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  Stofflisten
Zur Grabdekoration von Privatgräbern gehörte bereits zu Beginn des Alten Reich (AR) die Nennung von Stoffen, die anfangs unregelmäßig und ungeordnet zwischen anderen Opfergaben, später in Form standardisierter Listen aufgeführt wurden.
Bereits in prädynastischer Zeit finden sich Angaben zu Stoffmaßen, so sind aus der 1. Dynastie erste Angaben zu Stoffqualitäten auf Siegelabrollungen und Etiketten überliefert (Scheele, loc. cit.).
Mit der 2. Dynastie mehren sich die Angaben zu Stoffbezeichnungen, verbunden mit Angaben zu Maßen und Mengen. Diese Angaben tauchen jetzt auf Grabplatten zwischen den übrigen Opferauflistungen - meisten rechts von der Speisetischszene - auf. Nachweisen lassen sich in diesen Auflistungen bereits die Bezeichnungen für folgende Stoffqualitäten: rötlicher Leinenstoff jdmj , wertvoller Leinenstoff sSr.w, und eine Art Leinengewebe aA.w. Standardisierungen der Mass- und Mengenangaben liegen noch nicht vor.
Stofflisten der 3. Dynastie zeichnen sich durch eine zunehmende musterbildende Auflistung (= Kanonisierung) von Stoffen aus. Die aufgelisteten Stoffe werden durch einen Kastenrahmen von den anderen Opfergaben getrennt. Innerhalb des Kastens werden die Stoffe in einem Gitternetz aufgelistet, die später zu beobachtende kanonische Reihenfolge der Stoffe jdmj, sSr.w, aA.w ist allerdings für die 3. Dynastie noch nicht belegbar. Darüber hinaus werden in dieser Zeit die Mengenangaben standardisiert und die aufgelisteten Maße erweitert.


In der 4. Dynastie erreicht die Kanonisierung der Stoffliste dann ihren Höhepunkt. Folgende Merkmale sind als typisch anzusehen, wobei es immer ein paar wenige Ausnahmen gibt:
1.      die Stoffliste erscheint auf der Tafel der Scheintür;
2.      die Liste ist stets in ihrer Ausrichtung dem sitzenden Grabherrn zugewendet;
3.      die Liste besteht aus mindestens 3 Abschnitten, die jeweils wiederum in 3 Register unterteilt sind. Das 1. Register enthält als Überschrift die Angabe der Stoffqualität, das 2. Register, durch senkrechte Striche in Kästchen unterteilt, die Angaben zu den Maßen, und das 3. Register in entsprechender Teilung zu jedem Mass jeweils die Mengenangabe in "Tausend"

4.      die aufgelisteten Stoffqualitäten erscheinen jetzt in einer "kanonischen" Reihenfolge jdmj, sSr.w, (Sma.t, Sma.t nfr.t), aA.w - die in Klammern aufgeführten Qualitäten fallen allerdings häufiger weg.

In der 4. Dynastie taucht auch erstmalig eine Stoffliste auf einem Sarkophag auf (Sarkophag des Mn.w-xa(j)=f, Giza).


Die folgende Abbildung zeigt die Opfertafel des Jwnw aus der 4. Dynastie, heute im Museum in Hildesheim (Nr. 2145).



- Vollbild -



Foto: Anubis

Da das Foto wegen der Spiegelung nicht ganz klar zu erkennen ist, hier eine Umzeichung von Junker (entnommen aus: Scheele, loc. cit.).



- Vollbild -



In dem Kastenrahmen sind von oben nach unten folgende Stoffqualitäten aufgeführt:
1.      rötlicher Leinenstoff jdmj
2.      wertvoller Leinenstoff sSr.w
3.      und eine Art Leinengewebe aA.w


Darunter finden sich im 2. Register - durch senkrechte Striche getrennt - die jeweiligen Stoffmaße, zu jdmj finden sich z.B. die Angaben (von links nach rechts):
1. Sn.tj =   100 Ellen 2. psD.j =   90 Ellen 3. xmn.j =   80 Ellen 4. sfx.j =   70 Ellen 5. srs.j =   60 Ellen
Im 3. Register steht dann, wie oben erwähnt, die Angabe "in Tausend".
Bei den beiden anderen Stoffqualitäten findet sich am Beginn des 2. Registers noch die Mengenangabe H.t = "größtes, mehr als 100 Ellen messendes Stoffmaß".


In der 5. Dynastie scheint die Verwendung der kanonischen Stofflisten als Dekorationselement in den Gräbern zurückzugehen. Die vorliegenden Befunde deuten außerdem auf eine zunehmende Individualisierung - die Liste der erwähnten Stoffe wird z.B. gekürzt, die Liste selbst erscheint u.a. nicht mehr neben dem Opfertisch.
In den folgenden Dynastien des AR finden sich neben in archaisierender Weise wieder "kanonisch", wie in der 4. Dynastie, dargestellte Stofflisten auch ein neues Dekorationsschema (hauptsächlich in Saqqara, in Giza nur einmalig beobachtet) in den Sargkammern, in einigen wenigen Fällen auch auf Särgen. In den Sargkammern der Privatgräber finden sich jetzt neben den Opferlisten auf der Ostwand Darstellungen von Stoffballen oder Kisten (mit Stoffbezeichnungen zur Angabe des Inhalts) auf der Westwand. Die Stoffbezeichnungen weichen zum Teil deutlich von den Stofflisten der 4. Dynastie ab, jdmj verschwindet völlig, sSr.w taucht nur noch selten auf, die Stoffqualitäten Sma.t, Sma.t nfr.t, aA.w finden sich dagegen immer noch.


Nach dem Ende des AR lassen sich die meisten Bezeichnungen für Stoffe auch weiterhin belegen, allerdings meistens auf Särgen aus dem Mittleren Reich. Kanonische Stofflisten wie aus der 4. Dynastie verschwinden jedoch völlig aus dem Dekorationsprogramm der Gräber.
     
Scheele hat auch überprüft, inwieweit sich das Auftauchen der Stofflisten in den Privatgräbern im AR mit der sozialen Herkunft (i.e. Verbindung zur königlichen Familie), mit dem sozialen Status des Ehemannes (bei Stofflistenbesitzerinnen), mit einem Amt in der Stoffverwaltung, und mit der Lage des Königsfriedhofes korrelieren lässt. Auf Basis der erhaltenen Stofflisten lässt sich folgendes zusammenfassen:
1.      Stofflisten tauchen weder in der 3. Dynastie noch nach der 4. Dynastie in den Dekorationen der Gräber von Angehörigen der kgl. Familie auf, sind also nicht auf diese beschränkt;
2.      Stofflisten bei Frauen lassen sich nicht mit dem Status des Ehemannes korrelieren;
3.      einen Zusammenhang mit der Darstellung einer Stoffliste im Grab und einem Amt in der Stoffverwaltung lässt sich ebenfalls nicht herstellen;
4.      die meisten Stofflisten (ca. 50%) stammen aus Giza, von denen wiederum der größte Teil auf dem Westfriedhof (Teilabschnitt G1200) lokalisiert und in die 4. Dynastie zu datieren ist. Die frühesten Stofflisten des AR, die der 3. Dynastie, finden sich in Saqqara (das gilt auch für Stofflisten aus dem Beginn der 4. Dynastie). Frühe Exemplare aus der 4. Dynastie finden sich auch noch in Meidum, so dass man wohl von einer Häufung von Stofflisten an Orten ausgehen kann, an denen die Könige ein Grab errichten ließen. Nach der 4. Dynastie ist diese Korrelation nicht mehr zu beobachten.



Quelle:
Barta, W. in: Lexikon der Ägyptologie, Bd. IV. Wiesbaden 1975-86, Sp. 586
Scheele, K., Die Stofflisten des Alten Reiches. Lexikographie, Entwicklung und Gebrauch. Wiesbaden 2005

Eingestellt durch: Iufaa (28.05.2005)
Bearbeitet durch: -
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