Re: Häuser der einfachen Leute
[ Archiv-Startseite ] Geschrieben von Gitta am 21. April 2001 21:15:44: Als Antwort auf: Häuser der einfachen Leute geschrieben von Sophie am 20. April 2001 09:46:15:
Hallo Sophie
>Wie haben eigentlich die Häuser der einfachen Leute ausgesehen. Wo standen die Pyramiden? Waren sie weit von der Stadt entfernt?
Neben der Arbeitersiedlung Deir-al-Medina bot wohl Amarna, Echnatons Hauptstadt, den Archäologen die beste Möglichkeit, die Wohnhäuser einfacherer Leute zu rekonstruieren, denn die Stadt wurde verlassen und - bis auf spätere Steinräuberei - der Natur und dem Wüstensand überlassen. Dadurch war es möglich, daß einige Zeugnisse aus der Zeit erhalten blieben, obwohl auch dort die Wohnhäuser aus den leider so vergänglichen luftgetrockneten Nilschlammziegeln hergestellt waren. Joyce Tyldesley beschreibt in ihrer Biographie der Nofretete die Häuser der Grabarbeiter in Amarna sehr anschaulich;
"Jeder Arbeiter bekam ein kleines Haus, das nur fünf auf zehn Meter groß war, und dreiundsiebzig solcher Häuser wurden in sechs geraden Reihen aneinandergebaut und gingen auf fünf enge Gassen hinaus. Die Arbeiter bekamen nur die äußere Grundkonstruktion (von der königlichen Verwaltung) gestellt, innen wurden die Häuser von den einzelnen Familien unter Verwendung von vor Ort gefertigen Lehmziegeln ausgebaut. Das ermöglichte einen gewissen Spielraum bei der inneren Gestaltung der Häuser, aber die Standardversion war durch zwei sich kreuzende Wände in viel kleine Räume unterteilt: einen Empfangsbereich, ein Wohnzimmer, einen Schlaf- und Vorratsraum und eine Küche, in der es nicht unbedingt eine Kochstelle gab. Keines der Häuser in der Siedlung besaß ein Bad.
Das Leben in diesen Häusern muß, zumindest nach unserem heutigen Empfinden, von drangvoller Enge beherrscht gewesen sein, und wir dürfen annehmen, daß man das flache Dach ausgiebig als zusätzlichen Lebens- und Schlafraum (in den heißen Sommern) nutzte. Es ist sogar möglich, daß auf einige der Häuser noch ein zweites Stockwerk aufgesetzt wurde, vielleicht als großer Raum, der den Frauen der Familie und ihren Ritualen vorbehalten war. Einige bemalte Gipsfragmente, die bei den ersten Ausgrabungen gefunden wurden, zeigen wohl Winden, die sich um Papyrusstengel wickeln; diese Pflanzen waren wichtige Elemente in Geburts- und Stillszenen."
Zwar handelte es sich bei den Arbeitern um Privilegierte der unteren Schicht, jedoch ist anzunehmen, daß man sich alle Wohnhäuser einfacher Leute ähnlich vorstellen kann. Dadurch, daß nur wenig bis gar nichts von ihnen übrig blieb und auch Darstellungen z.B. in Gräbern wenig Auskunft darüber geben (dekorierte Gräber konnten sich nur gut Betuchte leisten), gibt es hier leider kaum aussagefähige Belege.
Gitta
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