Lieber Peter, die Stele ist jetzt im Ägyptischen Museum von Kairo mit der Inv.-Nr. JE 2091 (diese Information braucht man, wenn man weitere Informationen in der wissenschaftlichen Literatur finden will). Mit den Fotos kann man wenig anfangen; daher habe ich die Umzeichnung aus Auguste Mariette, Monuments divers recueillis en Égypte et en Nubie, Paris, 1872, Tafel 53 hier angehängt. Dazu kommen noch vier Zeilen auf dem Podest, die zum Teil stark verwittert sind. Sie gehören zu den Textblöcken im vierten Register. Die neueste Bearbeitung dieses Teils habe ich Karl Jansen-Winkeln, Inschriften der Spätzeit, Teil IV: Die 26. Dynastie, Band 2: Gottesgemahlinnen / 26. Dynastie insgesamt, Wiesbaden, 2014, S. 765 entnommen. Auf der Stele werden Bau- und Instandsetzungsarbeiten im Isis-Tempel dem Pharao Cheops zugeschrieben. Dass es sich nicht um ein Stück aus dem Alten Reich handeln kann, sieht man z.B. an der Ikonographie (Isis mit dem Horuskind) oder an der Schreibung der Isis mit zwei t, die erst für die Spätzeit belegt ist (DZA 1.007.185 ff.). Die Göttin Isis taucht erst in den Pyramidentexten (ab der 5. Dynastie) auf; frühere Belege sind unsicher (Lexikon der Ägyptologie, Bd. III, Sp. 188). Die Stele wird aus diesen und weiteren Gründen in die 26. Dyn. datiert. Ein ähnlicher Fall ist die "Hungersnotstele" in Sehel, die angeblich aus der Zeit des Pharao Djosers stammt, in Wirklichkeit aber erst in ptolemäischer Zeit erstellt wurde, wie sich aus den verwendeten Zeichen ergibt. Das als "Fälschung" ägyptischer Priester zu bezeichnen, geht meiner Meinung nach zu weit. In der Saitenzeit gab es eine Rückbesinnung auf die Anfänge der ägyptischen Kultur und Geschichte, die einige als "Renaissance", andere als "Archaismus" bezeichnen. In diesem Zusammenhang muss man wohl die Zuweisung der Texte an alte, ehrwürdige Pharaonen sehen. Auch ansonsten sorgt die Stele für Irritationen: So wird @nw.t=sn Henutsen als Königstochter bezeichnet, die zeitgenössisch nicht belegt ist. Hatte der damalige Verfasser Zugang zu Archiven, die heute verloren sind? Auf der rechten Umrandung heißt es: qd.n=f mr=f r-gs Hw.t-nTr n.t nTr tn "er baute seine Pyramide neben dem Tempel dieser Göttin" Das würde bedeuten, dass der Isis-Tempel schon vor dem Bau der Cheops-Pyramide existiert haben müsste. Dieses Problem löst sich, wenn man für qd die Bedeutung "Verfallenes u.ä. wieder aufbauen" (Wb V, 73.6) einsetzt: "er baute seine Pyramide neben dem Tempel dieser Göttin wieder auf" Das passt auch zu dem Text auf der linken Umrahmung: wHm(.w) gmj.n=f stp nTr.w Hr s.t=s(n) "das, was er verfallen vorgefunden hatte, wurde erneuert, die Götter (sind) an ihren Plätzen" wHm "seine frühere Gestalt annehmen" (Wb I, 342.7-12) stp "im Begriff sein, vergessen zu werden o.ä." (Wb IV, 341.17) - diese Bedeutung ist für die Spätzeit belegt gmj.n=f ist substantivierte Relativform - siehe auch Wb V, 167.21-26 "etwas in einem Zustand vorfinden" Wer nun diese Erneuerungsarbeiten durchgeführt hat, wird nicht genannt; vielleicht Psammetich I. oder II. Das muss man einsetzen, wenn es im Text heißt: "er ..." und nicht Cheops. Auch früher fanden solche Arbeiten an verfallenen Denkmälern statt, so z.B. unter Ramses II., durchgeführt von dessen Sohn Chaemwaset. Derjenige, der es in der 26. Dynastie gemacht hat, hat sich zurückgenommen und die Ehre Cheops zugewiesen. Weil manches nicht endgültig geklärt werden kann, eignet sich diese Stele gut für "abenteuerliche" Spekulationen, wie Du es bezeichnet hast. Viele Grüße, Michael Tilgner
> Antwort auf Beitrag vom: 05.03.2021 um 09:35:41
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