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   Ägyptische Götterwelt (282)
   Fragen zu 'Synkretismus' (19)
  Autor/in  Thema: Fragen zu 'Synkretismus'
Irjnefer_d.J.  
Gast

  
Fragen zu 'Synkretismus' 
« Datum: 26.02.2004 um 11:48:44 »     

Hallo,

folgende Fragen:
- Sind Amun und Amun-Re   z w e i   Gottheiten ?
- Sind sie gleichrangig ?
- Wird Amun der neue Götterkönig über Ägypten und / oder
 der neu synkretisierte Amun-Re ?

Vielen Dank,
Grüße

Irjnefer d.J.
heka-waset  maennlich
Member



Re: Fragen zu 'Synkretismus' 
« Antwort #1, Datum: 26.02.2004 um 18:42:39 »   

Hallo!

Amun und Re sind zwei Gottheiten, ja. Bei den ägyptischen Göttern funktioniert das im Grunde wie bei umkehrbaren chemischen Reaktionen. Es können zwei Götter eine Verbindung eingehen, one völlig im anderen aufzugehen und ohne selbst aufgegeben zu werden. Re war ein Gott, der besonders viele Verbindungen einging, z.B. Amun-Re, Sobek-Re, Re-Harachte usw. trotzdem wurde er weiterhin auch als  Re, Herr des Himmels, verehrt und z.B. im Amduat köme man nicht auf die Idee von Amun-Re oder Re-Harachte zu sprechen, hier ist es Re. Im Übrigen wird das Bild der Verschmelzung zweier Gottheiten im Amduat um eine weitere Facette erweitert- osiris und Re vereinigen sich Nacht um Nacht als Ba und Leichnam zum "Vereinigten"

Die Frage nach dem Königtum der Götter: Amun war der König der Götter, aber auch Amun-Re, genauso wie Re-Harachte und so weiter. Was wir heute so pauschal als König der Götter bei den Ägyptern bezeichnen ist nicht zu vergleichen mit der Stellung eines Zeus in der griechischen Mythologie...

Amun häufte ab dem Neuen Reich immer mehr Attribute auf sich und wurde so immer mehr zu einem universalen Gott, das machte ihn zum großen Gott - außerdem seine enge Verbundenhiet zum König.
> Antwort auf Beitrag vom: 26.02.2004 um 11:48:44  Gehe zu Beitrag
Gitta  
Gast

  
Re: Fragen zu 'Synkretismus' 
« Antwort #2, Datum: 26.02.2004 um 22:18:45 »     

Hallo Irjnefer_d_J,

mit Synkretismus hat die Verschmelzung von Göttern in Ägypten m.E. wenig zu tun. Im Laufe der Jahrtausende wurden viele ägyptische Gottheiten mit den unterschiedlichsten Aspekten immer wieder neu ausgestattet. Die Religion aber blieb die gleiche.

Nach Wilkinson "Die Welt der Götter" (S. 92ff) wird Amun zum ersten Mal in den Pyramidentexten erwähnt (PT 446). Als Lokalgott in Theben taucht er mindestens seit der 11. Dynastie auf, als vier Herrscher den Namen Amenemhet annahmen. Im Laufe von anderthalb Jahrhunderten verdrängte Amun den alten Gott dieser Region, Month, und die Vormachtstellung der thebanischen Könige im MR und NR beförderte ihn schließlich (als kombinierten Amun-Re) in die Position des höchsten Gottes im ägyptischen Pantheon..... Amuns Charakter entwickelte sich im Laufe der Jahrtausende zu dem einer bunten, facettenreichen Persönlichkeit. Die Ägypter selbst nannten ihn "Amun ascha renu" oder "Amun, reich an Namen", und gänzlich verstanden werden kann der Gott nur von den vielen Aspekten her, die in ihm vereint waren..... Seit dem MR wurde der Gott als "Herr der Throne der Beiden Länder" bezeichnet. Das erste bekannte Beispiel für Amuns Titel "König der Götter" erscheint auf der Weißen Kapelle Sesostris' I. in Karnak; danach wird der Titel häufig verwendet. In eben dieser Rolle als göttlicher König wurde er auch "Oberhaupt der Götter" genannt.

Es gibt also keinen "Rangunterschied" zwischen Amun und Amun-Re.

Gitta
> Antwort auf Beitrag vom: 26.02.2004 um 11:48:44  Gehe zu Beitrag
Irjnefer_d.J.  
Gast - Themenstarter

  
Re: Fragen zu 'Synkretismus' 
« Antwort #3, Datum: 27.02.2004 um 13:52:47 »     

Hallo Gitta und Heka-waset,

verstehe ich recht, man hat also  n i c h t   Amun und Amun-Re als zwei separate Gottheiten angebetet, sondern Amun auch in seiner Funktion / seinem Wesen als Amun- R e  ?

Wie war das mit Ptah-Sokar-Osiris ? Nur eine Unter-Form des Osiris ?

Viele Grüße

Irjnefer d.J.
> Antwort auf Beitrag vom: 26.02.2004 um 22:18:45  Gehe zu Beitrag
heka-waset  maennlich
Member



Re: Fragen zu 'Synkretismus' 
« Antwort #4, Datum: 27.02.2004 um 15:50:57 »   

Also das ist schwer zu sagen....Amun und Amun-Re sind natürlich nur eine Gottheit, genau wie Amun-Min usw. der Zusatz Re zeigt Amun in seinem Aspekt als solare Gottheit, er nimmt Wesenheiten des Sonnengottes an usw.

Ptah-Sokar-Osiris ist sozusagen die Sonderform des Osiris in Skarra wenn man so will, er ist eine Form des Osiris UND des Ptah UND des Sokar. Ptah von Memphis tritt hier als Totengott auf usw.

Ägyptens Religion ist schwerlich mit einer anderen zu vergleichen
> Antwort auf Beitrag vom: 27.02.2004 um 13:52:47  Gehe zu Beitrag
Gitta  
Gast

  
Re: Fragen zu 'Synkretismus' Goetter0001.zip - 890 KB
« Antwort #5, Datum: 29.02.2004 um 01:20:43 »     

Die Fragen sind tatsächlich nicht mit wenigen Sätzen zu beantworten und ich war eigentlich der Meinung, dass die Bezeichnung "Unter-Form" in Bezug auf ägyptische Gottheiten nicht gelten könnte. Bei Wilkinson ist jedoch zu lesen, dass man anhand der Form der Namenszusammensetzung festgestellt hat, dass "der Name des Ortsgottes häufig dem des auswärtigen und normalerweise bedeutenderen Gottes vorangestellt wird". Die Macht und das Ansehen des wichtigeren Gottes wird an die unbedeutendere Gottheit weitergegeben. Insofern ist die Bezeichnung "Unter-Form" zwar nicht ganz korrekt, aber sie geht irgendwie in die Richtung. Wilkinson spricht in diesen Fällen, ebenso wie Bonnet, auch von Synkretismus. Ich verstehe Synkretismus als die Vermischung verschiedener Religionen und war daher der Ansicht, man könne diesen Begriff hier nicht anwenden, was wohl nicht der Fall ist.

Zum Nachlesen der äusserst schwer nachzuvollziehenden Gottesvorstellungen der Ägypter hänge ich die Artikel "Amun" und "Osiris" aus Bonnets Religionslexikon als gezipte PDF an diesen Beitrag an (ca. 900 KB). Vielleicht hilft's ein bisschen.

In den Zusammenhang kann ich vielleicht auf die Intef-Stele in Iufaa's Fotoalbum verweisen. Hierbei soll es sich um die erste schriftliche Erwähnung des Namens Amun-Re in Karnak handeln.

Gitta

PS: Drunter steht sogar der Titel nb pt, wenn ich mit nicht irre, "Herr des Himmels". Ist mir erst heute aufgefallen (heute Nacht war bei mir wohl schon ziemlich die Luft raus )
« Letzte Änderung: 29.02.2004 um 11:12:08 von Gitta »
> Antwort auf Beitrag vom: 27.02.2004 um 15:50:57  Gehe zu Beitrag
heka-waset  maennlich
Member



Re: Fragen zu 'Synkretismus' 
« Antwort #6, Datum: 29.02.2004 um 11:38:06 »   

Für den Begriff Synkretismus setzen sich auch Hornung und Assmann ein.

Hornung z.b. in "Der Eine und die Vielen", "Geist der Pharaonenzeit" usw.

Assmann in seinem Buch "Ägypten- Theologie und Frömmigkeit einer frühen Hochkultur"

« Letzte Änderung: 20.12.2005 um 00:32:14 von heka-waset »
> Antwort auf Beitrag vom: 29.02.2004 um 01:20:43  Gehe zu Beitrag
Irjnefer_d.J.  
Gast - Themenstarter

  
Re: Fragen zu 'Synkretismus' 
« Antwort #7, Datum: 29.02.2004 um 12:08:48 »     

Liebe Gitta (- danke für Deine Mühe !-), lieber Heka-waset,

den Begriff "Synkretismus" wird irgendein Ägyptologe für diese Götternamenskonjugationen geprägt haben. Ist im Falle Amun-Res aber vielleicht auch nachvollziehbar: Mag dies doch eine gewisse synkretistische Verbindung der Lehre von Helioupolis ( Re ) und der neuen Lehre von Theben ( Amun ) darstellen !.. (!?)

Viele Grüße

Irjnefer d.J.
> Antwort auf Beitrag vom: 29.02.2004 um 11:38:06  Gehe zu Beitrag
Gitta  
Gast

  
Re: Fragen zu 'Synkretismus' 
« Antwort #8, Datum: 29.02.2004 um 17:09:22 »     

Ja, ich denke, das ist so gemeint.

Und folgt man Wilkinson (der sich bei dieser Schlussfolgerung wiederum auf Hermann Junker beruft), dann ist es Re, der Amun seine eigene Macht verleiht.

Gitta
> Antwort auf Beitrag vom: 29.02.2004 um 12:08:48  Gehe zu Beitrag
Tahemet  weiblich
Member



Re: Fragen zu 'Synkretismus' 
« Antwort #9, Datum: 12.03.2004 um 16:20:22 »   

Ich denke mal sollte hier aufpassen damit man die Begriffe Synkretismus und Aspekt nicht verwechselt

Bei Ra-Harachte oder Amun-Ra handelt es sich um einen Synkretismus: 2 eigenständige Götter wurden zu einem "neuen" zusammengebaut.

Bei Bast-Sakhmet-Hethert hat man es jedoch mit 3 Aspekten einer Gottheit zu tun


> Antwort auf Beitrag vom: 27.02.2004 um 15:50:57  Gehe zu Beitrag
Irjnefer_d.J.  
Gast - Themenstarter

  
Re: Fragen zu 'Synkretismus' 
« Antwort #10, Datum: 13.03.2004 um 12:16:44 »     

Hallo Tahemet !

Und zwar   w e l c h e r   Gottheit ?

Gruß
Irjnefer d.J.
> Antwort auf Beitrag vom: 12.03.2004 um 16:20:22  Gehe zu Beitrag
Tahemet  weiblich
Member



Re: Fragen zu 'Synkretismus' 
« Antwort #11, Datum: 14.03.2004 um 16:20:20 »   

Letztendlich sind in der Monolatrie alle Götter/-innen Manifestationen einer Gottheit bzw. göttlichen Kraft - bei den Ägyptern "Netjer".
Es gibt keine direkte übergeordnete Göttin für Hethert/Bast/Sakhmet - es sind nur 3 verschiedene Manifestationen  - so ähnlich (und nur so ähnlich) wie die Dreieinige Göttin der Kelten, die man sich als Jungfrau, Mutter oder weise alter Frau vorstellte.
> Antwort auf Beitrag vom: 13.03.2004 um 12:16:44  Gehe zu Beitrag
Gast_A.  maennlich
Member



Re: Fragen zu 'Synkretismus' 
« Antwort #12, Datum: 15.03.2004 um 01:56:51 »   

Hallo!

Mehrfach ist hier zwischen Amun und Amun-Re unterschieden (beide Namen sollen nach Heka-Waset „natürlich nur einen Gott“ bezeichnen;) oder von Rangunterschieden gesprochen worden. Was bei den Erklärungen ignoriert wird, ist die real-kultische Situation in der derartige Konstellationen (Amun vs. Amun-Re, Ptah vs. Ptah-Sokar-Osiris usw.) begegnen:

Grundlegend zum Verständnis der ägyptischen sogenannten „Bindestrichgötter“ (Amun-Re, Ptah-Sokar-... usw.) ist immer die Raum-Zeit-Situation und der konkrete Handlungsrahmen in denen diese Götter agieren und ohne die wir ihre Epitheta nicht deuten können. Die Epitheta enthalten meist „Ausschnitte“ der zyklisch und temporär ablaufenden „Einwohnung“ (so wird das Phänomen der „Phasenidentität“ etwa bei E. Hornung „Der eine und die Vielen“. Darmstadt 1971 genannt). Sie können also nicht auf eine Phase reduziert werden, da dies die Epitheta aus ihrem kultischen Rahmen (Kontext) lösen würde. Wenn wir von „dem“ Amun oder Amun-Re sprechen, müssten wir immer konkretisieren welchen Amun, welcher kultischen Raum-Zeit-Situation wir konkret meinen. Dasselbe gilt für alle anderen Götter/Göttinnen.

Um das System der „Götterverbindungen“ zu verstehen muss man berücksichtigen, dass die ägyptische Götterwelt sich in zwei grundsätzliche Gruppen unterscheidet:

a) die  Hochgötter (= Götter der Großen Neunheit)
b) die sogenannten dii minores („kleine Götter“ = Götter der Kleinen Neunheit)

Nur die Hochgötter sind kosmisch begründet. Die kleinen Götter sind überwiegend handelnde Erscheinungsformen der großen Götter, theologisch ihre Sohn- und Tochterformen und in den Tempelhöfen als Statuen sichtbar.
Die Hoch- und Nebengötter (auch „Funktionsgötter“ genannt) agieren nun im Tempel in einer streng festgelegten Abfolge von Kosmogonie-Abläufen, bei denen die Schöpfung der Welt (die Situation des „Ersten Males“) rituell wiederholt wird. Dabei drücken sich in ihren Namensbildungen (Epitheta usw.) die Stadien und Zustände der Kosmogonie aus, in denen sie gerade aktiv sind. Diese Stadien werden v.a. von den Lichtverhältnissen bestimmt (Nacht, Dämmerung, Tag, Eintritt in den Sonnenschatten etc.). Je nach einem spezifischen Zeitpunkt innerhalb des kultischen Ablaufs werden die Götter wiederum phasenidentisch mit anderen Göttern der Großen Neunheit (kosmische Hoch-/Urgötter). Das führt zu variablen und wechselnden ägyptischen Götterverbindungen – unzutreffend mit Synkretismus umschrieben – zu den sogenannten „Bindestrichgöttern“.
Amun etwa ist Lokalgott von Karnak (als „König der Götter, Herr von Theben“). Von diesem zu trennen ist aber der überregionale Amun des Königstempels (dort neben den Schöpfungsgöttern Re und Ptah und genealogisch der thebanische Vatergott des lokalen Amun von Karnak). Dieser wiederum muss unterschieden werden in den chtonisch-unsichtbaren Ur- und Hochgott Amun der Schöpfungsebene des „Ersten Males“ also der Situation des nächtlichen Rituals (vgl. etwa den mumiengestaltigen also inaktiven Amun aus Raum 31 in Medinet Habu) und dem sichtbar-aktiven solaren Amun (Amun-Re) als kosmischer Himmelsgott. So erfolgt etwa am Morgen die „Phasenidentität“ des unsichtbaren Urgottes (Allherrn) Amun mit dem solaren Hochgott (Re) zu Amun-Re in der Hochanlage des ägyptischen Tempels (durch das Emporheben der Statuen auf dem Tempeldach bzw. in der Re-Kammer realisiert).

Wenn ich von Trennung zwischen Amun, Amun-Re usw. gesprochen habe, so ist hier keine physische Trennung gemeint. Eine Formel wie zB. „Amun-Re, Stier seiner Mutter, Herr des Himmels, König der Götter, Herr von Karnak“ beschreibt dynamisch den Urgott (Amun, Stier seiner Mutter), den sichtbar kosmisch begründeten Himmelsgott (Amun-Re) und den Lokalgott von Karnak (Amun, König der Götter, Herr von Karnak). Die wenigen Worte drücken somit den gesamten zyklischen Ablauf der Kosmogonie und die Transformation vom Urgott, zum solaren Hochgott zur irdisch aktiven Sohnform aus.
Alle diese Amun-Götter gehören theologisch verschiedenen Generationen (Vater-/Sohngottheiten) an und wurden kultisch eigenständig durch ein differenziertes Personal am Tempel bedient. Die diversen Kultplätze der thebanischen Amun-Götter waren durch die Prozessionszüge inhaltlich miteinander verbunden. In der Kosmogonie am Tempel von Karnak agierten sie jedoch in den Ritualen zusammen in verschiedenen Ebenen als Sohn- und Vatergottheiten, was sich dann eben in solchen komplexen Epitheta-Ketten ausdrücken kann (die einzelnen Elemente der Epitheta-Ketten werden von Ägyptologen leider gern als hohle Phrasen betrachtet und als sinnentleerte Lobeshymnen auf „die eine“ Gottheit gewertet, ohne ihren dynamisch-zyklischen Inhalt zu erkennen).

Entscheidend ist hier also hinter den Epitheta den dynamischen Kosmogonie-Prozess zu sehen, der in einer Formel verschiedene Erscheinungsformen einer Gottheit benennen kann (ebenso geben zB. Stelen- oder Ostrakabilder nicht kultische „Momentaufnahmen“ einer Anbetungsszene wieder, sondern enthalten sehr oft Zitate dieses dynamischen Ablaufes).

...
« Letzte Änderung: 15.03.2004 um 02:09:01 von Gast_A. »
> Antwort auf Beitrag vom: 26.02.2004 um 11:48:44  Gehe zu Beitrag
Gast_A.  maennlich
Member



Re: Fragen zu 'Synkretismus' 
« Antwort #13, Datum: 15.03.2004 um 02:07:18 »   

...
Die sogenannten „Bindestrichgötter“ sind aber wesentlich komplexer als es eine simple Addition „Aspekt A + Aspekt B“ erklären würde. Wenn etwa Thot als Thot-Schu begegnet, so sagt dies etwas über eine bestimmte räumlich und zeitlich begrenzte Phase/Situation im Kultgeschehen aus, in der eben Thot als Sohnform des Re (genealogisch auf der Ebene des Schu agierend) zB. im „Mythos vom Himmelsauge“ auftritt. Diese Rolle kann aber kultisch je nach Bedarf ganz verschieden inhaltlich ausgedeutet bzw. ausgefüllt werden. So muss etwa, um die Nilflut aus dem (mythischen) Süden zu holen Thot als Thot-Schu agieren um die mit dem Himmelsauge identifizierte Nilflut und damit die Fruchtbarkeit aus dem Süden nach Ägypten heimzuholen. Die Sohnform des Sonnengottes kann an den Landestempeln durch unterschiedliche Götter ausgefüllt werden, wodurch es dann eben auch zu zahlreichen „Kombinationen“ mit XY-Schu kommen kann. Diesen Akt vollzieht er etwa am königlichen Neujahrsfest bzw. den Sedfesten und agiert damit als königlicher Schöpfungs- und Hochgott. In einem anderen Mythem kann aber Schu bzw. der mit ihm verbundene Gott (zB. Onuris-Schu) eine völlig andere mythologische Bedeutung haben. Lassen wir also den konkreten mythischen Handlungshintergrund einer Gottheit unberücksichtigt kämen wir zu falschen Schlüssen in Bezug auf die „Rolle“ und „Funktion“ einer Gottheit bzw. eines Epithetons.

Die im „Mythos vom Himmelsauge“ ebenfalls wichtige Tochter (Tefnut) bzw. Gemahlin (Hathor) des Sonnengottes, die von XY-Schu beruhigt und aus dem Süden heimgeholt werden muss, kann lokal unterschiedlich besetzt sein. Je nach zeitlicher Phase im Mythos begegnet diese Sonnengott-Tochter/-Gemahlin als (noch) gefähliche Sachmet-Form (löwengestaltig) , als befriedete Göttin (Löwen-/Katzen-/Menschengestaltig) oder schliesslich als menschengestaltige „schöne Göttin“ (Hathor), die mit dem Sonnengott bei der Heimkehr nach Ägypten die heilige Ehe (hieros gammos) eingeht und die Schöpfung neu beginnen lässt. Theologisch übergeordnet wird diese Sonnengottgemahlin auch Isis genannt.
Die zahllosen, landesweit belegten Löwinnenkulte an Wadi-Eingängen bzw. Felsheiligtümern sind zB. lokal durch unterschiedliche Namen charakterisiert (Mut, Pachet, Mehit, Sachmet usw.). Hinter dieser Masse an scheinbaren Einzelkulten muss aber der gemeinsame mythologische Hintergrund gesehen werden. Alle diese Löwinnengottheiten agieren nämlich auf derselben genealogischen Ebene als Tochterformen des Sonnengottes (= Tefnut) und gefährliches Himmelsauge, das erst beruhigt werden muss, um die Ehe mit dem Sonnengott einzugehen. Diese Beruhigung und Erhöhung der Sonnengott-Tochter zur Sonnengott-Gemahlin erfolgte am selben Tempel und über dieselbe Hochgöttin (Hathor/Isis).
In Tempeldekorationen ist diese Rolle der Göttinnen i.d.R. nur über ihre Epitheta feststellbar. Epitheta wie sA.t-Ra (Tochter des Re = Identifizierung mit Tefnut) oder jr.t-Ra (Auge des Re = Ausdeutung des Augenmythos) geben Hinweise auf diese Rolle der jeweiligen weiblichen Gottheit. Während oft einfach nur Hathor genannt wird (häufig in ihrer lokalen Ausprägung; zB. in Dendera Hathor-Iusaas), kann gelegntlich auch diese Rolle durch explizite Bezeichnung als XY-Tefnut oder XY-Sachmet/Bastet verdeutlicht werden.

Wie hieraus hoffentlich erkennbar, geht es primär um ein genealogisches Grundgerüst , bei dem die einzelnen kosmologischen/mythologischen Rollen durch die unterschiedlichen lokalen Vater-, Mutter- und Sohngottheiten ausgefüllt werden. EInzelne Phasen/Stadien in der Kosmogonie bzw. dem Mythem werden dann durch Epitheta oder Bindestrich-Assoziationen ausgedrückt.

Gruß A.

P.S: @Tahemet:

Zitat:
„Letztendlich sind in der Monolatrie alle Götter/-innen Manifestationen einer Gottheit bzw. göttlichen Kraft - bei den Ägyptern "Netjer"

Dies entspricht nicht der Definition von Monolatrie! Du scheinst den Pantheismus zu meinen?! Eine Monolatrie war Ägyptens Theologie sicher nicht (wie erklärst Du dann die Verehrung der zahllosen „anderen“ Götter?). Tatsächlich kann jeder kosmische Hochgott Ägyptens als „Einziger Gott“ bezeichnet werden. Jeder Gott der Großen Neunheit kann als transzendenter Schöpfergott auftreten, der „sich selbst erschafft“. Wenn man eventuell für die Amarnazeit noch einen Henotheismus annehmen kann, so ist sicher nicht davon auszugehen, dass die Ägypter hinter allen Göttern nur das „Ureine“ sahen. Eine letztendliche Reduzierung auf einen pantheistischen Gott oder eine kosmische Kraft ist aber auch nicht gegeben, so dass auch mit dem Begriff Pantheismus vorsichtig umzugehen ist.
> Antwort auf Beitrag vom: 15.03.2004 um 01:56:51  Gehe zu Beitrag
Tahemet  weiblich
Member



Re: Fragen zu 'Synkretismus' 
« Antwort #14, Datum: 15.03.2004 um 06:08:00 »   

@ Gast A
ob die Ägyptische Religion nun ein Monotheismus, Polytheismus, Pantheismus, Henotheismus oder eine Monolatrie ist, kann jeder anhand der ausführlichen Diskussionen zu diesem Thema selbst entscheiden - ich persönlich halte mich mich an Eric Hornungs Ausführungen in "Der Eine und die Vielen"
> Antwort auf Beitrag vom: 15.03.2004 um 02:07:18  Gehe zu Beitrag
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