Koptische Gesänge
[ Archiv-Startseite ] Geschrieben von Ursula am 02. März 2001 13:43:07: Als Antwort auf: Re: Gesprochenes Ägyptisch:bezug zur vedischen literatur geschrieben von Bauer Neubert am 27. Februar 2001 15:17:17:
Hallo, Anjuva, Karl und Bauer Neubert,
eigentlich wollte ich mich an dieser Diskussion nicht beteiligen, da ich über die Geschichte des Hinduismus nicht viel weiß und Esoterik so gar nicht mein Ding ist; bei beidem muß ich passen. Aber ich möchte doch einen Gesichtspunkt ansprechen, der bei den Reflexionen über die Ähnlichkeit von bovinen und koptischen Lautäußerungen etwas zu wenig berücksichtigt worden ist.
Anjuva, Du schreibst:
„vor einigen jahren hörte ich gesänge aus einem koptischen kloster in einem schweizer sender.
(...)
somit hätten wir zumindestens eine referenz, wie sich alte ägyptische tempelgesänge anhörten...“Wirklich, hätten wir die? Welche Verbindung kann denn zwischen koptischen Gesängen in den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts, oder generell, und den Tempelgesängen der alten Ägypter überhaupt hergestellt werden?
Ich zögere, angesichts einer Zeitspanne von 3000 Jahren von „den“ alten Ägyptern zu sprechen. - Zwar sehen die Kopten selbst sich in der direkten Nachfolge der alten Ägypter, aber das heißt noch nicht, daß sie es tatsächlich sind, was Rituale und Gesänge angeht. Die christliche Religion ist in Ägypten nicht entstanden, sie wurde importiert. Durch Augustus wurde Ägypten im Jahr 30 v.Chr. römische Provinz. Die erste christliche Gemeinde in Ägypten entstand, wenn ich mich nicht irre, im 2. Jh. n.Chr. in Alexandria, und das war beileibe keine altägyptische, sondern eine griechisch-römische Stadt (Alexandrea ad Aegyptum – „Alexandria bei Ägypten“, nicht „in“), dort lebten ohnehin schon so viele Griechen und Juden, daß es “kosmopolitisch“ war, oder, wenn es denn das überstrapazierte Wort sein soll, „multikulturell“.
Im 3. und 4. Jahrhundert breitete sich das Christentum zunächst entlang des Nilstroms und später auch im Deltagebiet aus. Nachdem es im Jahr 391 n.Chr. zur römischen Staatsreligion geworden war, wurde die Ausübung aller nichtchristlichen Bräuche verboten. Wo die einheimische Bevölkerung besonders zäh an ihrem traditionellen Glauben festhielt, wurden ihre Kultstätten verwüstet und ihre „Götzenbilder“ zerschlagen. (Manche Isis-Kultstätten hielten sich etwas länger, wegen der Ähnlichkeit mit der Muttergottes.)
Die koptische Kirche ist nicht aus einer ägyptischen religiösen Tradition hervorgegangen, sondern sie ist eine christliche Kirche, die sich im Jahr 451 nach Christus von der römischen „Zentrale“ losgesagt hat („Zentrale“ ist etwas ungenau, da damals das Römische Reich schon in West- und Ostrom geteilt war). Das war etwa ein Dreiviertel-Jahrtausend (!) nach der Gründung von Alexandria. Die Kopten schrieben von Anfang an griechisch (abgesehen von bescheidenen sechs demotischen Schriftzeichen). Die koptische Zeit Ägyptens rechnet man von 395 NACH CHRISTUS bis zur Islamisierung 641.
Es dürfte recht weit hergeholt sein, von den Gesängen einer spätantiken, aus der griechisch-römischen Kultur hervorgegangenen christlichen Kirche, deren „offizielle“ Gründung etwa 3000 Jahre nach dem Bau der Cheopspyramide erfolgte, auf altägyptische Tempelgesänge zu schließen. Ich halte es für unwahrscheinlich, daß die Christen und späteren Kopten bei der Christianisierung Ägyptens zwar die Götzenbilder zertrümmerten und die heidnischen Rituale verboten, aber „altägyptische“ Tempelgesänge (wie alt? aus der Ptolemäerzeit, aus der Römerzeit?) nicht nur übernommen haben sollen, sondern diese bis zum Erscheinen des Srten und die heidnischen Rituale verboten, aber „altägyptische“ Tempelgesänge (wie alt? aus der Ptolemäerzeit, aus der Römerzeit?) nicht nur übernommen haben sollen, sondern diese bis zum Erscheinen des Schweizer Rundfunks in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts unverändert praktizieren.
Wir wissen nicht einmal so genau, wie schnell Beethoven seine Symphonien dirigiert haben wollte, trotz Metronomangaben; da ist vieles äußerst umstritten und es gibt von Dirigent zu Dirigent sehr auffällige Unterschiede in der Interpretation. Ergo ist es doch auch äußerst unwahrscheinlich, daß die Kopten heute noch ganz genauso singen wie vor 1600 - 1800 Jahren. Vielleicht haben sie vor 1600 Jahren dreimal so schnell gesungen, und es klang ganz anders als das, was Du im Radio oder Fernsehen gehört hast, aber die Kopten der Jetztzeit wissen es nicht, weil es damals keine CDs und keine vereinheitlichten Notationsmöglichkeiten für das Tempo von Musik gab, und Stoppuhren werden sie wohl auch nicht benutzt haben.
Oder sie singen in einem Kloster schneller, im anderen langsamer, so wie auch jeder Dirigent anders dirigiert: der eine braucht für die Neunte 45 Minuten, der andere 55; die eine Kuh macht „Muh“, und die andere „Muuhuuuuh“ - und die Kopten in Zürich singen bestimmt viel, viel schneller als die in Bern! ;-)
Mehr kann ich zu dieser Fragestellung nicht beitragen, da ich nicht die Zeit habe, mich wieder in diesen Stoff einzuarbeiten. Kann auch sein, daß ich die eine oder andere Jahreszahl nicht mehr präzise im Kopf hatte. Anjuva, wenn Du es genauer wissen möchtest, müßtest Du Dich in religionsgeschichtliche Fachliteratur zu den Themen „Die Christianisierung Ägyptens“ und „Geschichte der koptischen Kirche“ vertiefen, aber es ist sicher kein Problem, in einer größeren Bibliothek brauchbare wissenschaftliche Literatur zur Geschichte des Christentums zu finden.
Gruß Ursula
- an die ägypten profis, Ursula und Karl: Koptische Gesänge anjuva 02.3.2001 19:57 (9)
- Re: Koptische Gesänge Ursula 03.3.2001 17:26 (0)
- Re: an die ägypten profis, Ursula und Karl: Koptische Gesänge Mutnjodmet 02.3.2001 21:13 (7)
- Re: an die ägypten profis, Ursula und Karl: Koptische Gesänge anjuva 02.3.2001 21:49 (6)
- Re: an die ägypten profis, Ursula und Karl: Koptische Gesänge Dr. Karl H. Leser 02.3.2001 22:31 (5)
- Re: an die ägypten profis, Ursula und Karl: Koptische Gesänge anjuva 03.3.2001 15:07 (0)
- Re: an die ägypten profis, Ursula und Karl: Koptische Gesänge Dr. Karl H. Leser 02.3.2001 22:33 (3)
- Re: an die ägypten profis, Ursula und Karl: Koptische Gesänge Mutnjodmet 02.3.2001 22:54 (2)
- Re: an Mut Dr. Karl H. Leser 03.3.2001 08:41 (1)
- Re: an KARL anjuva 05.3.2001 00:46 (0)
[ Archiv-Startseite ]