beigefügt ist eine schöne Darstellung eines Königs, der von Göttern begleitet wird. Welcher König ist das? Welches Grab? Und vor allem: Wer sagt was?
Fangen wir mal mit dem König an. Wie heißt er? Was steht noch dabei? Zwischen ihm und einem Gott steht, was er sagt. Diese Inschriften habe ich herauskopiert. Den Rest machen wir später.
Bitte gebt Eure Lösungsvorschläge als versteckten Text an.
Es ist m.E. Ramses I, d.h. sA-Ra Ra-mss-sw bzw. Wsjr nsw Mn pHty-Ra, d.h. KV 16
oberer Text mit Kartuschen:
Wsjr nsw Mn pHty-Ra sA-Ra Ra-msj-sw mAa xrw xr psD.t-aAt jmjw dwAt (dAt) Ssp (Szp) sn m Htp
Osiris, König Men-Pehti-Ra*, Sohn der Sonne, Ramses**, gerechtfertigt vor der Großen Götterneunheit, die im Jenseits (Duat) ist, (ihn) in Frieden zu erhalten/empfangen (od. in Frieden willkommen zu heißen).
* etwa: Dauernd ist die Stärke des Ra. ** etwa: Ra ist der, der ihn geboren (gestaltet) hat. Beim Thronnamen sieht es für mich wie eine Gleichsetzung von Osiris und König aus.
Bei sn in der letzten Zeile wäre man geneigt, eigentlich snw zu lesen (wohl wegen der Form jmjw und da die Neunheit ja im Grunde eine Mehrzahl ist), aber bei Hannig fand ich die Schreibung mit den 3 Strichen mit der Transkription sn vermerkt (Ausg. Mainz 1995, S. 712), so auch im Handwörterbuch von Erman/Grapow (S. 162) und natürlich in Wb 4, 147.12 (bis 148.3).
Der Pharao sagt dann (Text vor ihm):
Dd mdw ij xr.j=k nb nTr.w nTr aA nb p.t
Worte zu sprechen durch mich: Ich trete vor dich (od. komme zu dir), König der Götter, Großer Gott, Herr des Himmels!
bei aA bin ich mir ziemlich sicher, dass da D36 und die Buchrolle als Det. steht. Hoffe, ich liege richtig.
Aber: jm.j ist sog. Nisbe-Adjektiv zur Präposition m; es folgt demnach den üblichen Regeln der Adjektive. Mit anderen Worten: Es müsste als feminin gekennzeichnet sein, wenn es sich auf die Götterneunheit psD.t beziehen würde. Auch sonst gibt es noch einiges zu klären, z.B. in der Aussage des Pharaos. Vielleicht nicht ganz so wichtig, aber mit dem "." stehst Du noch auf Kriegsfuß.
Normalerweise wird pH.tj "Kraft" mit zwei Leopardenköpfen F9 geschrieben (Wb I, 539). Offensichtlich wird aber die Schreibung im Königsnamen mit nur einem F9 als Variante genutzt (Jürgen von Beckerath, Handbuch der ägyptischen Königsnamen, 2. verbesserte Auflage, Mainz, 1999, S. 148-149).
Ja, es ist Ramses I., der begraben wurde in KV 16.
Zitat:
Beim Thronnamen sieht es für mich wie eine Gleichsetzung von Osiris und König aus.
Verstorbene allgemein, nicht nur der König, werden als "Osiris" bezeichnet. Das TLA nennt das treffend "Totentitel des Verstorbenen".
sA Ra "Sohn des Re", also des Sonnengottes
zur letzten Spalte:
jm.jw-dwA.t "die in der Unterwelt Befindlichen" (Wb V, 415.13-14; "Bezeichnung für Götter und die seligen Toten")
Der Schluss bereitet vielleicht Schwierigkeiten. Ssp "empfangen" ist ein transitives Verb (Wb IV, 530) und verlangt ein Objekt. Gemeint ist sicher: "den Toten im Jenseits empfangen" (Wb IV, 531.11), bzw. hier den König.
Wenn wir ihn übersetzen als sDm=f "sie empfangen in Frieden", so fehlt uns das Objekt. Du hast es ("ihn") in Klammern hinzugefügt.
Eine andere Möglichkeit ist, Ssp als Partizip aufzufassen: "die sie in Frieden empfangen"; Subjekt wären die Gottheiten und seligen Toten und Objekt wären "sie". Welche "sie"? Offensichtlich ist doch nur einer, der König gemeint!
Es bleibt m:E. nur die sog. Relativform. Sie ist ähnlich dem Partizip, nur dass das semantische Subjekt nicht das Bezugswort ist. Es wird am besten mit einem Relativsatz übersetzt. Das semantische Subjekt sind die Götter und seligen Toten und Ssp bezieht sich auf den König: "den sie empfangen in Frieden". Gardiner, Egyptian Grammar, § 381 schreibt, dass für den Fall, dass das semantische Objekt mit dem Bezugswort identisch ist, kein rückbezügliches Pronomen verwendet wird.
Zitat:
This absence of the dependent pronoun as object has a remarkable consequence, namely that (...) it would be equally possible to regard the verb-form as a passive participle followed by a direct genitive.
Mit anderen Worten: Man könnte den Schluss auch so übersetzen: "der von ihnen in Frieden empfangen wird".
Relativformen sind ein wichtiges Kapitel der ägyptischen Grammatik. Also auf jeden Fall mal die Einzelheiten nachlesen!
Zur Aussage des Königs:
"Ich komme zu dir": Wo ist das Subjekt "ich"? Wie so oft wird die 1. Pers. Sg. auf Tempel- oder Grabwänden nicht geschrieben und muss in der Umschrift in Klammern ergänzt werden: jj(=j).
"kommen zu jemandem, besonders zum Gott" (Wb I, 37.16) wird mit der Präposition xr gebildet. Hier aber steht xr.j, ein Nisbe-Adjektiv "befindlich bei" (Wb III, 318.9). Die Vermutung ist aber, dass es sich nur um eine Variante von xr (Wb III, 315) handelt. Und tatsächlich: Im Zettelarchiv finden wir bei der Zusammenstellung der Schreibung den Hinweis, dass es in dieser Art zweimal in Königsgräbern der 20. Dyn. belegt ist. Nun gehört Ramses I. aber zur 19. Dyn. Die Wände wurden erst 1957 von Alexandre Piankoff dokumentiert, konnten also nicht Eingang ins Zettelarchiv finden und damit auch nicht im Wb berücksichtigt werden.
Hinter dem König folgt ein Gott. Welcher Gott ist das? Und was sagt er?
Re: Übersetzungsübung: Inschriften in einem Königsgrab
« Antwort #6, Datum: 29.10.2016 um 16:26:09 »
Hallo Michael, Danke für deine Unterweisungen. Mein Wissen ist gering dem gegenüber. Das mit den Punkten stimmt wohl. Sieh es einen Laien nach!
Hier noch einmal mein Vorschlag, den ich erweitert habe, da ich zunächst nur 2 Bilder auf dem Screen hatte und das 3. mit dem unteren Text erst verspätetet bei mir sichtbar geworden ist.
Dd mdw jn Jtm nb tAwj Jwnw nTr aA nb pt Hrj-jb tAwj
Und dann fährt er fort:
Dd mdw dj.n(=j) n=k xa.w Ra m pt wnn=k mj-qd=f
Worte zu sprechen durch Atum: Herr der Beiden Länder (und). Heliopolis Großer Gott, Herr des Himmels, der in den Beiden Ländern wohnt (residiert).
Und weiter:
Worte zu sprechen (durch Atum): Ich gebe dir den Glanz (Erscheinung) des Re im Himmel, mögest du gleich ihm (gleich wie er/ganz wie er) sein.
Zu dj.n(=j) n=k: bin nicht ganz sicher darin. Ich vermute, dass die beiden Kronen für n stehen, so dass ich diese - hoffentlich in der rechten Abfolge - mit berücksichtigt habe, zumal das ja Sinn macht.
Dd mdw in Jtm.w nb tA.wj jwn.w nTr-aA nb p.t Hr.j-jb tA.wj Worte zu sprechen von Atum, Herr der Beiden Länder (und) Heliopolis, Großer Gott, Herr des Himmels, der inmitten der Beiden Länder ist (/wohnt):
Dd mdw** dj.n(=j) n=k xa.w* Ra m p.t wnn=k mj=f Ich gebe*** dir die Herrlichkeit (/den Glanz) des Re im Himmel, mögest du sein wie er.
* Die Schreibung
für xa.w ist im Wb belegt.
** Zitat von Michael: Zitat:
Hier steht nun ein weiteres Dd mdw "Worte zu sprechen", ist aber nur eine Angabe dafür, dass der Text sich hier fortsetzt. Es wird bei der Übersetzung ignoriert. Auch für diese Erscheinung gibt es zahlreiche ähnliche Belege.
*** dj.n=j - ich gebe
Zitat von Michael: Zitat:
Zur Zeitform ist auf Gardiner, § 414 "Affirmative uses of the sDm.n=f form", Abschnitt 5 zu achten:
On a different footing is the common use of the sDm.n=f form in ritual texts and scenes to express an action simultaneously spoken of and performed ... In this usage there seems no notion of past time, so that the sDm.n=f form here appears to retain its primitive force of stressing the merely occurrent; such a translation as 'herewith I give to thee' renders the sense closely."
Zur Beischrift des Gottes kann ich kaum etwas anmerken. Der Gott wird Jtm.w transkribiert (Wb I, 144.5).
Zu dem, was der Gott sagt: Der Schreiber hat sich etwas raffiniertes einfallen lassen! Aber wenn man sich die Inschrift etwas ansieht, wird doch klar, was er gemeint hat.
Re: Übersetzungsübung: Inschriften in einem Königsgrab
« Antwort #9, Datum: 29.10.2016 um 20:29:50 »
Hallo Michael,
hinsichtlich Jtn pp. hatte ich mich an Hannig (1995) orientiert, wo auf S. 1193 beim Namen auch das Wachtelküken vorkommt und dennoch nur Jtm transkribiert wird. Ich habe schon des öfteren Unterschiede in der Transkription bemerkt, z.B. bei Hannig und Wb, so dass ich mitunter das Problem habe zu unterscheiden, welche denn nun korrekt bzw. maßgeblich ist. Im Wb I 144.5 steht sogar "nur" Jtmw, d.h. Ohne Punkt. ...
Ansonsten finde ich bei den unteren Worten des Atum die Gestaltung mit den beiden gegenüberstehenden Kronen für den Lautwert n interessant, d.h. inkl. Richtungsänderung im Zeichen. Es ist auf jeden Fall wohl auch ästhetisch begründet.
Re: Übersetzungsübung: Inschriften in einem Königsgrab
« Antwort #11, Datum: 30.10.2016 um 11:36:58 »
Der Teufel steckt im Detail. Sogar 4 Augen können mitunter etwas übersehen. Ich hielt das von Seschen festgestellte Zeichen für ein Determinativ.
Auch wenn ich die sehr kurze Schreibung von mj-qd=f so weder bei Hannig noch im Wb vorgefunden habe, gehe ich stark davon aus, dass es aber genau dieses ist, d.h. bei Hannig (1995, S. 868 und 323) und Wb V 76.10 bzw. Wb III 36.9 und v.a. 37.7
Das Fehlende habe ich in meine obige Transkription ergänzt.
das läuft doch schon ganz gut! Ein paar Anmerkungen meinerseits:
Haiko, Du hast recht! Manchmal wird man verunsichert: Der eine schreibt ein Wort so, der andere so. Gerade bei den sog. "schwachen Radikalen" j und w gibt es unterschiedliche Ansichten, ob sie zu schreiben sind oder nicht. Lassen wir den Streit auf sich beruhen. Den Gott hast Du ja richtig erkannt!
Zu dem, was Atum sagt: S3 "die rote Krone von Unterägypten" hat die phonetische Lesung n und wird alternativ zur Wasserlinie N35 benutzt. Ich empfinde die ungewöhnliche, um nicht zu sagen originelle Anordnung hier als raffiniert. Zumindest stutzt man einen Moment. Aufgrund der üblichen Formulierung dj.n(=j) n=k "ich gebe dir" ist eine andere Deutung kaum möglich.
Die Grundbedeutung von xa.w bzw. xaa ist "Erscheinen, Aufgehen" (von Gestirnen) (Wb III, 241.8-10). In anderen Totentexten erfährt man, dass es der Wunsch des toten Königs ist, auf der Sonnenbarke mitzufahren. Ich denke, so ist das hier nahezu wörtlich auch gemeint: "Ich gebe dir das Aufgehen / Erscheinen des Re am Himmel." - "Glanz" ist demgegenüber eine abgeleitete Bedeutung.
wnn "sein, existieren" ist ein schwieriges Verb, mit zahlreichen Verwendungsmöglichkeiten. Nach Gardiner, Egyptian Grammar, § 107:
Zitat:
The longer form wnn=f is commonly employed for the future, but may refer to any time position where the notion of duration is stressed; the shorter form wn=f lays no stress on duration, and tends to have past reference.
Und im Abschnitt zu Sätzen mit adverbiellem Prädikat (§ 118) - was wir ja hier vorliegen haben:
Zitat:
The future is frequently expressed by means of wnn=f, a sDm=f form from wnn 'exist' (...)
Daher wnn=k "du wirst sein ..."
mj-qd "nach Art von; wie" (Wb II, 37.6) bzw. "nach Art von ...; ebenso wie" (Wb V, 76.11)
Insgesamt: "Du wirst sein / existieren (ebenso) wie er."
Hinter Atum folgt eine Göttin. Wer ist sie? Was sagt sie? - Die Abbildung hat leider rechts etwas weggeschnitten. Aus einer anderen Quelle habe ich das Fehlende ergänzt.
Re: Übersetzungsübung: Inschriften in einem Königsgrab
« Antwort #14, Datum: 31.10.2016 um 07:39:11 »
Hallo, mein Vorschlag:
Das Verb Htp hat vielfache Bedeutungen: zufrieden sein; gnädig sein, sich niederlassen, ruhen; untergehen; zufriedenstellen; sich sättigen (und weitere, siehe Hannig S. 568).
Ich entscheide mich hier für "ruhen (auf)" (Hannig S. 568, 8) und ziehe es "sich niederlassen (auf)" vor.
Dd mdw jn Nj.t{t}* wr.t mw.t-nTr nb.t-p.t Hn.wt-nTr.w Worte zu sprechen durch Neith, der Großen, Gottesmutter, Herrin des Himmels, Gebieterin der Götter:
Dd mdw Dj.n(=j) n=k ns.t Wsjr Htp=k Hr=s n D.t (Ich) gebe dir den Thron des Osiris, so dass du auf ihm ruhst (/ruhen mögest) für die Ewigkeit.