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  Totenbuch, Kapitel 125 (Iu-ef-anch)
Einleitung (nach --> Papyrus Turin 1791) Iu-ef-anch

1. Buch vom Eintreten in die Halle der beiden Wahrheiten, jemanden von den Sünden zu befreien, die er getan hat, damit er die Gesichter der Götter sieht:

I. Begrüßung

Worte sprechen: Gegrüßet seist du, großer Gott, Herr der beiden Wahrheiten! Ich bin zu dir gekommen, mein Herr, ich bin zu dir gebracht worden, um deine Vollkommenheit zu sehen. Ich kenne dich, ich kenne den Namen der 42 Götter, die bei dir sind in der Halle der beiden Wahrheiten, die von denen leben, die zum Bösen gehören, die von ihrem Blute schlürfen an diesem Tag des Rechtsprechens vor Unennofer (vor dem Schönen Wesen, das ist --> Osiris), dem --> Gerechtfertigten.
Der mit den beiden Töchtern ( --> Osiris-Augen, Sonne und Mond), Herr der Maati ist dein Name. Ich bin zu dir gekommen, nachdem ich dir die Maat gebracht habe und dir die Sünde vertrieben habe.

II. Negative „Beichte"

Ich habe kein Unrecht gegen Menschen begangen.  Ich habe keine Knaben belästigt. Ich habe nichts Falsches getan an Stelle des Rechten. Ich hatte kein sündhaftes Mitwissen. Ich habe nichts Böses getan. Als Vorgesetzter irgendeines Menschen, an irgendeinem Tage der Dienstleistungen in seinem Bezirk, ließ er nie meinen Namen zur heiligen Barke des Leiters gelangen, noch gelangte mein Name zur Beamtenschaft des Leiters der Verlautbarungen und Dekrete (d.h. ich bin weder bei einer religiösen noch bei einer weltlichen Instanz angeschwärzt worden).

Ich habe nicht gelästert. Ich habe keine Not verursacht. Ich habe keine Schmerzen verursacht. Ich habe keine Armut verursacht. Ich tat nichts, was die Götter verabscheuen. Ich habe keinen Diener vor seinem Herren schlecht gemacht. Ich habe keinen Hunger verursacht. Ich kabe keine Tränen verursacht. Ich habe nicht getötet, und ich habe kein unrechtmäßiges Töten angeordnet. Ich habe niemandem Unrecht getan. Ich habe die Opfergaben in den Tempeln nicht verringert.  Ich habe nicht die Opferbrote der Götter unterschlagen. Ich habe nicht die Opferkuchen und Gewänder der Geister (der Toten) geraubt. Ich habe nicht einen Knaben beschlafen, ich habe mich nicht selbst befriedigt während ich Wab-Priester meines Stadtgottes war. Ich habe nichts zugefügt noch vermindert beim Maß für die Opfergaben. Ich habe nichts zugefügt am Gewicht der Standwaage, ich habe nichts verringert am Lot der Handwaage. Ich habe nicht die Milch aus dem Mund des Säuglings fortgenommen. Ich trieb die Tiere nicht von ihren Weiden. Ich habe keine Vögel gefangen im Schilfrohr der Götter, ich habe nicht in ihren Lagunen gefischt. Ich habe das Wasser in seiner Jahreszeit nicht abgeleitet. Ich habe keinen Damm gegen fließendes Wasser gebaut. Ich habe nicht das Feuer zu seiner Zeit (wenn es brennen sollte) gelöscht. Ich habe nichts abgeschnitten vom Opfer für die Götter beim Zubereiten. Ich habe nicht die Herden der Götter  (der Tempel) vertrieben. Ich bin dem Gott bei seinem Auszug (seiner Prozession) nicht entgegengetreten.

Ich bin rein (viermal zu sprechen) ! Meine Reinheit ist die Reinheit des großen Phönix, der in Herakleopolis ist, denn ich bin die Nase des Herrn der Atemluft (Ibis-Schnabel des Gottes --> Thot, der jedermann am Leben erhält, am Tage des Zählens des Horusauges in Heliopolis, am letzten Tag des zweiten Monats der Peret-Jahreszeit, vor dem Herrn dieses Landes.
Ich habe das Füllen des Horusauges in Heliopolis gesehen. Nichts Böses kann mir geschehen in diesem Land der Beiden Maati, denn ich kenne die Namen dieser Götter, die bei dir sind in der Halle der beiden Maati. Möge ich mit ihnen gerettet werden.

Nun folgt die Anrufung der 42 Götter, die aus verschiedenen Orten stammen. Diese Orte mit den 42 Gauen gleichzusetzen ist nicht möglich, da sich einige im Jenseits befinden. Der Ursprung des Papyrus Turin 1791 ist wohl die 10. Dynastie, da sich alle genannten Orte in Unterägypten befinden. Die Abbildung der Götterfiguren im Totenbuch ist nur dekorativ zu verstehen und stimmt nicht überein mit der Reihenfolge der Anrufung

1. Oh, --> Weit Schreitender, der aus --> Heliopolis hervorgeht! Ich habe keine Sünden begangen. (Wahrscheinlich ist eine Erscheinungsform des Rê gemeint.)
2. Oh, der den Mund aufmacht, der aus dem Kampfplatz hervorgeht! Ich habe nicht beraubt. (Kampfplatz heißt ein Ort bei Heliopolis. Der Gott, der den Mund aufmacht, kommt auch in Spruch 149 vor und wird als Nilpferd dargestellt.)
3. Oh, --> Der mit der Nase, der aus Hermopolis hervorgeht! Ich bin nicht gierig gewesen. (Der mit der (langen) Nase ist Thot aus Hermopolis)
4. Oh, --> Schattenverschlinger, der aus der Höhle hervorkommt! Ich habe nicht gestohlen. (Wahrscheinlich ein Dämon der Unterwelt)
5. Oh, der mit --> schrecklichem Angesicht, der aus Ro-setau hervorgeht! Ich habe keinen Menschen unrechtmäßig getötet. (Ro-setau ist eine Gegend im Gefilde der Seligen. Der Gott ist einer der Wächter.)
6. Oh, --> Ruti, der aus dem Himmel hervorgeht! Ich habe nichts von den Opfergaben unterschlagen. (Ruti, der Gott des Horizontes, ist ein Doppellöwe.)
7. Oh, --> dessen Augen in Brand sind, der aus Letopolis hervorgeht! Ich habe nicht krummes getan. (Letopolis war ein Kultort des Horus im Delta. So dürfte dieser Gott Horus oder einer der Götter in seinem Gefolge sein.)
8. Oh, --> Brennender, der mit leuchtendem Angesicht, der nach rückwärts vorwärts geht, der aus Heliopolis hervorgeht! Ich habe nichts gestohlen, was Gott gehört. (Dieser Gott ist einer der sieben Geister im Gefolge des --> Anubis. Man findet ihn auch in Spruch 17.)
9. Oh, Knochenzerbrecher, der aus Herakleopolis hervorgeht! Ich habe nicht gelogen. (Wahrscheinlich einer der Schlächter, auch aus Spruch 17.)
10. Oh, --> Der, dessen Atem Feuer ist, der aus Memphis hervorgeht! Ich habe kein Essen weggenommen. (Wahrscheinlich ist Sokar gemeint, der mit Ptah im Memphis verehrt wurde. Sokar ist der Schutzpatron der Schmiede, das erklärt seinen Feueratem.)
11. Oh, Bewohner der Wüste von Bubastis, der aus der geheimen Stätte hervorgeht! Ich habe keine Tränen verursacht. (Bubastis war Kultort der Löwengöttin Bastet am Ostrand des Deltas. Der Gott könnte einer ihrer beiden --> Söhne sein.)
12. Oh, Der, --> dessen Gesicht hinter ihm ist, der aus der Höhle der verbotenen Stätte hervorgeht! Ich war nicht homosexuell. (Der "Hintersichschauer" wird in Totentexten oft erwähnt. Er ist der Fährmann, der die Götter und die Toten sowohl in der Unterwelt alsauch am Himmel mit seinem Boot übersetzt.)
13. Oh, Der von der Höhle, der der aus dem Westen hervorgeht! Ich habe nicht verleumdet. (Dieser Gott ist irgendeiner der Unterweltlichen.)
14. Oh, Dessen Beine glühen, der aus der Finsternis hervorgeht! Ich war nicht veranlasst, mein Herz zu verschlucken. (=...zu bereuen, unbekannter Gott.)
15. Oh, Weißzahn, der aus dem Fayyum hervorgeht! Ich habe nicht (Gesetze) übertreten. (Sobek, dem Krokodilsgott des Fayyum werden sehr weiße Zähne zugeschrieben.)
16. Oh, --> Blufresser, der aus dem Schlachthaus hervorgeht! Ich habe keine heiligen Tiere getötet. (Dieser Gott ist wie der aus Sünde 9 einer der Schlächter aus Totenbuch Spruch 17.)
17. Oh, --> Eingeweidefresser, der aus der Halle der Dreißig hervorgeht! Ich habe keinen Wucher getrieben. (Die Halle der Dreißig ist ein himmlischer Gerichtshof, dem der Gott --> Thot vorsteht. Wahrscheinlich ist hier aber sein Assistent --> Anubis gemeint.)
18. Oh, --> Herr der Gerechtigkeit, der aus der Halle der beiden Maati hervorgeht. Ich habe kein Ackerland verwüstet. (Dieser Gott sollte Osiris sein.)
19. Oh, Umherschweifer, der aus Bubastis hervorgeht! Ich habe nicht spioniert. (Dieser Gott könnte wie der Gott aus Sünde 11 einer der beiden Söhne der Bastet sein.)
20. Oh, --> Heller, der aus Heliopolis hervorgeht! Ich habe meinen Mund nicht schwätzen lassen. (Hier ist wohl die Sonnenscheibe als Manifestation des Rê gemeint.)
21. Oh, Bösartige (Schlange), die aus Andjti hervorgeht! Ich war nicht wütend, außer mit Grund. (Andjti ist der Gau von Busiris, dem Unterägyptischen Heiligtum des Osiris, so ist diese Schlange wohl ein Gott im Gefolge des Osiris.)
22. Oh, --> Wamemti, der aus der Folterkammer hervorgeht! Ich habe mit keiner verheirateten Frau geschlafen. (Wamemti ist ein Schlangengott im Gefolge des --> Apophis, einer Riesenschlange, die immer wieder versucht, Rê zu vernichten.)
23. Oh, --> Der schaut, was er bringt, der aus dem Tempel des Min hervorgeht! Ich habe keine Unzucht getrieben.
24. Oh, Chef der Beamten, der aus Naref (und) aus Busiris hervorgeht! Ich habe keinen Terror gemacht. (Naref ist eine Nekropole mit einem Tempel des Osiris nahe von Herakleopolis. Busiris ist die Stadt des Osiris im Delta. Vielleicht ist Gott Heka gemeint als Gefolgsmann des Osiris.)
25. Oh, Herr von Letopolis, der aus Giu hervorgeht! Ich habe nicht (Gesetze) übertreten. (siehe Nr. 7; Letopolis ist Stadt des Horus im südlichen Delta, Giu ein Sumpfland im nördlichen Delta, wo Horus aufgewachsen ist.)
26. Oh, Der seine Stimme erhebt, der aus der großen Halle hervorgeht! Ich habe mir nicht den Mund verbrannt. (Die große Halle ist die Stätte der Einbalsamierung. Der Gott ist ein Helfer des Anubis, der die dazugehörigen Sprüche rezitiert.)
27. Oh, --> Kind, das aus --> Heka-Anedj hervorgeht! Ich war nicht taub für Worte der Wahrheit. (Rê wird jeden Morgen als Kind geboren. Heka-Anedj ist der Gau von Heliopolis, der Stadt des Rê, siehe Nr. 1 und 20.)
28. Oh, Dunkler, der aus der verborgenen Stätte hervorgeht! Ich war nicht beleidigend. (Hier ist wohl Anubis selbst gemeint. Siehe Nr. 22 und 26.)
29. Oh, --> Der sich sein Opfer holt, der aus Sais hervorgeht! Ich war nicht gewalttätig. (Die beiden Söhne der Neith von Sais sind Krokodilgötter. Zu ihnen passt der Name.)
30. Oh, Donnerstimme, der aus Wensi hervorgeht! Ich habe keine Unordnung gemacht. (Wensi ist eine Stadt im Gau von Herakleopolis. Der Donner ist die Stimme des Gottes Seti.)
31. Oh, --> Herr von (vielen) Gesichtern, der aus Nedjt hervorgeht! Ich war nicht ungeduldig. (Nedjt oder Nedjefet ist der Name der Gaue von Assiut und Cusae in Oberägypten. Hathor, Göttin von Cusae wird oft mit vier Gesichtern dargestellt. Es ist zweifelhaft, ob sie gemeint ist.)
32. Oh, Ratgeber, der aus Udenet hervorgeht! Ich habe die Farben der heiligen Tiere nicht beschädigt. (Ratgeber ist ein Beiwort des Gottes Thot. "Udenet" und "die Farben der heiligen Tiere" sind nicht identifiziert.)
33. Oh, --> Herr der Beiden Hörner, der aus Assiut hervorgeht! Ich habe nicht übermäßig viele Worte gemacht. (Der Gott von Assiut war --> Upuaut (Wepwawet), ein Schakal. Mit den Hörnern sind wohl seine langen Ohren gemeint.)
34. Oh, --> Nefertem, der aus Memphis hervorgeht! Ich war nicht verletzend und habe keine schlimmen Leiden verursacht. (Nefertem  ist der Gott der Lotusblüte.)
35. Oh, Der, der keinen verschont, der aus Busiris hervorgeht! Ich war nicht beleidigend gegen den König und war nicht beleidigend gegen meinen Vater. (Busiris ist die Stadt des Osiris in Unterägypten. Der Totengott ist hier dem Tod gleichgesetzt, dem keiner entgeht.)
36. Oh, Der, --> der nach seinem Wunsch verfährt, der aus Hetem hervorgeht! Ich watete nicht im Wasser (es verschwendend?). (Hetem, "Festung", ist eine Stadt bei Pithom, dem Haus des Atum. So könnte dieser Gott der Urgott Atum sein.)
37. Oh, --> Ihi, der aus dem Urgewässer hervorgeht! Ich habe meine Stimme nicht erhoben. (Ihi, Sohn der Hathor, ist der Gott der Musik. Das Urgewässer wurde als Geburtsstätte aller Götter angesehen.)
38. Oh, --> der das Volk befehligt, der aus Sais hervorgeht! Ich habe keinen Gott beleidigt. (Dies kann der zweite Sohn der Neith sein (siehe Nr. 29)).)
39. Oh, --> Neheb-nefru, der aus Heliopolis hervorgeht! Ich habe nichts von den Opferkuchen der Götter unterschlagen und keinen Kameraden bei seinen Vorgesetzten schlecht gemacht. (Neheb-Neferu, "der alles Gute vereinigt", könnte wieder eine Form des Sonnengottes sein.)
40. Oh, --> Neheb-kau, der aus seiner Höhle hervorgeht! Ich war nicht selbstsüchtig, ich war nicht hochmütig und ich war nicht befehlshaberisch. (Neheb-Kau, "der alle Wesen vereinigt", kann eine Schlange oder Doppelschlange sein.)
41. Oh, Der mit erhobenem Haupt, der aus seinem Grabe hervorgeht! Ich war nicht großtuerisch und stahl keine Gewänder der Seligen. (Dies ist ebenfalls ein Schlangengott.)
42. Oh, --> Der seinen Arm bringt, der aus der Nekropole hervorgeht! Ich habe keinen Gott in meinem Herzen gelästert. (Nach Totenbuch Spruch 17 ist "Der seinen Arm bringt" einer der Helfer beim Wägen des Herzens, also Horus, Anubis oder Thot.)

III. Teil

1. Worte gesagt von Osiris Iu-ef-anch, dem gerechtfertigten, geboren von Scheret-Min, der gerechtfertigten.
2. Seid gegrüßt, Ihr Götter, die in der Halle der beiden Maati sind, in deren Leibern keine Falschheit ist, die leben von der Wahrheit in Heliopolis, und die die Herzen (der Sünder) verschlingen angesichts des (Gottes) Horus in seiner Sonnenscheibe! Rettet mich vor dem (Dämon) Baba, der von den Eingeweiden der großen (Sünder) lebt, an jenem Tag der großen Abrechnung.
3. Seht, Osiris Iu-ef-anch, der gerechtfertigte, kommt zu euch! Er hat keine Sünden und keine Missetaten (begangen), es gibt keine Anschuldigungen (gegen ihn) und niemanden, gegen den er irgendetwas getan hat. Er lebt von der Wahrheit, er verschlingt die Wahrheit.
4. Er macht Freude. Er tat, was die Menschen empfehlen, und woran sich die Herzen der Götter beruhigen. Er befriedigte Gott mit dem, was er liebt. Er gab Brot dem Hungrigen, Wasser dem Durstigen und Kleidung dem Nackten. Er gab ein Boot dem, der keines hatte. Er brachte den Göttern Gottesopfer dar, und Totenopfer den Verklärten.
5. So rettet ihn denn, so beschützt ihn denn, weil ihr ihn nicht verklagen dürft vor dem Herrn der Heiligen, denn sein Mund ist rein und seine Hände sind rein.
6. Willkommen! wird ihm gesagt von denen, die ihn sehen, denn Osiris Iu-ef-anch, der gerechtfertigte, hat jene lauten Worte gehört, die der Esel zum Kater sagte, in dem Haus von dem, dessen Mund offen ist. Der Esel ist Seth, der Kater steht für Rê. Hier geht es um das Verhör des Seth im Tribunal wegen des Osiris-Mordes (Pyramidenspruch 477).
7. Als Fährmann (als der, der mit dem Gesicht in seinem Rücken schaut) war er (der Verstorbene) zeuge, wie er (Seth) schrie. Osiris Iu-ef-anch, der gerechtfertigte, sah das Spalten des Persea-Baumes an seiner Seite in Ro-setau. Er ist ein Helfer der Götter, wohlbekannt in ihren Städten.
8. Er ist hierher gekommen, um Zeugnis zu geben für die Wahrheit, denn er ist rein. Um der Handwage ihre richtige Stellung zu geben im Bereich der Trefflichen. Das Spalten des Persea-Baums steht im Zusammenhang mit dem Sonnenaufgang in Heliopolis (Totenbuch Spruch 17), wo die Götterbarken warten. Ro-Setau ist eine Gegend im Jenseits, aber auch Bezeichnung für die Nekropolen von Gizeh und Saqqara.
9. Oh Du, der hoch aufragt auf seiner Standarte, für den der Name "Herr der Winde" geprägt wurde! Rette Osiris Iu-ef-anch, den gerechtfertigten, aus den Händen dieser Deiner Richter der Verbrechen, die gnadenlos Strafen (Blutvergiessen) verhängen. Der Herr der Winde ist Osiris.
10. Denn Osiris Iu-ef-anch, der gerechtfertigte, geboren von Scheret-Min, der gerchtfertigten, tat, was gerecht ist für den Herrn der Gerechtigkeit. Er ist rein. Sein Herz ist rein. Sein Vorderteil ist rein, sein Hinterteil ist gereinigt. Sein Mittelteil war im Teich der Gerechtigkeit.
11. Keines seiner Glieder ist in Sünde. Osiris Iu-ef-anch, der gerechtfertigte, hat in jenem Teich im Süden gebadet und gerastet am Brunnen nördlich vom Heuschreckenfeld.
12. In ihm baden die Glücklichen in der vierten Stunde der Nacht und in der achten Stunde des Tages, zusammen mit denen, die den Herzen der Götter wohltun, nach ihrer Reise, bei Tag oder bei Nacht. Das Heuschreckenfeld ist am Osthimmel: "Die, welche die beiden Heuschreckenfelder bewachen, zittern, wenn der Verstorbene als Gott des Morgens erscheint." (Sargtexte, Spruch 720)
13. "Laß ihn kommen" sagen sie, die Götter, "Osiris Iu-ef-anch, den gerechtfertigten, geboren von Scheret-Min, der gerechtfertigten." Wer bist Du? sagen sie zu ihm. Was ist Dein Name? sagen sie zu ihm.
14. Ich bin Iu-ef-anch, der gerechtfertigte, geboren von Schert-Min, der gerechtfertigten. Der Sproß unter den Papyrus-Pflanzen. Der in seinem Ölbaum ist, der Name von Osiris Iu-ef-anch, dem gerechtfertigten. Außer seinem irdischen Namen gibt der Verstorbene noch zwei geheime Namen an, die ihn als Gott ausweisen sollen: der "Sproß unter dem Papyrus" ist der junge Horus, der sich im Sumpfdickicht vor Seth versteckt hat, und "der in seinem Ölbaum" ist seit dem Alten Reich in Memphis belegt, vielleicht Ptah, Thot oder Horus. Genannt wird er auch im Totenbuch Spruch 17. "Wo kamst Du vorbei?" sagen sie zu ihm. "Ich kam am Heiligtum nördlich des Olivenbaums vorbei." "Was hast Du dort gesehen?" "Den Fuß und die Schulter!" Das o.a. Heiligtum ist Naref, Stadt des Osiris. Fuß und Schulter sind Leichenteile des Osiris nach dessen Zerstückelung durch Seth. Naref besitzt die Füße, zwei Rippen, den Kopf und eine Schulter).
15. "Was hast Du zu ihnen gesagt?" "Ich sag das Klagen in jenen beiden Ländern der Fenechu." (Die Fenechu sind ein asiatischer Volksstamm. Der Tod des Osiris wurde also auch in entlegenen Ländern beweint).
16. "Was hat man Dir gegeben?" "Es war eine Flamme aus Feuer und ein Papyrus-Amulett aus Fayence." "Was hat Du damit gemacht?" "Ich setzte sie bei an jenem Rand des Beckens von Maa, zur Zeit des Abendmahls." (Das Becken von Maa war ein künstlicher See in der Nähe von Herakleopolis (Totenbuch Spruch 15). Flamme und Amulett wurden an der dortigen Osiris-Kultstätte niedergelegt).
17. "Was hast Du gefunden, an jenem Randes des Beckens von Maa?" "Dieses Was-Zepter aus Feuerstein." "Hast Du es herausgenommen?" sagten sie.
"Osiris Iu-ef-anch, der gerechtfertigte, geboren von Scheret-Min, der gerechtfertigten, hat es herausgenommen". "Was ist mit dem Was-Zepter aus Feuerstein?" "Spender der Atemluft ist sein Name." (Spender der Atemluft ist ein Beiname von Osiris und Thot, das Was-Zepter war wohl ein Amulett für die Teilnehmer an den Osirismythen).
18. "Was machst Du mit der Flamme aus Feuer und dem Papyrus-Amulett, nachdem Du sie beigesetzt hast?" "Osiris Iu-ef-anch, der gerechtfertigte, geboren von Scheret-Min, der gerechtfertigten, beweint sie, und dann nimmt er sie heraus und löscht die Flamme und zerbricht das Papyrus-Amulett oder wirft sie ins Wasser- var.: entweder oder -". Gegenstände, die bei Mysterien eine Rolle gespielt haben, wurden anschließend zerstört. Der Verstorbene hat bewiesen, dass er sich im Osiris-Kult gut auskennt, die Götter sind zufrieden).
19. "Komm und tritt ein in die Halle der beiden Maati, denn Du kennst uns!"
(So einfach war der Eintritt dann wohl doch nicht, denn auch die Bauteile der Halle prüfen den Verstorbenen)
20. "Ich lasse Dich nicht durch mich eintreten", sagt der Pfosten von dieser Türe, "wenn Du mir nicht meinen Namen nennst!" "Das Lot in der richtigen Stellung ist Dein Name." "Ich lasse Dich nicht durch mich eintreten", sagt der rechte Türflügel von dieser Türe, "wenn Du mir nicht meinen Namen nennst!" "Verwalter der Gerechtigkeit ist Dein Name."
21. "Ich lasse Dich nicht durch mich eintreten", sagt der linke Türflügel von dieser Türe, "wenn Du mir nicht meinen Namen nennst!" "Verwalter des rechten Urteils ist Dein Name."
"Ich lasse Dich nicht über mich wegschreiten", sagt die Schwelle von dieser Türe, "wenn Du mir nicht meinen Namen nennst!" "Pfeiler des (Erdgottes) Geb ist Dein Name."
22. "Ich öffne Dir nicht", sagt der Riegel, "wenn Du mir nicht meinen Namen nennst!" "Geschenk -geboren- von der Göttin Mut ist Dein Name."
23. "Ich öffne Dir nicht" sagt das Loch des Riegels, "und ich lasse nicht zu, dass der Bolzen dieser Türe hervorkommt, wenn Du mir nicht meinen Namen nennst!" "Lebendes Auge des Sobek, des Herrn von Chebtet (im Fayyum) ist Dein Name."
24. "Ich lasse Dich nicht passieren, ich öffne Dir nicht" sagt der Türrahmen, "wenn Du mir nicht meinen Namen nennst!" "Schlinge des Schu, die er als Schutz dem Osiris gab, ist Dein Name."
25. "Ich lasse Dich nicht bei uns vorbeigehen" sagen die Querhölzer, "wenn Du uns nicht unseren Namen nennst!" "Jungen der Schlange ist euer Name." "Du kennst uns, so passiere!"
26. "Tritt nicht auf mich!" sagt der Fußboden dieser Halle. "Aber warum? Ich bin doch rein!" "Weil Du nicht die Namen Deiner Beine kennst, mit denen Du auf mich treten willst, (oder) sag es mir!" "Fewand des Min, ist der Name meines rechten Beins. Blüte der Nephtis ist der Name meines linken Beins." "Tritt auf uns, denn Du kennst uns!"
27. "Ich melde Dich nicht an" sagt der Türhüter, "wenn Du mir nicht meinen Namen nennst!" "Der die Herzen erkennt und den Körper prüft, ist Dein Name". "Ich melde Dich bei demjenigen an, der im Dienst ist, aber wer ist der Gott im Dienst?"
28. "Sag es dem Dolmetscher der Beiden Länder" "Aber wer ist der Dolmetscher der Beiden Länder?" "Das ist Thot."
29. "Wer bist Du?" sagt Thot, "und warum bist Du gekommen?" "Osiris Iu-ef-anch, der gerechtfertigte, geboren von Scheret-Min, der gerechtfertigten, ist gekommen, um angemeldet zu werden." "In welchem Zustand befindest Du Dich?" "Siehe, ich bin rein (von allem Verbotenen). Ich bin rein."
30. "Ich habe mich gehütet vor den Feinden der Diensttuenden (Götter). Ich bin keiner von ihnen." "Und wem soll ich Dich melden?" "Melde mich dem, dessen Halle aus Feuer besteht. Seine Wände sind lebendige Kobras, und sein Fußboden ist die Flut." "Wer ists?" "Es ist Osiris."
31. "So komm denn weiter, denn siehe, Du bist angemeldet. Dein Brot ist das Auge des Horus und Deine (anderen) Totenopfer sind das Auge des Horus. Gerechtfertigt ist Osiris Iu-ef-anch, gerechtfertigt immerdar."

Postscriptum

32. "Worte zu sprechen von einem Mann, der rein ist und ein neues Kleid angezogen hat, beschuht mit weißen Sandalen, gesalbt mit bestem Myrrhen-Öl. Er soll ein Opfer machen von Brot, Bier, Rindern, Vögeln, Weihrauch und allen Kräutern.
33. Du sollst dieses Bild machen, gezeichnet auf einen reinen Grund mit nubischem Ocker, herausgenommen aus einem Boden, auf den noch kein Gespann (zum Pflügen) getreten ist.
34. Der, für den dieses Buch gemacht ist, wird mit Kindern von seinen Kindern gesegnet sein. Kein Unglück wird ihm zustoßen. Er wird ein Vertrauter des Königs und seiner Hofleute sein. Man gibt ihm Kuchen, einen Laib Brot, Milch und ein großes Stück Fleisch vom Altar des großen Gottes.
35. Er wird nicht zurückgewiesen von irgendeiner Türe des Westens (d.i. das Jenseits), sondern er wird sie passieren zusammen mit den Königen von Oberägypten und Unterägypten. Er wird ein Gefolgsmann des Osiris sein. (Ausprobiert) als erfolgreich Millionen Male."  

Weiterführende Literatur: Jean Yoyotte: "Le jugement des morts" (Sources orientales 4, Paris 1961); Jan Assmann: "Maa.t, Gerechtigkeit und Unsterblichkeit im Alten Ägypten" (München 1990)  



Quelle:
Schott, E./Die ägyptischen Sünden, Göttingen 1992

Eingestellt durch: semataui (02.07.2003)
Bearbeitet durch:  semataui (16.02.2005)
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