Das Konzept der Ma’at ging weit über zwischenmenschliches Verhalten hinaus. Es umfasste auch die kosmische Ordnung, d. h. die Wiederkehr der Nilflut, die Veränderungen in der Natur während des Jahres (Sterne, Tiere, Pflanzen), die soziale Rangordnung und die Erwartungen, die jeder Mensch in seinem Beruf zu erfüllen hatte. Der König musste bei seinem Tod sofort einen legitimen männlichen Thronfolger haben. Notfalls erwarb ein Schwiegersohn oder Beamter die Legitimation durch die Behauptung, ein Sohn des höchsten Gottes oder göttlich erwählt zu sein (auch Königin Hatshepsut griff zu diesem Mittel). Die Aufgaben des Königs waren, Tempel und Denkmäler zu stiften, bestimmte sich wiederholende Kulte und Feste durchzuführen und die Grenzen des vereinigten Königreichs zu bewahren. Er war letztverantwortlich für das Wohlergehen der Bevölkerung. Das alles war Ma’at. Der Begriff bleibt meistens unübersetzt, weil es kein modernes Analogon gibt. Das Gegenteil war Chaos (Isfet), eine Schreckensvorstellung der Ägypter.
Wenn ich Dich gut verstanden habe, werden beide* Hieroglyphen gleich ausgesprochen also Ḥm. *Ḥm -"Sklave, Leibeigener, Diener" *Ḥm - "Majestät" Ich habe aber auch Ḥm übersetzt als "Schwuler, Feigling" gefunden. Stimmt das?
Ich bedanke mich im Voraus für Deine Zeit und Hilfe!
Das Überdauern in der Zeit war eines der zentralen Versprechen in der altägyptischen Religion. Der Glaube an eine Wiederkehr dürfte sicherlich konstituierend gewesen sein.
Teile eine Auswahl mit Euch. Ich bin äußerst Verzaubert und versuche mir die zwischenmenschliche Verhältnisse der damaligen Zeit vorzustellen. Und auch wenn es nur ein Zeitlang und unter einer kleinen Gruppe der Gesellschafter gelebt worden war. Es ist die romantischste Vorstellung meines Lebens Kennt man ältere vergleichbare Texte? So viel ich weiß die älteste Funde der Ma'at (als Begriff) sind in den Pyramidentexten (Unas) zu finden. Wird die Ma'at dort nur angedeutet oder gab es damals noch ähnliche konkrete moralische Regeln*, die dem Verstorbenen das ewige Leben versprechen?
Extrem spannend! Ich kann nicht warten "Deine" Quellen zu studieren. So viel ich weiß die älteste Funde der Ma'at (als Begriff) sind in den Pyramidentexten (Unas) zu finden. Wird die Ma'at dort nur angedeutet oder gab es damals noch ähnliche konkrete moralische Regeln*, die dem Verstorbenen das ewige Leben versprechen?
wenn du ganz allgemein an ethischen oder rechtlichen Normen und Verhaltensregeln im Alten Ägypten interessiert bist, findest du auch viel in den sogenannten Weisheitslehren, die teilweise ebenfalls bis zu 4000 Jahre alt sind.
Weitere Weisheitslehren findest du im Thesaurus Linguae Aegyptiae (https://aaew.bbaw.de/tla/servlet/OTTree?u=guest&f=0&l=0&oc=0&db=0) unter Thesaurus Linguae Aegyptiae --> Strukturen und Transformationen des Wortschatzes der ägyptischen Sprache, Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig --> Literarische Texte --> Weisheitslehren
Lieber Michael Tilgner!!! Vielen vielen Dank, dass Du dir die Zeit genommen hast, mir jeden Schritt im Detail zu erklären. Sehr, sehr nett. Tausen dank!!!!
Zum Thema "Sklaven" schreibt das Lexikon der Ägyptologie, Bd. V, Sp. 982-987 (Zitat Sp. 982-983):
Zitat:
Gewöhnlich wird der ägyptische Terminus Hm mit "Sklave" übersetzt, wobei jedoch von vornherein die Vorstellungen des römischen Rechts beiseite gelassen werden müssen, um nicht falsche Folgerungen hervorzurufen. Außerdem muß auch in Ägypten mit Veränderungen der juristischen Grundlagen gerechnet werden. Das Wort Hm dürfte ursprünglich "Körper" bedeutet haben (...) Aus der Grundbedeutung "Körper" ist aber erklärbar, daß Hm sowohl den König als "physische Person" als auch eine Person minderen Rechts bezeichnet werden kann.
Hm "Sklave, Leibeigener, Diener"
Hm "Majestät"
Man kann dieses Wort also anhand des Determinativs unterscheiden. Auch wenn vom König gesagt wird:
Hm=f "Seine Majestät" sagt o.ä. ist klar, dass Hm mit "Majestät" übersetzt werden muss, auch wenn das Determinativ fehlen sollte.
Zum Thema "Milch": Diese Passage soll bedeuten, dass Frischmilch vor allem Kleinkindern vorbehalten war. (Lexikon der Ägyptologie, Bd. IV, Sp. 125)
der Papyrus of Nu, the Son of Amen-Hetep and Sen-Seneb findet sich u.a. auch in der von Ernest Wallis Budge (1899) besorgten Faksimiles Ausgabe des Book of the Dead. Zum Originaltext des Papyrus Nouou bitte ich Sie hier https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/budge1899/0081/scroll die Platten 1 bis 63 einzusehen.
das Totenbuch des Nu (BM EA 10477) wird vollständig im Thesaurus Linguae Aegyptiae bearbeitet. Auf der Einführungsseite wird die aktuelle Literatur angegeben; danach folgt eine Liste der Totenbuchsprüche, die in diesem Papyrus enthalten sind. Bekanntlich hat jedes Totenbuchexemplar eine andere Auswahl aus der Spruchsammlung. Unter "Digitale Verweise" findest du die Fotos des (leider) in Blättern zerschnittenen Papyrus auf der Webseite des British Museum, insgesamt 30.
Du hast das sog. "Negative Sündenbekenntnis" angesprochen: Das ist Tb 125. Geh also auf die entsprechende Webseite und klicke "Sätze des Textes" an. Dann erhältst Du abschnittsweise - auf 24 Seiten - die Hieroglyphen, die Umschrift und eine deutsche Übersetzung. Die zugehörigen Fotos des Textes sind auf den Blättern 23 und 24. Der Text ist retrograd geschrieben: Obwohl die Hieroglyphen nach rechts blicken, sind die Spalten von links nach rechts zu lesen, entgegen der sonst üblichen Norm. Das findet man in den Jenseitstexten oft. Das negative Sündenbekenntnis wird zweimal gesprochen, beim zweitenmal an die 42 Totenrichter gerichtet.
Die erste Spalte (ganz links) wird im TLA ab Abschnitt 52 auf Seite 6 behandelt. Sie ist folgendermaßen aufgebaut: Oben wird ein Gott angerufen: "O Weitausschreitender, der aus Heliopolis kommt". Dann folgt eine weiße mumiengestaltige Darstellung, das Gottesdeterminativ. Darunter folgt die Aussage: "Ich habe kein Unrecht verübt."
So geht das weiter (nach rechts) mit den anderen Untaten, die Nu nicht begangen haben will, für jede Untat gibt es eine eigene Spalte mit einem je eigenen Gott. Die Gottesdeterminative sehen übrigens alle gleich aus.
Liebe Ägyptologen, ich bin auf der Suche nach Informationen über den Papyrus des Nu (BM EA 10477). Könnten Sie mir BITTE einen Link zu Originaltext teilen? Ich bin kein Ägyptologe, würde aber sehr sehr gerne den Papyrus des Nu studieren. Es ist meiner Meinung nach das schönste Text ALLER ZEITEN über die Ethik. Ich kann noch immer nicht glauben, dass vor ca. 4000 Jahren solche moralische Normen existierten. VIELEN DANK IM VORAUS
I have not uttered curses.
I have not been an eavesdropper.
I have not slandered.
I have not been wroth.
I have not shut my ears to the words of truth.
I have not blasphemed.
I have not been a stirrer up of strife.
I have not acted with undue haste.
I have not pried into matters.
I have never raised my voice.
I have not acted with arrogance.
I have not uttered evil words.
I have never pried into matters [to make mischief].
I have not set my mouth in motion.
I have not acted in a violent or oppressive manner.
I have not acted [or judged] hastily.
I have not brought forward my name for dignities.
I have not [attempted] to direct servants. [I have not domineered over slaves.] Stimmt das, dass die Altägypter kein Wort für der Sklave hatten, sondern dass es um Diener oder Helfer gehandelt hat? (Es ist mir natürlich bewusst, dass man nicht pauschalisieren kann und von DEM altem Ägypten reden kann. Es gab solche und jene Zeiten und Standards)
I have not vilified a slave to his master.
I have not carried away the milk from the mouths of children. Ist es vielleicht damit gemeint, dass man den Jungtieren bzw. dem Kalb das Muttermilch nicht wegnehmen darf?
Das erinnert ein bisschen an den angeblichen zusätzlichen Raum im Grab des Tutanchamun. Große Aufregung, Medienrummel, Spekulationen (Nofretetes Grabkammer?), technische Finessen, aber letztlich ist alles buchstäblich im Sand verlaufen, soweit ich weiß.
Zu dem Thema auch interesssant ist die Wiederentdeckung des Zedernholzstücks was von Dixon im 19.Jh im unteren nördlichen Schacht der Grossen Pyramide gefunden wurde und im frühen 20.Jh dann im Museum in Aberdeen verschwand. In diesem Museum wurde die Zigarrenkist 2019 wiederentdeckt:
Der Artikel zeigt schön die klassischen Probleme der C14-Methode auf, denn um die Jahre des vermuteten Pyramidenbaus, hat ist die C14-Kalibrierungskurve flach, also extrem ungenau.
es wird in der Tat so sein wie in der Meldung der Informationsseite des Staatlichen Hermitage Museums mitgeteilt wurde, dass es nämlich Sally-Ann Ashton war, welche im Rahmen der Kleopatra Ausstellungen der Jahre 2000 bis 2002 die Einsicht durchsetzte, dass es sich bei der Statue Ermitage Nr. 3936 um eine Darstellung der Königin Kleopatra VII. handeln muss. Die dreifache Uräusschlange, welche die Stirnseite ihrer Krone schmückt, ist hier das entscheidende, charakteristische Alleinstellungsmerkmal. Die Grundlagen ihrer Untersuchung dürften meines Erachtens aber auf den Ergebnissen der 1983 und 1988 von Jan Quaegebeur erstellten Studien beruhen. Letztlich wird Ashton also lediglich das Verdienst zuzusprechen sein, dass sie das Internationale Publikum von diesem bereits erarbeiteten wissenschaftlichen Standpunkt überzeugen konnte.
Einer der ersten, welcher diese Einsicht rezipierte, war der Althistoriker Wolfgang Schuller in seinem Werk Kleopatra. Königin in drei Kulturen, Reinbek 2006, Törökbálint 2007 https://book24.hu/img/boritok/book24/195885f.gif.
Soweit ich das überblicke, war es Nauna, die 2007 hier im Forum diese neue Bewertung der Statue Ermitage Nr. 3936 vermittele, als sie in ihrer Antwort auf den Beitrag von Nicole eben jenes Werk von Schuller in den Diskurs einführte http://www.aegyptologie.com/forum/cgi-bin/YaBB/YaBB.pl?board=bc&action=display&num=1187962091&pnum=082607115116&start=1#1. Die Nicole hat inzwischen in ihrem Ancient Egypt Blog vom 17. Januar 2024 unter dem Titel Statue of Cleopatra VII eine sehr eigenständige Arbeit veröffentlicht, in welcher sie eine weitere Statue der Königin Kleopatra VII. mit dreifacher Uräusschlange vorstellt und analysiert. Das bemerkenswerte ist dabei, dass diese von Nicole Lesar untersuchte Statue eine Kartusche der Königin Kleopatra VII. trägt, welche sie eigenständig in Umschrift und Übersetzung gebracht hat. Leider dürfen die von ihr erstellten Fotos bis auf weiteres nicht gezeigt werden https://www.ancientegyptblog.com/?p=3001. Die Statue geht aus einer im Jahre 1889 erfolgten Schenkung des Bankiers und Philantrophen Joseph William Drexel hervor und befindet sich heute mit der Inventar Nr. 89.2.660 im Metropolitan Museum of Art. Ashton stellt sie in ihrem Catalogue of Sculptures Nr. 146, S. 486–488 eingehend vor.
Ebenfalls der Pharaonin Kleopatra VII. zugerechnet wird eine Statue, welche sich unter der Objekt Nummer 910.75 im Royal Ontario Museum Toronto, Galleries of Africa: Egypt ausgestellt findet. Sie wird in die Zeit ca. 47–30 BC datiert und wurde von Rexine Hummel und Steven B. Shubert (ROM) katalogisiert https://collections.rom.on.ca/objects/181138/sculpture-probably-of-cleopatra-vii. Diese Büste ist nicht identisch mit der Statue Ashton Nr. 143, welche ihren Standort in Alexandria hat. Da die Bildrechte an der Statue entsprechend dem Canadian Copyright Act bei fehlender Einrede bereits 25 Jahre nach dem Tod des Besitzers der Statue in public domain gekommen sind, wird eine Aufnahme dieser ebenfalls sehr schönen Statue der Königin Kleopatra VII. hier nun unter CC BY-NC-ND-SA 4.0 in den Dateianhang eingestellt.
schön, dass Du uns auf diese Statue aufmerksam gemacht hast! Ich hänge die Seite aus Egyptian Antiquities in the Ermitage, Leningrad, 1974, Abb. 131 an mit der zugehörigen Bildunterschrift. Danach wird diese Statue Arsinoe II. zugewiesen, während in der von Dir zitierten Arbeit von Sally-Ann Ashton, S. 482 sie als Cleopatra VII. bezeichnet wird. Wie passt das zusammen? Die Statue selbst ist unbeschriftet. Aufklärung gibt uns eine Informationsseite des Museum New attribution: a statue of Cleopatra VII:
Zitat:
In the course of preparations for the major exhibition "Cleopatra of Egypt: From History to Myth" (Rome-London-Chicago, 2000-2002), one of its organizers, Sally-Ann Ashton, identified a group of statues in the Egyptian style without inscriptions, including the Hermitage work, as depictions of Cleopatra VII, the very queen whose life story and alliances with Caesar and Mark Antony have long since become one of the most famous legends of the Ancient World. This identification is based on the fact that, in contrast to Arsinoe II who wore only two uraei, three are characteristic of Cleopatra VII alone, while it proved possible to find a divided cornucopia on the latter's coins as well. Thus the Hermitage possesses one of the finest statues of the Ptolemaic period, depicting its most famous personage. (Im Zuge der Vorbereitungen für die große Ausstellung „Kleopatra von Ägypten: Von der Geschichte zum Mythos“ (Rom-London-Chicago, 2000-2002) identifizierte eine ihrer Organisatorinnen, Sally-Ann Ashton, eine Gruppe von Statuen im ägyptischen Stil ohne Inschriften, darunter auch das Werk aus der Eremitage, als Darstellungen Kleopatras VII., jener Königin, deren Lebensgeschichte und Bündnisse mit Cäsar und Marcus Antonius längst zu den berühmtesten Legenden der Antike zählen. Diese Identifizierung basiert auf der Tatsache, dass im Gegensatz zu Arsinoe II., die nur zwei Uraei trug, drei für Kleopatra VII. allein charakteristisch sind, während sich auch auf ihren Münzen ein geteiltes Füllhorn finden ließ. Somit besitzt die Eremitage eine der schönsten Statuen der ptolemäischen Zeit, die ihre berühmteste Persönlichkeit darstellt.)
Hervorgehoben sei aus der dort von ihm genannten Literatur insbesondere das folgende Werk:
* Sally-Ann Ashton: Ptolemaic royal sculpture from Egypt: the Greek and Egyptian traditions and their interaction, Vol. II : Catalogue of Sculptures, London 1999, S. 482–488, Nr. 144–146 (Drei Statuen der Königin Kleopatra VII) https://kclpure.kcl.ac.uk/ws/portalfiles/portal/2930902/325180_vol2.pdf.
Sehr schön erhalten ist insbesondere auch die bei Ashton Nr. 144 gezeigte, aus schwarzem Basalt gefertigte Statue der Königin Kleopatra VII, welche sie mit einem Ankh Zeichen in der Rechten und einem doppelten Füllhorn in der Linken darstellt. Leider sind die Augen nicht mehr erhalten. Sie hat eine Höhe von 1,04 m und befindet sich im Ermitage Museum in Sankt Petersburg, wo sie mit der Inventar Nr. 3936 versehen Teil der ägyptischen Sammlung ist. Diese Statue der Königin Kleopatra VII. entstand in der Zeit ca. 44 bis 30 v. Chr. Da die fotografische Aufnahme dieser Statue vermutlich bereits in der Zeit zwischen 1924 und 1929 von Vladimir Golenishchev in Kairo angefertigt wurde, befindet sie sich inzwischen in public domain und wird mit Verweis auf die Autorin unter der von ihr vergebenen Lizenz CC BY-NC-ND 4.0 im Dateianhang veröffentlicht.
Weitere Literatur findet sich bei Ashton ebenda wie folgt zu dieser Statue genannt :
* Bernard Bothmer: Egyptian Sculpture of the Late Period, 700 B.C. to A.D. 100, New York 1960, Nr. 192.
* Jan Quaegebeur: Trois statues de femme d'époque ptolémaique. In: Herman De Meulenaere: Artibus Aegypti: studia in honorem Bernard V. Bothmer, Brüssel 1983, S. 116–117.
die hieroglyphischen Schreibungen für Isis und Osiris sehen auf dem ersten Blick ähnlich aus; dennoch lassen sie sich klar unterscheiden. Ich habe die entsprechenden Ausschnitte aus dem Wörterbuch der ägyptischen Sprache (Wb) zusammengestellt. Danach wird Wsjr "Osiris" nie mit dem Zeichen X1 t geschrieben, weil in seinem Namen kein t vorkommt, hingegen As.t "Isis" immer, als phonetisches Komplement (Ergänzung) zu Q1 st. Das sieht übrigens so auch Budge, S. 81.
Q1, Lesung st; X1, Lesung t
Auf der fraglichen Inschrift über Kleopatra ist diese Zeichenfolge untereinander geschrieben. Somit bleibt für das "Auge" D4 nur die Lesung jrj "machen" übrig, von mir als feminines passives Partizip jr.t interpretiert, wobei die Endung .t im Ptolemäischen fast nie geschrieben wird.
Mit Deiner Bemerkung, dass es keineswegs sicher ist, dass die Büste Caesarion darstellt, hast Du recht. Das wird auch im Begleittext auf der von mir verlinkten Webseite ausgedrückt: "one possibility is that it represents Cleopatra’s eldest son" (eine Möglichkeit ist, dass sie [die Büste] Kleopatras ältesten Sohn darstellt). Diese Einschränkung habe ich in meiner Begeisterung für Kavafis' Gedicht unterschlagen.
vielen Dank, dass Du dich der in Dendera gesetzten Beischriften angenommen hast ! Die Beischriften besagten unter anderem also [2] Kaisarion, Sohn des Re, geliebt von Ptah und Isis, theos Philopator Philometor ... [1] König von Ober- und Unterägypten, Herr der beiden Länder, Ptolemaios XV., der Gott der seinen Vater liebt. Sehr schön finde ich auch, dass Du mit Hermann Junker, Grammatik der Denderatexte (1906), das die Königin Kleopatra VII. bezeichnende Femininum herausgearbeitet hast. Im übrigen wirst Du aber sicherlich verstehen, dass ich für meinen Teil die eingangs in der der Proklamation vorangestellten Beischrift genannte Gottheit mit Wsjr (weseru) übersetzte und daher annehme, dass damit soviel wie Tochter des Gottes Osiris gemeint ist. Ich habe im Dateianhang dazu die von Budge in seinem Dictionary, Vol. 1, Seite CIII, List of Hieroglyphic Characters, chapter III, Gods and Goddesses für den Gott Osiris erstellte Ideographie in den Dateianhang eingestellt und schlage hier die ebenda auf den Seiten 83–88 dazu verzeichneten Schreibweisen auf: https://archive.org/details/BudgeEAWEgyptianHieroglyphicDictionaryVol11920/page/n243/mode/2up?view=theater.
Über die in Dendera gesetzte Inschrift lässt sich zudem aussagen, dass sie im 3. Lebensjahr des Kaisarion von dessen Mutter Kleopatra gesetzt worden ist. Dem entspricht eine in den Papyri von Oxyrhynchos gefundene Urkunde aus dem 8. Jahr der Kleopatra VII. und des Kaisarion, in welcher Theon, der mit der Versorgung der Reiterei betraute Verwalter in der oberägyptischen Thebais veranlasste, dass 30 Arure Grasland gepflügt und mit Getreide bestellt werden sollen. Ursache für diese am 26. Juli 44 v. Chr. an die Pächter der Domänen ergangene Aufforderung dürfte die damalige Hungersnot gewesen sein, welcher mit einer rechtzeitigen, vor der Nilflut vorgenommenen Umwandlung von Grasland in Ackerland gesteuert werden sollte. Zwei Auszüge aus dieser als Papyrus Oxyrhynchus Nr. 1629 bekannt gewordenen Urkunde finden sich im Dateianhang eingestellt. Sie wurde 1920 von Bernard Grenfell und Arthur Hunt ediert und stellt eines der wenigen erhalten gebliebenen ägyptischen Dokumente dar, welche die Stellung des Kaisarion als König Ptolemaios XV. für das Jahr 44 v. Chr. bezeugen: https://archive.org/details/pt14oxyrhynchusp00grenuoft/page/8/mode/2up?view=theater.
Höchst dankenswert finde ich zudem deinen Hinweis auf den im Jahre 2006 im Berliner Martin-Gropius-Bau ausgestellten Kopf einer kolossalen Statue aus der 2. Hälfte des 1. Jh. v. Chr. Dieser von Franck Goddio und Christoph Gerigk im östlichen Teil des Hafenbeckens von Alexandria entdeckte Kopf einer Kolossalstatue könnte in der Tat dem Caesarion gehört haben, denn Kleopatra VII. suchte ihren Sohn als künftigen Herrscher bekannt zu machen. Dies wird auch durch die Tatsache gestützt, dass sich in einem östlichen Stadtteil von Alexandria eine kolossale in Stein gesetzte Dyade (Zweiergruppe) fand, welche die Königin Kleopatra VII. in Gestalt der Göttin Isis mit ihrem Sohn Kaisarion zeigt. Aber in Hinblick auf den im östlichen Hafenbecken gefundenen Kopf einer Kolossalstatue haben wir dem berechtigten Einwand einiger Ägyptologen Rechnung zu tragen, welche darauf hinwiesen, dass der im östlichen Hafenbecken von Alexandria gefundene Kopf an der Stirn keine Uräusschlange trägt und daher bereits der römischen Zeit und nicht mehr der ptolemäischen Zeit angehört. Vermutlich liegt hier bereits eine Darstellung des römischen Kaisers Augustus vor, welcher 27 v. Chr. in Rom inthronisiert wurde.