Ägyptologie-Blatt

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Geste Kairos gegenüber der Schweiz
Vertrag zur Ausleihung ägyptischer Grabschätze nach Basel
Von Gitta am 07.10.2003 um 23:28:06 

«Als der Direktor des Antikenmuseums Basel vor ein paar Jahren Stücke unserer Tutanchamun- Sammlung ausleihen wollte, habe ich ihn für verrückt erklärt», erzählte der Chef der ägyptischen Antikenbehörde, Zahi Hawwas, den Gästen des Schweizer Botschafters in Kairo am Sonntagabend. Die geladenen Spitzen des Basler und des Kairoer Museums erinnerten sich nur allzu gut an die erste harsche Absage Hawwas' und lachten schallend. Die Unstimmigkeiten sind längst aus dem Weg geräumt, und es konnte ausgiebig gefeiert werden. Am Sonntagvormittag war nach dreijährigen Verhandlungen der Vertrag zum Verleih von 120 kostbaren pharaonischen Grabbeigaben für eine sechsmonatige Ausstellung im Antikenmuseum Basel ab kommendem April unterzeichnet worden. Alle Stücke stammen aus den Gräbern im Tal der Könige in Luxor; fünfzig sind Glanzstücke der Grabbeigaben des jung verstorbenen Königs Tutanchamun.

Wiedergutmachung für das Massaker
Das letzte Mal seien GrabschätzeTutanchamuns im Ausland vor 25 Jahren zu sehen gewesen, sagte der Leiter der Abteilung ägyptische Kunst des Basler Museums, André Wiese. Tatsächlich herrscht heute unter den ägyptischen Archäologen und Nationalisten der Konsens, kein Stück des einzigen vollständigen - und als künstlerisch einmalig geltenden - Grabschatzes ausser Landes zu geben. Bei den Schweizern sei eine Ausnahme gemacht worden, weil die Ägypter an ihnen etwas gutzumachen hätten, erklärte nun Mamduh Fauzi, ein ägyptischer Geschäftsmann, welcher den Baslern drei Jahre lang als Chefunterhändler gedient hatte. Unverzüglich nach dem Massaker von Luxor, bei dem 1997 unter anderen auch 36 Schweizer Touristen von Islamisten niedergemetzelt worden waren, habe sich Ägyptens Gesellschaft Gedanken um eine mögliche Bereinigung der äusserst getrübten Beziehungen zur Schweiz gemacht. Bald sei die Idee einer Ausstellung pharaonischer Meisterwerke in der Schweiz entwickelt worden. Auf den Einfall, dass «König Tut» mit von der Partie sein müsse, sei jedoch erst seine Frau Samira gekommen, berichtet Fauzi.

Samiras Vorschlag stiess in Basel auf Begeisterung. Offensichtlich fand er auch die Zustimmung der ägyptischen Führung, und die Antikenbehörde erhielt nun grünes Licht für die Ausarbeitung des Vertrages mit Basel. Dort befindet sich seit 2001 die grösste Abteilung für ägyptische Kunst in der Schweiz. Für die geplante Ausstellung werden die Säle nicht nur leer geräumt, sondern ausgebaut werden. Man erwarte zwischen April und Oktober 2004 eine halbe Million Besucher aus ganz Europa, erläuterte der Konservator Wiese. Deshalb mache man Nägel mit Köpfen und werde den Besuchern neben der Ausstellung auch den Nachbau des Tutanchamun-Grabes, welches der Engländer Howard Carter 1922 praktisch unversehrt entdeckte, zeigen.

Wissenschaftlicher Ehrgeiz
Man wolle sich keineswegs auf den Lorbeeren, welche das Zeigen der Grabbeigaben des Publikumslieblings König Tut verspreche, ausruhen, sagte Wiese weiter. Das Antikenmuseum verfolge auch wissenschaftliche Ziele; so solle dem Besucher gezeigt werden, wie überhaupt ein kompletter königlicher Grabschatz vor 3500 Jahren ausgesehen habe. Dazu gehört die Belehrung, dass es praktische Beigaben wie die komplette Garderobe inklusive Perücke und magische Beigaben wie die kleinen Uschebti-Figuren gab, welche sich anstelle des Verstorbenen melden sollten, wenn dieser im Jenseits zur Arbeit aufgerufen wurde.

Zwei Monate lang haben die Fotografen und der Chefrestaurator des Basler Museums die ausgesuchten Objekte in Bild und Schrift aufgenommen. Aus ihrer Arbeit sollen ein 400-seitiger Katalog und das Plakat zur Ausstellung entstehen. Natürlich wird darauf König Tut abgebildet sein - allerdings nicht mit seiner berühmten Goldmaske, welche in Kairo bleibt, sondern anhand eines Alabasterkopfes eines seiner Eingeweidegefässe, der Kanopen. Mit rot gefärbten Lippen und kohlengeschwärzten Augen lächelt das durchscheinende Gesicht Tutanchamuns auch heute noch so heiter- sanft, als wolle es uns der im Jenseits herrschenden Wonne und Glückseligkeit versichern.

Quelle
NZZ online



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