Im Mittelpunkt des textlich und bildlich überlieferten Geburtsmythos steht die Geburt des Gottkönigs, dessen göttlicher Vater im Alten Reich Ra ist (Ra-djed-ef ist der erste, der den Titel "Sohn des Ra" trägt), im Neuen Reich Amun-Ra. Die Rolle der Mutter wird von der tatsächlichen Mutter des Gottkönigs übernommen. Der Mythos beschreibt in rund 15 Szenen (Deir el-Bahari) wie Amun-Ra auf die Erde kommt, um sich in der Gestalt des Königs zur Königin zu begeben, der er sich in seiner göttlichen Natur zu erkennen gibt. Er zeugt mit ihr den nächsten Thronfolger, der nach der Geburt von göttlichen Ammen gesäugt wird und den sein Vater Amun-Ra als Sohn anerkennt. Dieser Mythos stellt eine der Grundstrukturen des ägyptischen Königtums dar. Vollständig erhaltene Bildzyklen findet man im Tempel der Hatschepsut in Djeser djeseru und in der Geburtshalle Amenhotep III. im Luxor-Tempel (wobei nach Brunner die Version im --> Luxor-Tempel (Album) auf ältere Elemente zurückgreift als die in Djeser djeseru). Fragmente entsprechender Bildzyklen lassen sich weiterhin im Ramesseum und im Mut-Tempel von Karnak nachweisen. Aus ptolemäischer Zeit ist ein Geburtszyklus in --> Philae (Album) erhalten, hier ist allerdings Isis die Mutter des gezeugten Königs, nicht die reale Königsmutter. Brunner vermutet mit anderen, dass der Darstellungszyklus zur Geburt des Gottkönigs zu den kanonischen Tempelreliefs gehörte und nur durch Zufall die vollständigen Zyklen in Djeser djeseru und Luxor-Tempel neben den fragmentarisch erhaltenen Bilder im Ramesseum bzw. Nordost-Tempel der Mut in Karnak erhalten geblieben ist. Die Darstellung des Geburtsmythos findet sich somit ausschließlich auf Tempelwänden (2 Beispiele stammen aus den Jahrmillionenhäusern der Hatschepsut und Ramses II.; 2 weitere aus den Göttertempeln in Luxor und Karnak). Dies deutet klar darauf hin, dass die "Welt" des Geburtsmythos die Götterwelt ist (worauf sich die Version im Mut-Bezirk von Karnak bezieht, scheint unsicher zu sein, aber zwei getilgte Kartuschen in der Szene 7 deuten auch hier auf Zeugung und Geburt eines Gottkönig hin; in jedem Falle ist es aber die jüngste Version - vermutlich aus der 21. - 22. Dynastie). Die Götterwelt wird jedoch für den Gottkönig erst nach seinem Tode zum Aufenthaltsort, was wiederum zur Feststellung führt, dass der Geburtsmythos nicht für den lebenden König sondern für den Verstorbenen im Jenseits gedacht ist. Dies erklärt auch, warum im Geburtsmythos von der Geburt eines inthronisierten und gekrönten Königs berichtet wird. Das im Bildzyklus dargestellte Ereignis ist die Wiederholung der realen Geburt des Gottkönigs in der jenseitigen Götterwelt.
Quelle: Altenmüller, H., Auferstehungsritual und Geburtsmythos, SAK 24, 1997
Brunner, H., Die Geburt des Gottkönigs., Wiesbaden 1986
Eingestellt durch: | manetho (12.09.2003) |
Bearbeitet durch: | Iufaa (02.03.2008) |
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