Mal wieder eine Buchkritik
[ Archiv-Startseite ] Geschrieben von Gitta am 22. Juli 2001 18:29:30: Rolf Gundlach
Der Pharao und sein Staat
Die Grundlegung der ägyptischen Königsideologie im 4. und 3. Jahrtausenderschienen 1998
Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt
320 Seiten
ISBN 3-534-12343-3
DM 89,00Der Autor Rolf Gundlach studierte Ägyptologie, Altorientalistik und Semitistik. Seit 1983 ist er Ordentlicher Professor für Ägyptologie in Mainz.
Gundlachs Buch ist für mich eines der ungewöhnlichsten Werke ägyptologischer Fachliteratur. Es beleuchtet beinahe ausschließlich die politischen und wirtschaftlichen Aspekte des antiken Ägypten, von der Staatsgründung um 3800 v.Chr. angefangen bis etwa 2200 v.Chr., also bis zum Ende der 6. Dynastie und des Alten Reiches. Theologische Aspekte, die in Ägypten untrennbar mit dem Königtum verbunden waren und auch in diesem Buch ihre herausragende Rolle einnehmen, dienen hier vornehmlich zur Erklärung der einschlägigen Zusammenhänge. Modern ausgedrückt könnte man fast von einer volks- bzw. betriebwirtschaftlichen Abhandlung über den ägyptischen Staat und seine Institutionen sprechen. Dieser Eindruck wird verstärkt durch eine Reihe von "Organigrammen", mit denen Gundlach die komplexen und auch komplizierten politischen, theologischen und ideologischen Strukturen und Abhängigkeiten sichtbar macht.
Der geschichtliche Überblick wird, angefangen von den Ursprüngen des Königtums und der Vater-Sohn-Beziehung wie ihn der Osiris-Mythos wiederspiegelt, Dynastie für Dynastie durchgearbeitet unter Verwendung einer bedeutenden Anzahl von Belegen, darunter so berühmte wie die Narmer-Palette, die Narmer-Keule oder die Keule des Skorpion II, aber auch Siegel, Etiketten, Elfenbeintäfelchen, Grablegen u.v.m. Eine überaus interessante Betrachtung ist die Herleitung programmatischer Aussagen von der Königstitulatur im Allgemeinen und am Beispiel einzelner Herrscher, sozusagen als deren "Stellenbeschreibung". Schließlich behandelt das Buch in einzelnen Kapiteln die sich zunehmend verändernde Königsideologie der 3. bis 6. Dynastie: Trennung des diesseitigen und jenseitigen Königtums, zunehmende Aspektevielfalt des Königtums (Sonnengott auf Erden, Regent, Herr der Administration), Veränderungen in den Tempelinstitutionen von der reinen Kultstätte bis zur steuerbefreiten Versorgungsmaschinerie der Pyramidenstädte usw. Den Abschluß des Buches bildet die Frage nach dem Warum. Warum brach der Staat und mit ihm das Alte Reich Ägyptens zusammen? Ein kurzer Versuch, das Phänomen zu analysieren - unter Einbeziehung der unterschiedlichen Expertenauffassungen, wie Gundlach überhaupt in vielfältiger Weise die Erkenntnisse seiner Wissenschaftskollegen würdigt und integriert..
Diese kurze inhaltliche Wiedergabe von Gundlachs Buch mag einen äußerst trockenen Stoff erwarten lassen. Erstaunlicherweise empfand ich ihn als das genaue Gegenteil, denn die Kapitel sind auch durchzogen von anschaulich geschilderten großen und kleinen (gut belegten) historischen Begebenheiten, die der Verdeutlichung so mancher Schlußfolgerung dienlich sind. Der Leser sollte allerdings kein absoluter Laie auf dem Gebiet der Ägyptologie sein. Dann erhält er mit dieser sehr empfehlenswerten Lektüre einen tiefen Einblick in Königtum und Politik des Staatsgebildes Ägypten zur Zeit des Alten Reiches.
Gitta
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