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  Hebsed (Sed-Fest)
Königsfest, das von der frühesten Zeit an bis in die griechisch-römische Epoche in zahllosen Darstellungen vor allem an Tempelwänden und durch textliche Erwähnungen bezeugt ist. Durch vielfältige, sich über mehrere Tage erstreckende Ritualhandlungen, wurden die physischen und magischen Kräfte des Königs erneuert, um eine Fortdauer seiner Regierungszeit zu ermöglichen. Das Feiern von Sedfesten wurde auch auf das Jenseits übertragen, womit die Herrschaft des Königs in die Ewigkeit fortgeschrieben werden sollte.

I. Die Elemente des Sedfestes

Hierfür stehen nur 3 umfangreichere Quellen zur Verfügung:
1.      Niuserre (5. Dyn.) in Abu Gurob
2.      Amenophis III. in Soleb
3.      Osorkon II in Bubastis
Von diesen ist aber tatsächlich nur Beleg 1 für die Reihenfolge als wirklich aufschlussreich zu betrachten.
Die umfangreichen bildlichen Szenen Echnatons aus dem Gem-pa-Aton in Karnak fallen inhaltlich wie stilistisch aus dem Rahmen. Hier ist wohl unter der Bezeichnung "Sedfest" ein Geburtsmythos und ein Krönungsfest wiedergegeben.
Auch die 6 Einzelpanele des Djoser können kaum zur Rekonstruktion einer Festfolge herangezogen werden, da sie die Festabläufe zu komprimiert wiedergeben.

Nach W. Barta (Sedfest-Darstellungen Osorkons II., in: SAK 6, 1978, S.28) ist das Sedfest gemäß den Darstellungen bei Niuserre in folgende Sequenzen zu unterteilen:

1.      Anfangsprozession (Verlassen des Palastes durch d. König und die Standartengötter)
2.      Löwenmöbelfolge (König besteigt Löwenbett)
3.      Krönung und Huldigung (Krönung zum König v. Oberägypten und Unterägypten)
4.      Besuch d. Götterkapellen und Hebsedlauf
    a.      Besuch der Kapellen der oberäg. Götter (zB. des Upuaut)
    b.      Besuch der Kapellen der unteräg. Götter (zB. Apis)
5.      Viehvorführung und Opferzuweisung an die Götter
6.      Sänftenprozession
    a.      Besteigen der oberäg. Sänfte. Rituale vor den Königsahnen (zB. dem Weissen Pavian und den Bau)
    b.      Besteigen der unteräg. Sänfte

Die Reihenfolge ist teilweise strittig und wird zB. von J. Gohary (Akhenaten's Sedfestival at Karnak, 1992, S. 10) folgendermassen wiedergegeben:
  1. Gründungsrituale
  2. Vieh-Inspektion und Zählung
  3. Prozessionsauftakt
  4. Löwenmöbelfolge
  5. Huldigung 1
  6. Huldigung 2
  7. Min-Folge
  8. Upuaut-Folge
  9. Viehumtrieb und Zuweisung an die Götter
  10. Bringen des Thronsessels
  11. Besteigen des Thronsessels
  12. Abschluss der Thronsessel-Sequenz

Hierbei richtet sie sich streng nach der Vorgabe durch W. Kaiser (Die kleine Hebseddarstellung im Sonnenheiligtum des Niuserre, in: Beiträge zur Bauforschung 12, Wiesbaden 1971, S. 90-91). Insgesamt hatten Bissing und Kees (die Ausgräber des Niuserre-Heiligtums) den Eindruck im Vergleich mit Soleb und Bubastis sei ihre Szenenfolge sehr fragmentarisch. Dies rührt einfach daher, dass in den späteren Belegen (v.a. Bubastis) offenbar Szenen ausführlicher wiedergegeben sind, die bei Niuserre nur angesprochen oder impliziert sind. Daher wird Niuserres Sedfestdarstellung auch als "kleine" Sedefestdarstellung bezeichnet.

Auch Soleb (Amenophis III.) ist sehr fragmentarisch erhalten, bietet aber noch die Szenen 1 (alle Angaben nach Barta; Anfangritual), 4b (Götteropfer für Unterägypten) und 6 (Sänftenprozession). Da einige zusätzliche Szenen bei Cheruef begegnen (1 + 3) ist anzunehmen, dass ursprünglich die komplette Szenenfolge Niuserres wiedergegeben war.
Die Rekonstruktion der Bubastis-Szenen Osorkons II. bietet zwar ein sehr umfassendes und vollständiges Bild der Einzelelemente (erhalten sind hier die Szenen 1-6), doch ist die Reihenfolge der Szenen schwer festzustellen und wohl auch in der Zeit Osorkons nicht mehr korrekt gewesen. Heute richtet man sich in der Reihenfolge der Szenen nicht mehr ausschliesslich nach Niuserre (s. Barta, op.cit. S. 29f.), sondern hat ein Konglomerat aus Abu Gurob, Soleb und Bubastis rekonstruiert, das einen "sinnvollen" Prozessionsablauf wiedergibt.


Verteilung der Belege:

Ein Blick in Hornung/Staehelin zeigt, dass bereits bei Skorpion, Narmer und Djer Sedfest-Motive belegt sind (bei Skorpion und Narmer sind es aber eher später gängige Fest-Ikonen, die keinen sicheren Schluss auf ein reales Sedfest zulassen, zB. Kronenumläufe etc.). Sicher ist dass das Fest schon ab der II. Dyn. (s. N. Alexanian, Die Reliefdekoration des Chasechemui, in: Les Critères de Datation Stylistiques à l'Ancien Empire, ed. N. Grimal, Kairo, 1994, S. 1-21) und sehr wahrscheinlich bereits in der I. Dyn. gefeiert worden (s. A. Grimm, Ein zweites Sedfest des Königs Adijb, in: VA 1, 1985, S. 91-98 und K.O. Kuraskiewicz, Noch einmal zum zweiten Sedfest des Adjib, in: GM 167, 1998, S. 73-75 und A. Jimenez Serrano, Royal Festivals in the late predynastic period and the first dynasty, Oxford 2002).

Noch frühere Ansätze (K.M. Cialowicz, Le plus ancien térmoignage de la tradition du heb-sed, in: Folia Orientalia 33, 1997, S. 39-48) sind kritisch zu bewerten, da spekulativ.
Eine schon etwas ältere Zusammenstellung bildlicher und inschriftlicher Belege zu Sedfest findet sich bei Hornung&Staehelin (s.o.).
Neben denbereits aufgeführten Anbringungsorten gibt es Sedfestzyklen auch auf königlichen Palastanlagen/Tempelpalästen (zB. die Tordekoration des Apries in Memphis, vgl. W. Kaiser, in: MDAIK 39, 1983, S. 265 Abb. 2).
Noch in der Ptolemäerzeit ist die Sedfest-Szene belegt: Medamud, Zt. Ptolemaios II. (s. Ch. Sambin und J.F. Carlotti, in: BIFAO 95, 1995, S. 383-458) und Edfu (M. Ibrahim, in: ASAE 63, 1979, S. 89-101).


Problematik:

Beim Hebsed besteht in der Deutung des Rituals ein Hauptproblem:
Wir haben ausschliesslich Bilder, um die Ritualabläufe zu rekonstruieren (die gewagte These, die "Dramatischen Ramesseumspapyri" würden Sedfest-Szenen zeigen ist wohl noch umstritten; zum Festablauf, s. Barta, in: SAK 6, 1978, S. 25-53)
Ansonsten muss man sich mit stereotypen "Sedfestformeln" begnügen, in denen der König als Empfänger von Sedfesten bezeichnet wird.  Häufig kann es sich nicht um ein "echtes" Sedfest handeln, da nach dem "ägyptischen Standard" ein Sedfest nach 30, 34, 37, 40 usw. Jahren begangen wurde (so zB. die Sedfest-Belege bei Amenemhet I., Hatschepsut, Amenophis IV., Osorkon II.) und die meisten der genannten Königs einfach zu jung/früh gestorben sind (vgl. hierzu Hornung & Staehelin, op.cit, S. 51ff.; W.J. Murnane, The Sed Festival: A Problem in Historical Method, in: MDAIK 37, 1981, S. 369-376; J.v. Beckerath, Gedanken zu den Daten der Sed-Feste, in: MDAIK 47, 1991, S. 29-33).
Als sogenannte "pillar benediction" oder "Pfeilerformel" bezeichnet, begegnet bei zahllosen ägyptischen Pharaonen (v.a. MR und NR) nicht nur die Formel ein "Hb-sd" gefeiert zu haben sondern auch ein "zp tpj wHm Hb-sd" oder "zp tpj wHm" ("Wiederholung des Ersten Males") erreicht zu haben. Nach Hornung (MDAIK 47, 1991, S. 168) besteht aber auch bei dieser Formel berechtiger Zweifel ob bei vielen der genannten Pharao aus chronologischen Gründen jemals in der Lage war ein "echtes" Sedfest (nach 30 Jahren) und dann noch ein "2. Sedfest" im 34. Jahr zu begehen. Die Formel WÜNSCHT nach Hornung (op.cit. S. 170) dem Pharao "ein erstes Sedfest und (unendliche viele) Wiederholungen", ist also völlig anders zu übersetzen. Ein Realitätsbezug liegt hierbei meist nicht mehr vor. Es handelt sich um eine "erstarrte Formel".
Da im Sedfest der Regenerationsvollzug auch für die Tempelstatuen galt, ist es möglich, dass auch posthum ein Sedfest eines Königs begangen wurde. So ist zB. für Ramses I. ein solches posthumes Sedfest aus dem Millionenjahrhaus Sethos' I. in Qurna (Lepsius, Denkmäler III, S. 151b) belegt.

Wenn wir nun die älteren Darstellungen von Niuserre (Bissingen/Kees, Das Re-Heiligtum des Königs Newoser-Re (Rathures) II, Leipzig 1923 und III, 1928) heranziehen, so fällt auf, dass zB. Amenophis III. von "wurmstichigen" uralten Vorlagen abschreiben bzw. abmalen liess (die Beamten rühmen sich ja in ihren Autobiographien solche zerfressenen Papyri konsultiert zu haben). Titel (die es unter Amenophis III. schon lange nicht mehr regulär gab) und Festszenen/Abläufe sind z.T. detailiert kopiert worden. Dasselbe Ergebnis ist bei der Tordekoration  Osorkons II. festzustellen, die teilweise 1:1 identisch mit den Soleb-Szenen Amenophis III. ist. Es handelt sich also in den Regel bei späteren Belegen um Anachronismen.
Andererseits ist bereits für die Belege des MR eine Vermischung mit Elementen des allgemeinen Osiris-Festgeschehens feststellbar. Die Grundthematik beider Feste ist ja in weiten Teilen deckungsgleich (Regeneration des alten Herrschers durch dessen symbolischen Tod und die anschliessende Wiederauferstehung als verjüngter König) und begegnet zB. beim auch Choijak-, Neujahrs- und Opetfest. Es dürfte sich also bei vielen Darstellungen von "Sefest-Motiven" um Neujahrszeremonien handeln, bei denen ja auch ein intensiver Königs-Statuenkult betrieben wurde. Ab dem NR fallen diese Feste ja teilweise mit dem Krönungsjubiläum des Königs zusammen. Bei den Feierlichkeiten wurden Götter wie König in den Gebutshäusern ( --> Mammisi) der Landestempeln "neugeboren". Die Vermischung von Komponenten der einzelnen Feste ist ein Charakteristikum für die ägyptischen Auffassung dieser Feste. Es geht primär um den Regenerationseffekt. Dass dabei Erneuerungs-Elemente ehemals getrennter Festrituale zusammengezogen und umkomponiert werden ist typisch. So sind zB. die zahlreichen "Festläufe" (s. H. Kees, Opfertanz, München 1912) wie Vogellauf, Vasenlauf, Ruderlauf und Sedfestlauf offenbar als Einzelmotive bereits im MR austauschbar bzw. als pars pro toto Symbol für die Regenrations- und Osirisfeierlichkeiten (Einzelmotive bzw. Protagonisten sind zwischen den einzelnen Lauf-Ikonen austauschbar). Wenn also eine scheinbare Sedfest-Szene in einem Relief begegnen, so bedeutet dies nicht, dass hier konkret das Sedfest gemeint ist. Vielmehr handelt es sich womöglich um allgemeine Regenerationssymbolik ohne einen konkreten Situationsbezug. Generell ist jedoch die Regerationsthematik aufs engste mit dem Königskult verbunden, da der Herrscher ja jährlich (beim Neujahrsfest) einer vollständigen Erneuerung unterzogen wird. Auch bei anderen "Erneuerungsfesten" (Choijak, Neheb-Kau u.a.) ist es letztendlich immer auch die Erneuerung des Königs, die im Hintergrund mitschwingt.
Andere Meinung: H. Goedicke, Zoser's funerary Monument II, in: BACE 8, 1997, S. 44: "The celebration of the Sed-Festival is not an integral part of a king's reign but rather a requirement from the lenght of a king's reign" (was aber klar die vielen "Pseudo-Sedfest-Belege" ignoriert).


Zum Kanon:

Die Sedfestdarstellungen Niuserres, Amenophis' III. und Osorkons II.unterliegen klar einem Kanon und sind keinesfalls als innovativ oder gar realistisch einzuschätzen (Ausnahmen: Die Darstellungen des Cheruef weisen dagegen besondere Betonungen bestimmter Elemente auf (zB. des Tanzes), während die Darstellungen des Echnaton in Karnak klar Szenen präsentieren, die sonst explizit nicht belegt sind - aber vermutlich implizit ausgedrückt waren, zB. die "Bettszene" mit seiner Gemahlin).


Zum geographischen Verteilungsmuster:

Es gibt keines. Bereits früh herrschte Uneinigkeit zwischen den Ägyptologen WO denn nun das Sedfest zelebriert wurde. Bisher konnte keine Einigung erziehlt werden.
Gardiner (in JEA 30, 1944, S. 27) vermutete - noch in Anschluss an die Funde aus dem Niuserre-Tempel - eine Sedfest-Zentrale in Memphis. Dagegen spricht aber, dass wir auch den Obelisken Sesostris' I. aus Heliopolis haben (Simpson, in: JARCE 2, 1963, S. 61), der ein Sedfest nennt. Sesostris III. zeichnet ein Sedfest in Medamud auf. Aus Karnak besitzen wir dagegen die Sedfest-Kapellen Amenophis' I. und II. (PM II, 134, 185) und auch Thutmosis III. verzeichnet hier seine Sedfeste. Aus Malqata (Palast Amenophis' III. in Theben West) besitzen wir Siegelabdrücke, die ein Sedfest des Herrschers nennen. Gelegentlich wird der ganze dortige Komplex als Sedfestbühne gedeutet. Die mangelhafte Belegsituation zu Ramses II., der ja definitiv einige Jahre auf dem Buckel hatte und somit auch sicher Sedfeste feierte (anderweitig ja sicher dokumentiert) wird i.d.R. damit erklärt, dass die Fest-Szenen und das Fest selber in Qantir (Piramesse) begangen wurde. Von dort ist aber so gut wie nichts erhalten (bzw. die Tempelanlagen sind noch nicht ergraben; s. Habachi, in: ZÄS 97, 1971, S. 67).
Ramses III. feierte sein Sedfest vielleicht ebenfalls in Piramesse.
Nach dem Umzug nach Tanis dürfte man dort die Sedfest-Zentrale vermuten. Doch Osorkon II. dokumentiert sein Sedfest in Bubastis (wo seine Familie übrigens herkommt! -  S. Naville, Festival Hall of Osorkon II, London 1892). Allgemeinhin wird der familiäre Bezug zur Heimatstadt für Osorkon als Motivation gesehen.
Aufgrund des häufigen Titels "Herr der Sedfeste wie Ptah-Tatennen" bei Ptolemäerkönigen wird für die Ptolemäerteit das Sedfest in Memphis vermutet. Allerdings sprechen dagegen die Darstellungen in den oberägyptischen Tempelanlagen (s.o.). Auch ist zu berücksichtigen, dass dieser Titel erstmals bei Ramses II. begegnet und seitdem zum inhaltslosen Topos mutiert (Hornung&Staehelin, S. 81).

Allein aus einer Darstellung in einem Tempel oder Königsnamen lässt sich sicher nicht der Ort des Rituals selbst ableiten. Das Sedfest gehört als königliches Erneuerungsritual zu den landesweit gefeierten Festen. Die bedeutet, dass alle Landestempel in irgendeiner Form am Festtag den Tod und die Wiedergeburt des Königs bzw. Orisis' nachstellten und feierten - und somit auch im Relief darstellen konnten. Die angeblichen "Zentren" der Sedfeste, die aus den Abbildungen o.a. abgeleitet werden spiegeln einfach die regionale Belegsituation einer Epoche wieder (AR = Memphis; MR = Mitteläg. Faiyum, Oberäg.; NR = Thebais; III. Zw.Zt = Delta; Spätzt. + Ptol.zT. = Memphis, Oberäg. usw.). Wo konkret der König seine persönlichen Riten abhilt ist wohl unwichtig (es handelt sich immer um ein Palast/Tempel/Palast-Handlungsmuster. Wo der Palast und der Tempel standen ist letztendlich unwichtig).


Zur "öffentlichen" Zugänglichkeit:

Wenn N. Alexanian (Die Reliefdekoration des Chasechemui, in: Les Critères de Datation Stylistiques à l'Ancien Empire, ed. N. Grimal, Kairo, 1994, S. 1-21) zum Chasechemui-Fort in Abydos nur aus der Anbringung von Sedfest-Szenen, der Nähe zum Königsgrab und der imposanten Baustruktur auf einen "öffentlichkeitswirksamen" Zweck des Baus schliesst (sie sieht dort "Feste, Rituale und Veranstaltungen" zelebriert), so ist dies sicher voreilig. Wie Hornung & Staehelin (1974, S. ) anmerken gehörte die Sedfest-Dekoration in der IV.-VI. Dyn. zum königlichen Dekorationsprogramm der kgl Grabanlage (speziell in der V. Dyn. ist eine Unsicherheit in der Aufteilung auf Totentempel und "Sonnenheiligtümer" feststellbar).
Auch für die 12. Dyn. gilt dieses Prinzip (kgl. Totentempel). Gleichzeitig wird im MR die Szene auch auf Göttertempel (die wir ja aus dem AR nur in sehr eingeschränktem Masse haben) ausgeweitet (Medamud, Karnak, Bubastis, Heliopolis).

Zu unterscheiden ist generell in die "Öffentlichkeit" beim Ritualvollzug selbst und der "Öffentlichkeit" der allgemeinen Festsituation. Wie bei allen überregionalen  großen Landesfesten (zB. Chojak-, Neujahr- und Thotfest) war das Volk "im Fest" und beging "einen schönen Tag", wie uns sowohl die offiziellen Festschriften selber, wie auch zahllose Ostraka zeigen. An den Festtagen (i.d.R. der 10., 20 und 30. Montstag ansonsten auch alle anderen großen Festtage) nahm man als Festteilnehmer an Prozessionen teil (aber auch hier nur zum rituellen "Jubeln", nicht um das Kultbild nach katholischem Marienkultvorbild selbst zu tragen) und konnte den Priestern Petitionsanfragen geben, die diese der Götterbarke bei ihrem Erscheinen (chaj) vorlegten. Die Ritualhandlungen selbst konnten ausschliesslich von "authorisiertem" Personal (d.h. sem, wab, it-nTr und Hm-nTr Priestern) durchgeführt werden.
Die Ritualhandlungen im Tempel konnten auch nicht von der Bevökerung "besucht" werden. Hier agierte eine kleine ausgesuchte Gruppe aus Priester, Vorsängern, Chor und Tänzern, die nach festen Regeln die Rituale ausführten. Massenandrang herrschte bei diesem elitären Zirkel bestimmt nicht. Wenn wir von Herodot erfahren, dass das gesamte Volk in den rituellen "Schaukämpfen" mitwirkt, so ist diese Aktion doch ausschliesslich auf den äusseren Tempelbereich beschränkt. Auch ist die Aussage Herodots nur bedingt glaubwürdig, da er ja die Einbindung der Akteure in Kultgruppen nicht erkennen konnte. Wie zB. die Untersuchung von M.-T. Derchain-Urtel (Die Festbesucher in Esna, in: ÄAT 33,2, S. 12ff.) zeigt, hatten die Menschen ausserhalb des Tempels speziell die Aufgabe am Morgen beim Anbruch des Festgeschehens zu "jubeln" (auch dieser Jubel ist mythologisch bedingt - also vorgeschrieben - und die Menschen treten auch hier in der Rolle der sog. rechit und pat, dem Menschengeschlecht der mythischen Schöpfungssituation auf).
Bei den Sedfestdarstellungen (egal welcher Epoche) ist nie eine "Masse" an Leuten dargestellt. Immer sind es spezifische Protagonisten, die konkrete Rollen ausüben. (so zB. auch schon auf dem Narmer-Keulenkopf; s. A. Krol, The Representation of the "Sed-Platform" in the Early Dynastic Monuments, in: GM 184 (2001), S. 27-33 Abb. 1)

Die Anbringung der Szenen innerhalb des Tempel-Komplexes verdeutlicht recht klar, dass es sich nicht um publikumswirksame Anbringungen handelt:
Die Szenen bei Djoser (s. F.D. Friedman, The Underground Relief Panels of King Djoser at the Step Pyramid Complex, in: JARCE 32, 1995, S. 1-42) sind unter der Stufenpyramide selbst und im Komplex des Südgrabes untergebracht und sicher nicht öffentlich zugänglich gewesen. Die kultische Funktion der Südgrabanlage ist nach wie vor umstritten (Hawass hält das gesamte Südgrab für den jenseitigen "Königspalast" des Djoser, was dann gute Parallelen zu den spätzeitlichen Anbringungen der Sedfestszene auf Kultpalästen zB. des Apries in Memphis hätte; s. Hawass, Funerary Establishments, S. 498f. dagegen: Altenmüller, in: MDAIK 28, 1972, S. 4 Anm. 22). Hawass denkt, dass im Südgrab die An-/Umkleideriten stattfanden, bevor der Herrscher seinen Sedfestlauf im nördlichen Hof vollzog. Da das Südgrab wie Altenmüller richtig feststellt aber verschlossen und unzugänglich war, entfallen Parallelsetzungen mit den zugänglichen Kultpyramiden, die Hawass ebenfalls im Sedfestkontext sehen will. Keine der Sedfest-Ikonen war also zugänglich und daher auch nicht als "realer" Dekor zu denken, der von Zuschauern (im Südgrab?)  "gelesen" wurde.
Amenophis III. dekoriert seinen Zentralbau von Soleb, der innerhalb einer äusseren Umgassungsmauer lag (die Szenen befinden sich "on the west face of the north wing of the pylon and on the north face of the north side of the gateway between the court and the outer hypostyle" s. PM VII, S. 168 (7) und Gohary, op.cit. S. 11 und Breasted, AJSL XXV, 1908, S. 89ff.). Wie bei Osorkon ist also der Durchgang hier mit Sedfestszenen dekoriert worden. Auch hier ist der direkte Bezug zum "Volk" nicht gegeben, ist doch der erste Hof bereits "Sperrzone" für nicht-Zutrittberechtigte.
Das Vorkommen von Sedfestszenen im  Grab des Cheruef (s. Fakhry, in: ASAE 42, 1943, S. 447ff.) ist insofern nicht überraschend als dieser Mann Kammerherr der Teje, Königsbote und  war und daneben die zentrale Rolle in den Sedfestrituaolen als "Vorlesepriester" spielte. Er war offenbar besonders intensiv in der "Recherche" nach originalen Festabläufen involviert, denn er sagt selbst, dass der König "entsprechend alter Dokumente" das Fest zelebriert habe. Er bildet auch logischerweise nur die Szenen ab, in denen er selbst agierte. Er dokumentiert sozusagen nur Ausschnitte aus seinem Amtbereich, und begeht damit keineswegs ein Sakrileg (Auch in den Grabanlagen anderer hoher Beamter, die mit dem Sedfest zu tun hatten sind Sedfest-Szenen erhalten, zB. Amenophis sa Hapu und Khaemhat (TT 57), der auch von Cheruef als "Koordinator" des Festes bezeichnet wird; Urk. IV, 1867, S. 15-16).
Auch bei Echnaton waren die Szenen des Sedfests im Großen Atontempel von Karnak (Gem pa Aton) im Innenbereich des Tempelhofes angebracht und somit nicht der Öffentlichkeit zugänglich (vgl. J. Gohary, Akhenaten's Sedfestival at Karnak, London-NY 1992, S. 34ff.). Die Szenen selbst geben an, dass der König im Palast Ankleiderituale vollzog, danach mit Militär und Priestereskorte zum Tempel zog und dort einen Großteil der Rituale vollzog (einen genauen Festverlauf des Sedfestes bei Osorkon findet man bei Barta, in: SAK 6, 1978, S. 25-53). Auch hier handelt es sich nicht um ein publikes Ereignis.
Osorkons "Festival Gate" (s. Barta, Sedfest-Darstellungen Osorkons II., in: SAK 6, 1978, S. 25-53) war - wie bei Soleb - in die Mauer zwischen Hypostyl und äußerem Hof eingelassen (so jedenfalls nach Naville, Festival Hall, S. 2f.). Auch hier war also das Motiv nur den wab-Priestern und den übrigen Tempelbediensteten zugänglich.

Grundsätzlich ist beim Thema "Öffentlichkeitsbezug von Ritualhandlungen" zu bedenken:
Die Feste werden grundsätzlich an "heiligen Orten" begangen, d.h. in Tempeln, Ritualpalast und Grab (Gundlach, Tempelfeste und Etappen der Königsherrschaft in der der 18. Dynastie, in: ÄAT 33,2, 1998, S. 56). Die Prozession und das Zusammentreffen mit den Zuschauern war also nie eigentlicher Zweck einer Festhandlung, sondern immer nur Begleiterscheinung. Auch das reale Sedfest des Königs dürfte "hinter verschlossenen Türen" im geheimen Bereich des Palastes vollzogen worden sein.


zusammengestellt von: Gast A.

Eingestellt durch: semataui (07.11.2003)
Bearbeitet durch:  semataui (07.11.2003), manetho (18.12.2003), Udimu (17.08.2004)
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