kürzlich entdeckte ich auf einem Grabbeltisch für ein paar Euro die Visual Encyclopedia of Art: Ägyptische Kunst, Florence, 2009; 350 S., fast durchgehend in Farbe, fast DIN A4 Größe - ein Schnäppchen!
Beim Blättern stieß ich auf S. 234 (hier angehängt), eine Abbildung aus einem Grab. Bei näherem Hinsehen dachte ich: Da stimmt doch etwas nicht! Wer kann mir helfen? Es dreht sich um die Szene in der Mitte.
Vielleicht beteiligt sich auch jemand, der bisher die Diskussionen in diesem Unterforum nur mitgelesen hat.
Wsjr nswt Dsr-xprw-Ra-stp-n-Ra sA Hr-m-HAb mrj-n-jmn mAa xrw xr Wsjr nTr aA
Osiris-König Djeser-Chepru-Re-setep-en-Re* Sohn der Sonne, Haremhab, geliebt von Amun, gerechtfertigt vor Osiris, dem Großen Gott, ...
* wörtl. „Heilig sind die Erscheinungen des Ra, auserwählt von Ra” ---------------------------------------- 2. Text weiter unten (wohl in Fortsetzung zu 1.):
HA=f mj Ra ... (der schützend) hinter ihm / um ihn (ist) wie Ra.
zu HA(M16): Wb III 8.11-15: u.a. hinter; schützend hinter jmdn. stehen (Wb III 8.15 enth. HA=f „…stelle dich hinter ihn…“), vgl. auch Hannig (1995) S. 502 linke Spalte; Wb III 9.15-16, 18: im Sinne von „um … herum legen“ (schützende Arme etc.) - s.a. hier Hannig S, 502, linke Spalte; Wb III 10.1 etwa im Sinne von „Schutz von hinten“; Ob Wb III 14.9 HAj im Zusammenhang mit „leuchten, scheinen“ zutrifft, wäre viell. auch denkbar (im Sinne von „(möge er) leuchten wie Ra“); Wb III 12.6-10 könnte vielleicht zu „O dass er doch sei wie Ra“ o.ä. führen. … -------------------------------------- 3. Einleitung zu Hathor:
Da stimmt doch etwas nicht! ... Es dreht sich um die Szene in der Mitte. Vielleicht beteiligt sich auch jemand, der bisher die Diskussionen in diesem Unterforum nur mitgelesen hat.
Ich vermute, Michael meinte diesen Ausschnitt (für die Nur-Mitleser hier eine Lesehilfe):
Die Hieroglyphen-Inschrift enthält (außer der Zeichenumstellung D1 <--> D2) keinen Fehler, der Fehler steckt in der Bildbeschreibung des Autors!
ja, die Göttin ist Hathor und nicht Isis, wie es in der Bildunterschrift heißt!
Wie kommt es dazu? Im gleichen Grab gibt es auch eine Szene mit Haremhab und Isis, wobei Isis praktisch in gleicher Art wie Hathor dargestellt ist. Da hat der Herausgeber wohl etwas durcheinander gekriegt. Manchmal ist eben (Hieroglyphen) lesen können von Vorteil!
Auf der Abbildung mit der Isis lohnt es sich nur, die oberen Beischriften zu übersetzen, die unteren sind unvollständig.
zA anx Dd wAs HA=s mj Ra Schutz, Leben, Dauer (und) Glück sind um sie herum* wie (um) Re.
HA - (Präposition) "um ... herum" bzw. auch "hinter" zu übersetzten (Hannig S. 502).
Diese Schutzformel steht meist neben dem zu Schützenden! Die Beischrift (auch) zu Gottheiten ist im DZA belegt.
@Haiko: HA=f mj Ra (hinter dem Bein des Königs) gehört meiner Meinung nach zu Horus (rechter Bildrand), schlussfolgernd aus weiteren Beispielen in Inschriften dieses Grabes.
Worte zu sprechen durch Isis, Große Gebieterin der beiden Länder
wr.t steht vor Hn.wt, kann also NICHT als Adjektiv das folgende Substantiv bestimmen! wr.t ist ein Epitheton von Isis (und anderen Göttinnen). TLA gibt als Kurzreferenz "Wb 1, 330.1-6; LGG II, 478 ff" an!
Die Übersetzung lautet: Worte zu sprechen durch Isis die Große, Gebieterin der Beiden Länder
Die Umstellung der Zeichen bei Hr(.t)-tp ist ungewöhnlich; nicht so selten ist das Weglassen des .t. Bei WAs.t handelt es sich um den thebanischen Gau, wie es durch das Gauzeichen N24 als Determinativ angezeigt wird.
Die anderen Beischriften dürften durch die Diskussion klar sein - bis auf die Inschrift vor dem König.
dwA-nTr sp 4 "den Gott preisen, viermal" (Wb V, 427.20) mit ehrenvoller Voranstellung des Gotteszeichens
Aber was kommt dann?
Der Infinitiv von jrj lautet jr.t (Gardiner, Egyptian Grammar, § 299). Aber das .t kann in späterer Zeit auch mal wegfallen, so dass nicht unbedingt etwas bedeuten muss.
Wenn wir den ersten Teil
jr(.t) n=s nHH m Aw.t-jb ... übersetzen mit "vollziehen für sie ewiglich, in Freude, ..."
so gibt es doch noch ein Problem: Gardiner, § 88, 1 schreibt:
Zitat:
Indications of time are often expressed by a noun used absolutely, i.e. without preposition. The normal position of such a noun is towards the end of the sentence, in the position occupied by adverbs. (...) Very common as adverbs are D.t 'eternally', lit. 'eternity', and ra nb 'every day'.
Ich meine daher, wir müssen nHH als Objekt auffassen. Dann hätten wir:
"Ewigkeit machen für sie in Freude ..."
Damit habe ich aber ein semantisches Problem: Soll der König für die Göttin die Ewigkeit "machen"? Es ist doch sonst umgekehrt, dass die Götter dem König ein ewiges Leben geben! Ich denke daher, dass der Satz anders verstanden werden muss, als ein sDm.n=f:
jrj.n=s nHH m Aw.t-jb ... "sie schafft die Ewigkeit in Freude ..."
jrj nHH "die Ewigkeit schaffen (von Göttern)" (Wb II, 300.10)
Es folgt dann:
Hr-a.wj nb tA.wj
Die Präposition Hr-a.wj wird übersetzt mit "jemandem unterstellt, jemandem untergeben sein" (Wb I, 156.23). Das TLA verweist auch auf Edel, Altägyptische Grammatik, § 774, der noch die Übersetzung "(räumlich) vor" angibt. Beide Übersetzungen wollen nicht so recht passen. Nach dem ägyptischen Denkschema, zumindest, wie ich es bisher so kenne, müsste der "Herr der Beiden Länder", also der König, der Empfänger sein. Zunächst also noch einmal ziemlich wörtlich:
"..., unterstellt / untergeben dem Herrn der Beiden Länder" oder einfach "für ..."
Mein Vorschlag also:
"Sie schafft die Ewigkeit in Freude zuhanden des Herrn der Beiden Länder"
Kann man die beiden Teile zusammenfassen? Etwa so:
"Den Gott preisen, viermal, (damit) sie die Ewigkeit in Freude zuhanden des Herrn der Beiden Länder schafft"
Leider habe ich in Gardiner nichts gefunden, dass ein sDm.n=f in dieser Weise (als virtueller Finalsatz) verwendet werden könnte; es funktioniert nur für ein sDm=f (Gardiner, §§ 40,1; 219).
Vielleicht sollte man die Zeichen n und s einfach vertauschen? (Das n würde dann zu nHH gehören.) Dann hätte man die obige Übersetzung, ohne jede Schwierigkeit. Aber das geht vielleicht zu weit.
Ich wollte Euch das nicht vorenthalten. Falls noch nicht bekannt, ich habe heute zufällig folgende Website im WWW entdeckt, nicht ganz fern von genau dieser Übersetzungsübung: http://www.ein-pharaonengrab-in-der-schule.de/
Der Eigenname wird eingeführt mit dem Titel sA Ra "Sohn des Re".
Der vollständige Name:
+sr-xpr.w-Ra stp.n Ra "Heilig sind die Erscheinungsformen des Re, auserwählt von Re" o.ä. @r-m-HAb mrj.n Ra "Horus (ist) im Fest, geliebt von Amun" o.ä.
Hinter Haremhab ist noch zu ergänzen (nicht auf dem Bild): mj Ra
Die sog. Schutzformel hinter Isis ist unvollständig: Was ist um sie herum? Vielleicht muss man das Anch-Zeichen in ihrer Hand mitlesen?
Die Präposition Hr-a.wj wird übersetzt mit "jemandem unterstellt, jemandem untergeben sein" (Wb I, 156.23). Das TLA verweist auch auf Edel, Altägyptische Grammatik, § 774, der noch die Übersetzung "(räumlich) vor" angibt.
Wb I 156.23 bzw. TLA (Lemma 851450) zeigen die Schreibungen
bzw. (nur Wb I 156.23; so anscheinend auch bei Hanning, Ausg. 1995 S. 121 Nr. 5c und 8b, allerdings ohne Hieroglyphen)
. Ist das eine Dual-Schreibung wie mit
und ist das woanders bzw. in der Literatur auch so belegt wie in KV 57, d.h. wie abgebildet?
… Ich hatte das zwischenzeitlich auch gesehen aber wegen der andersartigen Schreibung wieder verworfen.
Hallo Michael, auf Dich ist Verlass! ... Beim Namen hatte ich Ra schlicht vergessen zu schreiben oder versehentlich entfernt. Hab ihn wieder eingefügt. Dass ich mehr übersetzt habe liegt daran, dass ich versucht hatte, eine vollständige Abbildung der Szene zu finden. Liegt vielleicht daran, dass ich sowas immer irgendwie vollständig haben möchte. Irgendwann fand ich eine kleine und etwas unscharfe Abbildung im WWW, die man gerade noch so erkennen konnte. Da hatte ich sowohl Wennefer (mit nur einem n) als auch mj Ra ausmachen können, habe es allerdings noch nicht in meiner Version mittels Wegnahme der Klammern aktualisiert. Die Einbeziehung des anx könnte wohl stimmen. Bis dahin hielt ich es für möglich, dass dies eine Fortsetzung von zA anx Dd wAs sein könnte.
dwA-nTr sp 4 jrj.n=s nHH m Aw.t-jb Hr-a.wj nb tA.wj "den Gott preisen, viermal, (damit) sie die Ewigkeit in Freude zuhanden des Herrn der Beiden Länder schafft"
Dazu habe ich Karl Jansen-Winkeln, Spätmittelägyptische Grammatik der Texte der 3. Zwischenzeit, Wiesbaden, 1996 konsultiert. In dieser Zeit wurde nicht mehr das klassische Mittelägyptisch der Zeit etwa um 2000 v. Chr. gesprochen; die Sprache hatte sich erheblich weiterentwickelt. Die Schreiber mussten also diese Sprachstufe erlernen; so, als ob wir heute Texte in Mittelhochdeutsch verfassen müssten.
Jansen-Winkeln hat beobachtet (§§ 91-92):
Zitat:
Relativ häufig trifft man auf die Ersetzung von subjunktvischem jrj=f durch jrj.n=f in den Finalsatzerweiterungen der "Szenentitel". (...)
Diese "Verwechslungen" lassen sich folgendermaßen erklären: (...)
Generell ist aber für den häufigen Fall der Ersetzung von sDm.n=f durch sDm=f von Bedeutung, daß die erstere Form aus der gesprochenen Sprache dieser Zeit verschwunden ist (...) Ein weitergehender Ersatz des sDm.n=f durch sDm=f wird also einfach durch Einfluß der gesprochenen Sprache bedingt sein.
Der umgekehrte Fall ist ebenso möglich: Daß man nämlich das sDm.n=f dort - als "Hyperkorrektheit" - verwendet, wo es auch im Verbalsystem des klassischen Ägyptisch nicht hingehörte.
Beide Vertauschungen verraten also eine gewisse Unsicherheit in der Handhabung dieser Form. Sie sind übrigens auch sonst in der Spätzeit gang und gäbe.
Man geht sicher nicht fehl in der Annahme, dass diese Aussagen auch schon für Texte des Neuen Reichs gelten, da die Alltagssprache in dieser Zeit das Neuägyptische war.