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  Autor/in  Thema: nennen
otto  
Member



nennen 
« Datum: 24.01.2020 um 22:32:49 »   

Hallo, ich lese gerade vom Mediävisten Arno Borst den "Turmbau von Babel", indem er schreibt in Band 1, s. S 33:


Zitat:
..im Apophisbuch hört man vom Namenszauber des Gottes, der aus seinem Munde die Schöpfung hervorbrachte (10); überhaupt ist "nennen" gleich "schaffen."(11)


angegebene Quellen:
10: Apophisbuch 26, 21 ff bei Roeder
11: Lorenz Dürr, Die Wertung des göttlichen Wortes in AT und vorderem Orient, aus Mitteilungen der Vorderasiatisch-Ägyptischen Gesellschaft, Leipzig 1938,


Kann diese Aussage, "nennen" = "schaffen." ein Ägyptologe bestätigen, eventuell auch das gemeinte Wort in Hieroglyphen hierhertun? Danke
Thoth  maennlich
Member



Re: nennen 
« Antwort #1, Datum: 25.01.2020 um 11:50:42 »   

Hallo

Dazu fällt mir Hu der "schaffende Ausspruch" ein.



http://www.aegyptologie.com/forum/cgi-bin/YaBB/YaBB.pl?action=lexikond&id=030718145127&highlight=Hu

Durch ihn konnte "der Schöpfer" Die Welt ins sein sprechen bzw. er ist dieser Ausspruch mit dem er sie ins Sein sprach.


Ein Verb, was gleichzeitig "nennen" und "schaffen" bedeutet ist mir leider nicht bekannt, aber vielleicht weiß ja jemand anderes im Forum mehr...

Ich hoffe ich konnte helfen.

Gruß
Thoth
> Antwort auf Beitrag vom: 24.01.2020 um 22:32:49  Gehe zu Beitrag
Michael Tilgner  maennlich
Member



Re: nennen 
« Antwort #2, Datum: 25.01.2020 um 11:55:21 »   

Hallo, Otto,

die von Borst genannten Quellen sind nicht mehr ganz "taufrisch", so stammt z.B. das zitierte Buch Günther Roeder, Urkunden zur Religion des Alten Ägypten, Jena aus dem Jahre 1915. Borst hat sein "Standardwerk" in den 1950er Jahren erarbeitet, aber auch damals lag schon mehr Literatur zu diesem Thema vor.

Auf die altägyptische Vorstellung von der "Schöpfung durch das Wort" geht Jan Assmann in seinem Stichwort "Schöpfung" im Lexikon der Ägyptologie, Bd. V, Sp. 677-690, speziell Sp. 684 ein und bezieht sich auf seine früheren Studien dazu. Ich habe die S. 238-241 aus seinem Werk Jan Assmann, Re und Amun, Freiburg / Göttingen, 1983 angehängt, weil Assmann hier auch zahlreiche Belege angegeben hat. Aus ihnen ergibt sich, dass zunächst die Erschaffung der Götter durch das Wort beschrieben wurde und diese Vorstellung erst später auf den gesamten Kosmos angewendet wurde.

Interessant finde ich den Hinweis auf die Stelle, wo es heißt, dass nicht die Dinge selbst, sondern zunächst "die Namen der Dinge" im Herzen des Schöpfergottes erdacht wurden, bevor sie durch den Ausspruch geschaffen wurden. Dabei steht das Wort auf einer Stufe mit anderen "Ausscheidungen". Götter entstehen durch Aushusten, Spucken, auch durch Masturbation (damit hatten die Alten Ägypter offensichtlich kein Problem) und durch Tränen - so die Entstehung der Menschen. Aus Sicht der Genderforschung eine "männliche Sicht" der Schöpfung; sie wird eben nicht als Geburt durch eine Urgöttin beschrieben.

Zum Apophis-Buch: Eine neue Übersetzung haben kürzlich Jan Assmann und Andrea Kucharek vorgelegt: Ägyptische Religion. Götterliteratur, Berlin, 2018. Die zitierte Stelle 26, 21 ff. enthält zwar die Wendung: "Zahlreich waren die Gestalten, die aus meinem Mund hervorgegangen sind", aber wenig später auch die Formulierung "ich spie Schu aus, und ich spuckte Tefnut aus". So ähnlich steht es auch bei Roeder, S. 108. Insofern verkürzt das von Dir wiedergegebene Zitat: "überhaupt ist 'nennen' gleich 'schaffen'" die altägyptische Vorstellungen doch erheblich.

Der hieroglyphische Text zum Apophis-Buch ist online erhältlich: Raymond O. Faulkner, The Papyrus Bremner-Rhind, Bruxelles, 1933 [Achtung: 45 MB!], die von Assmann zitierte Stelle: 59.15-60.12.

Viele Grüße,
Michael Tilgner






- Vollbild -
> Antwort auf Beitrag vom: 24.01.2020 um 22:32:49  Gehe zu Beitrag
otto  
Member - Themenstarter



Re: nennen 
« Antwort #3, Datum: 25.01.2020 um 12:20:01 »   

Vielen Dank für die ausführliche Erörterung.

Vielleicht eine letzte Frage zu Assmann, habe schon ein und das andere Buch von ihm durchaus mit Freude gelesen und bin immer leicht skeptisch bei ihm, finde ich doch viel "Mosaisches" von ihm im Altägyptischen wieder. Die "Schaffung durch das Wort" wäre auch so ein Topos, wobei durchaus sein kann, daß die auswandernden 12 Stämme diese Vorstellung schon mitbrachten, bevor Mose sie dann in das 1, Kapitel der Thora goss, bzw. die Rabbinen in der deuteronomistischen Redaktion des Pentateuch diese Sachen formulierten. Wieweit kann man bei Assmann sicher sein, daß er im Altägyptischen nur findet, was er, von Talmud und Midraschim überwältigt, von zuhause schon kannte?

Auch die Vorstellung das der Gott zuerst nur die Namen formte, kann man ja durchaus in die Vorstellung der 4 Schöpfungswelten transferieren, sieh Sefer Jetzira
> Antwort auf Beitrag vom: 25.01.2020 um 11:55:21  Gehe zu Beitrag
Michael Tilgner  maennlich
Member



Re: nennen 
« Antwort #4, Datum: 25.01.2020 um 13:43:12 »   

Lieber Otto,

Zitat:
Wieweit kann man bei Assmann sicher sein, daß er im Altägyptischen nur findet, was er, von Talmud und Midraschim überwältigt, von zuhause schon kannte?

Die christlich-abendländische Prägung westlicher Ägyptologen erzeugt sicherlich einen spezifischen Blick auf die altägyptische Kultur und ihre Texte. Assmann zumindest gibt für seine Thesen die altägyptischen Quellen genau an. Aspekte, die ihn nicht interessieren, wird man vermutlich vergeblich suchen. Andererseits sind die altägyptischen - aber auch die mesopotamischen - Einflüsse auf die Bibel lange bekannt; man denke z.B. an die Sintflut-Geschichte aus dem Gilgamesch-Epos. Es war eben ein zusammenhängender Kulturraum mit zahlreichen wechselseitigen Beziehungen.

Viele Grüße,
Michael Tilgner

> Antwort auf Beitrag vom: 25.01.2020 um 12:20:01  Gehe zu Beitrag
Michael Tilgner  maennlich
Member



Re: nennen 21988910.jpg - 28 KB
« Antwort #5, Datum: 25.01.2020 um 22:13:39 »   

Hallo,

die Stelle aus dem Apophis-Buch lautet (nach der oben zitierten Veröffentlichung von Faulkner, 60.3-4):



aSA xpr.w m pr(.w) m rA=j
"Zahlreich sind die Gestalten, die aus meinem Mund herausgekommen sind."
(wörtl.: "... als Herausgekommene aus meinem Mund")

aSA "viel sein, zahlreich sein" (Wb I, 228.8-9). Die Schreibung wird in DZA 21.988.910 erläutert.
xpr.w "Wesen, Gestalt eines Gottes" (Wb III, 266.1); man beachte G7 den Horus-Falken auf der Standarte (Gottesdeterminativ)
pr.w perfektisches aktives Partizip von prj "herauskommen", substantivisch gebraucht. Dieses Partizip hat zumeist keine Endung im Singular, auch die Pluralendung .w wird oft nicht geschrieben (Alan H. Gardiner, Egyptian Grammar, 1957, § 359).

Wie im früheren Posting schon erwähnt, ist hier die Schöpfung von Göttern durch das Wort gemeint; das ist im Schriftbild durch das Gottesdeterminativ deutlich gemacht. Man sollte vielleicht besser "(göttliche) Gestalten" schreiben.

Zitat:
Kann diese Aussage, "nennen" = "schaffen." ein Ägyptologe bestätigen, eventuell auch das gemeinte Wort in Hieroglyphen hierhertun?

Die "Schöpfung durch das Wort" wird ägyptisch umschrieben mit prj m rA NN (Wb I, 523.18).


Viele Grüße,
Michael Tilgner


- Vollbild -
> Antwort auf Beitrag vom: 25.01.2020 um 13:43:12  Gehe zu Beitrag
Michael Tilgner  maennlich
Member



Re: nennen 
« Antwort #6, Datum: 26.01.2020 um 12:59:24 »   

Hallo,

Jan Assmann hat in dem bereits erwähnten Artikel im Lexikon der Ägyptologie angegeben:

Zitat:
Der früheste Beleg für die Ausdehnung dieser Konzeption auf die gesamte Schöpfung findet sich in einem Amarna-Text.

Es handelt sich um einen Sonnenhymnus aus dem Grab des Ahmose, eines hohen Beamten der Amarna-Zeit. Ich habe den Passus der Grabpublikation N. de G. Davies, The Rock Tombs of el Amarna,
Part III: The Tombs of Huya and Ahmes, London, 1905, Tf. 28
entnommen. Vieles ist zerstört, jedoch konnten die fehlenden Hieroglyphen anhand einer Zeichnung, die die Lepsius-Expedition in Ägypten angefertigt hatte, rekonstruiert werden.



pA nTr anx m mAa.t r-xft-Hr ...wj
"O Gott, der von der Wahrheit lebt vor den Augen (der Menschen)"

pA Demonstrativpronomen maskulin Singular "dieser N" (Wb I, 492.5);  pA nTr "zumeist von einem Gott, auch als Anrede" (Wb II, 359.19)
anx m "leben von ... der Wahrheit" (Wb I, 194.6); gängiges Beiwort des Gottes Aton
r-xft-Hr "vor jemandem u.ä." (Wb III, 276.1)
...wj Plural von jr.t "Auge", Lesung unsicher (Wb I, 108.1)




ntk jr n wn.t nn r-Aw
"Du (bist) ein Erschaffender. Nicht (gab) es einen Erschaffenden von diesem insgesamt."

Eine knifflige Stelle! Meine Lösung: ntk jr ist ein "participial statement" (Alan H. Gardiner, Egyptian Grammar, 1957, § 373), bestehend - in diesem Fall - aus einem selbständigen Personalpronomen und einem perfektischen aktiven Partizip. Gardiner übersetzt die Grundform mit "it is he who hears" bzw. wörtlich: "the-one-who-hears (heard)", also substantiviert. Unsere Stelle müsste also wörtlich heißen: "du (bist) einer, der macht / handelt / erschafft". Zur Bedeutung "erschaffen (als Tätigkeit der Gottheit)": Wb, 108.21. LGG I, 439 übersetzt jr mit "Handelnder" und "Schöpfer".

n wn.t "es exisitert nicht ..." - "ohne dass ... existiert" (Wb I, 308.10-11) - siehe auch Gardiner, § 108,2.
nn r-Aw "alles dieses u.ä." (Wb II, 273.11) - Die Schreibung (ab 18. Dyn.) von nn: Wb II, 272. Zu r-Aw "ganz, insgesamt" (Wb I, 4.13).

Diese Stelle hat Jan Assmann, Ägyptische Hymnen und Gebete, 1975, S. 222 so übersetzt:

Zitat:
du bist es, der schuf, als noch nichts war,
der dies alles geschaffen hat.

Er hat n wn.t ähnlich absolut gebraucht wie nn wn "there is nothing, lit. there does not exist" (Gardiner, § 108,1). Meiner Meinung nach geht das aber nicht: wn.t wird als spezielle Verbform angesehen, die sog. sDm.t=f-Form (so Gardiner, Allen und auch Schenkel in ihren Grammatiken). Am deutlichsten hat es für mich Wolfgang Schenkel, Tübinger Einführung in die klassisch-ägyptische Sprache und Schrift, 2012, S. 159 ausgedrückt: Danach lautet die Konstruktion n wnt. "es gibt nicht" + substantivischer Ausdruck. Ein absoluter Gebrauch ist also nicht möglich - so schön die Übersetzung auch ist.

Wir können die beiden Sätze auch in Beziehung zueinander setzen, indem wir den zweiten als virtuellen Zeit- oder Umstandssatz auffassen:
"Du (warst) ein Erschaffender, (als) es (noch) keinen Erschaffenden von all diesem (gab)."

Das klingt ganz ähnlich wie in dem Apophisbuch (Zitat oben):

Zitat:
Ich habe alle Formen geschaffen, als ich alleine war,
...
ohne daß ein anderer entstanden war, der mit mir zusammen hätte handeln können.




prj.n=w m rA=k
"Es (all dieses) ist aus deinem Mund herausgekommen." (wörtl. "sie sind ... herausgekommen", da nn pluralisch zu verstehen ist.)

=w Suffixpronomen 3. Person Plural (neuägyptisch) (Wb I, 243.13)

Mir ist bei der Bearbeitung aufgefallen, dass der ägyptische Text ziemlich "blasse" Wörter verwendet: So wird der "Schöpfer" (Aton) nur mit dem Allerweltswort jr "Handelnder / Machender / Erschaffender" bezeichnet und die "Schöpfung" nur mit nn r-Aw "dieses insgesamt".

Auch hier wird die "Schöpfung mit dem Wort" als prj m rA=k "herauskommen aus deinem Mund" beschrieben.

Viele Grüße,
Michael Tilgner
« Letzte Änderung: 26.01.2020 um 13:09:46 von Michael Tilgner »


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> Antwort auf Beitrag vom: 25.01.2020 um 22:13:39  Gehe zu Beitrag
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