Re: Koptische Gesänge
[ Archiv-Startseite ] Geschrieben von Ursula am 03. März 2001 17:26:08: Als Antwort auf: an die ägypten profis, Ursula und Karl: Koptische Gesänge geschrieben von anjuva am 02. März 2001 19:57:02:
Hallo, ihr,
entschuldigt bitte, daß das Folgende schon wieder so wenig mit Ägyptologie zu tun hat und so lang ist, aber ich möchte es noch nachtragen. Dann kommt von mir hierzu wirklich nichts mehr, versprochen!!! - Anjuva, ich habe nicht die Gesänge irgendeiner Glaubensgemeinschaft den Lauten von Rindern gleichgesetzt. Das ist nicht mein Stil. Und Kühe sind für mich würdevolle und liebenswerte Geschöpfe. - Ich habe, vielleicht eine Spur zu scherzhaft, zum Ausdruck bringen wollen, daß - in Abwandlung einer Kölner Weisheit - nicht nur jeder Jeck und jede Kuh "anders ist", sondern daß eben auch jeder Dirigent oder Vorsänger oder Hymnen-Lehrer in einer koptischen Gemeinde oder einem Kloster ein Einzelwesen war bzw. ist, das sich in seinem akustischen Ausdruck und in seiner akustischen Wahrnehmung von allen anderen Individuen unterscheidet.
Es ist mir nicht neu, daß die Kopten ihre mündlich überlieferten Gesänge direkt von ägyptischen Tempelgesängen herleiten und sie als älteste Musik der Welt bezeichnen; sie sehen sich in dieser Kontinuität und glauben fest daran, was ihr gutes Recht ist. Aber daß sie daran GLAUBEN, BEWEIST doch NICHT, daß die Musik der alten Ägypter wirklich gleich geklungen hat wie die Sakralmusik der Kopten heute klingt. Es ist noch nicht so lange her, da hat die Menschheit geglaubt, die Erde sei eine Scheibe, aber dadurch wurde es nicht Wahrheit.Ich wiederhole mich: Jeder Mensch hört anders, singt anders, versteht Musik anders, und gibt darum das, was ihm vorgesungen wurde und was er mündlich weiterzugeben, zu dirigieren oder zu lehren hat, auf seine individuelle Art wieder. Ich bezweifle, daß es eine mündliche Überlieferung von Musik und musikalischen Traditionen geben kann, bei der über Hunderte von Jahren keinerlei Veränderungen auftreten (geschweige denn über Tausende von Jahren). Diese Veränderungen und Übermittlungsfehlerchen sind unvermeidlich, auch wenn ein Mensch von seinem Glauben noch so überzeugt ist, und auch, wenn er sich noch so viel Mühe gibt, etwas, was ihm heilig ist, unverändert zu bewahren und fehlerfrei weiterzugeben. Bei allem Respekt, auch ein koptischer Geistlicher macht Fehler, weil jeder Mensch ein unvollkommenes und fehlbares Individuum ist.
Mag sein, die Änderungen sind von Weitergabeschritt zu Weitergabeschritt nur minimal, aber sie addieren sich. Sie haben sich schon in den rund 200 Jahren seit Mozart oder Beethoven so weit addiert, daß wir nicht wissen, wie deren Musik WIRKLICH geklungen hat, obwohl sie seit ihrer Erschaffung immer gespielt wurde. Wir dürfen GLAUBEN oder fühlen, daß eine bestimmte Interpretation "richtig" ist, oder wir können vielleicht in einem bestimmten Dirigenten die Reinkarnation von Beethoven sehen, wenn uns das beglückt. Wir KÖNNEN es aber nicht wirklich WISSEN, wie es „richtig“ ist weil wir den Komponisten selbst nicht mehr fragen können und es keine Tonbänder aus seiner Zeit gibt.
Koptische Gesänge werden nicht nur in Klöstern und unter strenger Geheimhaltung zelebriert. Sie sind jedem Interessierten zugänglich. Es ist nicht ungewöhnlich, daß Klöster keine Medien-Aufnahmen zulassen, oder generell keine Besucher erwünscht sind, wenn die Klosterregeln das nicht gestatten und/oder die Mönche oder Nonnen sich dadurch gestört fühlen. Die nicht in Klöstern lebenden hiesigen Koptinnen und Kopten sind aber kein Geheimbund, sie sind ganz normale Menschen, die, ebenso gestatten und/oder die Mönche oder Nonnen sich dadurch gestört fühlen. Die nicht in Klöstern lebenden hiesigen Koptinnen und Kopten sind aber kein Geheimbund, sie sind ganz normale Menschen, die, ebenso wie Mitglieder anderer ganz normaler Religionsgemeinschaften, gerne bereit sind, interessierten Angehörigen anderer Konfessionen Einblick in ihre Glaubenspraxis und ihre Rituale zu gewähren, und sie vielleicht auch mal als Gast bei einem Gottesdienst zuschauen und zuhören zu lassen, eventuell nach Terminabsprache. Frag sie doch am besten selber, Anjuva. Wenn Du das wirklich vertiefen willst, nimm mit einer koptischen Gemeinde in der Nähe Deines Wohnorts Kontakt auf, die können Dich bestimmt viel genauer informieren als ein Laie wie ich.
Und übrigens sind Spekulationen über den koptischen Originalsound unserer Tage ganz unnötig: es gibt ihn „real“, buchstäblich. Klick doch mal www.kopten.de an, wo Du Real Audio Files von koptischer Sakralmusik anhören und downloaden kannst. Vielleicht verhilft Dir das zu neuen Erkenntnissen; die müßtest Du aber wohl in einem geeigneteren Forum zur Diskussion stellen als in diesem, dessen Teilnehmer mit solchen Fragen wirklich überfordert sein dürften.
Gruß Ursula
[ Archiv-Startseite ]