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  Streik
Der erste bekannte Streik begann im 29. Regierungsjahr Ramses III. (etwa 1155 v.u.Z.). Dabei ging es allerdings nicht um höhere Löhne, Verringerungen der Arbeitszeit oder ähnliches, sondern um die ihnen zustehende Entlohnung mit Nahrungsmitteln, einfach ums Überleben.

Die Arbeiter verließen mit ihren Familien Deir el-Medina und "Belagerten" verschiedene Tempel, in denen sie Nahrungsmittel vermuteten, wandten sich auch an den Wesir. Insgesamt dauerte diese Streiksache annähernd ein Jahr und es liegen darüber ausführliche Überlieferungen vor. Außer dem Turiner Streikpapyrus, einem vom Nekropolenschreiber Amonacht verfassten Protokoll der Vorgänge, gibt es noch verschiedene Ostraka in Berlin, Chicago und Kairo. Alle diese Informationen ergeben ein recht gutes Bild von den Vorgängen, die sich damals in Deir el-Medina abgespielt haben müssen.

Bereits aus dem Vorjahr der Ereignisse spricht aus dem Bittgesuch eines Arbeiters an seinen Vorgesetzten, dass sich die Lage der Arbeiter sehr verschlechtert hatte: "Ich arbeite an den Gräbern der Kinder des Königs, die zu machen mein Herr in Auftrag gegeben hat. Ich arbeite sehr, sehr sorgfältig, sehr trefflich....(Aber) wir leiden sehr Mangel. Alle Vorräte für uns aus dem Schatzhaus, der Scheune und aus dem Magazin sind erschöpft. Eine Last von Steinschutt (zu schleppen) ist aber nicht leicht. Statt 6 Maß = 6 x 1/4 Sack (der monatlichen Kornration, ein Sack sind etwa 20 kg, d.h. 1 Maß = 5 kg Getreide) erhielten wir die gleiche Menge Dreck. Mein Herr möge Mittel finden, um uns am Leben zu erhalten. Wir sterben ja (Hungers). Wir (können einfach) nicht (mehr) leben. Und keiner gibt uns auch nur irgendwas!!!" (Ostrakon Or.Inst Chicago 16991 nach Wente/Brunner-Traut)

Nach einer Aufzeichnung vom 21. des 2. Monats im Jahr 29 von Ramses III. erhielten die Arbeiter die ihnen als Entlohnung zustehenden Getreiderationen, die normalerweise jeweils zum 28. des Monats fällig war, um 23 Tage verspätet. Eine verspätete Entlohnung war also nichts Neues, aber irgendwann war sie nicht mehr hinnehmbar, da es sich nicht direkt um einen geldlichen Wert, sondern vielmehr um die Ernährung an sich handelte und eventuelle Reserven sicher inzwischen aufgezehrt waren. Am 10. Tag des 6. Monats im gleichen Jahre kam es offensichtlich zur ersten ernsteren Protestaktion. Der Ostrakon Kairo 25530 sowie der Turiner Papyrus berichten: Sie "überschritten wegen ihrer Getreideration die Mauern. Am 11. gleichermaßen." Die Nekropole war von fünf Mauern umgeben, dies bedeutet also, dass die Arbeiter nach vergeblichen Bittgesuchen nun die Siedlung verlassen haben, um die Behörden direkt zu zwingen, das zustehende auszuhändigen. Im Protokoll des Turiner Papyrus steht dazu: "Überschreiten der fünf Mauern der Nekropole durch die gesamte Arbeiterschaft. Erreichen des Neferu-Teils des Hauses des Pharao. Herbeikommen der drei Vorgesetzten, der zwei Boten und der zwei Offiziere. Man fand sie (die Arbeiter) an der Rückseite des Tempels Thutmosis III. sitzen, an der äußeren Straße." Weiterhin sind auf die Forderungen verzeichnet, welche durch die Arbeiter erhoben wurden: "Wir haben Hunger, während noch 18 Tage in dem (laufenden) Monat vor uns liegen, (bis die neue Entlohnung fällig wird). Kommen des Schreibers des geheimen Grabes", das ist das Grab, an dem gerade gearbeitet wird - sowie der anderen bereits genannten Beamten - und diese "riefen ihnen zu: 'Kommt nur her! Wir haben Pharao etwas (zu melden).' Und die Arbeiter rührten sich den ganzen Tag nicht von der Stelle. Die Nacht brachten sie (wieder) in der Nekropole zu."

Am 11. "passierten sie abermals" die fünf Mauern und "erreichten das Tor der südlichen Grenze des Tempel Ramses II." (das Ramesseum). Am folgenden 12. zogen sie wiederum zum Ramesseum und "verbrachten (auch) die Nacht in Aufruhr an seinem Tor. Sie drangen (sogar) in das Innere (des Tempels) ein, während der Schreiber Pentawêret, die zwei Polizeiobersten und die zwei Torwächter der Befestigung der Nekropole" sie zu beschwichtigen versuchten. Anscheinend hatte nun die Lage doch einen bedrohlicheren Charakter angenommen, denn laut Protokoll brach der Polizeioberste Monthmose nun zur vorgesetzten Dienststelle in der am thebanischen Ostufer befindlichen Stadt "nach No...mit den Worten: 'Ich werde den Bürgermeister von No holen.'"

Nach seiner Rückkehr berichtete er den Arbeitern folgendes: "Ich sagte zu ihm (dem Bürgermeister): 'Die von der Nekropole sind in den Ramses-Tempel eingedrungen.' Er sagte zu mir: 'Nichts ist im Schatzhaus, nichts ist vorhanden!" Allerdings hatte Monthmose wohl doch den Auftrag bekommen, den Arbeitern etwas aus dem Vorratshaus des Ramesseums zuzuteilen, wie er ihnen weiter berichtete. Die Polizeiobersten, Schreiber und Priester des Ramses-Tempels hörten sich die Klagen der Arbeiter an, die "zu ihnen sagten: 'Wir sind hierhergekommen aus Hunger und von Durst getrieben. Es gibt keine Kleidung, keine Salben, keine Fische, kein Gemüse. Meldet es dem Pharao, unserem guten Herren, und schickt zum Wesir, unserem Vorgesetzten, dass uns unser Lebensunterhalt gegeben werde!' Und an diesem Tag gab man ihnen die Getreideration des 1. Monatstages....zusammen 55 Brote", wie vom Schreiber Pentawêret verzeichnet. Diese Ration war ja eigentlich schon seit einem Monat und 12 Tagen fällig.

Am folgenden Tag, dem 13. Tag des 6. Monats im Jahre 29 erhielten die Arbeiter eine sicherlich unerwartete Unterstützung von seiten der Obrigkeit. Ich vermute, dass der Polizeioberste Monthmose den tatsächlichen Notstand der Arbeiter anerkannte und inzwischen einige Vorräte ausgekundschaftet hatte oder zumindest über sie Bescheid wusste, denn der Turiner Papyrus verzeichnet, bestätigt durch den Ostrakon Kairo 25530: "Bei der Befestigung der Nekropole verkündet der Polizeioberste Monthmose, was er sich über Nacht überlegt hat. Er wolle sich noch nicht an Pharao wenden, sondern die Sache selbst in die Hand nehmen und einen Protestmarsch anführen. 'Geht hinauf'" (an eure Arbeitsstätte), forderte er die Arbeiter auf, "und sammelt eure Geräte ein. Verschließt eure Türen und bringt eure Frauen und Kinder mit! Ich werde an eurer Spitze zum Sethos-Tempel (in Qurna) marschieren. Den lasse ich euch morgen früh besetzen." Offensichtlich wurde dies auch so getan und als Ergenis wurde am 17. Tag vermutlich aus den Beständen des Sethos-Tempels den Arbeitern eine Getreideration ausgehändigt, die wie folgt überliefert ist. Es erhielten:

"der Vorarbeiter 7 1/2 Sack
der Schreiber 3 1/4 Sack
jeder der acht Arbeiter 5 1/2 Sack
zusammen 44 Sack" (also etwa 880 kg).

Damit schien die Lage wieder bereinigt zu sein. Es trat jedoch keine Besserung ein, bereits einen Monat später war es wieder soweit. Die Arbeiter "überschreiten wieder die Mauern", diesmal wird die Nekropole besetzt. In den Protokollen heißt es, "setzen sie sich bei der Totenstadt". Vergeblich versuchen "die drei Vorgesetzten", sie zu beschwichtigen und die Besetzung aufzugeben. Einer der Arbeiter lässt sich sogar dazu hinreißen, das Königsgrab zu verfluchen. "Wegen dieses Schwurs im Namen des Pharao" wurde er mit Prügel bestraft.

Nur kurz darauf verlassen die Arbeiter wieder ihre Siedlung, diesmal an der Rückseite in Richtung Medinet Habu. Allerdings ist diesmal nicht der Hunger der Hauprgrund. Die Vorgesetzten versuchten vergeblich sie zurückzuhalten. Mit der Aufgabe, die Arbeiter wieder zurückzubringen, entsandten sie zwei Offiziere, zwei Boten sowie Amonnacht (den Schreiber des "Streikpapyrus"). Dies gelang jedoch nicht sofort. Zwei namentlich aufgeführte Abgeordnete der Arbeiter, "die vor ihnen standen" entgegneten: "Wir werden nicht kommen, sage es deinen Vorgesetzten nur. (Denn) wir haben (die Mauern diesmal) nicht überschritten, weil wir Hunger haben, (sondern) wir haben eine wichtige Aussage zu machen: An der Stätte des Pharao wurde etwas Arges begangen." Diese Aussage wurde durch die anderen anwesenden Arbeiter bestätigt.

Nun wird keine Aussage darüber gemacht, was vorgefallen ist. Es besteht die Möglichkeit, dass die Arbeiter einen Fall von Korruption aufgedeckt hatten. Sehr viel wahrscheinlicher aber ist es, das es sich hierbei um eine festgestellte Grabberaubung handelt.

Als am 28. des 8. Monats der vom Delta heraufgekommene Wesir wieder von Theben abfährt, um die Götterstauen für das königliche Hebsed-Fest in die Residenz im Delta zu bringen, sind die Arbeiter aufs tiefste enttäuscht. Sie waren der Meinung, wenn der Wesir schon nicht extra für sie gekommen wäre, um ihnen Lebensmittel zu bringen, so hofften sie zumindest auf seine Gunst und eine Zuwendung. Nun aber führen die Schiffe wieder nordwärts und scheinbar vermuteten sie sogar, dass der Wesir nicht nur nichts für sie gebracht habe, sondern sogar noch die für sie bestimmten Vorräte mitnahm, denn sie riefen "Nimm uns nicht unsere Ration weg!" Diesen Verdacht wies jedoch der Wesir energisch von sich und er äußerte nur: "Bin denn ich, der Wesir, eingesetzt, um wegzunehmen? Was ein Mann wie ich tut ist Geben." Für die Notlage der Arbeiter macht er die leeren Scheunen verantwortlich und beteuert, daß er geben wolle, was er vorgefunden habe. Tatsächlich verspricht der Schreiber Hori den Ausständigen an diesem Tage "eine halbe Getreideration".

Der 2. des 9.Monats, also 4 Tage danach, war ein kritischer Tag. Die Arbeiter erhielten durch den Schreiber Amonchau die versprochene "halbe Ration", faktisch aber nur 2 Sack, d.h. etwas über eine Drittelration. Auch wenn sie offenbar jetzt nur von der Hand in den Mund ernährt wurden, hat diese Ratenzahlung ihre Geduld überanstrengt. Ihr Vorarbeiter Chonsu fordert sie auf: "Nehmt die Ration und geht hinab zum Hafen zur Festung, und laßt dem Wesir durch seine Assistenten Meldung machen!" Aber schon als sie die erste Mauer überschritten hatten, trat ihnen der Schreiber Amonnacht entgegen und drohte ihnen: "Geht nicht zum Hafen! Ich habe euch doch gerade eben erst 2 Sack Emmer gegeben. Solltet ihr jetzt (zum Wesir) gehen, dann beschuldige ich euch vor jedem Gericht, zu dem ihr in dieser Angelegenheit gehen werdet. Außerdem werde ich (das Getreide) wieder rausholen lassen." Noch am selben Tage fand Pentawêret, der Sohn des Amonnacht, den Tod.

Eine gute Woche später, am 13., geht ein erneuter Protestmarsch gegen den Hunger in Szene. Diesmal setzten sich die Arbeiter an der Rückseite des Merenptah-Tempels nieder mit dem wohl litaneiartig wiederholten Ruf: "Wir haben Hunger". Die Streikenden riefen den Bürgermeister von No an, der gerade vorüberging, mit dem Erfolg, daß er endlich eine Monatsration Emmer vorschoß, "bis der Pharao euch die Getreideration gibt"

Wie es mit der Belieferung bzw. Hungersnot weitergeht, ist nicht mehr aufgezeichnet. Es wird offensichtlich, daß die Wirtschaft zusammengebrochen und die Moral weich geworden ist. Vielleicht hat sich auch eine gewisse Denunziationsfreude entwickelt, die Korruption erreichte neue Höhen. Die letzte erhaltene Notiz des Papyrus datiert etwa 4 Monate danach, vom 10. Tag des 2. Monats im Jahre 30 der Regierung Ramses III. Scheinbar hat inzwischen der Nekropolenschreiber Amonnacht die Position der Arbeiter unterstützt, denn der Tempelschreiber mahnt ihn, er solle nicht "Öl ins Feuer gießen".

Damit ist die Episode des ersten Streiks beendet. Grundlegend hat sich aber die Lage wohl nicht geändert, denn aus der Folgezeit sind noch einige kürzere Streiks bekannt, der letzte aus dem Jahre 3 von Ramses X.

Eingestellt durch: manetho (13.01.2004)
Bearbeitet durch: -
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