Beitrag: 1;2;3 oder 1-3 oder 1;2-7;8
 

Anhänge ausblenden | QR-Code einblenden

http://www.aegyptologie.com/forum/cgi-bin/YaBB/YaBB.pl?board=guan&action=display&num=1221830931

Ägyptologie Forum >> Schrift & Sprache


1) Gardinerzeichen F10
 thomas am 19.09.2008 um 15:28:51

Liebe Gemeinde,



Ist dieses Zeichen eine Abkürzung für einen Gott?
Oder ist es schlicht xx = Hals, Kehle?

Gruss
Thosch


2) Re: Gardinerzeichen F10
 Michael Tilgner am 20.09.2008 um 09:27:41

Lieber thosch40,

laut Zeichentabellen bei Gardiner, Egyptian Grammar und Hannig, Ägyptisch-Deutsch wird dieses Zeichen als Determinativ für Hals und Nacken sowie damit verbundene Tätigkeiten wie schlucken verwendet.

Es stellt Kopf und Nacken eines Tieres mit langem Nacken dar.

Wie kommst Du darauf, daß es als Abkürzung für einen Gott verwendet wurde?

Viele Grüße,
Michael Tilgner

> Antwort auf Beitrag vom: 19.09.2008 um 15:28:51


3) Re: Gardinerzeichen F10
 Seschen am 20.09.2008 um 10:29:00

Hallo thosch40,
hallo, Michael!

Bei Hannig steht zu F10:
Kopf und Nacken eines Tieres
Det: Hals, Kehle, schlucken

Ein Wort für Kehle ist  Hty.t1 mit Determinativ F10 geschrieben, abgekürzte Schreibung mit F10.  

Bei TLA findet sich unter Htj.t die Erläuterung: GBez   Wb 3, 182.1-2

Hannig schreibt in der Götterliste S. 1228:
Htjt f Hetit, "Kehle" (im Amduat)

Gruß, Seschen
 

> Antwort auf Beitrag vom: 20.09.2008 um 09:27:41


1: http://aaew.bbaw.de/dza/27/27425000/27429720.gif


4) Re: Gardinerzeichen F10
 Michael Tilgner am 20.09.2008 um 11:48:41 - Anhang: 3 Anhänge

Hallo, Seschen, hallo, thosch40,

natürlich! Da hätte ich auch selber drauf kommen können! Unser thosch40 plagt sich doch schon seit langem mit dem Amduat herum.

Hetit taucht in der Ersten Stunde im Amduat auf, im Oberen Register. Dort ist eine Gruppe von Göttergestalten aufgeführt, die mit der folgenden Zeile überschrieben ist:

rn.w n.w nTr.w snsj.w jmj-tA
"Namen der Götter, die 'den in der Erde Befindlichen' verehren"

snsj "preisen, anbeten, verehren" (Hannig, Ägyptisch-Deutsch, S. 722)
jmj-tA "der Unterirdische, 'der in der Erde' (Osiris)" (Hannig, S. 68) bzw. "'Der in der Erde ist', Imi-ta (im Höhlenbuch, im Amduat)" (Hannig, S. 1187)

Wie so oft, ist auch die ausführliche Schreibung angegeben. Die Schreibung mit w wurde im Digitalen Zettelarchiv als Variante in den Königsgräbern notiert (DZA 27.429.740).

Ich füge noch die Abbildungen dieser Szene aus den Königsgräbern Amenophis II. und Thutmosis III. bei.

Amenophis II. aus: Zahi Hawass, Bilder  der Unsterblichkeit. Die Totenbücher aus den Königsgräbern in Theben, Mainz, 2006, S. 103-104
Thutmosis III. aus: Annamaria Fornari, Mario Tosi, Nella sede della verità. Deir el Medina e l'ipogeo di Thutmosi III, Milano, 1987, Abb. 3

Viele Grüße,
Michael Tilgner

> Antwort auf Beitrag vom: 20.09.2008 um 10:29:00

||


5) Re: Gardinerzeichen F10
 thomas am 20.09.2008 um 17:30:19

Hallo Seschen,
hallo Michael!

Vielen Dank für Eure Antworten.

In welchem Hannig Lexika stehen diese Informationen? Ich habe die Hannig Lexika 4 und 5. Dort werden Eure Infos leider nicht gelistet – und nein, ich plage mich nicht mit dem Amudat, sondern lerne fleissig. Ich komme schon gut voran, aber es gibt immer wieder Passagen aus der Übersetzung von Erik Hornung, die ich absolut nicht nachvollziehen kann.

Das von mir gesuchte Zeichen ist in der 7. Stunde, im ersten Register, direkt in der ersten Szene verwendet worden. Ich bin der Meinung, das mit ihm ein Gott/eine Göttin gemeint sein muss, Erik Hornung übersetzt schlicht "Kehle" (möge deine Kehle in Ordnung sein) und vertauscht dabei ganze Textpassagen, um zu seinem Ziel zu kommen…

Ich werde das Ergebnis meiner Übung bei nächster Gelegenheit präsentieren, weil ich auch glaube, eine änigmatische Passage gefunden zu haben…

Gruss
thosch40

> Antwort auf Beitrag vom: 20.09.2008 um 11:48:41


6) Re: Gardinerzeichen F10
 Geistsucher am 20.09.2008 um 18:26:01

Ja bitte, das Ergebnis.
Welche Aufgabe hat diese Kehlengöttin in ihrer Höhle ?

> Antwort auf Beitrag vom: 20.09.2008 um 17:30:19


7) Re: Gardinerzeichen F10
 Seschen am 21.09.2008 um 16:44:47

Hallo, thosch40!


Zitat:
In welchem Hannig Lexika stehen diese Informationen?
Ich benutze die 3. unveränderte Auflage (2001) des Hannig-Lexika 11 "Die Sprache der Pharaonen, Großes Handwörterbuch Ägyptisch-Deutsch".
Die Seitenangaben stimmen dann mit denen von Michael Tilgner überein, das ist sehr praktisch!

Mir liegen die Hieros der Amduat-Texte nicht vor und Hornungs Buch habe ich nicht.
Ich frage mich aber trotzdem: Warum zweifelst du seine Übersetzung an dieser Stelle an?
Beim Blättern im Zettelarchiv (zu Htj.t)  bin ich auf Stellen gestoßen wie diese (zufällig ausgesuchten):
Herr der Wahrheit, mit starker Kehle
Du bist der mit der starken Kehle
Herr des Rechts mit starker Kehle
Ich öffne deine Kehle mit Leben
Er gibt dir Luft, um deine Kehle atmen zu lassen
Es atmet deine Kehle, du belebst deinen Leib
(Osiris) ... der große Gott... Herr des Lebens, der die Kehle öffnet
(Ptah) Herr des Lebens, der die Kehle atmen lässt
(Chons) Herr des Lebens, der die Kehle öffnet
(Hathor) Herrin des Lebens, die Kehle öffnend...

usw usw usw
"Kehle öffnen" wird gleichgesetzt mit atmen können, also leben (können / werden).
Warum sollte "Möge deine Kehle in Ordnung sein" nicht richtig sein?
Warum versuchst du eine Göttin reinzuquetschen, deren Namen (und Funktion) nur sehr spärlich belegt ist?

Gruß, Seschen

> Antwort auf Beitrag vom: 20.09.2008 um 17:30:19


1: http://www.amazon.de/gp/product/images/3805317719?ie=UTF8&n=299956&s=books


8) Re: Gardinerzeichen F10
 thomas am 21.09.2008 um 20:55:58

Hallo Seschen,
das sind die Hieroglyphen:

Dd mdw in nTr pn aA
Worte zu sprechen: durch diesen großen Gott


SpsS Di.n=i a=k pri.n=i Hr m-tp=k
Schepsesch, gib mir Deine Hand, vor Dir erschien Horus für mich


Hkn.y=T Di.n=i xrw=T mAa n anx.yt
Hekenyt, gib mir Deine Rechtfertigung für die, die gelebt haben werden


Htyt=T wn pXr=T
Hetyt, öffne (mir) Deine Umwendungen

Gruss
thosch40

> Antwort auf Beitrag vom: 21.09.2008 um 16:44:47


9) Re: Gardinerzeichen F10
 Michael Tilgner am 21.09.2008 um 22:43:12 - Anhang: 2 Anhänge

Liebe Seschen, lieber thosch40,

das Hannig-Lexikon, Bd.4, behandelt die Wörter des Alten Reiches und der Ersten Zwischenzeit, Bd. 5 die Zeit des Mittleren Reiches und der Zweiten Zwischenzeit. Da es sich hier um Texte aus dem Neuen Reichen handelt, darf man sich nicht wundern, wenn man in diesen Bändern vergeblich sucht. Soweit ich weiß, wird Raner Hannig irgendwann auch die Belegbände für das Neue Reich nachreichen.

Die Texte des Amduat bieten so ihre eigenen Schwierigkeiten, wie man an Deinen Beispielsätzen immer wieder sehen kann.

Ich habe mal einige Abbildungen dieser Szene zusammengestellt. Man kann erkennen, daß es gerade bei der mittleren Passage zu Varianten, um nicht zu sagen: Unsicherheiten in den Schreibungen gekommen ist.

Zunächst die Abbildungen
  • Thutmosis III. aus: Annamaria Fornari, Mario Tosi, Nella sede della verità. Deir el Medina e l'ipogeo di Thutmosi III, Milano, 1987, Abb. 11
  • Amenophis II. aus: Erik Hornung, Tal der Könige. Die Ruhestätte der Pharaonen, Darmstadt, 1983, S.173 (Abb. 142)

...


> Antwort auf Beitrag vom: 21.09.2008 um 20:55:58

|


10) Re: Gardinerzeichen F10
 Michael Tilgner am 21.09.2008 um 22:50:04 - Anhang: 2 Anhänge

  • Sethos I. aus: Erik Hornung, Das Grab Sethos‘ I., Zürich und München, 1991, S. 244
  • Ramses VI. aus: Kent R. Weeks (Hrsg.), Im Tal der Könige. Von Grabkunst und Totenkult der ägyptischen Herrscher, München, 2001, S. 255


Zu Deiner Übersetzung und zu Deinen Erläuterungen später!

Viele Grüße,
Michael Tigner

> Antwort auf Beitrag vom: 21.09.2008 um 22:43:12

|


11) Re: Gardinerzeichen F10
 Michael Tilgner am 22.09.2008 um 23:16:48

Lieber thosch40,

Text und Bild bilden eine Einheit, sagt man. Im Text heißt es: "Es spricht dieser große Gott" und zwar an die Wesen, die darunter dargestellt werden:
  • ^psj "Schepsi" (Hannig, Ägyptisch-Deutsch, S. 1242)
  • @kn(j).t "Hekenit, 'Preisende'" (Hannig, S. 1228)
  • anx(j).t "Anchit (* 'Lebende'; * 'Die zum Lebenszeichen gehörige'" (Hannig, S. 1196)

Ob man die Namen in Umschrift oder Übersetzung angibt, ist Geschmackssache. Man sollte aber bedenken, daß es sich bei diesen göttlichen Wesen zum Teil um Personifikationen von Begriffen handelt, von denen kaum mehr bekannt ist als ihre Anrufung in den Unterweltsbüchern.

Speziell zur Lesung von Anchit: Hier könnte man wegen der zwei Anchzeichen auch einen Dual annehmen: anxwj.t. Das abschließende Anchzeichen wird wohl ignoriert; Determinativ?

Es erscheint mir daher naheliegend, daß im Text diese Götter auch angesprochen werden:
"(O), Schepsi / Ehrwürdiger, ...
(O), Hekenit / Preisende, ...
(O), Anchit / Lebende, ...
Ich bin gekommen ..."

Deine Auffassung, daß nur zwei dieser drei Wesen angerufen werden, aber als drittes die nicht dargestellte @ty.t erscheint mir unwahrscheinlich.

Gehen wir nun zur ersten Gottheit: "Schepsi, ..."

dj n(=j) a=k
"gib mir deine Hand"

Zur Schreibung: (r)Dj ist die altägyptische Form, während im Mittelägyptischen (r)dj angenommen wird (Gardiner, Egyptian Grammar, § 289, 1). Das führt immer wieder zur Unsicherheit bei der Transkription. Du hast Di.n=i transkribiert. Mit dem Strukturzeichen "." wird üblicherweise bei der sDm.n=f-Form das Element n vom Stamm abgegrenzt. Hier ist aber die Präposition n gemeint.

Ein Imperativ dj ist ungewöhnlich, kommt aber vor; normalerweise wird hierfür jmj verwendet (Gardiner, Egyptian Grammar, § 336). Eher ist dieser Satz als Wunsch oder höfliche Aufforderung zu verstehen: "mögest du mir deine Hand geben", als prospektives sDm=f (siehe hierzu Allen, Middle Egyptian, Kapitel "The Subjunctive", S. 245 ff).

Das folgende nach Hornung:

prj.n @r m dp=k
"(wenn) Horus aus deinem Ruder (?) hervorgekommen ist"

prj m "herausgehen aus, herausgehen als" (Hannig, S. 283), auch mit der religiösen Bedeutung "herauskommen (aus Totenreich)" bzw. "sich zeigen, sichtbar werden" u.ä.

Hornung hat den Satz als sDm.n=f aufgefaßt, mit Horus als Subjekt; wörtlich: "Horus ist aus ... herausgekommen", geht also zeitlich dem Wunsch voraus: nachdem Horus herausgekommen ist, mögest du mir deine Hand geben.

Man kann den Satz auch folgendermaßen interpretieren:

pr n(=j) @r m dp=k
"Horus kommt heraus / zeigt sich für mich ..." bzw. "möge Horus für mich herauskommen / sich für mich zeigen ...".

also als weiteren Wunsch.

Was nun dp(w) "Ruder" (Hannig, S.  betrifft, kann ich keine neue Lösung angeben; auch Deine Lesung m-tp "oben auf, oben an; an der Spitze von (Personen); vor (jdn)" (Hannig, S. 924) bietet gedankliche Schwierigkeiten.

Wenn man sich die Abbildungen ansieht, speziell die von Thutmosis III. oder Amenophis II., so könnte man meinen, daß mit dp der Gegenstand gemeint ist, den Schepsi auf seinem Schoß hält und aus dem der Falkenkopf "hervorgeht". Die später entstandenen Abbildungen stellen ihn fast als eine Art Messer dar; auch fehlt der Falkenkopf. Eine Übersetzung "aus deinem Kopf" ergibt noch weniger Sinn. - Was also genau gemeint ist, bleibt dunkel.

Der Rest folgt ein andermal.

Viele Grüße,
Michael Tilgner

> Antwort auf Beitrag vom: 21.09.2008 um 22:50:04


12) Re: Gardinerzeichen F10
 Seschen am 23.09.2008 um 10:00:10

Ich gehe eine kleinen Schritt weiter zu der Original-Übersetzung von Hornung:
"(Oh) Preisende, mögest du deine Stimme erschallen lassen..."

Das Zettelarchiv-Dokument DZA 28.066.8801 übersetzt
wdj xrw
mit "die Stimme erschallen lassen".

Hannig S. 614:
wdj xrw - die Stimme hören lassen
rDj xrw - die Stimme erheben

Zettelarchiv: rdj xrw2 - "die Stimme geben" - lit.: "rufen"

Die beiden Verben rdj und wdj haben teils gleiche Bedeutungen: geben, veranlassen, legen, setzen usw.

Daraus folgere ich, dass auch rdj xrw mit "die Stimme erschallen lassen" übersetzt werden kann.
Eine Alternative wäre die Übersetzung "rufen". (?)

Die Übersetzung mAa Hty.t=T - (in prospektiver Form) "... möge deine Kehle in Ordnung sein" ist dann auch nachvollziebar.

Mehr und besser erläutert dazu kommt, hoffe ich, von Michael!  

Gruß, Seschen

> Antwort auf Beitrag vom: 22.09.2008 um 23:16:48


1: http://aaew.bbaw.de/dza/28/28065000/28066880.gif
2: http://aaew.bbaw.de/dza/28/28065000/28067010.gif


13) Re: Gardinerzeichen F10
 thomas am 23.09.2008 um 12:26:10

Hallo Seschen,
hallo Michael,

vielen, vielen Dank für Eure Bemühungen.

@seschen

Genau hier liegt ja mein Problem. "Möge Deine Kehle in Ordnung sein" = mAa Hty.t=T

Dort steht aber: mAa n anx.yt Hty.t=T und da "mAa" ein Eigenschaftswort ist, das entweder dem Substantiv nachgestellt, oder wenn es als Prädikatives Adjektiv genutzt wird, auch vorangestellt wird (soweit mein Verständnis dazu), kam ich auf mAa-xrw; Wb II, Seite 16; Rechtfertigung, Triumph (als Substantiv oder substantivisch gebrauchter Infinitiv)

Es ginge auch xrw mAa für: die wahre Stimme, die gerechte Stimme.

Das nun folgende n anx.yt wäre somit eine Adverbiale Bestimmung und würde sich in das Satzgefüge eingliedern.
Ich sehe ein Prospektives Partizip Perfekt von "leben = gelebt haben werden" als eine Umschreibung für "die Versterbenden" (alle zukünftig Sterbenden).

Hty.t=T steht dann allein, als Tobic des nächsten Satzes Ich gehe schon davon aus, das "Hetyt" die "Schlangengestalt" sein soll. Wer weiss, vielleicht heißt sie komplett Hetyt, die Lebendige?

@Michael
Informationen zur Zeitform "Futur" prospektiv und subjunktiv habe ich aus dem Buch "How to read Egyptian Hieroglyphs; Mark Collier, Bill Manley" zusammengetragen. Demnach verändern sich die starken Verben nicht, aber die schwachen wie zum Beispiel rdj versus dj=f (wird/soll/mögen) "Er soll geben", "Er möge geben" "Er wird geben".

Gruss
thosch40

> Antwort auf Beitrag vom: 23.09.2008 um 10:00:10


14) Re: Gardinerzeichen F10
 Michael Tilgner am 23.09.2008 um 23:04:02 - Anhang: Grapow_Zur_Textgestalt_des_Amduat_ZAeS_72_1936.pdf

Hallo, Seschen, hallo, thosch40,

gehen wir zum nächsten Gott: "Hekenit, ..."

Der Name dieser Göttin leitet sich von Hkn "preisen, jubeln" (Hannig, Ägyptisch-Deutsch, S. 565) ab. Sie wird aufgefordert, sich ihrem Namen entsprechend zu verhalten:

dj n(=j) xrw=T
"erhebe für mich deine Stimme" / "mögest du für mich deine Stimme erheben"

mAa n(=j) Hty.t=T
"möge deine Kehle für mich wahrhaftig sein"

mAa hat auch die (abgeleitete) Bedeutung "in Ordnung sein" (Hannig, S. 315). Ich meine aber, daß Hekenit aufgefordert wird, ihre Stimme zu erheben und die Wahrheit ertönen zu lassen.

Analog zu den vorhergehenden Passagen habe ich das n zu n(=j) ergänzt.

Nun zum Problem, daß in den vorliegenden Texten die Reihenfolge der Hieroglyphen anders aussieht. Diese Passage erscheint mir fehlerhaft tradiert zu sein.

  • Thutmosis III: hat anxy.t und hty.t=T vertauscht
  • Amenophis II: ebenso; außerdem fehlt das mAa-Zeichen. Ferner fehlt bei @kny.t das n und das t
  • Sethos I: Hier geht alles durcheinander: Die Zeichen n und t fehlen bei @kny.t, wie bei Amenophis II. Dann kommt hty.t=T, danach "mögest du für mich deine Stimme erheben" (mit tj geschrieben) - "möge wahrhaftig sein für mich ..."; dann anxy.t
  • Ramses VI: hat die Zeichenfolge wie oben übersetzt; allerdings sieht das xrw-Zeichen P8 eher aus wie der zweizackige Pfeilkopf T23 sn, und mAa ist wie die Buchrolle Y1 geschrieben

Hermann Grapow hat in seinen "Studien zu den thebanischen Königsgräbern" zur Textgestalt des Amduat ausgeführt:

Zitat:
... gibt es selbstverständlich im Text der Dyn. 19/20 allerlei kleine Fehler und Auslassungen, für die der Text der 18. Dyn. das Richtige bietet. Aber es gibt daneben auch - und diese Tatsache ist für das Alter des Amduat von Bedeutung - eine ganze Anzahl von offenbaren Textfehlern, für die man in den Niederschriften der 18. Dyn. keine Hilfe findet, vielmehr nur sieht, daß auch diese unsere ältesten Fassungen schon dieselben, genau dieselben Ungenauigkeiten aufweisen. Ich gebe einige bezeichnende Beispiele:
...
Auf jeden Fall ergibt sich mit voller Deutlichkeit dies: Alle uns vorliegenden Niederschriften des Amduat, insbesondere des Großen, gehen auf eine Urhandschrift zurück, die ihrerseits schon Fehler und Auslassungen in Menge aufwies, für die es schon Anfang Dyn. 18 keine Heilungen mehr gab. Diese Urniederschrift wurde daher ganz mechanisch und genau kopiert, und von der ersten Kopie wurden weitere gemacht, immer mit denselben Lücken und Fehlern." (ZÄS, Bd. 72, S. 12-39 (1936); hier S. 31-32)

Ich denke, daß man diese Erklärung auch an unserem Beispiel gut nachvollziehen kann! Ich habe fast den Eindruck, als ob in der hypthetischen Vorlage das hty.t=T ursprünglich vergessen und dann nachgetragen wurde. Bei Thutmosis III. wurde es noch in die Zeile gequetscht, bei Amenophis II. steht es irgendwie abgesetzt zwischen den beiden Spalten, und bei Sethos I. hat man es über den Raum über das wAs-Szepter gesetzt. Bei Ramses VI. schließlich hat man es gleich in die richtige Reihenfolge gebracht.

Nun wird die dritte Gottheit angesprochen: "Anchit, ..."

wn pXr=T
"öffne deine Windung"

Was auch für die oben angegebene Anordnung des Textes spricht, ist, daß diese Aufforderung zum schlangenförmigen Wesen paßt, das auch den Namen als Beischrift trägt, der im Text genannt wird!

Zitat:
Wer weiss, vielleicht heißt sie komplett Hetyt, die Lebendige?

Dafür gibt es keinen Beleg. Im Gegenteil, in der ersten Stunde, in der Hetyt ja dargestellt wird, ist sie menschen- und nicht schlangengestaltig!

Auch in dieser Passage gibt es Fehler: So fehlt bei Ramses VI. bei wn der Hase E34 und das t beim Namen anxy.t. Das gehört offensichtlich zur Kategorie "späterer Fehler, ursprünglich aber korrekt geschrieben".

Viele Grüße,
Michael Tilgner


> Antwort auf Beitrag vom: 23.09.2008 um 12:26:10


15) Re: Gardinerzeichen F10
 thomas am 24.09.2008 um 09:40:16

Lieber Michael,
vielen Dank für Deine ausführliche Darstellung.

Was soll ich sagen? Ich bin davon ausgegangen, dass die schriftlichen Erzeugnisse, besonders die aus den Gräbern, jeglichen Zweifels erhaben sind.
Das Lücken konsequent kopiert worden sind, dass will mir noch einleuchten, aber das auch Schreibfehler sowie Namensvertauschungen in späteren "Übertragungen" unkorrigiert blieben, ruft viele Fragezeichen in mir auf.

Wie dem auch sei, in meiner Ausarbeitung, die ich nunmehr in Reinschrift bringen werde, habe ich die Stellen mit Kommentar korrigiert – und das verdanke ich Dir und Seschen…

dwA-nTr=i n=k

Gruss
thosch40

> Antwort auf Beitrag vom: 23.09.2008 um 23:04:02


16) Re: Gardinerzeichen F10
 Michael Tilgner am 25.09.2008 um 13:38:04 - Anhang: pEbers_40_Einfuegung.JPG

Hallo,

zu meiner Vermutung, daß ein Wort in der (verlorenen) Vorlage nachträglich eingefügt wurde, habe ich das folgende schöne Beispiel gefunden: Im Hieratisch geschriebenen Papyrus Ebers hatte der Verfasser in Spalte 40 eine Passage vergessen, sie oben neben der Spaltennumerierung nachgetragen und die Stelle im Text, wo sie einzufügen ist, mit einem roten Kreuz markiert. So etwas ist also zumindest vorgekommen.

Viele Grüße,
Michael Tilgner

> Antwort auf Beitrag vom: 24.09.2008 um 09:40:16


17) Re: Gardinerzeichen F10
 Michael Tilgner am 26.09.2008 um 08:47:08 - Anhang: 3 Anhänge

Hallo,

die zweite Gottheit wurde als @kn.t "Hekenit" transkribiert. Während sie im Text ausführlich so geschrieben wird, steht bei der Abbildung nur ein Zeichen, ähnlich wie A26 "Mann mit erhobenem Arm, der etwas sagt". In Hannigs Zeichenliste steht u.a., daß dieses Zeichen auch als Abkürzung für aS verwendet wird (Hannig, Ägyptisch-Deutsch, S. 1027).

Die vorgeschlagene Lesung @kn.t läßt sich aber eindeutig sichern, da diese Göttin mehrfach im Amduat genannt wird.

  • 1. Std., unteres Register, in einer Liste von 12 Gottheiten, menschengestaltig
  • 4. Std., unteres Register, schlangengestaltig, zusätzlichem mit einem Menschenkopf
  • 7. Std., oberes Register, mit Löwenkopf

In den ersten beiden Fällen steht neben dem A26 die ausführliche Schreibung in roter Farbe. Im Thread Kryptografie von Daniel Werning1 wurde bereits auf die änigmatische / kryptographische Schreibung im Amduat eingegangen. Auch hier haben wir einen solchen Fall kryptographischer Schreibung.

Die Abbildungen stammen aus dem Grab Thutmosis' III. (Annamaria Fornari, Mario Tosi, Nella sede della verità. Deir el Medina e l'ipogeo di Thutmosi III, Milano, 1987, Abb. 4, 9 , 11).

Ich hatte gegen die Identifizierung von Hetyt und der "Lebendigen" eingewandt:

Zitat:
Dafür gibt es keinen Beleg. Im Gegenteil, in der ersten Stunde, in der Hetyt ja dargestellt wird, ist sie menschen- und nicht schlangengestaltig!

Dieses Argument ist aber nicht stichhaltig, wie man an diesem Beispiel nun sieht. Ich hatte stillschweigend unterstellt, daß Götter mit gleichem Namen auch immer gleichartig dargestellt sind. Man kann bei Interpretationen altägyptischer Texte nicht zurückhaltend genug sein! Trotzdem bleibt es dabei, daß es für eine solche Identifizierung keinen Beleg gibt.

Viele Grüße,
Michael Tilgner



> Antwort auf Beitrag vom: 25.09.2008 um 13:38:04


1: http://www.aegyptologie.com/forum/cgi-bin/YaBB/YaBB.pl?board=guan&action=display&num=1220882933

||


18) Re: Gardinerzeichen F10
 thomas am 26.09.2008 um 15:02:55

Hallo Michael,
bei meiner (vergeblichen) Suche zu einer Verbindung zwischen Htyt und anxwj.t habe ich folgendes gefunden:

Wb. III, Seite 182, Htj.t: die Atmerin (Königsgräber) (als Lunge des Sonnengottes)

Wb. I, Seite 183-184, am: verschlucken; erweiternde Bedeutung verschlingen; in Götterbezeichnungen "der Verschlinger"

Selbst die optionale Annahme, das man "den Atem" zum "Leben" braucht, ließ sich nicht zusammenfügen.

Während die unterschiedlichen Schreibweisen von spS.w vs. Spss und aS.t vs. Hkn.yt immer eine vergleichbare Übersetzung ergaben, ist das bei Htyt  vs. anxwj.t nicht erreichbar.

Ich werte das als Beweis, das diese Herleitung von mir falsch war!

Gruss
Thosch40

> Antwort auf Beitrag vom: 26.09.2008 um 08:47:08


19) Re: Gardinerzeichen F10
 Michael Tilgner am 27.09.2008 um 09:15:19 - Anhang: Thutmosis_III_7_Std_1_und_2_Szene-low.jpg

Hallo,

der Text dieser Szene schließt mit den folgenden Worten:


jj.n=j sHD=j xntj-kkw
"ich bin gekommen, (damit) ich erleuchte 'den, der der Finsternis vorsteht'"

Der Strich Z1 wird gelegentlich für die 1. Person Singular verwendet (Hannig, Ägyptisch-Deutsch, S. 21, 1099)
sHD "erleuchten, erhellen, beleuchten" (Hannig, S. 738) - dieses Wort ist ein  sogenannter "Kausativ" von HD "weiß sein, leuchten" (S. 573), also etwa: "verursachen, daß etwas weiß ist oder leuchtet" o.ä.
ntj ist das Relativpronomen, das auch selbständig verwendet werden kann (Gardiner, Egyptian Grammar, § 199: "Nty may be used either as epithet or as noun, i. e. without separately expressed antecedent.)"
xntj-kkw "'der der Finsternis vorsteht' (Beiname)" (Hannig, S. 609), abgeleitet von xnty "vorn befindlich" (S. 607) und kkw "Finsternis (S. 889)



dj=j sxn n ntj m MHn
"(und damit) ich eine Ruhestätte gebe 'dem, der in der Mehen-Schlange ist'"

sxn "Ruhestätte (für Schatten des Toten), Rastplatz" (Hannig, S. 747)
mHn "Mehen-Schlange" (S. 356) - Man beachte die unterschiedlichen Schlangen-Determinative in den verschiedenen Versionen
ntj m mHn "'der in der Mehen-Schlange ist' (Beiname)" (S. 356) - Hiermit ist Osiris gemeint, wie in der anschließenden Szene dargestellt und im Text auch so bezeichnet (nach der Version im Grab Thutmosis' III.; Quelle wie früher angegeben, Abb. 11)

Die drei übereinanderstehenden n dürfen nicht mit N35a "drei Wasserlinien (als Monogramm)" für Wasser verwechselt werden: Das erste n gehört noch zu sxn, das zweite ist die Präposition n und schließlich beginnt mit dem letzten n das Wort ntj.

Zur Grammatik: Dieser Satz beginnt mit einem sDm.n=f "ich bin gekommen ...", an dem sich zwei sDm=f-Sätze anschließen "ich erleuchte ..." und "ich gebe". Die Verwendung eines sDm=f, um einen Zweck auszudrücken ("damit ..."), wird z.B. bei Gardiner, Egyptian Grammar, § 40, 1 angesprochen: "The cDm=f form is often used without any introductory particle in rendering the equivalent of an English clause of purpose ...".

Viele Grüße,
Michael Tilgner

> Antwort auf Beitrag vom: 26.09.2008 um 15:02:55


20) Re: Gardinerzeichen F10
 thomas am 29.09.2008 um 10:35:11

Hallo Michael,
erlaube mir noch eine Frage und eine Anmerkung:

Deine Umschrift der ersten Zeile lautet: jj.n=j sHD=j xntj-kkw. Die dazu passenden Hieroglyphen weisen aber für kkw ein Plural aus. Müsste es da nicht kkw.w heißen?

Für die gleiche Passage fällt mir dann auf, das im Grab Thutmosis die beiden Zeilen wie folgt lauten:
jj.n=j sHD=j xntj-kk tw dj=j sxn n ntj m mHn

Ich möchte das nicht unbedingt als falsch ansehen. Das "w" von kkw könnte durchaus absichtlich weggelassen worden sein. (Wb V, Seite 142)

Ich bin gekommen, (um) den Ersten der Finsternis zu erleuchten. Diesem gebe ich eine Ruhestätte, einer, die (für die (Ruhestätte), welche ist) in der Mehen-Schlange ist.

(Ich bin mir nicht sicher, ob ich jetzt die richtige Grammatikform gefunden habe.)

Wie dem auch sei: Das ist wieder ein Beispiel dafür, dass ich die Texte des Amduat von Erik Hornung nicht mit alleiniger Sicht auf Thutmosis III auflösen kann. Vor allem muss ich mir noch mehr Mühe damit geben, die Hieroglyphen richtig einzuordnen. (Vielleicht wäre es doch besser gewesen, wenn die Alten Ägypter Wortzwischenräume und Satzzeichen eingeführt hätten)

Gruss
Thosch40

> Antwort auf Beitrag vom: 27.09.2008 um 09:15:19


21) Re: Gardinerzeichen F10
 Michael Tilgner am 29.09.2008 um 19:40:39 - Anhang: 30616830.jpg

Hallo, Thosch40,

im Zettelarchiv sind die Schreibungen zu kkw speziell im Amduat der Königsgräber zusammengestellt worden (DZA30616830); einige Schreibungen sind mit Pluralstrichen, einige ohne. Es trifft sicherlich zu, was Gardiner, Egyptian Grammar, § 77 ("apparent duals and plurals") geschrieben hat: "Certain words ending in -w, mostly abstracts, are by a false analogy written like plurals ....; exx. nfrw 'beauty'; mnw 'memorial', 'monument'; hAw 'neighbourhood', 'time'." Zu solchen Wörtern würde ich auch kkw zählen.

Das Zeichen, das im Grab von Thutmosis III. wie in t aussieht, würde ich nicht "überbewerten" Die anderen Varianten haben ja eindeutig ein kkw, sogar mit Pluralstrichen!, stehen. Abgesehen davon geht m.W. die von Dir vorgeschlagene Form nicht; ein "ich gebe dir" bzw. "ich gebe ihm" würde so lauten, wie es tausendmal auf den Tempelwänden geschrieben steht: dj.n=j n=k oder dj.n=j n=f, also mit Präposition n. Daher paßt das dj=j n ntj ... "ich gebe dem ..." ganz zwanglos dazu.

Bei dieser Gelegenheit eine Anmerkung: Normalerweise bezeichnet die sDm.n=f-Form etwas in der Vergangenheit Liegendes. Wenn jedoch diese Form in Szenen auf Tempel- oder Grabwänden verwendet wird, muß man wohl davon ausgehen, daß ihre Rezitation eine gegenwärtige Handlung meint. (Gardiner, Egyptian Grammar, § 414, 5: "On a different footing is the common use of the cDm.n=f form in ritual texts and scenes to express an action simultaneously spoken and performed.")


Zitat:
Das ist wieder ein Beispiel dafür, dass ich die Texte des Amduat von Erik Hornung nicht mit alleiniger Sicht auf Thutmosis III auflösen kann.

Da ist sicher etwas dran! Hinzu kommt, daß bei der Bearbeitung ägyptischer Texte immer ein Rest Unsicherheit bleibt, auch nach vielen Jahren Beschäftigung mit ihnen. Das macht dieses Thema aber auch so faszinierend!

Viele Grüße,
Michael Tilgner

> Antwort auf Beitrag vom: 29.09.2008 um 10:35:11