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  Autor/in  Thema: Adaptionen des Neuen Reiches aus der Hyksoskultur
Lolli2u  maennlich
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Adaptionen des Neuen Reiches aus der Hyksoskultur 
« Datum: 24.04.2022 um 13:28:57 »   

Zwei altägyptische Adaptionen aus dem Kulturkreis der Hyksos, Teil 1 : Das Gazellen-Diadem

Entsprechend den von Christine Lilyquist (2003 u. 1993) präsentierten Ergebnissen wird hier der folgende Standpunkt vertreten : Nach der Zweiten Zwischenzeit der Hyksos Könige (ca. 1650 - 1522) übernahmen die weiblichen Prätendenten des Neuen Reiches (ca. 1550 - 1091) deren Gazellen-Diadem als Krone in die Insignien ihrer Macht und Würde. (1) Die Auffassung, wonach das Gazellen-Diadem als ein Ornament der Würde und Macht während der Hyksos Periode in Ägypten eingeführt wurde, ist auch andernorts bereits vertreten worden. (2) Die für die Annahme einer ägyptischen Adaption herangezogenen Fundstücke gehen auf eine archäologische Fundlage zurück, welche überwiegend bereits im frühen 20. Jahrhundert in Theben-West erzielt wurde. (3) Diese sei hier zunächst wie folgt geschildert :

Im August 1916 hielt sich der Archäologe Howard Carter in Luxor auf und erwarb dort zu seiner Überraschung in Antiquitätenläden drei kostbare Artefakte aus der Zeit des Neuen Reiches, welche er in die Sammlung Highclere Castle überführen ließ. (4) Als er sich bezüglich dieser Erwerbungen bei der örtlichen Behörde über die Herkunft dieser Fundstücke erkundigte, berichtete ihm deren Vertreter, dass es westlich des Tals der Königinnen vor kurzem auf der Nordseite des Wadi el-Gharbi zu der Entdeckung eines bedeutenden Grabes gekommen sei, worüber die dort ansässigen Clans in Streit geraten seien. Der Leiter dieser Behörde bat Howard Carter deshalb darum, die Fundstelle zu besuchen und den Streit zu schlichten.
Daraufhin begab sich Howard Carter zur genannten Fundstelle und verbrachte 10 Tage im dortigen Wadi Gibanet el-Qurud und kartierte sowohl diesen, als auch den angrenzenden Wadi Sikked Taqet Zaid. (5) In diesem Zusammenhang notierte Carter unter anderem, dass er dort eine Kartusche entdeckt habe, welche den Namen der Prinzessin Neferura trug. (6) Dies war der Name der Tochter der Königin Hatschepsut und man nimmt an, dass sich diese Kartusche mit der Inschrift des Namens der Prinzessin Neferura heute im Ägyptischen Museum zu Kairo befindet und mit dem Inventar Kairo JE 45930 zu identifizieren ist. (7) Die von Howard Carter dazu gefertigte Karte (8) wurde inzwischen mehrfach überprüft und bearbeitet. (9)
Eine gute Kopie dieser überarbeiteten Karte bietet Bernard Adams (10)

Im Oktober des Jahres 1916 begann Howard Carter dann auf der Nordseite des Wadi el-Gharbi eine Umfangreiche Grabungskampagne, wobei sich das von ihm geleitete Grabungsteam vom Südosten her kommend entlang der Klippen und Abhänge bis zu den im Nordwesten im Wadi Qurud festgestellten Gräbern vorarbeitete. (10) Nach übereinstimmender Meinung entdeckte Howard Carter auf der Nordseite des Wadi el-Gharbi unter anderem drei sehr bedeutende Gräber, namentlich im Wadi A (Wadi Zaid) Tomb 22, welches als ein Grab der Königin Hatschepsut identifiziert wurde. Sowie im Wadi C (Wadi Gabbanat) Tomb 21, welches ihrer Tochter, der Prinzessin Neferura zugeordnet wird, und schließlich im Wadi D (Wadi Qurud) Tomb 70, welches drei ausländischen Königinnen zugeordnet wird, welche anhand der reichen Beigaben als Manuwai, Manhata und Maruta identifiziert werden konnten. (12) Diese drei Gräber wurden später wie folgt geführt :

HC 21  (Prinzessin Neferura, Tochter der Hatschepsut, Fundort Wadi Gabbanat)

HC 22  (Königin Hatschepsut, Fundort Wadi Zaid)

HC 70  (Manuwai, Manhata u. Maruta, drei königliche Gemahlinnen des Pharao Thutmosis III, Fundort Wadi Qurud)

Die Verzeichnung dieser Gräber der 18. Dynastie nach Howard Carter als HC 21 (Neferura), HC 22 (Hatschepsut) und HC 70 (Manuwai, Manhata, Maruta) wurde nach ihrer Einführung durch Elizabeth Thomas (1966) im allgemeinen anerkannt. (13)

Howard Carter wird entsprechend der von ihm gefertigten Karte (14) mit seinem Grabungsteam über Medinet Habu kommend zunächst das Tal der Königinnen durchquert haben und wandte sich nach Erreichen des Wadi el-Gharbi gleich am Deir el-Mohareb nördlich und betrat dort den Wadi Zaid. An dessen Kopfende stieß er auf ein Grab, welches dort für die Königin Hatschepsut (HC 22) angelegt worden ist. (15) Dieses im Wadi Zaid gelegene Grab (HC 22) der Königin Hatschepsut war bereits in alter Zeit, durch eine Sturzflut verursacht, völlig  mit Schutt und Gestein gefüllt worden, weshalb die Freilegung seiner Räume etwa 20 Tage in Anspruch nahm. (16) Schließlich wurde im Grab HC 22 ein Sarkophag aus kristallinem gelben Sandstein gefunden, welcher die Inschrift der Königin Hatschepsut trug, (17) Carter beschreibt diesen : "The tomb 22, ... its magnificent sarcophagus of yellow chrystallin sandstone" trägt eine fein gesetzte Inschrift der Königin Hatschepsut. (18) Doch ansonsten erwies sich das Grab HC 22, bis auf zwei Krüge, welche ebenfalls den Namen der Königin Hatschepsut trugen, als leer.

Carter verließ daher den Wadi Zaid und erreichte mit seinem Team schließlich den Wadi Qurud, wo er anhand ihrer Kartusche das Grab der Prinzessin Neferure (HC 21) entdeckt hatte. Doch dieses Grab erwies sich als ausgeraubt. (19)

Erst dann erreichte Carter schließlich das im westlichen Arm des Wadi Qurud gelegene Grab HC 70, welches bereits durch Grabräuber geöffnet worden war. Hier stieß Howard Carter auf eine große Fülle von Artefakten, darunter ein Gazellen Diadem, welches einer der drei in diesem Grab beigesetzten königlichen Gemahlinnen des Pharao Thutmosis III zugeordnet wurde, namentlich den Prinzessinnen Manuwai, Manhata und Maruta. (20) Dieses Gazellen Diadem wurde erstmals durch Winlock untersucht und spezifiziert. (21) Dann erneut durch Scott. (22)

Aufgrund der im Jahre 1968 durch Wallace erfolgten Stiftung eines weiteren Gazellen Diadems, welches am Fundort Tell el-Dab'a (Auaris) entdeckt worden war, kamen Fischer (23) und Wilkinson (24) zu dem Schluss, dass dieses in Auaris (Tell el-Dab) gefundene zweite Gazellen Diadem dem Kulturkreis der Hyksos zuzuordnen ist. Diese Auffassung wurde durch Manfred Bietak bestätigt. (25) Darüber gelang Lilyquist der Nachweis, dass auch das in Theben-West im Grab HC 70 gefundene Gazellen Diadem dem Kulturkreis der Hyksos zuzuordnen ist. (26) Diesbezüglich kann nicht ausgeschlossen werden, dass es sich bei dem im Grab HC 70 gefundenen Gazellen Diadem um die Krone der Königin Hatschepsut handelt, (27) weil im Grab HC 70 auch Artefakte gefunden wurden, welche ganz eindeutig der Königin Hatschepsut zugeordnet werden konnten. (28) Die mehrfach festgestellte kulturelle Verbindung zwischen dem in Theben-West im Wadi Qurud in Grab HC 70 gefundenen Gazellen Diadem (MMA 26.8.99) und jenem in Auaris (Tell el-Dab'a) zutage getretenen Gazellen Diadem (MMA 68.136.1) sei hier im weiteren näher dargestellt.
     


Literatur- und Quellenangaben

(1)  Lilyquist, Christine : The tomb of three foreign wives of Thutmosis III, New York 2003, S. 154 - 162. Siehe dazu : Lilyquist, Christine : Granulation and Glass, Chronological and Stylistic Investigations at Selected Sides, ca. 2500 - 1400 B.C.E. In : Bulletin of the American Schools of Oriental Research, No. 290 / 291, Chicago 1993, S. 90, Fig. 24 b. Sowie : Lilyquist, Christine : Studies in early Egyptian glass, New York 1993, S. 51, Fig. 40 u. S. 66, Tafel 2.
(2)  Fischer, Henry : Egyptian Art. In : Bulletin of the Metropolitan Museum of Art, new series, Vol. 28, No. 2, New York 1969, S. 69 - 72. Sowie : Wilkinson, Alix : Ancient Egyptian Jewellery, London 1971, S. 115 - 116 u. Platte 4 u. 41. Siehe dazu : Aldred, Cyril : Jewels of the Pharaohs : Egyptian Jewellery of the Dynastic Period, London 1971, S. 204 - 206 u. Platte 59 - 61. Zudem : Müller, Hans ; Thiem, Eberhard : Die Schätze der Pharaonen, Augsburg 1998, S. 128 u. Fig. 244 - 246 u. Fig. 343. Sowie : Quaegebeur, Jan : La naine et le  bouquetin, ou l'enigme de la barque en al bâtre de Toutankhamon, Leuven 1999, S. 124, Fig. 37 - 38. Zudem : Habachi, Labib : Tell el-Dab'a, Bd. 1 : Tell el-Dab'a and Qantir, the sites and its connection with Avaris and Piramesse, Wien 2001. Siehe dazu : Bietak, Manfred : Artikel "Hyksos" in : Redford, Donald : The Oxford Encyclopedia of Ancient Egypt, Vol. 2, Oxford 2001, S. 139.  
(3)  Lilyquist, Christine : The tomb of three foreign wives of Thutmosis III, New York 2003, S. 3 - 23. Sowie : Thomas, Elizabeth : The Royal Necropolis of Thebes, Princeton 1966, S. 196 - 197.
(4)  Carter, Howard : A tomb prepared for Queen Hatshepsuit and other recent discoveries at Thebes. In : The Journal of Egyptian Archaeology, Vol. 4, No. 2 / 3, London u. Kairo 1917, S. 110.
(5)  Carter, Howard : Ebenda, London u. Kairo 1917, S. 107. Sowie : Lilyquist, Christine : Ebenda, New York 2003, S. 2 - 3.
(6)  Carter, Howard : Ebenda, London u. Kairo 1917, S. 109. (mit Abb. der Kartusche)
(7)  Thomas, Elizabeth : The Royal Necropolis of Thebes, S. 196 - 197. Sowie : Lilyquist, Christine : Ebenda, S. 3 - 4 u. S. 8 - 9 u. S. 23, Fig. 9c (Kartusche Nefer[rure]). Siehe : Porter & Moss, 1964, S. 592. 
(8)  Carter, Howard : Ebenda, London u. Kairo 1917, Plate XIX.
(9)  Thomas, Elizabeth : The Royal Necropolis of Thebes, Princeton 1966. Sowie : Kurz, Marcel : Plans de position du Graffiti de la Montagne thébaine, Vol. 2, part 6, Kairo 1977, No. 198 - 215. Siehe dazu auch : Cerny, Jaroslav ; Coque, Roger ; Kurz, Marcel : Vallée de l'Ouest : Cartographie, topographie, geomorphologie et préhistoire. In : Graffiti de la Montagne thébaine, Vol. 1, part 2, Kairo 1971, Pl. 35. Sowie : Coque, Roger ; Kurz, Marcel : Compléments aux secteurs A et C : Frange du Sahara thébain. In : Graffiti de la Montagne thébaine, Vol. 1, part 3, Kairo 1972, Pl. 216. So auch : Lilyquist, Christine : Ebenda, New York 2003, S. 17 u. Fig. 3, sowie Fig. 13 u. 14. 
(10) Adams, Bernard : https://egyptmyluxor.weebly.com/three-princesses-neferura-cliff-tombs.html nötigenfalls über die Startseite https://egyptmyluxor.weebly.com gehen und dort dann "More" anklicken. Danach den Report "Three Princesses & Neferura Cliff Tombs" anwählen. Gezeigt wird die Karte von Jaroslav Cerny 1971, Pl. 35. Die zweite im Anhang befindliche Karte wurde 1909 von Georg Schweinfurth unter dem Titel "Karte der westlichen Umgebung von Luksor und Karnak [Theben]" in Berlin veröffentlicht. Sie zeigt offenbar bereits die Position der im Wadi Gabbanat nachgewiesenen Gräber des Herihor, sowie HC 21, HC 22 und HC 70. Siehe dazu : Thomas, Elizabeth : Princeton 1966, Fig. 1 : Schweinfurth's Map of the Theban Necropolis. Das hier verwendete Exemplar stammt aus dem Katalog der Karls Universität Prag : https://www.oldmapsonline.org/map/cuni/1173184 und befindet sich in public domain.    
(11) Carter, Howard : Ebenda, London u. Kairo 1917, S. 108.
(12) Lilyquist, Christine : Ebenda, New York 2003, S. 195, Fig. 99 - 102 (Cat. 13 - 15) u. S. 222, Fig. 149 - 151 (Cat. 106 - 107)
(13) Thomas, Elizabeth : Ebenda, Princeton 1966, S. 170 - 208. So auch :  Lilyquist, Christine : Ebenda, New York 2003, S. 3 u. S. 7 - 8 u. S. 16 - 17, Fig. 2 - 3 (Karten).
(14) Carter, Howard : Ebenda, London u. Kairo 1917, Plate XIX. Seine Ebenda auf S. 108 gegebene Beschreibung des Zugangs erscheint vor dem Hintergrund seiner Karte nicht plausibel.
(15) Thomas, Elizabeth : Ebenda, Princeton 1966, S. 194 - 196. Sowie : Lilyquist, Christine : Ebenda, New York 2003, S. 3 u. S. 7 - 8, sowie S. 16 - 17, Fig. 2 u. 3 (Karten).
(16) Carter, Howard : Ebenda, London u. Kairo 1917, S. 118. Sowie : Carter, Howard : A tomb prepared for Queen Hatshepsuit discovered by the Earl of Carnavon. In : Annales du Service des Antiquités de l'Egypte, Tome XVI, Kairo 1916, S. 181.
(17) Carter, Howard : Ebenda, London u. Kairo 1917, S. 107 - 108 u. Plate XXII. Sowie : Carter, Howard : Ebenda, Kairo 1916, S. 179 - 182. Siehe dazu : Roehrig, Catharine : Hatshepsut, from Queen to Pharaoh, New York 2005, S. 185, Fig. 74, Sarcophagus of Hatshepsut, Egyptian Museum Cairo, JE 47032.
(18) Carter, Howard : Ebenda, Kairo 1916, S. 180. Sowie : Carter, Howard : Ebenda, London u. Kairo 1917, S. 107 - 118.
(19) Carter, Howard : Ebenda, London u. Kairo 1917, S. 109. Sowie : Thomas, Elizabeth : Ebenda, Princeton 1966, S. 196 - 197. Sowie : Lilyquist, Christine : Ebenda, New York 2003, S. 4 u. S. 8 - 9 u. S. 23, Fig. 9 c.
(20) Thomas, Elizabeth : Ebenda, Princeton 1966, S. 197. Sowie : Lilyquist, Christine : Ebenda, New York 2003, S. 4 u. S. 9 - 10 u. S. 17 - 24.
(21) Winlock, Herbert Eustis : The Treasure of Three Egyptian Princesses, New York 1948, Plate I - IV.
(22) Scott, Nora : Egyptian Jewelry. In : The Metropolitan Museum of Art Bulletin, Vol. 22, No. 7, New York 1964, S. 231 - 234.
(23) Fischer, Henry George : Egyptian Art. In : Bulletin of the Metropolitan Museum of Art, Vol. 28, No. 2, New York 1969, S. 69 - 72.
(24) Wilkinson, Alix : Ancient Egyptian Jewellery, London 1971, S. 115 - 116, Plates 4 u. 41. Siehe dazu : Lilyquist, Christine : Ebenda, New York 2003, S. 155 - 160.
(25) Bietak, Manfred : Artikel "Hyksos" in : Redford, Donald : The Oxford Encyclopädia of Ancient Egypt, Vol. 2, Oxford 2001, S. 139. Siehe dazu : Habachi, Labib : Tell el-Dab'a I, Wien 2001.
(26) Lilyquist, Christine : Ebenda, New York 2003, S. 154 - 162 u. S. 225, Fig. 155 (MMA Inv. Nr. 26.8.99). So auch Ebenda, S. 156, Fig. 92 a - d (MMA 26.8.99).
(27) Patch, Diana Craig : Jewelry in the early Eighteenth Dynasty. In : Roehrig, Catharine : Hatshepsut, from Queen to Pharaoh, S. 198, Abb. 113.
(28) Lilyquist, Christine : Ebenda, New York 2003, S. 206, Fig. 127 a (Cat. 54), sowie S. 207, Fig. 128 a (Cat. 57) u. S. 235, Fig. 169 - 170 (Cat. 138 u. 137). Siehe dazu : Patch, Diana Craig : Ebenda, In : Roehrig, Catharine : Ebenda, S. 200, Abb. 117.
« Letzte Änderung: 09.05.2022 um 21:57:44 von Lolli2u »


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Lolli2u  maennlich
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Re: Adaptionen des Neuen Reiches aus der Hyksoskultur 
« Antwort #1, Datum: 07.05.2022 um 13:45:15 »   

Der hier vertretene Standpunkt, wonach das im Grab HC 70 zutage getretene Gazellen Diadem (MMA 26.8.99), welches der Königin Hatschepsut (1479 - 1458) (1), oder aber einer der Gemahlinnen des Pharao Thutmosis III. (1479 - 1425) (2) zuzuordnen ist, ein Signum weiblicher Macht und Würde vorstellt, das im Neuen Reich von ägyptischen Prinzessinnen und Königinnen als Krone aus dem Kulturkreis der Hyksos übernommen worden ist, wird aber nicht nur durch das in Auaris (Tell el Dab'a) entdeckte Gazellen Diadem (MMA 68.136.1) gestützt (3), sondern auch durch eine größere Anzahl von Objekten, deren Motivwahl und Formgeschichte ebenfalls dem vergöttlichten Gazellenpaar gewidmet ist und ihren Ursprung in der Hyksos Periode haben wird. Zwar werden die Schalen, welche ebenfalls das Gazellen Motiv zeigen, über einen Fund im Grab KV 36 (Maiherperi) häufig in die Zeit der Königin Hatschepsut datiert (4), doch ihre Fundorte liegen, mit Ausnahme des in Theben-West gefundenen Exemplares, sämtlich im einstigen Gebiet der Hyksos, namentlich in Timna (Wadi Arabah), Serabit el-Khadim (Sinai), Gebel Zeit (bei Suez, Rotes Meer) und Medinet Gurob (El Fayoum), sowie in Nubien (Mirgissa, Iquen). (5) Vor allem das Motiv des Gazellenpaares selbst spricht sehr dafür, dass diese allegorische Darstellung ihren Ursprung im Kulturkreis der Hyksos haben wird, denn diese beiden Gazellen stehen symbolisch für die Landschaft Gehesty, jenen mythologischen Ort also, an welchem der altägyptische Gott Osiris durch seinen feindlich gesinnten Bruder Seth besiegt und getötet wurde. (6) Die Darstellung und Verehrung dieses Gazellenpaares diente in der Zeit der Hyksos zugleich auch der Verherrlichung ihres Gottes Seth. Tatsächlich finden sich auf den Skarabäen und Siegeln der Hyksos Könige regelmäßig Antilopen der Dorkas Gazelle abgebildet (7) und Strandberg erkannte, dass diese Allegorie und ihre Mythologie die Vorlage für jene Symbolik gebildet haben wird, welche dass Gazellen Diadem schmückt. (8) Die als Paar gezeigten Gazellen stehen für die Landschaft Gehesty und seine mythologische Bedeutung. In Verbindung mit dem Tragen einer ebenfalls in HC 70 gefundenen Halskette, welche in ihren Gliedern den Tilapia Fisch zeigt, dürfte die Trägerin dieser Krone vermutlich selbst als Hüterin der Gazellen (Dorkas Antilopen) angesehen worden sein. (9) Es wird hier demnach davon ausgegangen, dass es weitere Objekte gibt, welche das gleiche mythologische Motiv wie das Gazellen Diadem aus HC 70 zeigen und nicht etwa Abbild, sondern Vorlage für die in Theben entdeckten Fundstücke waren und deren Entstehungszeit, gerade auch über ihre Fundorte, der Hyksos Periode zuzuordnen ist.

Das in Auaris entdeckte Gazellen Diadem (MMA 68.136.1) (10) wird von seinem Typ und seiner symbolischen Motivwahl her also die Vorlage für das im Grab HC 70 in Theben-West gefundene Gazellen Diadem (26.8.99) gewesen sein. (11) Dieser Vorgang der Adaption einer zentralen königlichen Insigne aus dem Kulturkreis der Hyksos blieb in der 18. Dynastie zudem keineswegs singulär, wie eine Darstellung der Tochter des Menna (12), sowie eine weitere, im Grab TT 139 gefundene Abbildung der Tochter des Pairy (13) deutlich zeigt. Nun werden die Töchter des Menna und Pairy zwar als königliche Gemahlinnen anerkannt, gelten wegen ihres elterlichen Standes jedoch als königliche Nebenfrauen. (14) Ein anderes Bild ergibt sich jedoch, wenn man jenes Gazellen Diadem mit einbezieht, welches die Königin Sitamun trug. (15) Diese war die königliche Tochter des Pharao Amenhotep III (1390 - 1353) und wurde ab ca. 1360 als Herrin über beide Länder [Ägyptens] bezeichnet, was dem Rang einer Königin entspricht. Tatsächlich entdeckte Theodore Davis im Jahr 1905 im Grab des Juja und seiner Gemahlin Tuja (KV 46) einen hölzernen Thron, welcher ihrer Enkelin, der Königin Sitamun gehörte. (16) Auf der Rückenlehne dieses hölzernen Thrones wird die Königin Sitamun gezeigt, welche ein Gazellen Diadem trägt, das mit dem im Grab HC 70 gefundenen Gazellen Diadem fast identisch ist. Howard Carter zeichnete dieses auf der Rückenlehne des Thrones dargestellte Diadem damals falsch ab und versah es mit der sonst üblichen Uräusschlange, doch Davis hatte diesen Fehler erkannt und korrigierte ihm im beigefügten Text. (17) Heute befindet sich dieser hölzerne Thron der Königin Sitamun im Ägyptischen Museum Kairo (JE 5342 / CG 51113). Die durch Strandberg besorgte Zeichnung zeigt eindeutig, dass es sich bei der Krone, welche die Königin Sitamun in dieser Darstellung trägt, ebenfalls um ein Gazellen Diadem handelt. (18) Das aus dem Kulturkreis der Hyksos übernommene Gazellen Diadem und die Tradierung der mythologischen Symbolik dieser königlichen Insigne wurde demnach also bis zum Beginn der Amarna-Zeit fortgesetzt. Obwohl sich das Gazellen Diadem der Königin Sitamun selbst nicht erhalten hat, sollen hier nun abschließend drei solcher Diademe wie folgt gezeigt werden :  

Das Gazellen Diadem von Auaris, 17. Dynastie (MMA 68.136.1) :

http://www.aegyptologie.com/forum/attachments/Forum_Hyksos_Gazelle_Diadem_Tell_el_Dab_Auaris_.jpg  (19)

Das Gazellen Diadem der Hatschepsut, Theben-West, Grab HC 70, 18. Dynastie (MMA 26.8.99) :

http://www.aegyptologie.com/forum/attachments/Gazellen_Diadem_der_Hatschepsut_Foto_Collection_MMA_.jpg  (20)

Das Gazellen Diadem der Sitamun, Theben-West, Grab KV 46, 18. Dynastie (JE 5342 / CG 51113)

http://www.aegyptologie.com/forum/attachments/Gazellen_Diadem_der_Koenigin_Sitamun_Standort_Aegyptisches_Museum_Kairo_JE_5342_CG_51113_Foto_Warren_LeMay_Cincinnati_Wikimedia_2019_.jpg  (21)

Im Grab KV 46 wurde unter den Beigaben für die Königin Sitamun zudem eine Gazelle mit Sockel gefunden (MMA 26.7.1292), (22) sowie Löffel für Schminkpulver aus Stibium, welche ebenfalls auf die Mythologie des im Lande Gehesty beheimatet gedachten Gazellen Paares abzielen. (23) Nochmals hervorzuheben ist jedoch die verblüffende Ähnlichkeit zwischen dem in KV 46 (Juja und Tuya) auf dem hölzernen Thron der Königin Sitamun (JE 5342 / CG 51113) dargestellten Gazellen Diadem und jenem im Grab HC 70 (Manuwai, Manhata, Maruta) aufgefundenen Gazellen Diadem, weshalb dieses durchaus der Königin Hatschepsut gehört haben könnte. (24) Die Auffassung, wonach das Gazellen Diadem ausschließlich von weiblichen Thron Prätendenten getragen wurde, welche aufgrund ihrer fremdländischen Herkunft, oder aufgrund ihres Standes, keine Aussicht auf die volle Würde einer ägyptischen Königin gehabt hätten, wird hier nicht geteilt.


Literatur- und Quellenverzeichnis

(1)  Patch, Diana Craig : Jewelry in early Eighteenth Dynasty. In : Roehrig, Catharine : Hatshepsut, from Queen to Pharaoh, New York 2005, S. 198, Abb. 113. Siehe dazu : Lilyquist, Christine : New York 2003, S. 206 - 207, Fig. 127 a u. 128 a, sowie S. 235, Fig. 169 - 170.
(2)  Lilyquist, Christine : The Tomb of three foreign Wifes of Thutmosis III, New York 2003, S. 156, Fig. 92 a - d u. S. 225, Fig. 155 (Cat. 108). Siehe dazu auch : Hayes, William : New York 1990, S. 133, Fig. 70. Sowie : Strandberg, Asa : Uppsala 1990, S. 136 - 137, Fig. 67.
(3)  Fischer, Henry George : Egyptian Art. In : Bulletin of the Metropolitan Museum of Art, Vol. 28, no. 2, New York 1969, S. 69 - 70. Sowie : Aldred, Cyril : Jewels of the Pharaohs. Egyptian Jewellery of the dynastic Period, London 1971, S. 204 - 205 u. Pl. 59 - 61. So auch : Wilkinson, Alix : Ancient Egyptian Jewellery, London 1971, S. 115 - 116 u. Pl. 4 u. 41. Sodann : Bietak, Manfred : Artikel "Hyksos" In : Radford, Donald : The Oxford Encyclopaedia of Ancient Egypt, Vol. 2, S. 139 ; Schließlich : Lilyquist, Christine : New York 2003, S. 155 u. S. 158 - 160. Diese auch zuvor bereits dazu in : Lilyquist, Christine : Granulation and Glass : Chronological and Stylistic Investigations at Selected Sites, ca. 2500 - 1400 B.C.E. In : Bulletin of the American Schools of Oriental Research, No. 290 / 291, Chicago 1993, S. 90, Fig. 24 b (Foto : Bill Barrette).
(4)  Strandberg, Asa : The Gazelle in Ancient Egyptian Art - Image and Meaning, Uppsala 2009, S. 148 - 158.
(5)  Pinch, Geraldine : Votive offerings to Hathor, Oxford 1993, S. 308 - 315.
(6)  Strandberg, Asa :  Ebenda, Uppsala 2009, S. 162 - 170. Siehe dazu : Guilhou, Nadine : Les deux morts d'Osiris d'après les textes Pyramides. In : Egypte, Afrique & Orient, No. 10, Avignon 1998, S. 19 - 26. (The Gehesty gazelles and the divine)
(7)  Hayes, William : The scepter of Egypt, Vol. II, The Hyksos Period and the New Kingdom (1675 - 1080 BC.), 4. Aufl. New York 1990, S. 36, Fig. 17, Skarabäen und Siegel, 3. Reihe, 3. von links u. 4. Reihe, 1. u. 2. von links, sowie Text ebenda.
(8)  Strandberg, Asa : Ebenda, Uppsala 2009, S. 162.
(9)  Strandberg, Asa : Ebenda, Uppsala 2009, S. 150, Fig. 72 u. S. 156, Fig. 76.
(10) Brönn, Johanna Aletta : Foreign Rulers on the Nile - a reassessment of the Cultural contribution of the Hyksos in Egypt, Stellenbosch u. Kapstadt 2006, S. 25, Fig. 6. Sowie : Fischer, Henry George : Ebenda, New York 1969, S. 69 - 70. Siehe dazu : Lilyquist, Christine : Ebenda, Chicago 1993, S. 90, Fig. 24 b. Sowie : Bietak, Manfred : Artikel "Hyksos" In : Ebenda, Vol. 2, Oxford 2001, S. 139. Zudem : Wilkinson, Alix : Ebenda, London 1971, S. 115 - 116 u. Pl. 4 u. 41. Ebenso : Aldred, Cyril : Ebenda, London 1971, S, 204 - 206 u. Fig. 59 - 61.
(11) Lilyquist, Christine : Ebenda, New York 2003, S. 154 - 156, Fig. 92 a - d, sowie S. 225, Fig. 155. Siehe dazu : Strandberg, Asa : Ebenda, Uppsala 2009, S. 136 - 137, Fig. 67. Sowie : Scott, Nora : Ebenda, New York 1964, S. 231 - 234.
(12) Strandberg, Asa : Ebenda, Uppsala 2009, S. 137 - 138, Fig. 68. Siehe dazu : Lilyquist, Christine : Ebenda, New York 2003, S. 157, Fig. 93 a.
(13) Strandberg, Asa : Ebenda, Uppsala 2009, S. 138 - 139. Siehe dazu : Lilyquist, Christine : Ebenda, New York 2003, S. 157, Fig. 93 b.
(14) Strandberg, Asa : Ebenda, Uppsala 2009, S. 137 - 139. Sowie : Lilyquist, Christine : Ebenda, New York 2003, S. 157.
(15) Strandberg, Asa : Ebenda, Uppsala 2009, S. 139, Fig. 69. Siehe dazu : Lilyquist, Christine : Ebenda, New York 2003, S. 160 - 161.
(16) Davis, Theodore ; Maspero, Gaston ; Carter, Howard : The Tomb of Touiya and Touiyou. the finding of the tomb. Description of the Objects found in the Tomb, Illustrations of the Objects, London 1907, S. 37 - 41 u. Platte XXXIII.
(17) Davis, Theodore ; Maspero, Gaston ; Carter, Howard : Ebenda, London 1907, S. 38, Fig. 1 u. Pl. XXXIII.
(18) Strandberg, Asa : Ebenda, Uppsala 2009, S. 139, Fig. 69. Siehe dazu : Lilyquist, Christine : Ebenda, New York 2003, S. 160 - 161.
(19) Bildnachweis : The Metropolitan Museum of Art, Gallery 111, Acc. No. 68.136.1, Foto : Bruce Schwarz (MMA), in Public Domain. Siehe dazu : https://www.metmuseum.org/art/collection/search/544073 bzw. die Vergrößerung https://images.metmuseum.org/CRDImages/eg/original/DP140433.jpg desselben Objektes.
(20) Bildnachweis : The Metropolitan Museum of Art, Gallery 136, Acc. No. 26.8.99, Foto : Bruce Schwarz (MMA), in Public Domain. Siehe dazu : https://www.metmuseum.org/art/collection/search/553269 ebenda.
(21) Bildnachweis : Ägyptisches Museum Kairo, CG 51113 bzw. JE 5342. Detailansicht. Foto : Warren LeMay, Cincinnati, Wikimedia 2019, in Public Domain.
(22) Strandberg, Asa : Ebenda, Uppsala 2009, S. 192, fig. 83 (MMA 26.7.1292). Siehe dazu : Kelleher, Bradford ; Harper, Prudence Oliver ; Pittman, Holly : Egypt and the Ancient Near East, The Metropolitan Museum of Art, Vol. 1, New York 1987, S. 63, Fig. 43.
(23) Strandberg, Asa : Ebenda, Uppsala 2009, S. 155, Fig. 75 u. S. 156, Fig. 76. Siehe dazu : Hayes, William : Ebenda, New York 1990, S. 266 u. S. 268, Fig. 162, sowie S. 191, Fig. 106 (Fundort Theben). Zur Entwicklung des Motives der Gehesty Gazellen in der Hyksos Periode siehe auch : Roehrig, Catharine : Ebenda, New York 2005, S. 255 - 256, Fig. 82.
(24) Roehrig, Catharine : Hatschepsut, from Queen to Pharaoh, New York 2005, S. 198, Fig. 113. Foto : Bruce Schwarz, Photograph Studio The Metropolitan Museum of Art, New York 1987. Siehe dazu : https://www.metmuseum.org/art/metpublications/Hatshepsut_From_Queen_to_Pharaoh?Tag=&title=&author=Roehrig&pt=0&tc=0&dept=0&fmt=0 als Volltext.
« Letzte Änderung: 09.05.2022 um 22:10:40 von Lolli2u »


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> Antwort auf Beitrag vom: 24.04.2022 um 13:28:57  Gehe zu Beitrag
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