Zwei altägyptische Adaptionen aus dem Kulturkreis der Hyksos, Teil 2 : Das Kamel (Fortsetzung) Die Fundlage in den oben herangezogenen Nachweisen zur Rekonstruktion des Domestikationsprozesses des Kamels ergab, dass die alten Ägypter um 1300 v. Chr. zur Nutzung des Dromedars als Reit- und Lasttier übergegangen waren. (28) Dies deckt sich mit der Datierung der schriftlichen Zeugnisse, welche seit der frühen Ramessidenzeit das Kamel und seine Gewohnheiten literarisch bearbeiteten. (29) An dieser Stelle drängt sich hierzu nun die Frage auf, wann und wie es genau zur ersten Überführung des domestizierten Kamels (Camelus dromedarius) in den altägyptischen Hausstand gekommen sein wird. Die These, welche hier diesbezüglich dazu aufgestellt wird lautet wie folgt : Das Kamel wurde zeitgleich mit dem Pferd von den Ägyptern in den Hausstand überführt. James Henry Breasted äußerte sich hinsichtlich der ersten Einführung des Pferdes wie folgt : "Unter den Hyksos war das Pferd nach Ägypten eingeführt worden, und jetzt [in der Zeit des Pharao Ahmose und Amenhotep I.) zum ersten mal besaßen die ägyptischen Heere eine große Menge von Kriegswagen. Kavallerie, im heutigen Sinne des Wortes, wurde nicht verwendet. ... [aber] die Ställe des Königs füllten sich mit Tausenden der besten Pferde, die es in Asien gab." (30) Tatsächlich bedeutet die altägyptische Glyphe des Pferdes sinngemäß soviel wie "Herrscher der Fremden" und war oftmals mit dem Zusatz "das Schöne" versehen worden. Daher las sich der altägyptische Name des Pferdes gewöhnlich wie folgt : Das Schöne der Herrscher der Fremden. (31) Die für das Pferd verwendete Glyphe "Herrscher der Fremden" kann sich mit Breasted nur auf die Hyksos beziehen. Diese Herkunft des Pferdes hatte sich demnach in der altägyptischen Schriftlichkeit niedergeschlagen und die ältesten ägyptischen Artefakte, welche das Pferd darstellen, stammen aus der Zeit der späten 17. und frühen 18. Dynastie (um 1500 v. Chr.). (32) Die Datierungen der ältesten Artefakte bestätigen demnach also die durch Breasted vertretene Auffassung, wonach die thebanischen Fürsten im Zuge der Befreiungskriege gegen die Hyksos am Ende der 2. Zwischenzeit viele Pferde erbeutet hatten und diese in dieser Zeit als Nutztiere in ihren Hausstand an überführten. (33) Dieselbe Art und Weise der Überführung wird hier für das Kamel angenommen, welches Budka zufolge ebenfalls durch die Hyksos nach Ägypten eingeführt worden war. (34) Dies sei hier im weiteren wie folgt belegt : Die altägyptische Schreibweise für den Namen Kamel lautet Kamal bzw. Kamaliu im Plural und findet sich insbesondere bei Francois Chabas (35) und William Houghton (36), sowie in dem von Ernest Wallis Budge erstellten Wörterbuch der ägyptischen Hieroglyphen (37) dargestellt und sei hier im Anhang nochmals gezeigt. Hinsichtlich des hier vertretenen Standpunktes, wonach das domestizierte Kamel von den Ägyptern zunächst ebenfalls aus den Beständen der besiegten Hyksos übernommen wurde, erwies sich eine Vase als bedeutungsvoll, welche Auguste Mariette 1869 im Tempel des Osiris zu Abydos entdeckte. Auch dieses Fundstück sei hier im Anhang vorgestellt. (38) Budka sagt über das von Mariette in Abydos gefundene Fayencegefäß aus, dass dieses "eindeutig als Dromedar anzusprechen" sei, datiert dasselbe jedoch in den Zeitraum 1300 - 500 v. Chr. (19. - 26. Dynastie). (39) Die bei Budka genannte Datierung setzt jedoch zu spät an, wie der bei Mariette gezeigte Beifund, sowie der Reiter des Dromedars sehr deutlich erkennen lassen. Zunächst ist es wichtig zu beachten, dass Mariette in derselben Fundlage eine Reihe von Skarabäen der Hyksos Könige entdeckte, welche er dem Dromedar auf Platte 40, Nr. F - L und R - T dementsprechend zur Seite stellte. Unter diesen befinden sich die Skarabäen der Hyksos Könige Maaibre Scheschi (F) und Aapethi Seth Nubti (R), sowie der des Seth-Ra (T). (40) Zudem ist der Reiter des Dromedars (U) eindeutig als Angehöriger der Hyksos bzw. Syrer zu identifizieren, wie sich anhand eines Abgleiches mit den Darstellungen auf den Wandmalereien in den Gräbern TT 63 (Sebekhotep) zu Theben (41), sowie des Chnumhotep II in Beni Hasan (42) leicht feststellen lässt. Die in der Gestalt eines Dromedars gefertigte Fayence (U) wird demnach in der Zweiten Zwischenzeit (1648 - 1530) entstanden sein. Nun befand sich Abydos nicht im damaligen Herrschaftsgebiet der Hyksos Könige, weshalb sowohl die im dortigen Tempel des Osiris entdeckte Fayence (U), als auch die in derselben Fundsituation zu Tage getretenen Skarabäen der Hyksos Könige (F - L u. R - T), als Beutestücke dorthin gelangt sein werden. (43) Der Zeitpunkt, in welchem es zu der Erbeutung dieser Stücke kam, sei hier im weiteren wie folgt näher bestimmt. Unter den Skarabäen, welche Mariette 1869 in der gleichen Fundlage wie die Fayence des Dromedars entdeckte, befand sich auch jener des Hyksos Königs Aapethi Seth Nubti (T). (44) Diesem Gott Seth von Nubt hatte der ägyptische Pharao Thutmosis I. (1504 - 1492) ebendort bei Naqada einen Tempel errichtet, wie seine dort gefundene Stele (Cairo JE 31881) bezeugt. (45) Auch im Tempel des Seth zu Nubt fanden sich zahlreiche Skarabäen der Hyksos Könige (46), sowie das Fragment einer Stele des Hyksos Königs Aapethi Seth Nubti (Manchester Museum, Inv. Nr. 4565). (47) Diese Stele zeigt im Kopfteil eine geflügelte Sonnenscheibe und rechts davon ein weidendes Kamel. Dazwischen finden sich zwei weitere Köpfe dargestellt, welche nicht etwa als die Köpfe von Straußenvögeln anzusprechen sind, sondern hier ebenfalls als Kamele identifiziert werden. (48) Dies ergibt sich anhand der aus Elfenbein gefertigten Stäbe, welche Dows Dunham in einem königlichen Grab in El Kurru bei Napata entdeckte. Diese im Grab Ku. 72 entdeckten Stäbe (Ku. 19-3-1553) waren um 701 - 690 v. Chr. einer unbekannten Königin als Grabbeigabe mitgegeben worden und zeigen deutlich die auf gestreckten Hälsen befindlichen Köpfe von Kamelen. (49) Diese als Kamele gestalteten Stäbe (Ku. 72, 19-3-1553) ermöglichen einen zuverlässigen Abgleich mit den auf dem Fragment der im Tempel von Nubt gefundenen Stele (Manchester Museum # 4565) gezeigten Kamelköpfe und werden hier deshalb im Anhang gezeigt. Da es sich bei den auf dem Fragment der Stele von Nupt (Manchester Museum # 4565) gezeigten beiden Köpfen vermutlich um einen Teil des Names des Hyksos Königs Aapethi Seth Nubti handelt, wird eine Variante der ägyptischen Glyphe für Kamel auch sinngemäß mit "Seth von Nubien" übersetzt werden dürfen. (50) Die Fundlage im Tempel des Seth von Nubt bei Naqada (51) weist gleich in mehrfacher Hinsicht deutliche Parallelen mit derjenigen im Tempel des Osiris zu Abydos auf. Da eine Kartusche bezeugt, dass der Tempel des Osiris zu Abydos durch den ägyptischen Pharao Ahmose (1550 - 1520) errichtet worden ist, wird hier angenommen, dass die Fayence in der Gestalt eines Dromedars in der Zeit der Pharaonen Ahmose und Thutmosis I. (1540 - 1490) als Teil einer größeren Beute nach Abydos gelangt sein wird. Dies wird hier zugleich als derjenige Zeitraum angesehen, in welchem die Ägypter von den Hyksos erstmals eine größere Anzahl an Kamelen erbeuteten. Demnach wird hier also der von Francois Chabas formulierte Standpunkt erneuert, wonach das Kamel bereits in der Frühzeit des Neuen Reiches erstmalig von den Ägyptern in den eigenen Hausstand überführt worden ist. (52) Dies bedeutet im Ergebnis, dass das Kamel von den Ägyptern etwa zeitgleich wie das Pferd erstmals im Hausstand der Hyksos erbeutet, übernommen und domestiziert wurde. (53) Um 1300 v. Chr. begann der neue Hausstand des Dromedars in Ägypten allgemein zu werden. Ganz im Gegensatz zur altägyptischen Literatur, erfuhr das Kamel im ägyptischen Kultus der pharaonischen Zeit jedoch nur an einigen ganz wenigen Plätzen Verehrung, etwa in Nubt, weil es als genügsames, leistungsstarkes Lasttier offenbar die Herrschaft der Hyksos über Ägypten ermöglicht hatte. Dies ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass die Ägypter selbst das Kamel seit etwa 1300 v. Chr. regelmäßig als Lasttier benutzten. Die seither zunehmend allgemeiner werdende eigene Haltung und Nutzung des Kamels geht in Ägypten offensichtlich auf eine Adaption aus dem Kulturkreis der Hyksos zurück und begann damit so wie diejenige des Pferdes. Lolli (28) Aston, David : Die Keramik des Grabungsplatzes Q I, Teil 1, Mainz 1998, S. 246 - 247, Nr. 777 u. Platte IV, Nr. 777. Sowie : Pusch, Edgar : Ein Dromedar aus der Ramsesstadt. In : Ägypten und Levante, Vol. 6, Wien 1996, S. 107 - 118. Sowie : Assmann, Jan : Das Grab des Amenemope (TT 41), Mainz 1991, S. 243, Abb. 3. So auch bereits : Flinders Petrie : Gizeh and Rifeh. In : British School of Archaeology in Egypt (BSAE), London 1907, S. 23 u. Platte XXVII. Derselbe zudem : Flinders Petrie, William Matthew ; Quibell, James : Naqada and Ballas 1895, London 1896, Platte LI, Nr. 18 (1475 Camel mark on Pottery). (29) Chabas, Francois : Le Chameau chez les Égyptiens. In : Chabas, Francois : Études sur l'antiquité historique d'après les sources Égyptiennes et les monuments réputés préhistoriques, Paris 1872, S. 404 - 413. Sowie : Houghton, William : Was the Camel known to the ancient Egyptians ? In : Proceedings ot The Society of Biblical Archaeology, Vol. XII, London 1890, S. 81 - 84. Siehe dazu : Erman, Adolf : Die Geschichte des Schiffbrüchigen. In : Zeitschrift für Ägyptische Sprache und Altertumskunde, Bd. 43, Leipzig 1906, S. 1 - 26. (30) Breasted, James Henry : Geschichte Ägyptens. Übersetzt von Hermann Ranke, Nachdruck der 2. Aufl. Wien u. Zürich 1954, Stuttgart 1978, S. 157. (5. Buch, Kap. 13) Siehe dazu auch bei : Boessneck, Joachim : Die Tierwelt des Alten Ägyptens, München 1988, S. 79 - 80. (31) Das Alte Ägypten - Tierlexikon, Artikel Pferd, unter : https://www.aegypten-geschichte-kultur.de/pferd . (32) Winlock, Herbert Eustis : A new Egyptian Room. In : The Metropolitan Museum of Art Bulletin, Vol. 11, Nr. 4, New York 1916, S. 86. Siehe dazu : Hayes, William : The Scepter of Egypt, Vol. 2, The Hyksos Period and the New Kingdom 1675 - 1080 BC, 4. Aufl. New York 1990, S. 313 - 315, Fig. 195 u. 197. (Hier jedoch mit Datierung in die 18. Dynastie) (33) Breasted, James Henry : Ebenda, Stuttgart 1978, S. 157. Siehe dazu : Boessneck, Joachim : Ebenda, München 1988, S. 79. (34) Budka, Julia : Das einhöckrige Kamel (Camelus dromedarius) - Lastschiff der Wüste, In : Kemet 13, Nr. 4, Berlin 2004, S. 40. (35) Chabas, Francois : Ebenda, Paris 1872, S. 404 - 413. (36) Houghton, William : Ebenda, London 1890, S. 81 - 84. (37) Budge, Ernest Alfred Wallis : An Egyptian hieroglyphic dictionary with King List, Vol. 2, London 1920, S. 788. (38) Mariette, Auguste : Abydos : description des fouilles, ecécutées sur l'emplacement de cette ville, Tome 2, Paris 1880, S. 54 u. Planche 40. Siehe dazu : Budka, Julia : Ebenda, Berlin 2004, S. 40, Abb. 2. (39) Budka, Julia : Ebenda, Berlin 2004, S. 40, Abb. 2. (40) Mariette, Auguste : Ebenda, Tome 2, Paris 1880, Planche 40, Nr. F - L u. R - T Zu diesen Skarabäen der Hyksos Könige siehe : Budge, Ernest Alfred Wallis : Ebenda, Vol. 2, King List, London 1920, S. 929, No. 229 u. 242. (41) Roehrig, Catharine : Hatshepsut, from Queen to Pharaoh, New York 2005, S. 61, Fig. 22 (BM EA 37991). (42) Förster, Frank : Der Abu Ballas-Weg. Eine pharaonische Karawanenroute durch die Libysche Wüste, Köln 2015, S. 390, Tafel 31 (Zeichnung von : Percy Edward Newberry 1893). (43) Mariette, Auguste : Ebenda, Tome 2, Paris 1880, S. 54 u. Planche 40, Nr. U (Dromedar Fayence), sowie Nr. F - L u. R - T (Skarabäen der Hyksos Könige). (44) Mariette, Auguste : Ebenda, Tome 2, Paris 1880, Pl. 40, Nr. T. Siehe dazu : Budge, Ernest Alfred Wallis : Ebenda, Vol. 2, King List, London 1920, S. 929. (45) Flinders Petrie, William Matthew ; Quibell, James Edward : Naqada and Ballas 1895, London 1896, S. 67 u. Platte LXXVII (Stele des Thutmosis I.) (46) Flinders Petrie, William Matthew ; Quibell, James Edward : Ebenda, London 1896, Platte LXXX, Nr. 1 - 75 u. Platte LXXXI, Nr. 76 - 151 (Skarabäen und Siegel der Hyksos Zeit) (47) Lansberry, Joan Ann : Pieces likely to be from Set's Temple at Naqada, Fragment from Stela, Manchester Museum # 4565. Online verfügbar unter : http://www.joanlansberry.com/setfind/stele18d.html mit einer Zeichnung des Fragmentes dieser Stele Manchester Museum 4565 in : Lansberry, Joan Ann : Images of Seth. Changing Impressions of a Multi-faceted God, Oxford 2014. (48) Lansberry, Joan Ann : Ebenda, Manchester Museum, # 4565. Siehe dazu erneut : Lansberry, Joan Ann : Ebenda, Oxford 2014 (Zeichnung des Fragmentes der Stele, Standort Manchester Museum, Inv. Nr. 4565). (49) Dunham, Dows : The Royal Cemeteries of Kush, Part I, El-Kurru, Cambridge 1950, S. 108, Fig. 35 H, sowie Platte XXXVI (Ku. 72, Ivories 19-3-1553, B 3723) (50) Budge, Ernest Alfred Wallis : Ebenda, Vol. 2, King List, London 1920, S. 929. Sowie : Mariette, Auguste : Ebenda, Tome 2, Paris 1880, S. 54 u. Pl. 40, Nr. T (Aapethi Seth Nubti) (51) Flinders Petrie, William Matthew ; Quibell, James Edward : Ebenda, London 1896, S. 65 - 70 u. Platten 77 - 81. Sowie : Lansberry, Joan Ann : Ebenda, Oxford 2014. (52) Chabas, Francois : Ebenda, Paris 1872, S. 413. (53) Breasted, James Henry : Ebenda, Stuttgart 1978, S. 157. Siehe dazu : Boessneck, Joachim : Ebenda, München 1988, S. 79.
> Antwort auf Beitrag vom: 14.05.2022 um 15:23:11
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