Beitrag: 1;2;3 oder 1-3 oder 1;2-7;8
 

Anhänge ausblenden | QR-Code einblenden

https://www.aegyptologie.com/forum/cgi-bin/YaBB/YaBB.pl?board=guan&action=display&num=1585595416

Ägyptologie Forum >> Schrift & Sprache


1) Übersetzungsübung: Eine Kartonnagehülle
 Michael Tilgner am 30.03.2020 um 21:10:16 - Anhang: 3 Anhänge

Hallo, Freunde und Freundinnen der ägyptischen Sprache,

vor einiger Zeit kam diese interessante Kartonnagehülle mir zu Gesicht und dann auf meinen Schreibtisch. Ich denke, das ist etwas für Euch! - Es ist ja inzwischen gar nicht mehr so leicht, einen Text zu finden, der nicht irgendwo im Internet übersetzt worden ist

Diese Hülle hat eine Inschriftenzeile, die ich der besseren Lesbarkeit wegen in zwei Teilen anhänge. Dabei überschneidet sich das Ende des einen Teils mit dem Anfang des zweiten Teils; also nicht doppelt übersetzen!

Zunächst heißt es, die Hieroglyphen zu identifizieren, dann Umschrift und Übersetzung zu erarbeiten. An einigen Stellen gibt es zwar ein paar Stolpersteine - aber die machen die Sache ja erst spannend!

Versteckten Text anzeigen...
Bitte Eure Vorschläge als hidden-Text posten!


Viele Grüße,
Michael Tilgner

||


2) Re: Übersetzungsübung: Eine Kartonnagehülle
 Michael Tilgner am 30.03.2020 um 21:21:31 - Anhang: Fusteil.jpg

und hier folgt noch der Fußteil der Kartonnagehülle mit dem Rest der Inschrift.

> Antwort auf Beitrag vom: 30.03.2020 um 21:10:16


3) Re: Übersetzungsübung: Eine Kartonnagehülle
 Seschen am 01.04.2020 um 23:08:19

Hallo, Michael!

Zitat:
Zunächst heißt es, die Hieroglyphen zu identifizieren, dann Umschrift und Übersetzung zu erarbeiten. An einigen Stellen gibt es zwar ein paar Stolpersteine - aber die machen die Sache ja erst spannend!


Ich stolpere über zu viele Stolpersteine "Hieroglyphen", insbesondere in Teil 2.
Hast du die Kolumnen in größerer / besserer Ansicht, so wie den Fußteil? Das wäre sehr hilfreich!

Gruß, Seschen

> Antwort auf Beitrag vom: 30.03.2020 um 21:21:31


4) Re: Übersetzungsübung: Eine Kartonnagehülle
 Michael Tilgner am 02.04.2020 um 14:59:27 - Anhang: Inschrift_Teil-2A.jpg

Hallo, Seschen,

ich habe den zweiten Teil noch einmal in höherer Auflösung gescannt; es ist ein Teil der Kartonnagehülle in Gesamtansicht, die ich zuvor gepostet habe. Eine andere Abbildung habe ich nicht.

Viele Grüße,
Michael Tilgner

> Antwort auf Beitrag vom: 01.04.2020 um 23:08:19


5) Re: Übersetzungsübung: Eine Kartonnagehülle
 Seschen am 03.04.2020 um 00:39:53

Hallo, Michael!

Rätselhaft, weil unlesbar, ist eine Passage; ich kann nur diese paar Zeichen erkennen:



Er müsste ein Name sein, den ich so nicht identifizieren kann. Erkennst du mehr?
Den ganzen Rest der Inschrift habe ich schon entziffert!

Gruß, Seschen

> Antwort auf Beitrag vom: 02.04.2020 um 14:59:27


6) Re: Übersetzungsübung: Eine Kartonnagehülle
 Michael Tilgner am 03.04.2020 um 09:27:03

Liebe Seschen,

dieser Teil ist schon schwer, zugegeben! Zwei Zeichen lassen sich noch gut erkennen: Zum einen oben: G47 "Küken", zum anderen nach dem n links: Aa56 (extended library), ein in der Spätzeit häufig verwendetes Zeichen. Die anderen Zeichen kann man tatsächlich nicht gut erkennen, ich habe sie aufgrund der vorliegenden Informationen entsprechend ergänzt. Einzelheiten kommen später

Zitat:
Den ganzen Rest der Inschrift habe ich schon entziffert!

Ich bin schon gespannt!

Wer sich sonst noch an dieser Inschrift versucht hat, sollte sich auch melden (mit der hidden-Funktion), auch wenn er/sie nur Teile identifizieren konnte.

Viele Grüße,
Michael Tilgner

> Antwort auf Beitrag vom: 03.04.2020 um 00:39:53


7) Re: Übersetzungsübung: Eine Kartonnagehülle
 Seschen am 04.04.2020 um 02:38:31

Hallo, Michael!

Danke!
Ich sehe die Passage jetzt so:



Das sieht nach einer weiteren Variante von Ranke, 387.12 aus.
387.18 ist analog, mit "Bastet".



Und weil das der Name ist , folgt als Determinativ B1K der Extended Library1.

Später mehr...

Gruß, Seschen

> Antwort auf Beitrag vom: 03.04.2020 um 09:27:03


1: https://hieroglyphes.pagesperso-orange.fr/Hieroglyphica%20=%20B.htm


8) Re: Übersetzungsübung: Eine Kartonnagehülle
 Michael Tilgner am 04.04.2020 um 10:13:19

Liebe Seschen,

nun haben wir den Namen der Besitzerin - fast! Denn ich meine, zwischen G47 "Küken" und D40 "schlagender Arm" ist noch ein Zeichen, das ich aufgrund der Schreibungen für TAj (Wb V, 346) mit dem "waagerechten Finger" D51 identifiziere, obwohl das Zeichen nicht ganz so waagerecht aussieht. Als Determinativ habe ich B19 (extended library) gewählt, da der Wedel offensichtlich nicht auf dem Knie ist, sondern mit der Hand gehalten wird.

=w in jm=w ist im Neuägyptischen Suffixpronomen 3. Person Plural (Objektsuffix, Wb I, 243.14); Beispiele für diese Schreibung finden sich auch in mittelägyptischen Texten ab der 18. Dynastie (Alan H. Gardiner, Egyptian Grammar, § 34).

Zu erklären bleibt noch, wo das n im Namen herkommt bzw. bleibt. Die Präposition m mit Suffixpronomen wird bekanntlich jm geschrieben.

Im Neuägyptischen gibt es auch die Variante  
 (Wb II, 1), die sich ebenfalls schon in mittelägyptischen Texten nachweisen lässt.
Diese Schreibung verrät, dass sich die Aussprache im Laufe der Zeit geändert hat. In der Umschrift bleibt man aber in der mittelägyptischen Norm.

Solche und andere "Neuägyptizismen" findet man häufiger in Texten des Neuen Reiches und der Spätzeit. Friedrich Junge im Stichwort "Sprache" (Lexikon der Ägyptologie, Bd. V, Sp. 1176-1211) bezeichnet diese Sprachstufe als "Spätmittelägyptisch" (Sp. 1190):
Zitat:
mittelägyptische Satzstruktur und mittelägyptische Orthographie; gelegentliche Verwendung "neuägyptischer" Formen, Wörter und Schreibungen


Viele Grüße,
Michael Tilgner



> Antwort auf Beitrag vom: 04.04.2020 um 02:38:31


9) Re: Übersetzungsübung: Eine Kartonnagehülle
 Peter am 04.04.2020 um 14:32:49

Ich versuche es mal:
Den Namen lasse ich erstmal aus bzw. ich setze ihn dann ein, weil ich mich damit noch nicht ausreichend beschäftigt habe.


Versteckten Text anzeigen...


Zuerst habe ich die Inschrift aufgeschrieben:


(Name)


Nun zu meiner Überlegung:
Versteckten Text anzeigen...


Htp-Dj-nswt n Wsjr-zkr Hr(.j)-jb ST(j.t)=f nTr aA nb p.t HqA.t D.t m Jwn.w Dj=f mw n bA=T Htp.t n XA.t mnx.t (n) saH=T Hz(y.t) m Xn n Jmn(?) NN zA.t n pA-xA-rw (?) mAa-xrw r nHH


Versteckten Text anzeigen...

Ein Opfer, was der König gibt an Soker-Osiris/Osiris-Soker, der "im Herzen" (/in der Mitte) seines Grabes/Heiligtums (WB 4 S. 559) ist, der große Gott, dem Herr des Himmels, (mit) ewiger Herrschaft in Heliopolis, dass er Wasser geben möge deinem (WB 5 337) Ba (WB 1 S. 411), Opfergaben (WB 3 S. 183) für/an den Leichnahm (WB 3 S.359) und Kleider (für/an) die Vornehme, die Gelobte, nicht(?) beim Herantreten an Amun, NN, Tochter des Pacharu (?), für immer wahr an Stimme. (selig)


> Antwort auf Beitrag vom: 03.04.2020 um 09:27:03


10) Re: Übersetzungsübung: Eine Kartonnagehülle
 Michael Tilgner am 04.04.2020 um 16:31:06

Lieber Peter,

schön, dass Du dabei bist! Im Großen und Ganzen geht Deine Übersetzung in eine Richtung, die man nachvollziehen kann. Es gibt aber ein paar Stellen, wo ich Dir nicht folgen kann. Im Einzelnen:

Versteckten Text anzeigen...
Du hast ein "bleibendes Grab/Heiligtum" gefunden, wohl weil Du ein Zeichen als Y5 identifiziert hast. Dieses Zeichen taucht tatsächlich ein wenig weiter auf - und sieht dort ganz anders aus! Ich meine daher, dass es hier nicht Y5 ist.

Auch habe ich Schwierigkeiten mit dem "(weiblichen) Ba", denn laut Wb ist es nur als Bezeichnung der Hathor und auch nur in griechischen Texten belegt. Letzteres muss kein Ausschlussgrund sein, aber die Hathor ergibt hier keinen rechten Sinn.

Mit der Passage vor dem Namen kann ich mich nicht anfreunden. Man würde hier einen Titel erwarten. Auch die Stelle nach dem Namen solltest Du noch einmal prüfen.


Obwohl es sich um eine Standardformel handelt, so sind doch ein paar Einzelheiten knifflig!

Viele Grüße,
Michael Tilgner

> Antwort auf Beitrag vom: 04.04.2020 um 14:32:49


11) Re: Übersetzungsübung: Eine Kartonnagehülle
 Peter am 04.04.2020 um 17:53:10

Ich kenne den Titel nicht.
Versteckten Text anzeigen...
Ich erkenne nur "an Amun herantreten".

Danach erkenne ich nur "Nachkomme Nepacharu.


> Antwort auf Beitrag vom: 04.04.2020 um 16:31:06


12) Re: Übersetzungsübung: Eine Kartonnagehülle
 Michael Tilgner am 04.04.2020 um 18:05:04

Hallo, Peter,

warten wir mal ab, was die andere(n) herausgefunden hat(haben).

Versteckten Text anzeigen...
Ein Tipp für das Zeichen nach dem Namen: G39


Viele Grüße,
Michael Tilgner

> Antwort auf Beitrag vom: 04.04.2020 um 17:53:10


13) Re: Übersetzungsübung: Eine Kartonnagehülle
 Peter am 04.04.2020 um 18:14:05

Als ob.
Daran habe ich schon gedacht, aber das Zeichen sah mir so anders aus.
Dann ist es klar.
Ich such zwar noch, aber ich denke nicht, dass ich etwas finde.

> Antwort auf Beitrag vom: 04.04.2020 um 18:05:04


14) Re: Übersetzungsübung: Eine Kartonnagehülle
 Seschen am 04.04.2020 um 23:25:36

Hallo!

Meine Umzeichnung:



Umschrift und Übersetzung:

Versteckten Text anzeigen...
Htp-dj-nsw n Wsjr-Zkr Hr.y-jb STy.t=f n jwn nTr-aA nb p.t HqA-D.t

Ein Opfer, das der König gibt an Osiris-Sokar, der sich in seinem Schetit-Heiligtum (/Krypta) in Heliopolis befindet, großer Gott, Herr des Himmels (und) Herrscher der Ewigkeit,

dj=f mw n bA{.t} Htp n XA.t mnx.t nHH n sAH.t Hz.yt m Xn n Jmn

er möge geben Wasser für die Ba-Seele, Opfergaben für den Leichnam (und) ewigliche Vortrefflichkeit für die Edle (und) Gelobte beim Herantreten (/Annähern) an Amun

TAj-As.t-jm=w sA.t n pA-xr(.j) mAa-xrw r nHH

Tai-Aset-imu, Tochter des Pa-cheri, selig bis in Ewigkeit


Erläuterungen:

Versteckten Text anzeigen...
Wsjr-Zkr - Osiris-Sokar, LGG II, 563
Zkr Hr.y-jb STy.t=f - Epitheton des Sokar, ähnlich LGG VI, 674
bA – Ba-Seele; das t ist fehlerhaft (In Inschriften der Spätzeit “schwirren” manchmal unerklärlich t herum)*
TAj-As.t-jm=w – Personenname fem.; Variante zu Ranke, 387.12  
pA-xr(.j) – Personenname mask.; Ranke, 116.17

* Ich habe mich an die Kopftafel erinnert, an bA gefolgt von einem .t. Da fragte nauna:
Zitat:
und das t ? Ist es auf dieser Kopftafel lediglich als Zierde angebracht? Es fällt wohl ziemlich häufig unter den Tisch

Michael, du hast "zum scheinbar überflüssigen t" geantwortet:
Zitat:
Andererseits wurde es auch an Stellen geschrieben, wo man es eigentlich nicht erwartet. Mit den Besonderheiten dieser Sprachstufe hat sich Karl Jansen-Winkeln in seiner Spätmittelägyptischen Grammatik der Texte der 3. Zwischenzeit, Wiesbaden, 1996 befasst. Im § 32 "X1 [t] als 'Determinativ' oder Füllzeichen" heißt es:

"Nach klassischem Maßstab überflüssiges X1 ist ziemlich häufig:
- Bei Ortsnamenbezeichnungen ...
- Z.T. könnte es sich um ein Füllzeichen oder wieder um die Übernahme eines graphischen Schemas handeln, wenn es ein feminines Wort von der derselben Wurzel gibt ...
- Wenn der Stamm auf einen Dental auslautet ...
- Beim Stamm rdj ...
- Oft gibt es auch keine solche Motivation …
"
(Hervorhebungen von mir)  


Gruß, Seschen

> Antwort auf Beitrag vom: 04.04.2020 um 18:14:05


15) Re: Übersetzungsübung: Eine Kartonnagehülle
 Peter am 05.04.2020 um 08:48:04

Also jetzt versteh ich gar nichts mehr, sie übersetzt es auch so, wie ich es am Anfang übersetzt habe. Gut, ich hab den Versteckten Text anzeigen...
weiblichen ba (vielleicht ist es das auch wirklich und steht nur nicht im WB!?)
und ein Paar Hieroglyphen versehentlich verwechselt, aber sie hat es auch mit
Versteckten Text anzeigen...
beim Herantreten an Amun

übersetzt.
Wieso hast du nach Versteckten Text anzeigen...
mnx.t nHH gesehen? Da ist doch deutlich diese umgedrehte Schlinge? Und wieso drehst du "Formulierungen" so seltsam?


> Antwort auf Beitrag vom: 04.04.2020 um 23:25:36


16) Re: Übersetzungsübung: Eine Kartonnagehülle
 Michael Tilgner am 05.04.2020 um 11:24:13 - Anhang: HqA_Dt_in_LGG_V_531.jpg

Hallo,

zunächst zum ersten Teil der Inschrift (1. Zeile bei Seschen): Die hieroglyphische Darstellung ist bei Euch beiden gleich; ich wiederhole sie daher nicht.

Versteckten Text anzeigen...
Htp-dj-nsw n Wsjr-%kr Hr.j-jb STy.t=f nTr aA nb p.t HqA D.t m Jwnw
"Ein Opfer, das der König für Osiris-Sokar gibt, der inmitten seines "Schetit"-Heiligtums ist, den großen Gott, Herrn des Himmels, Herrscher der Ewigkeit in Heliopolis"

dj bzw. rdj - mittelägyptisch mit d, nicht D (Wb II, 464; Alan H. Gardiner, Egyptian Grammar, § 289, 1 sowie weitere Grammatiken). Die Lesung Dj bzw. rDj ist altägyptisch (Sprache der Pyramidenzeit).

Wsjr-%kr "Osiris-Sokar" ist nur ein Gott; das ergibt sich aus dem folgenden dj=f. Das habt Ihr "unbewusst" richtig gemacht. Das Phänomen der Götterverbindung (Synkretismus) ist im Alten Ägypten weit verbreitet; ein bekanntes Beispiel ist Amun-Re. Die Verbindung Osiris-Sokar ist laut Lexikon der Götter und Götterbezeichnungen, Bd. II, S. 563 (= LGG II, 563) nur einmal in einer (anderen) Htp-dj-nsw-Formel belegt.

STy.t "Heiligtum des Gottes 'Soker'-Osiris, sein Grab u.ä." (Wb IV, 559.4-5) - dort ist auch die Schreibung mit N16 aufgeführt, hier mit der Variante N17

Hr.j-jb STy.t "Beiname des Soker, auch des Osiris" (Wb IV, 559.11-12; LGG V, 348) - Hr.j-jb STy.t=f "der inmitten seines Schetitheiligtums ist" (LGG V, 349)

Wsjr-%kr m STy.t "Osiris-Sokar in der Schetit" (LGG II, 564) - nur ein Beleg im Neuen Reich - %kr m STy.t "Sokar im Schetitheiligtum" (LGG VI, 674)

HqA D.t "Herrscher der Ewigkeit" (Wb III, 172.19-20) - dieses Epitheton (Beiwort) ist unendlich oft - ich will nicht übertreiben -, also ziemlich oft in Inschriften belegt, wohingegen HqA.t D.t nicht belegt ist, zumindest gibt es keinen Eintrag an der entsprechenden Stelle im LGG V, 552. Was ist also mit dem .t? Hier greift die Bemerkung von Jansen-Winkeln, die Seschen zitiert hat. - Die Schreibung mit .t ist für die Spätzeit belegt (DZA 27.368.440). Ein Beispiel wird auch in LGG V, 531 angegeben.

Jwnw "Heliopolis" (Wb I, 54)

HqA D.t m Jwnw "der Herrscher der D.t-Zeit in Heliopolis" (LGG V, 532)


Viele Grüße,
Michael Tilgner

> Antwort auf Beitrag vom: 05.04.2020 um 08:48:04


17) Re: Übersetzungsübung: Eine Kartonnagehülle
 Peter am 05.04.2020 um 11:34:07

Wieso unbewusst? Steht doch auch im WB?
Ich fand, dass das klar wäre!?
Ich kannte ihn bis jetzt aber nur umgedreht.

> Antwort auf Beitrag vom: 05.04.2020 um 11:24:13


18) Re: Übersetzungsübung: Eine Kartonnagehülle
 Michael Tilgner am 05.04.2020 um 14:19:59 - Anhang: Ehepaar_vor_Baumgoettin_in_Die_aegypt_Reliefs_des_Kestner-Museums_1989_S_113_Detail.jpg

Hallo, Peter,

das mit dem "unbewusst" war nicht so ernst gemeint! Es tauchen zwei Götternamen auf, da muss man einen Moment überlegen ...

Nun zu den Bitten der Opferformel, dem zweiten Teil:

Versteckten Text anzeigen...
Das Determinativ hinter mnx.t habe ich als S113 (extended library) gesehen, eine Variante zu S27 "unfertiges Tuch mit zwei Kettfäden".

dj=f mw n bA=t Htp n XAt(=t) mnx.t n saH=t
"Er möge geben: Wasser deinem Ba, Opfergaben (deinem) Leichnam (und) Kleidung deiner Mumie"

=t Suffixpronomen 2. Person Singular feminin

Strittig ist nur das letzte Wort:

saH "Mumie" (Wb IV, 52.1-2) - Das Wort hat mehrere Bedeutungen. Wenn das Determinativ fehlt, ist es gelegentlich schwierig zu entscheiden, welche Bedeutung zu wählen ist. Da hilft nur der Kontext: In diesem Fall ist es der Hinweis bei Wb IV, 52.2: "Mumie des Menschen, bes. neben bA 'Seele', XA.t 'Leichnam' u.ä."

Es ist eine Reihung: A für dein B, daher habe ich =t bei XA.t ergänzt. Es handelt sich offensichtlich um eine "Haplographie": Zwei gleiche Zeichen aufeinander folgender Wörter werden nur einmal geschrieben (siehe: Alan H. Gardiner, Egyptian Grammar, § 62).

Diese Art von Bitte wird in Winfried Barta, Aufbau und Bedeutung der altägyptischen Opferformel, 1968, S. 175, 188 (Fußnote 8) und 206 für die 21./24. bzw. 25. Dyn. erwähnt.


Eine schöne Darstellung für "Wasser deinem Ba" findet sich auf einer Stele des August-Kestner-Museums in Hannover (Inv.-Nr. 2933), auf der die Bas eines Ehepaares zu sehen sind, die aus einem Becken Wasser trinken.

Viele Grüße,
Michael Tilgner

> Antwort auf Beitrag vom: 05.04.2020 um 11:34:07


19) Re: Übersetzungsübung: Eine Kartonnagehülle
 Michael Tilgner am 05.04.2020 um 18:54:40

Hallo,

kommen wir zum dritten Teil, der Empfängerin des Totenopfers.

Versteckten Text anzeigen...
Normalerweise wird der Empfänger / die Empfängerin durch n kA n NN "für den Ka des / der NN" eingeführt. Winfried Barta vermerkt in seinem bereits zitierten Werk Opferformel, S. 252:
Zitat:
Daß Name und Titel unvermittelt den Bitten folgen, ist im Alten Reich besonders häufig, später seltener zu beobachten.

Das heißt: tritt auch noch später gelegentlich auf.

Hs.t m Xnw n Jmn *Aj-As.t-jm=w sA.t n PA-xrj mAa(.t)-xrw r nHH
"Sängerin im Innern des Amun Tschai-Aset-imu, Tochter des Pacheri (Pacharui), gerechtfertigt bis in Ewigkeit."

Wie kommt man zu dem Titel?

[1] Hs.t "Sängerin" (Wb III, 165)


"in dem späten Frauentitel (ob hierher?)" (Wb III, 165.16)

[2] Im TLA findet man in der Folgezeile: Xs.t-n.t-Xnw-n-jmn "Sängerin vom Innersten des Amun"

[3] Wir können unsere Schreibung mit der Präposition m getrost als Variante betrachten, aber das Wort in der Mitte soll Xnw sein? - Ja, wie ein Blick in Wb III, 369 zeigt; dort ist sie für die Spätzeit angegeben. Zudem lesen wir dort: Xnw "Wohnort, Residenz (...) eines Tempels" (Wb III, 369.19).

Wir können also den Frauentitel Wb III, 165.16 mit der Bezeichnung des Frauentitels im TLA identifizieren. Aber in unserem Titel wird Xn(w) mit den "laufenden Beinen" D54 determiniert, das ist die Schreibung für das Verb Xn "herantreten" (Wb III, 373.9), und zwar in der Bedeutung "an eine Person", auch mit Präposition n.

[4] An dieser Stelle hat man zwei Möglichkeiten: (a) Der Scheiber hat einen Fehler gemacht; es ist dieser Frauentitel. (b) Es ist nicht dieser Frauentitel. Es gibt aber eine Schwierigkeit mit Xn "herantreten", denn das Wb hat hervorgehoben: "bes. dem König nahe kommen dürfen", nicht aber einem Gott! Was soll aber dann diese Stelle bedeuten?

Soweit kommt man mit den üblichen Bordmitteln. Nun zum Zugabenteil:

[5] Die Studie Spätmittelägyptische Grammatik der Texte der 3. Zwischenzeit, 1996, von Karl Jansen-Winkeln beschäftigt sich mit den Eigenarten der späten Texte. Er hat einen Abschnitt dem Thema "Fehler" gewidmet (S. 27-30) und trifft folgende Unterscheidungen:
Zitat:
a) Falsche Zeichen (...)
b) Korrekturen (...)
c) Verschleppte Lautzeichen (...)
d) Verschleppte Determinative (...)
e) Graphische Umstellungen (...)
f) Auslassungen (...)
g) Überflüssiges (...)
h) Verschreibungen aus dem Hieratischen (...)
i) Kontamination zweier Wörter (...)
j) Scheinbare Reduplikation (...)

Ich meine, dass hier ein Beispiel für den Fall (i) "Kontamination zweier Wörter" vorliegt, nämlich der Wörter Xnw "Wohnort, Residenz" und Xn "herantreten".

[6] Der TLA-Eintrag zum Frauentitel nennt noch zwei Artikel aus GM ("Göttinger Miszellen"). Der Artikel von Erhart Graefe, Die Adoption ins Amt der Hzwt njwt Xnw nj jmnj und der Smswt dwAt-nTr (zu Ritners Artikel in GM 164,1998,85ff), in: GM, Heft 166, S. 109-112 (1998) enthält die Information, dass Graefe in einem Dossier bereits 95 Einträge zu diesem Titel gesammelt hat; die Anzahl der Personen wird vermutlich aber geringer sein.

Aus alldem schließe ich, dass es sich um diesen Titel handelt, trotz der fehlerhaften Schreibung.

sA.t "Tochter" (Wb III, 411) - Für die Spätzeit ist dort die Schreibung mit zwei t sowie der Anschluss des Vaternamens mit dem indirekten Genitiv angegeben. Beide t sind bei den Hieroglyphen zu schreiben.

PA-xr.j "der Syrer" (PN I, 116.17) - offensichtlich ein Ausländer. Wb III, 232.13: xArw.j, xrj "Syrer". Die letztere Variante interpretiert die Zeichen als "syllabische Schreibung" für ausländische Namen und Wörter.

mAa(.t)-xrw "gerechtfertigt" - ich habe dies auf die Besitzerin der Kartonnagehülle bezogen, nicht auf den Vater.

r nHH in Verbindung mit mAa-xrw ist meines Wissens nicht im Wb aufgeführt. Vielleicht zu ergänzen zu  (anx.tj) r nHH  "sie möge leben bis in Ewigkeit".


Viele Grüße,
Michael Tilgner

> Antwort auf Beitrag vom: 05.04.2020 um 14:19:59


20) Re: Übersetzungsübung: Eine Kartonnagehülle
 Peter am 05.04.2020 um 19:16:41

Vielen Dank für die Erläuterungen.

Ich werde mir die angegebenen Quellen ansehen und für die nächste Übung benutzen.

> Antwort auf Beitrag vom: 05.04.2020 um 18:54:40


21) Re: Übersetzungsübung: Eine Kartonnagehülle
 Michael Tilgner am 09.04.2020 um 17:32:37

Nachtrag: Es handelt sich um die Kartonnagehülle mit der Mumie der Tjayasetimu (British Museum EA 20744).

Die Kartonnagehülle ist mit einer dunklen Substanz bedeckt. Erst 1975 wurden Gesicht, Füße, rechter Unterarm und die Inschrift gereinigt. Seither ist die Identität der Mumie bekannt.

CT-Sans zeigen, dass die Mumie deutlich kleiner ist als die Kartonnagehülle. Tjayasetimu starb sehr jung; die Zahnentwicklung war noch nicht abgeschlossen. Geschätztes Alter: 7 +/- 3 Jahre.

Zum Titel: Lange Zeit glaubten Ägyptologen, dass diese Priesterinnen – wie auch die "Gottesgemahlinnen" – Jungfrauen gewesen seien. Es gibt jedoch Hinweise, dass zumindest einige von ihnen verheiratet gewesen sind.

Zur Bitte "Wasser für deinen Ba, Opfergaben für (deinen) Leichnam, Kleidung für deine Mumie": Diese nur selten vorkommende Bitte ist vor allem für den Norden Ägyptens belegt, in der Region des Fayums. Kommt Tschai-Aset-imu von dort? War sie Sängerin z.B. im Tempel des Amun in el-Hibeh statt in Karnak?

Viele Grüße,
Michael Tilgner

> Antwort auf Beitrag vom: 05.04.2020 um 19:16:41