Archiv des alten Ägyptologie-Forum

Re: Dringende Frage - altägyptische Darstellung von Händen

[ Archiv-Startseite ]

Geschrieben von Gitta am 09. August 2001 22:19:14:

Als Antwort auf: Re: Dringende Frage - altägyptische Darstellung von Händen geschrieben von Belinda am 09. August 2001 18:39:37:

Vergiß einfach mal alles, was ich heute geschrieben habe. Ich hatte diese Erklärung irgendwo gehört und mir eingeprägt - ist aber alles ganz falsch. Wieder mal ein Beweis, wie wichtig es ist, alles immer wieder genau zu hinterfragen. Folgendes stammt aus dem Bildatlas der Weltkulturen Ägypten (auch die Zeichnungen):

Die ägyptische Darstellungsweise wurzelt tief in der ägyptischen Kultur. Anders als perspektivische (!) Kunst basiert sie nicht auf wissenschaftlichen Gesetzen, sondern berücksichtigt einen "gemeinsamen kleinsten Nenner" zur Erleichtrung des Wiedererkennens.

Figuren werden mit Blickrichtung nach rechts entworfen, die Beziehung zwischen rechts und links ist symbolisch wichtig. Wo sich eine Figur nach links wendet, hat sie manchmal die "richtigen" Hände für die in ihnen gehaltenen Insignien beibehalten. Darum wird bei der Figur rechts (auf der Zeichnung) der Stab von einer linken Hand, die wie eine rechte Hand aussieht, gehalten, während das Szepter in der Rechten liegt. Wahrscheinlich wegen dieser visuellen Unstimmigkeit gibt es bei der nach links gewendeten Figur mehrere unterschiedliche Möglichkeiten zur Lösung des Problems. Rinder mit künstlich verbogenen Hörnern führen dieselbe Problematik vor. Ihr linkes Horn ist nach unten gebogen, aber wenn sich die Tiere nach links wenden, sieht es so aus, als wenn es ihr "rechtes" wäre. Die Wirkung der Darstellung ist derart ungezwungen, daß es naheliegt, diese Einzelheiten falsch zu deuten.

Und noch ein kleines Zitat aus "Kunst in Alvorderasien und Ägypten" im Zusammenhang mit der Narmer-Palette und der Wiedergabe der Figur sowohl im Profil (Kopf und Füße/Beine) als auch in der Vorderansicht (Körper/Arme):

Eine möglichst vollständige Wiedergabe der Figur entsprach auch der religiös-philosophischen Konzeption der Ägypter. Gemäß den herrschenden Jenseitsvorstellungen war ein Weiterleben der Seele nach dem Tode nur in einem unvergänglichen Körper oder seinem plastischen Ebenbild möglich. Außer den religiösen Vorstellungen war jedoch das künstlerische Kriterium, das eine Betonung der ausdrucksvollsten Ansichten begünstigte, von wesentlicher Bedeutung. So kann man sagen, daß dieser Darstellungstyp der menschlichen Figur nicht zu Zwecken der Religion geschaffen, sondern lediglich auf einer gewissen Stufe seiner Entwicklung in ihren Dienst gestellt und fixiert worden ist.

Ich denke, damit sind die aufgekommenen Fragen ziemlich gut beantwortet. Und ich habe dabei auch wieder ein gutes Stück gelernt ;-))

Gitta

Antworten:



[ Archiv-Startseite ]