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   Architektur & Kunst (513)
   Die Inventarstele (5)
  Autor/in  Thema: Die Inventarstele
Peter  maennlich
Member



Die Inventarstele 
« Datum: 05.03.2021 um 09:35:41 »   

Hallo, ich habe letztens von der Inventarstele gehört und damit so einige abenteuerliche Behauptungen, die damit verbunden werden. Es soll wohl Leute geben, die denken, dass sie aus der 26. Dynastie wahrheitsgetreu über Cheops spricht, wie er den Sphinx bloß repariert. Kann mir dazu jemand was sagen?
Wie kommt man zu dem Schluss, dass aus der Saitenzeit das eine ernst zu nehmende Quelle zum alten Reich ist?
Michael Tilgner  maennlich
Member



Re: Die Inventarstele JE_2091_Umzeichnung_und_Text.pdf - 84 KB
« Antwort #1, Datum: 06.03.2021 um 13:53:31 »   

Lieber Peter,

die Stele ist jetzt im Ägyptischen Museum von Kairo mit der Inv.-Nr. JE 2091 (diese Information braucht man, wenn man weitere Informationen in der wissenschaftlichen Literatur finden will). Mit den Fotos kann man wenig anfangen; daher habe ich die Umzeichnung aus Auguste Mariette, Monuments divers recueillis en Égypte et en Nubie, Paris, 1872, Tafel 53 hier angehängt. Dazu kommen noch vier Zeilen auf dem Podest, die zum Teil stark verwittert sind. Sie gehören zu den Textblöcken im vierten Register. Die neueste Bearbeitung dieses Teils habe ich Karl Jansen-Winkeln, Inschriften der Spätzeit, Teil IV: Die 26. Dynastie, Band 2: Gottesgemahlinnen / 26. Dynastie insgesamt, Wiesbaden, 2014, S. 765 entnommen.

Auf der Stele werden Bau- und Instandsetzungsarbeiten im Isis-Tempel dem Pharao Cheops zugeschrieben. Dass es sich nicht um ein Stück aus dem Alten Reich handeln kann, sieht man z.B. an der Ikonographie (Isis mit dem Horuskind) oder an der Schreibung der Isis mit zwei t, die erst für die Spätzeit belegt ist (DZA 1.007.185 ff.). Die Göttin Isis taucht erst in den Pyramidentexten (ab der 5. Dynastie) auf; frühere Belege sind unsicher (Lexikon der Ägyptologie, Bd. III, Sp. 188). Die Stele wird aus diesen und weiteren Gründen in die 26. Dyn. datiert.

Ein ähnlicher Fall ist die "Hungersnotstele" in Sehel, die angeblich aus der Zeit des Pharao Djosers stammt, in Wirklichkeit aber erst in ptolemäischer Zeit erstellt wurde, wie sich aus den verwendeten Zeichen ergibt.

Das als "Fälschung" ägyptischer Priester zu bezeichnen, geht meiner Meinung nach zu weit. In der Saitenzeit gab es eine Rückbesinnung auf die Anfänge der ägyptischen Kultur und Geschichte, die einige als "Renaissance", andere als "Archaismus" bezeichnen. In diesem Zusammenhang muss man wohl die Zuweisung der Texte an alte, ehrwürdige Pharaonen sehen.

Auch ansonsten sorgt die Stele für Irritationen: So wird @nw.t=sn Henutsen als Königstochter bezeichnet, die zeitgenössisch nicht belegt ist. Hatte der damalige Verfasser Zugang zu Archiven, die heute verloren sind?

Auf der rechten Umrandung heißt es:

qd.n=f mr=f r-gs Hw.t-nTr n.t nTr tn
"er baute seine Pyramide neben dem Tempel dieser Göttin"

Das würde bedeuten, dass der Isis-Tempel schon vor dem Bau der Cheops-Pyramide existiert haben müsste. Dieses Problem löst sich, wenn man für qd die Bedeutung "Verfallenes u.ä. wieder aufbauen" (Wb V, 73.6) einsetzt:

"er baute seine Pyramide neben dem Tempel dieser Göttin wieder auf"

Das passt auch zu dem Text auf der linken Umrahmung:

wHm(.w) gmj.n=f stp nTr.w Hr s.t=s(n)
"das, was er verfallen vorgefunden hatte, wurde erneuert, die Götter (sind) an ihren Plätzen"

wHm "seine frühere Gestalt annehmen" (Wb I, 342.7-12)
stp "im Begriff sein, vergessen zu werden o.ä." (Wb IV, 341.17) - diese Bedeutung ist für die Spätzeit belegt

gmj.n=f ist substantivierte Relativform - siehe auch Wb V, 167.21-26 "etwas in einem Zustand vorfinden"

Wer nun diese Erneuerungsarbeiten durchgeführt hat, wird nicht genannt; vielleicht Psammetich I. oder II. Das muss man einsetzen, wenn es im Text heißt: "er ..." und nicht Cheops. Auch früher fanden solche Arbeiten an verfallenen Denkmälern statt, so z.B. unter Ramses II., durchgeführt von dessen Sohn Chaemwaset. Derjenige, der es in der 26. Dynastie gemacht hat, hat sich zurückgenommen und die Ehre Cheops zugewiesen.

Weil manches nicht endgültig geklärt werden kann, eignet sich diese Stele gut für "abenteuerliche" Spekulationen, wie Du es bezeichnet hast.

Viele Grüße,
Michael Tilgner
> Antwort auf Beitrag vom: 05.03.2021 um 09:35:41  Gehe zu Beitrag
Michael Tilgner  maennlich
Member



Re: Die Inventarstele 
« Antwort #2, Datum: 08.03.2021 um 17:13:31 »   

Hallo,

ich habe mich mal näher mit Henutsen, die in der Inventarstele erwähnt wird, beschäftigt.

Eine Übersicht findet man in Joyce Tyldesley, Die Königinnen des Alten Ägypten, Leipzig, 2008, S. 45 (siehe Anhang): Danach wird ihr die Pyramide G 1 c, eine der drei Königinnenpyramiden neben der Cheops-Pyramide, "mit Vorbehalt ... zugeordnet". Außerdem: "Man nimmt an", dass sie die Gemahlin des Pharao Cheops und Mutter des Chephren war. Hört sich ziemlich vage an! Dennoch sind die Fragezeichen in der daneben stehenden Zusammenfassung weitgehend verschwunden.

Was weiß man eigentlich genau über Henutsen?

Die überlieferten Belege sind zusammengetragen worden von Silke Roth, Die Königsmütter des Alten Ägypten von der Frühzeit bis zum Ende der 12. Dynastie, Wiesbaden, 2001, S. 388-389 (siehe Anhang). Die Rubrik A steht für die Titel, D für die Grabanlage und E für die Belege. Danach gibt es überhaupt nur zwei (!) Belege. Der eine ist die bekannte Inventarstele, der andere ein Relief in der Mastaba des Chaefchufu I. Eine Umzeichnung findet man in William Kelly Simpson, The Mastabas of Kawab, Khafkhufu I and II, Boston, 1978 (Achtung: 59 MB!), Abb. 26 (auch angehängt).  Zu sehen sind eine Frau und ein Mann, die Händchen halten. Vor der Frau steht:

mw.t=f ms.t sw mAA.t @r %tX wr(.t Hts)
"seine Mutter, die ihn geboren hat, die den Horus und Seth sieht, Große des Hetes-Zepters"

mAA.t @r %tX "die den Horus und Seth (= König) sehen darf" (Wb IV, 345.5), ein Titel
wr.t Hts Titel der Königin (Wb III, 202.9) - Übersetzung nach TLA

Hinter ihr steht:

sA.t nswt
"Tochter des Königs"

Offensichtlich eine Königin, aber: Es fehlt ein Name! Vor dem Mann ist zu lesen:

sA=s mr=s
"ihr Sohn, den sie liebt (= ihr geliebter Sohn)"

Auch hier fehlt der Name, aber sicherlich ist der Grabherr Chaefchufu I gemeint. Hier Chephren anzunehmen, scheint mir doch allzu spekulativ.

Weiter mit dem nächsten Posting ...


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> Antwort auf Beitrag vom: 06.03.2021 um 13:53:31  Gehe zu Beitrag
Michael Tilgner  maennlich
Member



Re: Die Inventarstele Henutsen_in_Janosi_Pyramidenanlagen.jpg - 473 KB
« Antwort #3, Datum: 08.03.2021 um 17:37:08 »   

... Fortsetzung des vorhergehenden Postings.

Was kann man aus diesen Belegen schließen?

Die Beleglage ist äußerst mager, muss man schon sagen. Eine Bewertung hat Peter Jánosi, Die Pyramidenanlagen der Königinnen, Wien, 1996, S. 11 vorgenommen (Anhang):

Zitat:
Anhand zeitgenössischer Dokumente läßt sich die Existenz einer "Prinzessin" mit diesem Namen jedoch weder als Gemahlin noch als Tochter des Cheops und Eigentümerin der dritten Nebenpyramide nachweisen.
...
Es gibt aber weder verläßliche Hinweise, daß die im Grab des Chaef-Chufu dargestellte Frau tatsächlich die in der "Inventory Stela" genannte Henutsen ist, noch daß sie in der Pyramide G 1-c bestattet war.

Wie kommt man überhaupt dazu, die Pyramide der Henutsen zuzuweisen? Nach Jánosi beruht das "auf der Voraussetzung, daß die Lage der Pyramiden und die der östlich liegenden Gräber Aussagen über die Abkunft der einzelnen Personen zulassen"; er nennt diese Art der Identifizierung "problematisch".

Kehren wir zu Peters ursprünglicher Frage zurück: Kann eine Stele aus der Saitenzeit eine ernst zu nehmende Quelle zum Alten Reich sein?

Zunächst meine ich: ja! Die damaligen Verfasser konnten noch Zugang zu Informationen in Archiven haben, die heute verloren sind. Das bezieht sich auf die Aussage, dass Henutsen Königstochter war. Aber die Schlussfolgerungen mit dem Relief aus der Mastaba des Chaefchufu, der Lage dieser Mastaba und der Königinnenpyramide G 1 c sowie dem Fundort der Inventarstela stehen auf einem sehr brüchigen Fundament. Ich jedenfalls kann mich nur Jánosis Meinung anschließen!

Viele Grüße,
Michael Tilgner


- Vollbild -
> Antwort auf Beitrag vom: 08.03.2021 um 17:13:31  Gehe zu Beitrag
Peter  maennlich
Member - Themenstarter



Re: Die Inventarstele 
« Antwort #4, Datum: 13.05.2021 um 08:37:59 »   

Ich bedanke mich für die ausführliche Antwort und werde versuchen das mal aufzuarbeiten.
> Antwort auf Beitrag vom: 08.03.2021 um 17:37:08  Gehe zu Beitrag
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