vor einiger Zeit fiel mir die folgende wunderbare Abbildung in einem Katalog auf. Um was handelt es sich? Wer ist der Gott? Welcher König ist das? Was kann man da lesen?
Es handelt sich um Thutmosis IV. Er führt hier wohl siegreichen Krieg in Vorderasien, da die Darstellung des knienden Besiegten m.E. eher denen von (Vorder)Asiaten als denen von Nubiern entspricht. Der Pharao empfängt ein Sichelschwert (Chepesch-Schwert) von Thebens Gottheit des Krieges und Beschützer der Waffen, d.h. von Month.
Thronname: Mn-xprw-ra Men cheperu Re – „Bleibend sind die Erscheinungsformen/Erscheinungen/Gestalten des Ra“ Beckerath, Handbuch der ägyptischen Königsnamen (1999), 140-141, 8:T1
Geburtsname: DHwtj-msj(w) xaj-xaw Djehutimesiu-chaichau – „Thot ist geboren, und mit (herrlichem) Erscheinen erschienen”* * oder „.. mit Kronen erschienen” (bzgl. seiner Krönung), viell. auch „… mit Herrlichkeit erschienen”, vgl. Wb III 239 nach 3. und Wb III 241.14 bzw. Wb III 241.17-242.2
Text vor Month:
Ssp n=k xpS nTr-nfr Hwj=k tp.w-sAs.t nb.t Nimm dir das Chepesch-Schwert des Guten Gottes, damit du die Bewohner aller Fremdländer* besieg(e)st!
xpS so bei Hannig S. 596 links ganz unten; Wb III 270.1 ff. - Auf der Abb. ist ziemlich sicher T16 zu sehen (Chepesch-Schwert).
Hwj = Wb III 46.1: schlagen (z.B. den Feind mittels Waffe); Hannig 514 (2. Spalte) Nr. 13: besiegen (in Auseinandersetzung)
Imperativ (mit exakt derselben Schreibweise von Ssp n=k „nimm dir!”): Hermann Grapow, Wie die alten Ägypter sich anredeten, Bd. I, Berlin 1939, S. 31
Ähnlich auch bei Günther Roeder, Short Egyptian Grammar, New Haven/London MDCCCCXX (1920), S. 40, § 102:
dort so transkribiert: Ssp n.k Htp-nTr („take to thyself the divine offering!”)
tp.w = zunächst „Köpfe“, vgl. Wb V 263 (Plural)
xAs.t = „Gebirge“, „Bergland“, "Fremdland" (Hannig 584, ); auch „Wüste“ (Wb III 234.14; andere Lesung möglich: smj.t, s. Wb III 444.8)
tp.w-xAs.t = „Bewohner der Fremdländer" / "Wüstenbewohner“/„Bergbewohner”, gebildet analog zu Wb V 292.8 unter tp.j-tA (jüngere Form), d.h. u.a. „die Erdenbewohner“ od. allg. „die Menschen“ (alternativ auch tp.w-smj.t möglich? vgl. Wb III 444.8)
* Allerdings bin ich nicht ganz sicher, ob bei tp.w-xAs.t nb.t das nb.t sich auf xAs.t oder tp.w bzw. auf tp.w-xAs.t insgesamt bezieht, d.h. ob es nun „aller Bewohner der Fremdländer“ oder aber „die Bewohner aller Fremdländer” oder gar „(alle) Bewohner aller Länder” heißen muss. Vielleicht geht aber auch „alle Wüstenbewohner”, da seine Feldzüge v.a. nach Nubien und Vorderasien führten und die Darstellung m.E. einen Besiegten aus Vorderasien zeigt, was vornehmlich von Wüste beherrscht wird, auch wenn es bergige Gegenden dort gibt.
Dann gibt es da m.E. noch etwas:
anx (wAs) anx 100.000 / anx (wAs) anx Hfn(.w) „Leben, (Herrschaft/Glück und nochmals) Leben 100.000 (fach, Jahre)“ alternativ auch: „Leben, Herrschaft/Glück (und nochmals) Leben, Unzählige (Jahre)”
Hfn(.w) „Hunderttausende = Unzählige”, in gebotener Schreibweise inkl. V9 s. Wb III 74 1 u. 7, vgl. TLA Lemma-Nr. 104440, DZA 26718590 und DZA 26719120
Nimm dir* das Sichelschwert, oh vollkommener Gott, damit du besiegst die Oberhäupter** aller Fremdländer ***
* Imperativ, wörtl. "nehme zu dir" (Wb 4, 530) ** Hannig S. 923.6 und Wb 5, 266.9 *** Hannig S. 584.2 und Wb 3, 234.10 (als Plural übersetzt, trotz Singular-Schreibung)
Der Gott unterstützt den König symbolisch, er reicht ihm ein Krummschwert. Mit der anderen Hand verleiht er eine lange Jahresrispe mit einer Kaulquappe (Zeichen für 100.000), sowie zwei Anch-Zeichen und ein Was-Zeichen. Die Symbolik kann gedeutet werden als: Versteckten Text anzeigen...
dj=j n=k Hfn m rnp.wt anx wAs anx
Ich gebe dir 100.000 an Jahren des Lebens und Glücks.
Ssp.n=k "du hast empfangen" oder Ssp n=k "empfange du"? Beides ist an sich grammatikalisch korrekt. Man muss es aus dem Kontext heraus entscheiden. Bei vielen Verben lässt sich der Imperativ nicht vom Infinitiv oder anderen Formen ohne weiteres unterscheiden. Bei der Übersetzung muss man sich von einem Wechselspiel von Syntax und Semantik leiten lassen. Das ist nicht immer einfach und auf jeden Fall nicht eindeutig zu entscheiden.
Was auf dem Armschutz dargestellt ist, ist kein historisches Ereignis, sondern ein Teil der Königsideologie ("Erschlagen der Feinde"), allgemein gültig und zeitlich nicht festgelegt.
H(wj)=k tp.w xAs.t nb.t "(damit) du die Häupter eines jeden Fremdlandes schlägst"
So ist die Vorlage einigermaßen wörtlich übersetzt; gemeint ist allerdings: "die Häupter (Häuptlinge) aller Fremdländer" ("Oberhaupt" Wb V, 266.9). Das nb.t bezieht sich auf das vorhergehende feminine xAs.t.
Das Problem ist, wie schon oft gesehen, die richtige Bestimmung der Zeitform pp. der Verben. Zunächst hatte ich noch Ssp.n=k gesetzt, dann aber von Grapow mich leiten lassen, welcher in seinen Abhandlungen, wie die Ägypter miteinander redeten, haargenau die der vorliegenden Schreibweise entsprechende Imperativform Ssp n=k anführt, und ich davon ausgehe, dass er sicher eine Instanz sein muss für mich, nach der ich mich getrost orientieren kann. Andererseits hätte ich mich durchaus dazu durchringen können, meine ursprüngliche Version zu belassen. Denn, wenn man sich den Text im Kontext mit der Darstellung betrachtet, so hat der Pharao ja bereits sein Schwert in der Hand, so dass man von einer Vollendung mit oder infolge seiner Krönung durchaus ausgehen kann.
Frage: Ist mein Analogieschluss, den ich in Sachen Erdenbewohner pp. (tp.j-tA) in Wb V 292.8 hin zu Wüstenbewohner (tp.w-xAs.t) gezogen hatte, abwegig oder durchaus denkbar? Auch wenn es wohl so ist, dass es für tp.w-xAs.t mit dieser Bedeutung keine Belege gibt?
Ansonsten bin ich schon auf die nächste Aufgabe gespannt.
tp ist ein Substantiv und bedeutet "Kopf", auch in allen möglichen Übertragungen (Wb V, 263 ff). Das gleiche Wort wird auch als Präposition gebraucht (Wb V, 273 ff). Davon ist ein Adjektiv abgeleitet (Nisbe-Adjektiv): tp.j "befindlich auf" usw. (Wb V, 276 ff). tp.j-tA ist der "auf der Erde Befindliche" (Wb V, 292).
Das Substantiv tp hat auch die Bedeutung "Oberhaupt von Personen" (Wb V, 266), darunter auch "Oberhaupt von Fremdländern". Daneben wird es für "das Beste von ..." verwendet. In unserem Text ist aber nicht von Dingen die Rede, sondern von Personen aus Fremdländern, drastisch unterstrichen durch die bildliche Darstellung des "Erschlagens der Feinde".
Man könnte nun meinen, warum der Pharao nur die Oberhäupter erschlagen soll und nicht alle Fremdlandbewohner. Das Wb gibt aber nichts dafür her. Ein tp.j-xAs.t müsste ja als ein "auf dem Fremdland Befindlicher" übersetzt werden. Ich habe aber keine derartige Schreibung finden können. Dafür gibt es aber xAs.tj "Bewohner der Fremdländer" (Wb III, 236.1-2), eine Nisbe vom zugehörigen Substantiv.
Vielleicht ist ein tp.j-xAs.t denkbar, wie tp.j-Dw "eine Art Nekropolenbeamter" (Wb V, 292.12), es wurde aber nicht verwendet.
Das Wort tp wird mit D1A (extendend library) geschrieben, um auch graphisch das Ausländische zu betonen.
Zu diesem Punkt eine Ergänzung: In der 5. Stunde des Pfortenbuches zeigt das untere Register Horus sowie 4 Gruppen von je 4 Personen, Ausländer mit ihrem charakteristischen Aussehen. Ausführlicher und sehr schön sind sie in einem Tafelband des 19. Jahrhunderts dargestellt. Ihre Bezeichnung ist in retrograder Schrift geschrieben, d.h. obwohl die Zeichen nach rechts blicken und also eigentlich von rechts nach links gelesen werden müssten, sind sie doch von links nach rechts zu lesen. Die letzte Tafel fasst noch einmal die Köpfe dieser Fremdvölker zusammen. Der linke obere Kopf scheint die Vorlage für die Hieroglyphe D1A tp gewesen zu sein.
Hallo Seschen, Mir fehlte etwas die Zeit. Ich hatte zwar schon allein von den Darstellungen schon gesehen, welche Völkergruppen da abgebildet sind, am merkwürdigsten ja der "Federschmuck" der Libyer ... und die Ägypter natürlich auch. Aber mir fehlte die Zeit des Notierens. Aber da Du es m.E. korrekt gemacht hast, erübrigt sich mein Beitrag. Ich vermute mal, dass wir den "Rest" jetzt aber nicht übersetzen sollten. Stand jedenfalls nicht in der Aufgabenstellung.
TmH "Libyer" (Wb V, 368.11). Laut DZA 31.242.220 ist die Schreibung mit V22 mH vielfach in den Königsgräbern belegt.
Zur Schreibung TnmH.w (mit n) hat der Wb-Bearbeiter notiert: "nicht koll.(ationiert)", soll heißen: "nicht überprüft"; er zieht es also in Zweifel (DZA 31.242.240).
Als Ergänzung zwei Abbildungen aus dem Katalog Sethos - ein Pharaonengrab, Basel, 1991, S. 62: Die erste Abbildung zeigt einen Teil der Fremdvölker, wie er noch von Rosellini in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gesehen wurde, die zweite den heutigen Zustand.
Eine Erläuterung der Fremdvölkerdarstellung im Pfortenbuch gibt Erik Hornung, Die Nachtfahrt der Sonne, Zürich / München, 1991, S. 81-83.
Dank Belzoni, Rossellini etc. habe wir den schwachen Trost, trotz dieses traurigen Anblicks eine Vorstellung davon zu haben, wie es mal ausgesehen hatte. ...