Hallo, wichtig ist, wie ich schon in dem Thread Übersetzungsübung: Beischriften1 ausgeführt habe, die Leserichtung festzustellen. Man erkennt sogleich, daß es sich um zwei Teile handelt. Der erste Teil ist von rechts nach links zu lesen; die Hieroglyphen blicken in die gleiche Richtung wie der Pharao. Der zweite Inschriftenteil ist von links nach rechts zu lesen; die Blickrichtung der Hieroglyphen und der Göttin entsprechen sich. Spalte 1 über dem König nsw-bjtj Mn-MAa.t-Ra "König von Ober- und Unterägypten Menmaatre" nsw "König von Oberägypten" - Hier streiten sich die Gelehrten, wie zu lesen ist: nsw, nsw.t oder njsw.t. Da darf man sich als Anfänger nicht irritieren lassen. nj-sw.t wird übersetzt als "der zur Binse Gehörige", gemeint ist die Wappenpflanze. bjtj "König von Unterägypten" - Unter bj.t wird nicht nur die "Biene" verstanden, sondern auch das "unterägyptische Königtum". Man kann daher bjtj auffassen als "der zur Biene Gehörige". nsw-bjtj ist die übliche Kurzschreibung für diesen Titel und leitet den Thronnamen ein. Den Namen in der Kartusche lesen wir Mn-MAa.t-Ra, aber die Hieroglyphenfolge ist eine andere. Hier greift das Prinzip der Umstellung aus Ehrfurcht: Die Bezeichnungen "Gott" oder "König" wie auch Götternamen werden vorgezogen. Das erklärt, warum Ra an erster Stelle steht. Warum folgt aber dann nicht mn? Dieses Phänomen ist seit alter Zeit belegt; so schreibt Elmar Edel in seiner "Altägyptischen Grammatik" in diesem Zusammenhang (§ 100): Zitat:
Manchmal stellt man in 3-gliedrigen Namen, deren 3. Glied aus Ehrfurcht an die erste Stelle gerückt ist, auch das 2. Glied um, sodass die Glieder die Reihenfolge 3, 2, 1 aufweisen ... |
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Es gibt sogar die Auffassung, daß bei der Schreibung nsw die Wappenpflanze aus Ehrengründen vorangestellt ist. Am besten hält man sich an den Rat von Alan H. Gardiner in seiner "Egyptian Grammar" (§ 54), wonach sich der Anfänger mit seltsamen hieroglyphischen Schreibweisen nicht allzulange aufhalten sollte. Einfach mechanisch auswendig lernen! Diesen Namen kann man als Satz lesen: "Die Maat des Re dauert." Spalte 2 Es folgt der sogenannte Eigenname des Pharaos in einer Kartusche. sA Ra %tX.y mrj n PtH "Sohn des Re Sethos, geliebt von Ptah" Das übliche Zeichen für Seth ist ersetzt worden durch Determinativ für Osiris; genau genommen handelt es sich um das Zeichen A43c der "extended library"; dieses Zeichen mit einer HqA-Hieroglyphe auf dem Knie - HqA "Herrscher". Man kann annehmen, daß der gefährliche Gott Seth durch diese Schreibung unschädlich gemacht werden soll. Andererseits erfreut sich Seth gerade in dieser Zeit zunehmender Verehrung. mrj n PtH "geliebt von Ptah" ist ein Beiname, der manchmal mit in die Kartusche aufgenommen wird. "Geliebt von Gott/Göttin X" kommt sehr häufig vor. Auch hier beobachten wir die ehrfurchtsvolle Umstellung des Gottesnamens. Die Reihenfolge bleibt aber ansonsten erhalten. Spalte 3 dj anx mj Ra D.t nHH "dem Leben gegeben werde wie Re, für immer (und) ewig" Eine feststehende Formel, die man sich einprägen sollte, da sie sehr oft vorkommt! mj Ra: Auch hier wird der Gottesname vorangestellt. Daß die Ägypter zwei Begriffe für "Ewigkeit" haben und worin die Unterschiede liegen, wird in ganzen Dissertationen abgehandelt. Für unsere Zwecke können wir von diesen Feinheiten absehen. Spalte 4 Leserichtung: von links nach rechts @wt-@r Hrj.t-tp WAs.t "Hathor, die Oberste von Theben" Hrj.t-tp "die Oberste" Dieses Wort leitet sich vom zusammengesetzten Verhältniswort Hr-tp "oben auf, über (etwas)" ab. Da es sich auf eine Göttin bezieht, muß die weibliche Endung .t hinzugefügt werden. Warum aber ans Ende des ersten Teils und nicht ganz ans Ende? Hr-tp heißt wörtlich: "über dem Kopf (von)"; daraus wird als Eigenschaftswort "Hrj-tp" "oberer, oberster" bzw. das Hauptwort "Oberhaupt" gebildet. "Die über dem Kopf befindliche" = "die Oberste" ergibt sich daher durch die sprachliche Umwandlung des Verhältniswortes Hr "auf, über"; entsprechend muß sich die weibliche Endung hier anschließen. Zeile 5 Der Rest folgt in einer Zeile, nicht in einer Spalte; aus Platzgründen. nfr.t-Hr Hnw.t Jwn.t "Schöngesichtige, Herrin / Gebieterin von Dendera" Wörtlich bedeutet das erste Beiwort in männlicher Form: nfr-Hr "schön an Gesicht". Das Hauptwort Hr "Gesicht" erläutert das Eigenschaftswort näher; also nicht etwa: "das Gesicht ist schön" mit der Auffassung, bei nfr könnte es sich um das Tätigkeitswort "schön sein" handeln. Daß dem eben nicht so ist, erkennen wir an dieser Stelle durch das angefügte .t, denn damit wird gezeigt, daß es sich um ein weibliches Eigenschaftswort handeln muß, mit Bezug auf die Göttin. Ein bißchen "tricky" ist, daß der Schreiber das t unter das Hr plaziert hat. Hnw.t "Herrin" ist vielleicht schwierig zu erkennen, weil in der Zeichenliste für W10 steht: "Lesung Hn.t (selten)", aber in dieser Schreibung hier doch oft als Variante belegt ist von: Viele Grüße, Michael Tilgner
> Antwort auf Beitrag vom: 10.02.2007 um 17:10:36
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