Das Erscheinungsbild der Schlange in der ägyptischen Mythologie ist relativ stark von Gegensätzlichkeit geprägt. Einerseits gilt ihr die Verehrung, andererseits der Abscheu und die Furcht.
Teilweise gehört die Schlange zu den lebenschaffenden Mächten. Beispielsweise tragen die vier weiblichen Bestandteile der Achtheit Schlangenköpfe, als Urgott tritt auch Amun in Gestalt einer Schlange (Kematef) auf. Bein Keltern des Wein und bei der Aussaat von Getreide wurde Thermutis geopfert, einer schlangengestaltigen Erntegöttin, die mitunter auch als Frau mit Schlangenkopf dargestellt wurde. Merseger ("die das Schweigen liebt) ist Schutzgöttin der thebanischen Nekropole und wird u.a. als gütiges Wesen dargestellt, die nicht nur Verbrecher mit Blindheit durch Schlangengift straft, sondern vor allem den Reuemütigen mit Heilmitteln zur Seite steht.
Renenutet, die "Nährschlange", ist eine Gottheit der Landwirtschaft in Schlangengestalt, die für das Wachstum und eine gute Ernte zuständig ist.
Außerdem haben Dämonen der Zeit und bestimmter Zeitabschnitte ebenfalls eine Schlangengestalt, so tritt beispielsweise im Unterweltsbuch Amduat und in dazugehörigen Vignetten die zweiköpfige Schlange Nehebkau auf. Eine der bedeutendsten schlangengestaltigen Gottheiten ist Uto, deren heiliges Tier, der Uräus, Zier und Wächter der Königsmacht (an der Krone) ist.
Unter den bösen Mächten dürfte Apophis, Widersacher des Sonnengottes, wohl der bedeutendste sein. Er bedroht den Bestand der Welt und verkörpert den Gegenspieler Gottes, er ist Sinnbild der in der Finsternis herrschenden Mächte. Jeden Morgen, wenn die Sonne aus der Unterwelt hervorkommt und jeden Abend beim Beginn der Nachtfahrt greift er das Sonnenboot an, dabei färbt das Blut des verwundeten und besiegten Apophis den Himmel rot. Andererseits hat aber der Sonnengott einen gleichgestaltigen hilfreichen Begleiter in Gestalt der Schlange Mehen (der "Ringler"). Sie wird u.a. in vielfachen Windungen über der Kajüte des Sonnengottes dargestellt.
Eine sich häutende Schlange wird aber auch zu einem Symbol des Weiterlebens nach dem Tode (u.a. im Totenbuch Kap. 87).
In ihrer Beziehung zum Abgründigen ist die sich in den Schwanz beißende Schlange ein Gleichnis für die Grenzenlosigkeit des Meeres. In der 11. Stunde des Amduat versinnbildlicht die vielfach gewundene Schlange "Weltumringler" den präkosmischen Urzustand, in dem sich der Sonnengott, und damit auch die gesamte Schöpfung, allnächtlich erneuert.