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Ägyptologie Forum >> Schrift & Sprache


1) Übersetzungsübung: Inschrift auf einer Holztruhe
 Michael Tilgner am 15.01.2017 um 11:42:08 - Anhang: Inschrift_auf_einer_Holztruhe.pdf

Hallo,

auf einer wunderschönen Holztruhe aus einem Privatgrab findet sich auch eine kleine Beischrift. Auf dem ersten Blick nichts Ungewöhnliches, aber ...

Wie heißen die Verstorbenen? Worum geht es? Könnt Ihr alle Zeichen entziffern?

Viele Grüße,
Michael Tilgner


2) Re: Übersetzungsübung: Inschrift auf einer Holztruhe
 Haiko Hoffmann am 16.01.2017 um 00:04:16

Aus Zeitmangel zunächst nur das:

Versteckten Text anzeigen...
Es ist aus dem Grab TT8 des Hofarchitekten xa, der unter Amrnophis II bis Amenophis III als solcher diente, und seiner Frau Mrjj.t .  


> Antwort auf Beitrag vom: 15.01.2017 um 11:42:08


3) Re: Übersetzungsübung: Inschrift auf einer Holztruhe
 Seschen am 17.01.2017 um 00:16:16

Hallo!

Die Holztruhe befindet sich heute im Museo Egizio di Torino:


(Foto: flickr.com, Su55)

Die Namen hat Haiko schon genannt; bei Ranke sind sie belegt: 263.7 (Ranke liest xaj) und 161.14.

Es geht um die Opferformel, allerdings fehlt von der Standardfloskel ein wesentliches Element.
Möglicherweise waren die leeren Spalten (links) hierfür vorgesehen

Die Zeichenidentifizierung:
Versteckten Text anzeigen...


Zitat:
Auf dem ersten Blick nichts Ungewöhnliches, aber ...

...ein bisschen chaotisch!
- Die Abfolge der Spalten ist nicht linear, ich habe sie als Lesehilfe nummeriert.
- Die Schreibrichtung wechselt, sogar innerhalb einer Spalte!
- In Kolumne 1 ist ein "Zeichendreher".

(Meine Umschrift und Übersetzung folgen.)

Gruß, Seschen

> Antwort auf Beitrag vom: 15.01.2017 um 11:42:08


4) Re: Übersetzungsübung: Inschrift auf einer Holztruhe
 Haiko Hoffmann am 18.01.2017 um 09:33:47

Hier nun endlich mein Versuch:

Versteckten Text anzeigen...
Ich folge der Nummerierung von Seschen (wobei 6 u. 7 meines Erachtens vertauscht werden sollten, s.u.):

1
Htp-dj-nsw Wsjr
ein Opfer, das der König gibt (für) Osiris,

2
nTr aA Hqa Dt dj=f
den großen Gott, Herr der Ewigkeit (Hannig 991), damit es gebe*
* im Original nicht ohne weiteres so erkennbar, so aber gewöhnlich Bestandteil der Opferformel (dj=f ist abgeleitet von rdj, in der Opferformel sDm=f der Zukunft als Handlungsziel im Sinne von „so dass“, „auf dass“, „damit”)

3
prt-xrw t Hnqt kA.w Apd.w x(.t) nb.t
ein Totenopfer (bestehend aus) Brot, Bier, Rindern* und Geflügel, allen (guten und reinen) Dingen

* zu kA.w: od. Stiere (engl. bulls), ältere Lesung jH, lt. Wb I 119 bei bloßer Schreibung von F1 neben jH, ngA u.ä. auch kA: „von den Schreibern mit blossen (E1, F1) werden vermutlich viele hierher [d.h. jH ] gehören. andere sind ngA, kA u.ä. zu lesen.“ – dann siehe Wb V 94 mit der fast schon poetische Bemerkung, dass die Alten Ägypter das alte iH später innig kA gelesen hätten pp.; zur Schreibung und Lesung vgl. hierzu Colliers Hieroglypen Entziffern pp. S. 38, Allen Middle Egyptian S. 469. Gardiner S. 461 setzt kA und schreibt dazu: "Replaces E1 in the formula of offering (p. 172) and like." Speziell zur Opferformel schreibt er auf S. 172: "(F1) is for kAw 'oxen' ...", dann als Fußnote 4 mit Vewrweis auf Artefakte im British Museum und in Florenz u.a.: "In very late times 'oxen' was read iH ..." – wie gesagt „in very late times” …

Es gibt aber auch andere Meinungen, dass dort jH zu lesen sei – Hannig merkt zum Eintrag dort S. 96 immerhin an: „in der 'abkürzenden' Schreibung nicht immer von kA zu trennen“. Ob Günther Lapp, Die Opferformel des Alten Reiches. Unter Berücksichtigung einiger späterer Formen, Mainz, 1986 (S. 127-129) hier der Wahrheit am nächsten ist, weiß ich nicht, zumal er lt. Buchtitel ja eher das Alte Reich (Lesung jH) behandelt und die Hinweise auf spätere Zeiten mit der Lesung kA ziemlich deutlich etwas anderes sagenm muss ich mich mit dem begnügen, was ich gefunden habe. In wissenschaftlichen Disput kann ich nicht mitmischen. Das wird sich hoffentlich irgendwann endgültig klären. Momentan scheint mir beides möglich zu sein, wobei mir in diesem Fall die Lesung kA wahrscheinlicher zu sein scheint.

4
xa (oder xaj)
Cha (oder Chai [Ranke 263.7])

5
mAa xrw xr nTr aA
Gerechtfertigter vor dem großen Gott

6
Mrjj.t
Merit

7
sn.t=f mr(w).t=f*
seine Gefährtin (od. „Schwester” [Kosewort für Ehefrau] - Hannig 715.2,4), seine Geliebte (Hannig 346.6 re. Sp.)

* zu mr(w).t: od. aber sn.t=f mr.t=f, wie Seschen liest: seine geliebte "Schwester" (= Ehefrau)

Die Formel enthält am Schluss keinen Opferempfänger (n kA n ...), was eigentlich üblich ist. Ich vermute, dass die Nennung des Cha(i) dies still impliziert.

Und wie schon Seschen sagte: Da ist einiges durcheinander in der Ausrichtung der Glyphen. Zudem mutet in Kol. 3 das x(.t) irgendwie dazwischengequetscht an, so als wenn es vergessen und noch schnell ergänzt worden ist.


> Antwort auf Beitrag vom: 15.01.2017 um 11:42:08


5) Re: Übersetzungsübung: Inschrift auf einer Holztruhe
 Seschen am 18.01.2017 um 18:05:37

Hallo!

Ich lese die Inschrift ähnlich, bzw. fast gleich. Ich folge der Spaltennummerierung in meiner Grafik (ohne Tausch von 6 und 7!).

Versteckten Text anzeigen...
1
Htp dj nsw Wsjr
Ein Opfer, das der König gibt (an/für) Osiris,

2
nTr-aA HqA-D.t dj=f
den großen Gott, Herrscher der Ewigkeit; damit es gebe (/er möge geben)

3
pr.t-xrw t H(n)q.t jH.w Apd (j)x(.t) nb.t
ein Totenopfer (bestehend aus) Brot, Bier, Rindern, Geflügel (und) allen  Dingen

Hq.t ist die gewöhnliche, aber Defektivschreibung von Hnq.t


(Kahl, Jochem: Die Defektivschreibungen in den Pyramidentexten)

F1
(Rinderkopf) ist jH zu lesen!1
  

Im Anschluss fehlt das übliche n kA n (für den Ka des)!

4
xa (/xaj)
Cha (/Chai, Ranke PN1, 263.7)

5
mAa-xrw xr nTr aA
gerechtfertigt (/selig) beim großen Gott

6
sn.t=f mr.t=f
seine geliebte "Schwester" (= Ehefrau)

mr.t - Hannig S. 652
mr.yt - (perfektisches) Partizip Passiv (Gardiner § 361)

7
mrjj.t
Merit (Ranke PN1, 161.14)


Gruß, Seschen

> Antwort auf Beitrag vom: 15.01.2017 um 11:42:08


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6) Re: Übersetzungsübung: Inschrift auf einer Holztruhe
 Michael Tilgner am 21.01.2017 um 11:51:34

Hallo, Seschen, hallo, Haiko,

Ihr habt nun (fast) alles gesagt, was man zu dieser Inschrift sagen kann. Vor allem habt Ihr Euch nicht von den ungewöhnlichen Schreibungen irritieren lassen!

Ja, es handelt sich um eine Wäschetruhe aus dem Grab des Cha, die sich nun im Museo Egizio in Turin befindet. Die Inschrift ist sehr nachlässig und fehlerhaft ausgeführt; sie entspricht nicht den üblichen Konventionen. Der Entdecker Ernest Schiaparelli hat in seinem Grabungsbericht La tomba intatta dell'architetto Kha, Torino, 1927 [nachgedruckt 2007], S. 129 gemeint, wenn man diese Truhe (gilt für die anderen Truhen auch) nicht in einem intakten Grab gefunden hätte, hätte man sie für eine moderne Nachahmung gehalten. Trotz der Flüchtigkeiten könne man erkennen, dass die Inschriften von einem Schreibkundigen stamme. - Es lohnt sich m.E. daher nicht, Gründe für die wechselnden Schreibrichtungen zu suchen.

Zur Inschrift selbst:

Seschen hat sie in Standardhieroglyphen übertragen. In der von ihr als Nummer 2 bezeichneten Spalte ist statt D37 "Arm mit Brot" D36 "Vorderarm" zu setzen. Die Bedeutung ändert sich aber dadurch nicht; siehe z.B. die Bemerkung bei Hannig für D36: "ersetzt häufig D37 (...)".

Das dj=f ist als Wunsch aufzufassen "er möge geben".

Die Opferformel ist unvollständig; Platz für den Rest n kA NN ist ja vorgesehen: Das sieht man an den leeren Spalten am Ende.

Die Formulierungen sA=f mr=f  "sein geliebter Sohn" oder sn.t=f mr.t=f  "seine geliebte Schwester / Ehefrau" stehen üblicherweise vor dem Namen. Hierbei handelt es sich um perfektische passive Partizipien (Gardiner, Egyptian Grammar, § 361); Schreibungen mit und ohne -y liegen vor: "often no reason can be assigned for these".

Viele Grüße,
Michael Tilgner

> Antwort auf Beitrag vom: 18.01.2017 um 18:05:37