Re: Lieber Karl....
[ Archiv-Startseite ] Geschrieben von Dr. Karl H. Leser am 11. März 2001 10:56:33: Als Antwort auf: Lieber Karl.... geschrieben von Ramses1605 am 10. März 2001 23:32:10:
Lieber Ramses1605,
Du hast ein Problem. Wie Du richtig bemerkst, bist Du kein Wissenschaftler, d.h., Du hast offensichtlich weder eine Ahnung, wie Wissenschaft betrieben wird und welche Regeln gelten, noch was eine leisten kann (z.B. welche Fragen sie beantworten kann). Wenn Du das hättest, hättest Du meine Argumentation verstanden - aber vielleicht wird das ja noch.
Betrachten wir hier mal die Geschichtswissenschaft (Archäologie und Ägyptologie sind ja nur Sonderfälle davon).
Ein Historiker erforscht im Rückblick Ereignisse, bewertet sie auf der Basis seiner aktuellen Kenntnisse und stellt sie in der Gemeinschaft seiner Kollegen zur Diskussion. Leider hat er dabei ein Problem, er ist nicht selber Zeuge bei dem Ereignis (haben wir schon mal in diesem Forum gesagt!) und er kann weder den Täter noch irgendwelche Zeitzeugen befragen. In der Juristerei nennt man so was einen "Indizienprozeß", wobei der Richter in diesem eventuell noch das Glück hat, dass der Täter angesichts der überzeugenden Indizien (Beweise) sein Schweigen bricht und die Täterschaft eingesteht. Die Wahrscheinlichkeit, das Chufu vorbeikommt und seine Urheberschaft für seine Pyramide bestätigt, ist meiner Einschätzung nach ziemlich gering. Selbst wenn man hinter Gantenbrinks Tür eine Papyrusrolle mit dem Inhalt "Ich, Chufu, beauftrage 25234 Mann mit dem Bau einer Pyramide des Ausmaßes AxBxC am Ort D innerhalb von Y Jahren, ....usw." wäre das kein "definitiver" Beweis. Das deutsche Mittelalter - und nicht nur das - wimmelt von gefälschten Dokumenten mit denen die "Abtei A" versucht zu belegen, dass ihr - und nicht der "Stadt B" - der Besitz an dem "Bauernhof C" schon vor "150 Jahren" durch den "Kaiser F" übertragen wurde.Ein Historiker kann also immer nur aufgrund der Befunde (z.B. Ausgrabungsergebnisse, Texte) sagen, was mit "großer" Wahrscheinlichkeit zutreffend ist. Definitive Aussagen im Sinne einer endgültigen Wahrheit kann er nicht machen. Ich brauche wohl nicht zu betonen, dass dies auch für solche Herren wie Däniken, Bauval, etc. gilt, und selbstverständlich kannst Du die Frage nach definitiven Antworten auch auf andere Zeiten und Objekte ausdehnen (z.B. auf den Kölner Dom, auch da wissen wir nicht, welche Steinmetz wie lange und wie viele insgesamt an dem Ding gewerkelt haben). Natürlich wäre es schön, wenn wir mehr Detailwissen hätten, aber deshalb forschen wir ja.
Selbstverständlich kommt es bei einer solchen rückblickenden Bewertung zu Irrtümern, etc.. Aber auch das ist nix Neues. Bezugnehmend auf einen anderen Beitrag von Dir darf ich daran erinnern, dass Einstein die Planck´sche Quantentheorie am Anfang mit dem Satz "Die Natur macht keine Sprünge" abgelehnt hat. Aber auch er hat dazugelernt und niemand hat "gelächelt". Irrtümer gehören zum Leben, nicht nur in der Wissenschaft.
Wenn Du allerdings nach definitiven Weisheiten im Sinne endgültiger Wahrheiten suchst, die findest Du nur in Kirchen, Moscheen, Tempeln, wobei sich selbstverständlich die jeweiligen Vertreter eine einzelnen Religionen im alleinigen Besitz der Wahrheit wähnen. Für alle Fans außerirdischen Lebens gilt das gleiche, sie wissen nicht, sie glauben, oder hast Du schon mal einer außerirdischen Lebensform die Hand geschüttelt. Ich will Dir den Glauben daran nicht nehmen - aus wissenschaftstheoretischen Gründen kann ich das gar nicht (möglich ist alles, nicht nur bei Toyota) - aber was außerirdische Lebensformen betreschüttelt. Ich will Dir den Glauben daran nicht nehmen - aus wissenschaftstheoretischen Gründen kann ich das gar nicht (möglich ist alles, nicht nur bei Toyota) - aber was außerirdische Lebensformen betrifft, bist Du noch weiter weg von definitiven Belegen als jeder Historiker in seinem Fach (und der hat noch genug offene Fragen).
Es ist schön und vor allem richtig, jeder Wissenschaft kritisch zu begegnen (auch da gibt´s genügend Leute, die einem etwas zu ihrem Vorteil verkaufen oder aufschwätzen wollen), aber ich schlage vor, Du liest Dich mal in Wissenschaftstheorie ein (z.B. Karl Popper "Objektive Erkenntnis" oder "Logik der Forschung", Albert "Traktak über kritische Vernunft"), dann wirst Du sehr schnell verstehen, was Wissenschaft kann und was nicht.
Viel Vergnügen dabei (dauert was länger, wie ich aus eigener Erfahrung weiß).
- Re: Lieber Karl.... Ramses1605 11.3.2001 14:11 (2)
- Re: Lieber Karl.... Dr. Karl H. Leser 11.3.2001 17:02 (1)
- Re: Lieber Karl.... Ramses1605 12.3.2001 00:37 (0)
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