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   Edfu - Luxor Frage zur jüngeren Geschichte (50)
  Autor/in  Thema: Edfu - Luxor Frage zur jüngeren Geschichte
Geistsucher  maennlich
Member



Re: Edfu - Luxor Frage zur jüngeren Geschichte 
« Antwort #30, Datum: 07.01.2006 um 22:27:43 »   

Mubarek hat die Erklärung gegeben.

Nachdem sich diese Löcher in allen Aufnahmen toujours ähneln, ist seine Lösung für mich sehr plausibel.

Geistsucher
« Letzte Änderung: 07.01.2006 um 22:28:08 von Geistsucher »
> Antwort auf Beitrag vom: 07.01.2006 um 09:02:00  Gehe zu Beitrag
naunakhte  weiblich
Moderatorin



Re: Edfu - Luxor Frage zur jüngeren Geschichte 
« Antwort #31, Datum: 08.01.2006 um 10:15:39 »   

Lieber Geistsucher,

egal wie oft du Deine rein subjektive Aussage, dir klinge die Erklärung von Mubarek plausibel, auch posten magst - sie wird dadurch nicht überzeugender.

Mubarek selber wirft sie lediglich als Alternative ein, er ist sich nicht sicher ob sie hier als Zutreffend in Frage kommt.
Vielleicht weil ihm die großen ? dabei deutlich sind?

Davon ausgehend, dass es Vögel schon sehr lange in der Erdgeschichte gibt und ihr Verhalten nicht einem Modetrend unterworfen ist, müßten sich diese Spuren (sofern sie von Vögeln stammen) durch alle Zeiten der Geschichte verfolgen lassen.

Dies scheint aber nicht der Fall zu sein.
Bisher haben wir diese Spuren gleichermassen an Götter- und Totentempel gefunden, auch an Zeugen des römischen Lagers.
Es gibt, bleiben wir doch gerade in Luxor, aber auch einige Gebäude die diese Spuren nicht aufweisen!
Mubarek sprach an, die Vögel würden Kalkstein bevorzugen. Seltsamerweise haben sie den Kalksteinkiosk Sesostris I. (sog. Weiße Kapelle) in Karnak verschmäht. Die weiteren Kapellen im Freilichtmuseum von Karnak ebenfalls. Nehmen wir die Rote Kapelle der Hatschepsut aus dieser Liste heraus. Sie zeigt zwar ebenfalls keine Spuren des "wetzens" stand aber nicht über mehrere "Generationen" am Platz. Die Vögel hatten hier vielleicht nicht genügend Zeit zum Schnäbel wetzen.
Sie scheinen aber auch ihren Totentempel in Deir el-Bahri verschmäht zu haben. Ich konnte bei der Durchsicht meiner Fotos keinerlei Spuren in diese Richtung finden. A priori eine Diskriminierung weiblicher Pharaonen?

Oder liegt es daran, dass diese Tempel(chen) zu bestimmten Zeiten der (moderneren) Geschichte nicht mehr zugänglich waren? Die Kapellen im Freilichtmuseum wurden noch in der Antike abgebaut und eingelagert. Der Tempel in Deir el-Bahri versandete komplett (und durch die Kessellage eventuell deutlich schneller wie die anderen Tempel in Luxor).

Wenn diese Spuren von Vögeln stammen, müßen diese entweder einem bestimmten Modegeschmack gefolgt sein (man benutzt den Tempel nicht zum schärfen der Schnäbel in der Antike!), oder wir hätten es mit, zu einem bestimmten Zeitpunkt der Geschichte, zugereisten Vögeln zu tun.

es grüßt eine angesichts deiner überzeugenden Zustimmung kopfschüttelnde

nauna
> Antwort auf Beitrag vom: 07.01.2006 um 22:27:43  Gehe zu Beitrag
Geistsucher  maennlich
Member



Re: Edfu - Luxor Frage zur jüngeren Geschichte 
« Antwort #32, Datum: 08.01.2006 um 11:58:11 »   

Warte auf Dirk und seine Datierungen.
Napoleons Expedition und die Gründung des SCA lagen ein
paar Jahre nach der letzten altägyptischen Kultausübung.
So hatten die Vögel reichlich Gelegenheit, sich an frei
zugänglichen und unbewachten / menschenunumschwärmten
Steinen zu schaffen zu machen.
Welchem Araber waren denn äg. Tempel interessant oder gar
heilig ?
> Antwort auf Beitrag vom: 08.01.2006 um 10:15:39  Gehe zu Beitrag
naunakhte  weiblich
Moderatorin



Re: Edfu - Luxor Frage zur jüngeren Geschichte 
« Antwort #33, Datum: 08.01.2006 um 12:03:57 »   


Zitat:
So hatten die Vögel reichlich Gelegenheit, sich an frei zugänglichen und unbewachten / menschenunumschwärmten
Steinen zu schaffen zu machen.


Selbst wenn die Dokumentationslage nur dünn ist - der Luxortempel war

Zitat:
nach der letzten altägyptischen Kultausübung

kontinuierlich belebt / besiedelt.

kopfschüttend
nauna
> Antwort auf Beitrag vom: 08.01.2006 um 11:58:11  Gehe zu Beitrag
Udimu  maennlich
Member



Re: Edfu - Luxor Frage zur jüngeren Geschichte 
« Antwort #34, Datum: 08.01.2006 um 12:24:15 »   

Hi,

ich habe jetzt diese Diskussion nur so etwas am Rande verfolgt und bin eigentlich immer davon ausgegangen, dass es sich um Spuren von Fruchbarkeitsritualen handelt. Frauen schabten etwas von diesen heiligen, alten Steinen ab, um etwas von deren magischer Wirkung abhaben zu können.

So etwas ist auch in christlicher Zeit in Europa an vorgeschichtlichen Monumenten bezeugt und hat nichst damit zu tun, dass man im Islam nicht mehr an die alten Götter glaubte. Es fällt eher unter den Begriff 'Aberglaube'. Gegen die 'Vogeltheorie' mag auch sprechen, dass diese Wetzspuren immer in Höhe von Gehhorizonten liegen, was eindeutig auf menschlichen Ursprung hinweisst.

Gruss
Udimu

(es gibt sogar einen Artikel zum Thema, ich muss den nur erstmal finden: dann mehr ... )
> Antwort auf Beitrag vom: 08.01.2006 um 12:03:57  Gehe zu Beitrag
naunakhte  weiblich
Moderatorin



Re: Edfu - Luxor Frage zur jüngeren Geschichte 
« Antwort #35, Datum: 08.01.2006 um 13:46:35 »   

Hallo Udimu und andere,

diese Spuren sind mir sowohl aus der Ägyptologie wie auch aus der Heimatgeschichtsforschung bekannt. So nebenbei hat man auch die Erklärungen zum "med. Volksglauben" (hierzu auch Fruchtbarkeitsrituale) und dem "schärfen von Messern/Schwertern" wahrgenommen. Da es bei meine Arbeiten zu beiden Themenbereichen nie störte habe ich mich auch noch nicht näher damit beschäftigt. Die gegebenen Erklärungen nie hinterfragt. Mir sind aber auch nie Belege für diese Erklärungen oder für Datierungen untergekommen.

Insofern würde mich der von dir angesprochene Artikel sehr interessieren.

In der "Vogeltheorie" habe ich die Laufhorizonte bewußt weggelassen. Sie setzen im Grunde eine Datierung der Spuren voraus  

Gruß
nauna
> Antwort auf Beitrag vom: 08.01.2006 um 12:24:15  Gehe zu Beitrag
4U2  
Gast

  
Re: Edfu - Luxor Frage zur jüngeren Geschichte The_Colossi_of_Min_Koptos.jpg - 17 KB
« Antwort #36, Datum: 08.01.2006 um 15:42:50 »     

So dann will ich auch mal was zu Dirks Spurensuche beitragen.
Zitat Udimu:

Zitat:
ich habe jetzt diese Diskussion nur so etwas am Rande verfolgt und bin eigentlich immer davon ausgegangen, dass es sich um Spuren von Fruchbarkeitsritualen handelt. Frauen schabten etwas von diesen heiligen, alten Steinen ab, um etwas von deren magischer Wirkung abhaben zu können.

Bei meinem ersten Besuch in Ägypten Anfang der 70Jahre erzählte mir ein ägyptischer Freund lächelnd den Ratschlag seiner Großmutter den noch nicht erfüllten Wunsch nach Enkeln zu beschleunigen:

In ihrer Jugend in den 30er Jahren gingen Frauen der ländlichen Bevölkerung aus der Gegend von Dendera bei Unfruchtbarkeit zu den alten Tempeln um unter Anleitung der alten Dorfweiber *geladenen* Steinsand aus dem Gemäuer zu schaben. Dieser wurde dann von den Frauen in ein Tuch gewickelt und um die Hüften geschlungen getragen.
Setzte der Erfog nicht gleich beim ersten mal ein  wurde erneut inbrünstiger geschabt.
Mein Bekannter konnte den Wunsch nach Enkeln übrigens anders lößen *lol*
Ich werd der Sache aber bei meinem nächsten Aufenthalt in Cairo nachgehen, vieleicht lebt die alte Dame ja noch

In diesem Zusammenhang eine neue Belgquelle von Schürfrillen für Dirk:
Bild: The Colossi of Min

Zitat:
In Koptos in the south part of the "Quena bend" were found in the 1890s the torsos of two gigantic statues of the fertility god Min. They once stood about 2,6 m tall and showed a mature bearded man holding his erected penis. The b/w picture is an attempt to a crude reconstruction (head and feet) how the pair once looked like using prototypes from tombs where lots of small bearded figurines are known just prior to the unification in about the year 3.200 B.C. These are today (2001) generally accepted as being tiny depictions of Min.These two objects are the oldest examples in human history of stone statues in colossus format.

Quelle: http://www.nemo.nu/ibisportal/0egyptintro/2aegypt/index.htm

Ein Schelm wer da an Vögel* denkt
« Letzte Änderung: 08.01.2006 um 17:15:50 von 4U2 »

> Antwort auf Beitrag vom: 08.01.2006 um 13:46:35  Gehe zu Beitrag
Dirk  maennlich
Member - Themenstarter



Re: Edfu - Luxor Frage zur jüngeren Geschichte 
« Antwort #37, Datum: 08.01.2006 um 16:33:54 »   

Hallo alle zusammen,

im Moment ist es bei mir zeitlich eng, daher zum bisherigen kurz nur so viel:

Zwischen den europäischen und den ägyptischen Schleifrillen gibt es mehrere Gemeinsamkeiten:

1. Anbringung an Gebäuden, i. R. nicht an natürlichen Gebilden, und zwar i. R. an Außenseiten.

2. Zumeist bis in Körperhöhe, bzw. lassen sich höherliegende Schleifspuren auf ein nicht mehr vorhandenes, einst jedoch begehbares Niveau zurückführen.

3. Formal besteht kein signifikanter Unterschied in der Art der Herstellung zwischen europäischen und ägyptischen Schleifrillen. Es lassen sich zwar verschiedene Typen differenzieren (zB lange Schlitze, breitovale tiefe Rillen etc.),doch sind diese nicht auf ein bestimmtes Land beschränkt.

4. Die Herstellungstechnik ist gleich: durch Schaben und Kratzen mit einem spitzen oder klingenartigen Instrument. Für die mir bekannten Beispiele kann ausgeschlossen werden, daß die Rillen durch meisseln oder aushacken entstanden sind.

5. Die mir durch Autopsie und Dank der Hilfestellung im Forum durch Fotos bekannten Exemplare in Europa und Ägypten bekannten Schleifrillen verteilen sich innerhalb einer gewissen Variabilität wie folgt:

a.) sie sind fast ausschließlich senkrecht angeordnet,
b.) treten in horizontalen Gruppen auf,
c.) liegen am häufigsten unmittelbar über der unteren Lagerfuge eines Bauglieds (zB Quader),
d.) bei zwei- und mehrreihigen Serien auf einem Bauglied (Quaderspiegel, Profilstück) liegt die zweite (=jüngere) Reihe über der ersten, wobei die Achsen der Schleifrillen grosso modo übereinstimmen.
e.) figürliche Darstellungen werden bei den ägyptischen Exemplaren in der Regel gemieden (mir im Moment bekannte Ausnahme: zB Medinet Habu), nicht jedoch Hieroglyphentexte. Dieser Punkt läßt sich für Europa wohl ausschließen, zumindest sind mir in Europa keine Wetzrillen über Bauinschriften bekannt. Bezüglich der Schleifrillen über Hieroglyphentexten ist vielleicht bemerkenswert, daß etwa die Schleifrillen auf den Fotos von Haremhab offensichtlich den senkrechten Spaltentrenner der Inschrift folgen.

Als erste Zwischenbilanz würde ich als Arbeitshypothesen ableiten:

1. Aufgrund der Systematik in der Art der Anbringung sind die Schleifrillen eindeutig anthropogen. Formal ist eine Genese durch Erosion (fluviativ oder aeolisch) auszuschließen. Ausschwemmungen z. B. durch Traufwasser etc. sehen anders aus, Winderosion (Windmarken) ebenfalls. Tierfraß (vgl. die ethologisch und ornithologisch nette Geschichte mit den "über Generationen hinweg ... gruppenwetzenden Vögeln") ist von der Form wie von der systematischen Verteilung her gesehen auszuschließen.

2. Die unter 1 - 5 genannten Gemeinsamkeiten zwischen europäischen und ägyptischen Schleifrillen lassen vermuten, daß die  Anbringung von Schleifrillen auf die gleiche oder zumindest eine ähnliche Motivation zurückzuführen ist. Damit fallen Interpretationen weg, die sich auf regional beschränkte Bräuche stützen (zB Handlungen bei Gerichtsakten, Hochzeiten etc.). Als man die Schleifrillen eingrub, gab es noch keine "Globalisierung".

3. Aus 2 wäre abzuleiten, daß die Motivation entweder von einem gemeinsamen kulturellen Verhalten abhängt, oder auf den Import einer noch zu bestimmenden (europäischen?) Gepflogenheit. Für Ägypten enden meiner Meinung nach mögliche kulturelle Gemeinsamkeiten spätestens mit der Islamisierung. (Christen -> Kopten -> Islam) Die "Wiederentdeckung" Ägyptens durch die Europäer wäre ein denkbarer Terminus für einen Import einer europäischen Schleifrillen-Tradition. Ich denke dabei vor allem an die Zeit der "Kavalierstouren" im Anschluß an die napoleonischen Unternehmungen, oder an die "Ägyptomanie" mit der damit verbundenen Mystifizierung einer bislang unverstandenen pharaonischen Kultur. Allerdings ist das noch mehr als Spekulation daher:  

Ich persönlich will mir aber durch die Diskussion über den Zweck dieser Rillen und die damit verbunde Auseinandersetzung mit vagen Andeutungen, esoterischen Wunschvorstellungen und vermeintlich uralten Kulten (es fehlen nur mehr die Hoopi-Indianer und der Schamanismus)den Blick auf die Originale und die bauarchäologischen Befunde verstellen. Selbst über die aus Pkt. 3 möglichen Konsequenzen mehr zu sagen, wäre für mich noch zu früh. Von einigen Denkansätzen dazu - aus Zeitgründen - später mehr ...

Nachsatz, weil es zeigt, mit welchen Fußangeln man es zu tun hat, wenn man die Dinge ohne Befund beurteilt und sie zu sehr verallgemeinert:

Zitat:
Frauen schabten etwas von diesen heiligen, alten Steinen ab, um etwas von deren magischer Wirkung abhaben zu können.


Advocatus Diaboli: "Setzt das nicht voraus, daß die ägyptischen und die europäischen Frauen vor dem 19. Jahrhundert über die gleichen medizinischen Vorstellungen bezüglich des Steinmehls und über die gleiche Freiheit der Mobilität verfügten?"

Grüße
Dirk
> Antwort auf Beitrag vom: 08.01.2006 um 13:46:35  Gehe zu Beitrag
Iufaa  maennlich
Moderator



Re: Edfu - Luxor Frage zur jüngeren Geschichte 
« Antwort #38, Datum: 08.01.2006 um 16:47:58 »   

Hallo,

noch ein Nachtrag mit Bild. Die Aufnahme zeigt Reste des 1. Stationstempels der Hatschepsut, gegenüber dem Tempel des Kamutef und der Mut gelegen.

Auch hier sind die Wetz- oder Schleifrillen nicht zu übersehen, aber sie liegen deutlich auf den Blöcken, nicht senkrecht an der Wand - sind also erst nach dem Abtragen/Einsturz des Gebäudes entstanden.

Ich habe mal meine Bilder durchgesehen, diese Wetz- oder Schleifrillen sind wirklich ubiquitär. Sie tauchen praktisch an und in allen Gebäuden auf (und liegen häufig auf deutlich verschiedenen "Laufhorizonten"), die mit großer Wahrscheinlichkeit in der post-ägyptischen Zeit zugänglich waren.

Die hier im Stationstempel zu beobachteten Spuren sind schmale Rillen - könnte es für diese eine andere Erklärung geben, als für die breiten ovalen Schabespuren?

Grus, Iufaa


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> Antwort auf Beitrag vom: 08.01.2006 um 16:33:54  Gehe zu Beitrag
Geistsucher  maennlich
Member



Re: Edfu - Luxor Frage zur jüngeren Geschichte 
« Antwort #39, Datum: 08.01.2006 um 17:24:46 »   

Die Mulden (auch) auf den Minstatuen sehen deutlich verschieden aus.
Stichwort Globalisierung ist aufschlußreich (- wir haben es -
anders als bei Faustkeilfunden - mit Seßhaften zu tun -):
Ich glaube, ich gehe gleich zu einem Ornithologen und frage den.
« Letzte Änderung: 08.01.2006 um 17:25:59 von Geistsucher »
> Antwort auf Beitrag vom: 08.01.2006 um 16:47:58  Gehe zu Beitrag
Dirk  maennlich
Member - Themenstarter



Re: Edfu - Luxor Frage zur jüngeren Geschichte 
« Antwort #40, Datum: 08.01.2006 um 17:26:31 »   

Hallo 4U2,


Zitat:
Bei meinem ersten Besuch in Ägypten Anfang der 70Jahre erzählte mir ein ägyptischer Freund lächelnd den Ratschlag seiner Großmutter
...

eine ebenso typischer wie interessanter Beitrag zur Oral History. Ich bezweifle nicht, daß derartge Praktiken ausgeführt wurden und sich die Kenntnis darüber über drei Generationen erhalten hat.

Allerdings ist fraglich, wie lange solche Traditionen zurück gehen und vor allem, aus welchem Bereich sie ursprünglich stammen. Ich habe da eine köstliche Geschichte über eine andere Art von Schürfrille anzubieten, die zeigt, daß die mündliche Überlieferung und der damit verbundene Niederschlag in Sagen de facto dann erst nach 1880 mitten in Wien entstanden ist. Sobald ich das Material dazu gefunden und aufbereitet habe, stelle ich den Link für Interessierte zu meinen "Notizen" ins Forum, weil es nicht unmittelbar zum Thema Ägypten gehört.

Die Sache mit der Min-Statue muß ich noch durcharbeiten.

Grüße
Dirk
> Antwort auf Beitrag vom: 08.01.2006 um 15:42:50  Gehe zu Beitrag
gast-Sennefer  
Gast

  
Re: Edfu - Luxor Frage zur jüngeren Geschichte 
« Antwort #41, Datum: 08.01.2006 um 20:24:50 »     

Hallo,

im Frühjahr 2005 hörten wir uns einen Vortrag von Héléna Zacharias-Delaporte vom CFEETK ( Centre franco-égyptien d'étude des temples de Karnak ) im Mumification Museum an.
Am Tag darauf folgten wir Ihrer Einladung, uns noch genauer über Ihre Arbeit zu informieren. Sie leitet das Atelier für Epigraphie ( dort werden exakte Handzeichnungen der Tempel-Reliefs digitalisiert ).
Das Atelier befindet sich in der Nähe des Ticketschalters vorm Karnak-Tempel ( das Haus mit der "Doppelpalme" ).
In dem Atelier hingen einige Zeichnungen auf denen teilweise auch diese beschriebenen Stellen zu sehen waren. Auf meine Frage wie dies entstanden sei, erklärte sie mir, dass es sich um Wetzstellen durch das Schärfen von Klingen handelt.

Gruß,
Sennefer
> Antwort auf Beitrag vom: 08.01.2006 um 17:26:31  Gehe zu Beitrag
Mubarek  
Gast

  
Re: Edfu - Luxor Frage zur jüngeren Geschichte 
« Antwort #42, Datum: 09.01.2006 um 00:35:53 »     

Die Wetzrillen, welche zu meinem Gespräch mit einem Ornithologen führten, sind mir nicht in Ägypten sondern in Deutschland, Italien und China begegnet.

In Deutschland sah ich sie an einem Turm des Kölner Doms, dessen Aussenseite in dieser Höhe gewiss keinem Publikum zugänglich ist, was auch um Fruchtbarkeit nachsuchende Frauen einschliesst. Diese Wetzspuren befanden sich meist dicht über Fugen, die, so der Vogelkundler, den Krallen der Vögel ausreichend Halt bieten, wobei oft allerdings Unterstützung durch Flügelschlag notwendig ist.
Der Dom besteht nicht aus Kalkstein, sondern aus relativ weichem Buntsandstein, der überwiegend aus Brüchen der Gegend um Königswinter stammt.
Die Wetzspuren befanden sich an Stellen, die durch Zungenwände oder andere Vorbauten vor Wind aus der Hauptwindrichtung geschützt waren.
Diese Wetzspuren werden kontinuierlich von den Steinmetzen der Dombauhütte beseitigt, teils durch Ersetzen des Steins, teils durch Ausfüllen mit geeignetem Mörtel, um im Rahmen der Korrosionsvorbeuge das tiefere Eindringen von Regenwasser zu verhindern, welches auf Dauer den Stein zerstören würde.

In Italien fanden sich die Wetzspuren am Kalkgestein des Colosseums in Rom, wobei auch hier Stellen zu nennen sind, die völlig unzugänglich oder nur durch geübte Kletterer zu erreichen sind.

Im Areal der Ming-Gräber, nördlich von Peking, sind die Wetzspuren in der aus Ziegeln gemauerten, nahezu senkrecht aufstrebenden Wand zwischen den beiden Treppenaufgängen zum Tumulus über dem Grab des Jingling-Kaisers zu bewundern, allerdings auch nur mit Gerüst und Leiter.

Aber wie gesagt, das ist nur eine von vielen möglichen Erklärungen und es mag durchaus seine Richtigkeit haben, dass gleich aussehende Spuren völlig andere Ursachen (und Verursacher) haben.

Hätte ich damals geahnt, dass Kerbungen dieser Art einmal viel Raum in einem ernstzunehmenden Forum wie diesem gewidmet werden würde, hätte ich sicherlich ein paar Fotos gemacht.
« Letzte Änderung: 09.01.2006 um 01:05:43 von Mubarek »
> Antwort auf Beitrag vom: 08.01.2006 um 20:24:50  Gehe zu Beitrag
Dirk  maennlich
Member - Themenstarter



Re: Edfu - Luxor Frage zur jüngeren Geschichte 
« Antwort #43, Datum: 09.01.2006 um 12:55:31 »   

Hallo Iufaa,


Zitat:
Die hier im Stationstempel zu beobachteten Spuren sind schmale Rillen - könnte es für diese eine andere Erklärung geben, als für die breiten ovalen Schabespuren?

diese Rillen sehen tatsächlich anders aus - so sehen eigentlich typische Spuren aus, die beim Klingenschärfen (= sehr schmal und spitz auslaufend) entstehen. Wichtiger noch für die Unterscheidung ist jedoch die radiale Anordnung. Wenn das Foto nicht täuscht, dann sehe ich da auch noch andere Schabespuren, nämlich diese doch sehr tiefen aber systemlos angebrachten ovalen Mulden. Sieht wie quasi etwas zu groß geratene "Näpfchen" aus, fast wie die Mulden auf Schalensteinen, von denen man ja auch
nicht recht weiß, was man mit ihnen anfangen soll. Daß Schleifspuren und horizontale "Näpfchen" gleichzeitig nebeneinander vorkommen, hat ja schon meine Aufnahme von der Südostecke des Trajans-Kiosk auf Philae/Agilkia gezeigt. Falls Dein Befund lange unter Sand war, dann ist er für die Frage meiner Spätdatierungshypothese von Interesse.

Ad #42
Hallo Mubarek

Falls Dir noch einfällt, wo ungefähr die Kölner Exemplare angebracht waren, wäre ich für eine Kurznachricht dankbar. Die Kölner Dom-Topographie ist mir zugänglich und dort wurde viel erst im 19. Jh. errichtet. Grundsätzlich müßte man die Befunde optisch nachvollziehen können - schade, daß Du damals keine Aufnahme machen konntest. Darum möchte ich auch nichts zu China und Italien sagen, denn gerade etwa die Zugänglichkeit des Kolosseums hat sich da sehr stark geändert (war das im Mittelalter nicht sehr stark durch Einbau von Wohnungen verändert?). Bei Ziegel (oder auch weichen Tuffquadern) habe ich da schon seht merkwürdige Aushöhlungen durch Winderosion gesehen. China müsste man sich wirklich auch mal anschauen

Man soll aber das Kind nicht mit dem Bad ausgießen.Ich habe mich inzwischen an der TU-Wien bei

jenem Geologenschlau gemacht, mit dem ich seit Jahren auf dem Gebiet der historischen Bauforschung zusammenarbeite. Natürlich kennt er das Schadensbild, das Vögel an Ziegel- und Steinmaurwerk verursachen. Die Vögel picken (!) dabei lockere (!) Materialteilchen heraus heraus. Das hat nichts mitSchleifspuren oder Schnabelwetzen zu tun und sieht optisch völlig anders aus. Es läßt sich Nachweisen, daß die Fraßstellen der Vögel stets mit dem Verdunstungshorizont der aufsteigenden Mauerfeuchtigkeit zusammenfallen. Also dort, wo die
leichtlöslichen Mauersalze kristallisieren und ausblühen, und das ist vorwiegend in geschützten Bereichen. Es sind
insbesondere poröse - also weiche - Gesteinsarten, wo es durch die Kapillarwirkung zu solchen Salzausblühungen kommt. Durch das Auskristallisieren (Volumsvergrößerung!) verlieren die Gesteinskörner ihre Bindung und es kommt zu massiven, oft alveolaren Materialabwitterungen. Auf diese Salzquellen haben es die Vögel abgesehen, nicht auf den Stein als Schnabelschärfer. Wie schon mehrfach erwähnt, sind solche Spuren optisch klar von den Wetz- und Schleifmarken zu unterscheiden und nur bei sehr oberflächlicher Betrachtung mit Wetzrillen zu verwechseln. Man versuche sich nur einmal den zu den sehr schmalen Wetzrillen passenden Schnabel vorzustellen (Ibis). Möglicherweise liegt also bei der ornithologischen Beobachtung eine Verwechslung von Ursache und Wirkung vor.


Grüße
Dirk

P. S.

Nichtägyptisches: Die von mir in #40 in Aussicht gestellte Geschichte zur Oral History und der Schleifspur in Wien ist online.
> Antwort auf Beitrag vom: 09.01.2006 um 00:35:53  Gehe zu Beitrag
Mubarek  
Gast

  
Re: Edfu - Luxor Frage zur jüngeren Geschichte 
« Antwort #44, Datum: 10.01.2006 um 00:44:22 »     

@ Dirk:


Zitat:
Also dort, wo die leichtlöslichen Mauersalze kristallisieren und ausblühen, und das ist vorwiegend in geschützten Bereichen. Es sind insbesondere poröse - also weiche - Gesteinsarten, wo es durch die Kapillarwirkung zu solchen Salzausblühungen kommt. Durch das Auskristallisieren (Volumsvergrößerung!) verlieren die Gesteinskörner ihre Bindung und es kommt zu massiven, oft alveolaren Materialabwitterungen. Auf diese Salzquellen haben es die Vögel abgesehen, nicht auf den Stein als Schnabelschärfer.

Das leuchtet mir ein, weil verständlich und (vor allem kongruent mit dem Foto im Beitrag #29) nachvollziehbar.


Zitat:
Falls Dir noch einfällt, wo ungefähr die Kölner Exemplare angebracht waren, wäre ich für eine Kurznachricht dankbar.

Wo genau ich die "Wetzrillen" am Turm des Doms gesehen habe, weiss ich nicht mehr; es war immerhin schon 1996 oder 1997 gewesen. Seither hat sich auch die Einrüstung der Türme ständig verändert. Ausserdem waren es nicht die Rillen, die mich zu der "Gerüstwanderung" veranlasst haben (und nie wieder veranlassen werden).


Zitat:
Bei Ziegel (oder auch weichen Tuffquadern) habe ich da schon seht merkwürdige Aushöhlungen durch Winderosion gesehen. China müsste man sich wirklich auch mal anschauen...
...Es sind insbesondere poröse - also weiche Gesteinsarten, wo es durch die Kapillarwirkung zu solchen Salzausblühungen kommt. Durch das Auskristallisieren...

Bei dieser Mauer wurden gebrannte, einseitig an der Front glasierte Tonziegel vermauert. Die "Wetzrillen" befanden sich überwiegend an Stellen, an denen die Glasur weggebrochen oder gerissen war. Auch das deckt sich mit Deiner Erklärung.

Fazit (für mich): Nächstes mal gleich mit den Leuten von den Steinen und nicht mit denen von den Vögeln sprechen  


Zitat:
Man versuche sich nur einmal den zu den sehr schmalen Wetzrillen passenden Schnabel vorzustellen (Ibis).

Als Nichtvogelkundler muss ich mir da nicht unbedingt "einen passenden Schnabel", sondern kann mir auch viele kleine Schnäbel vorstellen. Anstelle eines Ibis' tut's dann auch ein Geschwader Spatzen.


Zitat:
Zum oft zitierten profanen Messer- oder Sichelschärfen hätte man sich nicht unbedingt auf die Tempelanlagen stürzen müssen. Außerdem läßt sich daraus technisch nicht die Form der Wetzrillen ableiten.

Was "man hätte" und was "man müsste", insbesondere in der Vergangenheit, ist ohne Kenntnis der näheren Umstände oft nicht nachvollziebar. Allerdings wird diese Formulierung gern als Einleitung zum Hohlschwätzen genutzt.
Die Messer und Sicheln sollten ruhig noch um die gern vermuteten Schwerter erweitert werden. In diesem Fall wäre es mir dann jedoch völlig schleierhaft, wie ein Rittersmann auf diese Weise sein Schwert zu schärfen gedachte, da beim Schärfen die Wetzfläche leicht geschrägt seitlich an der Klinge entlang geführt wird. Gleitet die Schneide der Eisenware mit einem Anstellwinkel um die 90 Grad über den Stein, wird sie stumpf.
Mehr zu diesem Thema in:

Norman, Vesey; Waffen und Rüstungen; Parkland Verlag GmbH, Stuttgart; 1973
Schöbel, Johannes; Prunkwaffen; Econ-Verlag GmbH, Wien / Düsseldorf; 1973
Schöbel, Johannes; Jagdwaffen; Militärverlag der Deutschen Demokratischen Republik; 1975


@ 4U2:

Ich kann es mir, trotz aller Unsachlichkeit, nicht verkneifen:

Zitat:
Bei meinem ersten Besuch in Ägypten Anfang der 70Jahre erzählte mir ein ägyptischer Freund lächelnd den Ratschlag seiner Großmutter den noch nicht erfüllten Wunsch nach Enkeln zu beschleunigen:
In ihrer Jugend in den 30er Jahren gingen Frauen der ländlichen Bevölkerung aus der Gegend von Dendera bei Unfruchtbarkeit zu den alten Tempeln um unter Anleitung der alten Dorfweiber *geladenen* Steinsand aus dem Gemäuer zu schaben. Dieser wurde dann von den Frauen in ein Tuch gewickelt und um die Hüften geschlungen getragen.

Bei meinem ersten Besuch in Schottland war ich am Loch Ness und ein schottischer Freund erzählte mir lächelnd die Geschichte von einem gewissen Ungeheuer...  
« Letzte Änderung: 10.01.2006 um 07:20:55 von Mubarek »
> Antwort auf Beitrag vom: 09.01.2006 um 12:55:31  Gehe zu Beitrag
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