ein Vorgang, welcher auf eine gewisse Erfahrung mit dem Erstürmen von Festungen und ein Mindestmaß einheitlicher Ausbildung schließen lässt.
Der Titel eines Truppenleiters, jmj-rA mS, ist nicht nur als solcher sondern auch als erblicher im Alten Reich belegt. Das kann nur bedeuten, dass es sich hier um ein reguläres Amt und nicht um eine zeitlich begrenzte Ernennung handelt, was das Bestehen einer ständig gegenwärtigen militärischen Institution bedeutet.
Die zum Schutz des Deltas sowie anderer Regionen angelegten Festungen, mnw.w, bedurften einer ständigen, berufsmäßigen Besatzung.
Die Grundlagen des stehenden Heeres der XXVI. Dynastie wurden also schon im Alten Reich geschaffen, einschließlich der Söldnertruppen und teilweiser Formulierung der Rangbezeichnungen.

Literatur:
Faulkner, R.O.; Ancient Egyptian Military Organization; JEA 39; 1953

> Antwort auf Beitrag vom: 30.04.2006 um 15:08:20


18) Re: Heerwesen 26.Dynastie
Flieger am 30.04.2006 um 18:01:02

Ich kann die Originalbezeichnungen nur unzureichend wiedergeben, aber dennoch:

Im.i-r’ mnf.yt – Vorsteher der Fußtruppen
Hrp tm3.w – Leiter der Bogenschützen
Hrp `pr.w – Leiter der Mannschaft

Bei den Pferdetruppen unterscheidet er zwischen:

Im.i-r’ htr – Vorsteher der Gespanne
Im.i-r’ Ssmt – Vorsteher der Pferde
Im.i-r’ ssmt nhp.t – Vorsteher des Gestüts
`3 (n.i) smmt – Meister des Pferdestalls
kt(n) – Wagenlenker
kr (´)w `3 – Schildträger des Streitwagens

Er drückt sich allerdings eher unklar aus und schreibt über den Einsatz von Pferden im militärischen Bereich (S.91), was praktisch alles heißen könnte.
Es erscheint mir aber sehr merkwürdig, dass nach all den Kontakten mit Gegnern, die über starke Reiterein verfügten, v.a. die Assyrer, selbst keine solchen Truppen aufgestellt wurden. Dieser Fall ist ein relativ üblicher Prozess im Rahmen der acculturation. Geographisch gesehen stand dem ja nicht viel im Weg und dass Pferde militärisch eingesetzt wurden, steht außer Frage.
Herodot berichtet übrigens, dass Amasis zu Pferde reitend gegen Apries zog (Hdt. 2,162,3: hep hippou katemenos), was ich als Hinweis auf berittene Truppen deute.

> Antwort auf Beitrag vom: 30.04.2006 um 16:02:29


19) Re: Heerwesen 26.Dynastie
Mubarek am 30.04.2006 um 20:16:02

Nur ein Beispiel zur Komplexität des Themas:
Der Ausdruck apr.w bedeutet nichts weiter als Mannschaften, ohne auf die militärische Eigenschaft dieser “Mannschaften” einzugehen. Die Gliederung der Truppen in Zehnergruppen ist seit dem Alten Reich unverändert geblieben, der Titel ihres “Gruppenleiters” hingegen nicht. Lautet dieser zum Beispiel zXA aprw, so handelt es sich um einen Offizier im Range eines Militärschreibers. Die in Zehnergruppen gegliederten Truppen werden als apr.w nfr.w bezeichnet; was lediglich die Gliederung und nicht die Funktion (im Sinne von Bewaffnung) aufzeigt.
Hinzu kam eine “Jägertruppe”, nw.w, die wohl kaum als Jäger im waidmännischen Sinne aktiv war, sondern eher die Funktion einer speziellen Wüstentruppe erfüllte, also im Sinne einer Art Mischung von Wüstenpolizei, Spurensucher und Pfadfinder, welche von einem Truppenvorsteher, jmj-rA mSa kommandiert wurde.

Die Eindeutigkeit Herodots ist zu bezweifeln, da seine Informationen überwiegend aus zweiter oder dritter Hand stammen. Die (in Hdt. 2, 163) von Apries aufgebotene Söldnertruppe beziffert er beispielsweise mit 30 000 Mann, was nicht nachweisbar und mehr als unwahrscheinlich ist.
In seiner Beschreibung der Schlacht zwischen Apries und Amasis (Hdt. 2, 169) taucht an keiner Stelle eine Reiterei auf und so bleibt die Vermutung, dass sich Amasis zum Abgehen einer Blähung nicht von einem Sattel erhob, sondern maximal seine stehende Position in einem Streitwagen kurz veränderte (Hdt. 2, 162).
Allerdings wird Amasis vorzugsweise in der griechischen und demotischen Überlieferung als trinkfreudiger, geselliger Griechenfreund dargestellt. So mag denn angenommen werden, dass Amasis seine niedrige Herkunft durch übertrieben griechisches Gebaren zu kompensieren suchte und es als Ägypter auf sich nahm, sich “griechisch” auf einem Pferd zu zeigen.


> Antwort auf Beitrag vom: 30.04.2006 um 18:01:02


20) Re: Heerwesen 26.Dynastie
Mubarek am 30.04.2006 um 22:23:05


Zitat:
Es erscheint mir aber sehr merkwürdig, dass nach all den Kontakten mit Gegnern, die über starke Reiterein verfügten, v.a. die Assyrer, selbst keine solchen Truppen aufgestellt wurden. Dieser Fall ist ein relativ üblicher Prozess im Rahmen der acculturation. Geographisch gesehen stand dem ja nicht viel im Weg und dass Pferde militärisch eingesetzt wurden, steht außer Frage.

Die Frage, warum man Pferde nur zum Ziehen von Wagen und mit wenigen Ausnahmen nicht als Reittiere nutzte, ist oft gestellt und nie beantwortet worden. Vielleicht spielten religiöse Gründe eine Rolle, wahrscheinlicher ist aber, dass die doch sehr innige Berührung zwischen Ross und Reiter den Ägypter abgestoßen hat, der in allen Belangen sehr auf Reinlichkeit bedacht war; durch Deichsel und Wagen blieb der Abstand zum vielleicht nicht ganz so reinen Pferd gewahrt.

Sind die Bezeichnungen der indigenen Truppen und Ränge durch ihre Vielfalt schon kompliziert genug, wird es bei den Söldnern noch komplizierter. Der Titel xrp jaA.w xAs.wt nb. wt, Vorsteher der jaA.w aller Fremdänder, also eines Truppenvorstehers, macht deutlich, dass es sich bei diesen Einheiten um nubische Hilfstruppen (jaA.w) handelt.
Auf den ersten Blick befremdlich wirkt das Fehlen eines Titels, der mit „Soldat“ übersetzt werden kann. Der einzelne „Soldat“ war nicht existent, es zählte die Zehnergruppe, vertreten durch den Gruppenleiter.

> Antwort auf Beitrag vom: 30.04.2006 um 20:16:02


21) Re: Heerwesen 26.Dynastie
Flieger am 30.04.2006 um 23:56:27

Es stimmt, dass es sich bei den Pferden durchaus um Zugpferde handeln könnte. Das Verb κάθημαι jedoch heißt soviel wie sitzen oder thronen und passt auch zu jener Reithaltung, die Xenophon später so heftig an der griechischen Reitkultur kritisiert. Sollte Amasis keinen Stuhl in seinem Kampfwagen gehabt haben, muss es sich daher wohl um ein Reitpferd handeln. Herodot ist an dieser Stelle eindeutig, im Gegensatz zur ausfallend kurzen Schlachtdarstellung, die ihren nicht verdient.

Zudem ist es eher arg unwahrscheinlich, dass sich Amasis bei dieser Gelegenheit griechisch zeigen wollte. Er war später in der Tat äußerst philhellen, zu dieser Zeit aber stand er mit den ägyptischen Truppen als Emporkömmling gegen die weitgehend griechischen Söldner des Apries. Es ist kaum zu viel gesagt, dass Amasis seinen Aufstieg xenophoben Elementen, v.a. im ägyptischen Heer verdankte, die ihre Stellung durch die griechischen Söldner bedroht sahen.

Herodot mag sich irren, da er tatsächlich kein Augenzeuge war, dies an den inflationären Zahlenangaben festzumachen, überzeugt nicht (dann könnten wir Herodot auch gleich sein lassen).
Interessanter finde ich da den religiösen Hintergrund. Kannst du das bitte weiter ausführen? Oder vielleicht Aspekte der Diskussion um den Gebrauch des Pferdes als Reittier paraphrasieren? Da könnte ich einen deutlich überzeugenderen Hintergrund vermuten...

> Antwort auf Beitrag vom: 30.04.2006 um 22:23:05


22) Re: Heerwesen 26.Dynastie
Mubarek am 01.05.2006 um 00:54:23

Herodot ist nicht nur in dieser Bezifferung mit Vorsicht zu geniessen; ich denke da u.a. auch an den Zug der Fünfzigtausend des Kambyses, die auf Nimmerwiedersehen in der Wüste verschwanden. Das stellt Herodot jedoch keineswegs umfassend in Frage.
Amasis verdient eine eingehende Betrachtung, auf welche ich gerne zurückkommen werde. - Aber nicht jetzt und nicht heute.
Eine Vertiefung des Themas "rein und unrein" unter besonderer Berücksichtigung der Tierwelt und speziell des Pferdes würde diesen Thread sprengen und ist durchaus einen eigenen wert, der dann wohl auch eine breitere Beteiligung generieren würde.

> Antwort auf Beitrag vom: 30.04.2006 um 23:56:27


23) Re: Heerwesen 26.Dynastie
Mubarek am 20.09.2006 um 12:00:09

Den wohl umfassendsten Einblick in das System sowie die facettenreichen Bezeichnungen der militärischen Ränge, wenn auch nur verbindlich für den Zeitraum des Neuen Reiches, gewährt A. Gniers:

Gnirs, Andrea M.; Militär und Gesellschaft – Ein Beitrag zur Sozialgeschichte des Neuen Reiches; Studien zur Archäologie und Geschichte Altägyptens, Band 17, Heidelberger Orientverlag; 1996

> Antwort auf Beitrag vom: 30.04.2006 um 00:54:58