Archiv des alten Ägyptologie-Forum

Re: Buchkritiken

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Geschrieben von Dr. Karl H. Leser am 18. Juni 2001 10:03:11:

Als Antwort auf: Buchkritiken geschrieben von Gitta am 17. Juni 2001 23:36:15:

>Von Zeit zu Zeit schreibe ich Buchkritiken für www.buchkritik.at (Link siehe unten). Zwei sind bisher erschienen, die dritte habe ich heute auf die Reise
>geschickt. Ich dachte mir, ich könnte sie hier auch veröffentlichen,
>falls jemand interessiert ist:
>David Rohl - Pharaonen und Propheten
>Shaw/Nicholson - Reclams Lexikon des alten Ägypten
>Collier/Manley - Hieroglyphen entziffern - lesen - verstehen
>------------------------------------------------------------
>David Rohl
>Pharaonen und Propheten
>Das Alte Testament auf dem Prüfstand
>Bechtermünz Verlag
>2000
>510 Seiten
>ISBN: 3828948197
>DM 29,80
>
>Der nicht hinreichend vorgebildete Leser wird sich nach der Lektüre
>dieses Buches unter Umständen nicht klüger, eventuell sogar verwirrter
>als vorher wiederfinden. Rohl verwendet außer ägyptologischen auch
>zahlreiche Belege der Bibelwissenschaften und der vorderasiatischen
>Archäologie als Beweis bzw. als Vergleichsmaterial. Das heißt, wer sich
>in diesen Disziplinen gar nicht oder wenig auskennt, hat kaum Chancen
>der Beurteilung geschweige denn der Plausibilitätsprüfung. Rohl
>korrigiert in seinem Buch einen erheblichen Teil der orthodoxen
>Chronologie (OC) des alten Ägypten. Ein paar Beispiele:
>Unter Sesotris III - Josef wird nach Ägypten verkauft
>OC 1837, nach Rohl 1683
>Unter Amenemhet III: Josef wird das Amt des Wesirs übertragen
>OC 1818, nach Rohl 1670
>Nach Rohl folgen ab 1670 die fetten Jahre der Bibel mit der Folge einer
>"Agrarreform" Josefs, ab 1662 setzt dann die Hungersnot ein (nicht wegen
>Dürre, sondern wegen übermäßigen Hochwassers) mit der Folge der
>Entmachtung der Gaufürsten durch Josefs Reform
>Moses wächst am Hof von Neferhotep I als Prinz auf
>OC 1705, nach Rohl 1550
>Moses flieht aus Ägypten unter Sobekhotep IV
>OC 1694, nach Rohl ca. 1520 (?)
>Moses kehrt zurück unter Dedumose (taucht in der OC nicht auf) und
>bricht mit seinem Volk auf zum Exodus
>nach Rohl ca. 1500 (?)
>Rohl sieht in Echnaton einen Zeitgenossen von König David und in den
>Amarnabriefen Hilferufe wegen des vor der Reichseinigung kämpfend und
>brandschatzend durch Palästina ziehenden David
>OC 1370, nach Rohl 1090
>Haremhab war nach Rohl Zeitgenosse von Salomo und gab diesem eine seiner
>Töchter zur Frau
>OC 1340, nach Rohl späte Bronzezeit (1200 - 800 v.Chr.)
>Nicht Seschonk plündert nach Rohl als der Sisak der Bibel Jerusalem,
>sondern Ramses II
>OC 1279, nach Rohl 925
>Beleg u.a.: in den Feldzug"protokollen" Scheschonks taucht die Stadt
>Jerusalem nicht auf, angeblich jedoch in einer Inschrift im Ramesseum,
>dem Totentempel Ramses II in Theben West.
>Rohl untermauert seine Theorien z.B. mit chronologisch fehlenden
>Gedenkstelen für die Apisstiere in Serapeum von Sakkara, an Genealogien
>von Handwerkern bzw. Beamten, an Namensgleichheiten beim Übertragen vom
>Ägyptischen ins Akkadisch-Hebräische und umgekehrt, an diversen
>Tempelinschriften, an der Lage einiger Gräber in Tanis.
>Da uns die alten Ägypter ihre eigene Chronologie nur in relativen
>Zahlen hinterlassen haben (jeder König fing beim Jahr 1 seiner
>Regierungszeit zu zählen an), die noch dazu teilweise zerstörten
>Dokumenten entnommen werden müssen, und den Historikern das Leben
>außerdem durch Koregentschaften schwer machen, sind Spekulationen und
>Beugungen bei der zeitlichen Einordnung von Ereignissen Tür und Tor
>geöffnet, so dass eine gewisse Vorsicht gegenüber Rohls Theorien nicht
>unangebracht ist. Eins muß man ihm jedoch lassen: er hat sich alle
>erdenkliche Mühe gegeben, seine Theorien zu untermauern und das ist -
>ungeachtet aller Skepsis - respektabel.
>-------------------------------------------------------
>Ian Shaw/Paul Nicholsen
>Reclams Lexikon des alten Ägypten
>British Museum Dictionary of Ancient Egypt
>1995
>Reclam
>1998
>Übersetzt von Ingrid Rein und Marianne Schnittger
>343 Seiten
>ISBN: 3150104440
>DM 198,- öS 1445,- sFr 176,-
>Die kompetenten Autoren haben mit diesem Nachschlagewerk eine
>hervorragende Informationsquelle für alle einschlägig Interessierten
>geschaffen. Nicht zuletzt wegen der Vielzahl der Illustrationen ist es
>dem die gleiche Zielgruppe ansprechenden Klassiker "Kleines Lexikon der
>Ägyptologie" von Helck/Otto vielleicht sogar überlegen, zumindest für
>den Leser, der sich vielseitig informieren möchte. Im Idealfall bildet
>dieses Buch eine gute Ergänzung zu Helck/Otto.
>Reclams Lexikon gibt Antworten auf unterschiedlichste Fragen. Pharaonen
>- auch weniger bekannte, Götter und auch einige Privatpersonen werden in
>ausreichender Ausführlichkeit ebenso behandelt wie Alltäglichkeiten der
>ägyptischen Diesseits- und Jenseitswelt, geografische Details oder
>ägyptologische Highlights. Die zu jedem Beitrag angeführten
>Literaturhinweise dürften für denjenigen von hohem Wert sein, der sein
>Wissen über das eine oder andere Thema vertiefen möchte. Ein weiterer
>besonderer Leckerbissen ist der Anhang: neben einem Verzeichnis von in
>den Texten erwähnten frühen Ägyptologen und einer Chronologie, die von
>5500 v.Chr. bis 395 n.Chr. reicht, sind alle Gräber in Theben West
>alphabetisch und mit der gängigen Nummerierung verzeichnet. Das heißt,
>man findet nicht nur die allenthalben übliche Aufzählung der Gräber im
>Tal der Könige und Königinnen, sondern auch sämtliche Privatgräber der
>Noblen und Arbeiter, die man sich sonst aus verschiedenen Werken der
>Fachliteratur mühsam "erblättern" muß.
>Alles in allem ist dieses Lexikon jedem zu empfehlen, der an einem
>thematisch breit gefächerten und inhaltlich fundierten Nachschlagewerk
>interessiert ist. Es ist trotz des relativ hohen Preises die
>kostengünstige Alternative zum mehrbändigen und fraglos ausführlicheren
>"Lexikon der Ägyptologie", für das ein Betrag in vierstelliger Höhe
>anzulegen wäre.
>---------------------------------------------------------------
>Mark Collier / Bill Manley
>Hieroglyphen
>entziffern - lesen - verstehen
>Originaltitel: How to Read Egyptian Hieroglyphs
>Erschienen 1998 bei British Museum Press
>Deutsche Ausgabe erschienen 2001
>Droemersche Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf., München
>Aus dem Englischen übersetzt und für die deutsche Ausgabe adaptiert von
>Eva Ambros
>179 Seiten
>ISBN 3-426-66425-9
>DM 45,00
>Die Autoren (Klappentext):
>"Dr. Mark Collier ist Dozent für Ägyptologie an der University of
>Liverpool und Fellow des All Souls College in Oxford. Dr. Bill Manley
>ist Dozent für Ägyptologie an der University of Glasgow. Seit 1992
>halten beide Dozenten neben ihrer Lehrtätigkeit an den jeweiligen
>Hochschulen gemeinsam in verschiedenen Institutionen Hieroglyphenkurse
>für Laien ab. Auf der Basis dieser Kurse ist das vorliegende Buch
>entstanden."
>Das antike Ägypten verdankt seinen großartigen kulturellen Aufstieg und
>den beinahe ungestörten Fortbestand dieser Kultur über Jahrtausende
>sicher nicht zuletzt seiner hochentwickelten Schrift, den Hieroglyphen.
>Und die Nachwelt verdankt diesem Umstand umfangreichstes Wissen, seit es
>dem genialen Francois Champollion im Jahre 1822 gelang, die Hieroglyphen
>zu entziffern. So wünscht sich denn heute wohl mancher Ägyptenreisende
>oder Museumsbesucher, die Texte der Tempel- und Grabwände oder Stelen
>lesen und verstehen zu können. Genau für diese interessierte Lesergruppe
>ist das Buch von Collier/Manley gedacht.
>Das Problem beim Entziffern von Hieroglyphentexten ist es, daß ein
>dreifacher Lernprozeß erforderlich ist: das Erlernen der Zeichen, der
>Umschrift oder Transkription, die die Ägyptologen entwickelten, um die
>Zeichen "sprechbar" zu machen, und zum Schluß die Übersetzung ins
>Deutsche oder eine andere lebende Sprache. Genau diese Problematik haben
>die Autoren glänzend gelöst. Nach einer Einführung "Vom Bild zur
>Schrift" wird der Leser Schritt für Schritt an die Zeichen und deren
>Transkription herangeführt. Die gewählte Lehrmethode erinnert zum Teil
>an die Ganzheitsmethode an unseren Schulen. Es wird nicht nachhaltig
>versucht, Worte zu bilden, die aus einzelnen Zeichen zusammengesetzt
>sind, sondern der Lernende kann bereits nach einigen Seiten Studium
>Zeichengruppen, also Wörter, erfassen, transkribieren und deren
>Bedeutung erkennen, wobei auch hier - wie bei jedem Sprachstudium - das
>Auswendiglernen von "Vokabeln" Voraussetzung ist.
>Das Buch ist eingeteilt in verschiedene Kapitel: Totenopfer,
>Osiris-Mysterien, Rechtfertigungstexte usw., d.h. es orientiert sich an
>der Praxis, nämlich an Texten, die an den heute besuchten Denkmälern
>immer wiederkehren. Natürlich wird auch besonderes Augenmerk auf die
>Königs- und Götter- und Städtenamen gerichtet, die in Ägypten selbst und
>in den Museen allgegenwärtig sind. In die Kapitel eingeflochten ist die
>Grammatik des Ägyptischen und zu jedem Kapitel wird der behandelte
>Wortschatz noch einmal abgebildet. Es erfolgt also keine massierte
>Abhandlung von Grammatik, die den Studierenden überfordert, und durch
>das Einstreuen des Wortschatzes fällt es leicht, diesen zu lernen. Bei
>den Beispieltexten handelt es sich ausschließlich um "echte" ägyptische
>Texte, so daß es nicht nur um das bloße Entziffern geht: mit dem Inhalt
>wird auch ein Stück Geschichte vermittelt.
>Die Übungen in den einzelnen Kapiteln sind dem Fortschritt angepaßt und
>die Ergebnisse können über den sehr übersichtlichen Schlüssel im Anhang
>des Buches überprüft werden. Schließlich findet sich im Anhang noch eine
>Liste von Einkonsonanten-, Zweikonsonanten- und Dreikonsonantenzeichen
>sowie von häufigen Ideogrammen. Weiterhin Zeichenübersichten nach
>Gruppen (Menschen, Tiere, Natur), eine kommentiere Zeichenliste mit
>Erklärung und eine Zusammenfassung der in den Kapiteln geübten Grammatik
>(wer also möchte, ist damit auch in der Lage, die Grammatik als solche
>zu erlernen). Auch ein kleines "Wörterbuch" Ägyptisch-Deutsch steht zur
>Verfügung.
>Für mich ist dieses Lehrbuch das beste, das mir bisher untergekommen
>ist. Nach dem Durcharbeiten der Kapitel bereitet es keine großen
>Schwierigkeiten mehr, alte ägyptische Texte in hohem Maße inhaltlich zu
>erfassen. Und das ist schließlich für jeden Ägyptenfreund das
>Erfolgserlebnis schlechthin.
>---------------------------------------------------------------
>Gitta


Hi Gitta,

Kurzkommentar dazu:

Reclam-Lexikon besitze ich seit einiger Zeit, kann Deiner Bewertung nur zustimmen.

Der Collier/Manley habe ich gerade in Angriff genommen (in Englisch, wenn ich Deine Rezension richtig verstehe, gibt´s den auch in Deutsch?). In jedem Falle bestätigt der erste Eindruck Deine Bewertung. Selbst in Englisch ist er das Brauchbarste, was ich bis jetzt gesehen habe. Werde mir ev. überlegen, die dt. Version auch noch zu anzuschaffen.

Gruss, Iufaa

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